Polizeigesetz für Baden-Württemberg

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8. Durchsetzung von Polizeiverordnungen

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Der bloße Erlass einer PolVO genügt in der Regel nicht für die wirksame Bekämpfung der Gefahren, deren Abwehr sie dient. Daher sollte die Umsetzung der PolVO von der Ortspolizeibehörde in enger Zusammenarbeit mit dem PVD sorgfältig geplant und durchgeführt werden. Hierfür ist zunächst die Information der Öffentlichkeit und derjenigen, an die sich die Vorschriften in erster Linie richten, erforderlich. Die Information sollte sich nicht auf den Inhalt der Vorschriften und die Sanktionen bei Zuwiderhandlungen beschränken, sondern vor allem auch Hinweise zur Zielrichtung und zum Schutzzweck der Vorschriften umfassen, um deren Akzeptanz zu erhöhen.

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Nach Abschluss der „Informationsphase“ sollten, abgesehen von schwereren Fällen, im Rahmen des das Ordnungswidrigkeitenrecht beherrschenden Opportunitätsprinzips zunächst Verwarnungen ohne Verwarnungsgeld (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 OWiG) erteilt werden, um die Betroffenen mit einem gewissen Nachdruck, aber noch ohne Sanktionen auf die neuen oder geänderten Vorschriften hinzuweisen. Im Anschluss daran sollten jedoch die gegebenen Sanktionsmöglichkeiten konsequent angewandt werden, um den mit dem Erlass der PolVO verfolgten Zweck zu erreichen. Im Übrigen wird auf § 26, RN 14 u. 15 verwiesen.

§ 18 (§ 10 a a. F.) Ermächtigung zum Erlass örtlicher Alkoholkonsumverbote

(1) Die Ortspolizeibehörden können durch Polizeiverordnung untersagen, an öffentlich zugänglichen Orten außerhalb von Gebäuden und Außenbewirtschaftungsflächen von Gewerbebetrieben, für die eine Erlaubnis oder Gestattung nach gaststättenrechtlichen Vorschriften vorliegt, alkoholische Getränke zu konsumieren oder zum Konsum im Geltungsbereich des Verbots mitzuführen, wenn

1. sich die Belastung dort durch die Häufigkeit alkoholbedingter Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder deren Bedeutung von der des übrigen Gemeindegebiets deutlich abhebt,

2. dort regelmäßig eine Menschenmenge anzutreffen ist,

3. dort mit anderen polizeilichen Maßnahmen keine nachhaltige Entlastung erreicht werden kann und

4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung alkoholbedingter Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu rechnen ist.

(2) Das Verbot soll auf bestimmte Tage und an diesen zeitlich beschränkt werden.

(3) Polizeiverordnungen nach Absatz 1 sind zu befristen.

Literatur: Braun, Hohe Hürden für zeitlich und örtlich begrenzte Alkoholkonsumverbote, BWGZ 2018, 76; Pöltl, Alkoholverbote im öffentlichen Raum – Grundlagen und Anwendung des neuen § 10 a PolG, VBlBW 2018, 221.

Inhaltsübersicht

1. Hintergrund und Ziel der Vorschrift

2. Zuständigkeit für den Erlass einer PolVO nach § 18

3. Zulässiger Inhalt einer PolVO nach § 18

4. Tatbestandsvoraussetzungen

1. Hintergrund und Ziel der Vorschrift

1

Die zum 8.12.2017 als § 10 a a. F. in Kraft getretene Norm ermöglicht es Städten und Gemeinden, durch PolVO den Konsum alkoholischer Getränke an sog. „Brennpunkten“ zu verbieten. Hierfür ist eine Spezialermächtigung erforderlich, weil entsprechende Konsumverbote im Bereich der Gefahrenvorsorge mangels einer abstrakten Gefahr nicht auf § 17 gestützt werden können (VGH BW, VBlBW 2010, 29). § 18 stellt strenge Anforderungen für den Erlass einer entsprechenden PolVO, sodass abzuwarten bleibt, inwieweit die Norm in der Praxis Anwendung finden wird. Als ungünstig wird daher angesehen, dass gleichzeitig mit der Einführung des § 18 § 3 a LadÖG aufgehoben wurde, der den Verkauf alkoholischer Getränke in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 05.00 Uhr verboten hatte – eine Regelung, die nach Erfahrungen in der Praxis tatsächlich zu einem Rückgang „alkoholbedingter Straftaten“ geführt hatte.

2. Zuständigkeit für den Erlass einer PolVO nach § 18

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Zuständig für den Erlass von PolVOen nach § 18 ist (abweichend von § 21) die Ortspolizeibehörde und dort der Gemeinderat (§ 44 Abs. 3 Satz 1 GemO). Anders als bei § 17 besteht kein Selbsteintrittsrecht der zur Fachaufsicht zuständigen Behörden (§ 22 Satz 2).

3. Zulässiger Inhalt einer PolVO nach § 18

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§ 18 gestattet es, durch PolVO zu untersagen, alkoholische Getränke zu konsumieren oder zum Konsum im Geltungsbereich des Verbots mit sich zu führen. Alkoholische Getränke sind Bier, Wein, weinähnliche Getränke oder Schaumwein oder Mischungen aus diesen Getränken mit einem Alkoholgehalt von mindestens 0,5 % Vol, nicht z. B. alkoholfreies Bier. Stets zulässig ist es, alkoholische Getränke zu erwerben und/oder mit sich zu führen, wenn diese nicht im Geltungsbereich der PolVO konsumiert werden sollen.

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Das Verbot kann nur für öffentlich zugängliche Orte ausgesprochen werden. Öffentlich sind Orte, die von jedermann oder nach allgemeinen Kriterien bestimmten Personen betreten werden können. Privatwohnungen sind vom örtlichen Anwendungsbereich damit ausgenommen. Hierdurch wird gewährleistet, dass Bewohner in ihrer freien Entfaltung nicht beeinträchtigt werden. Die Orte müssen zudem außerhalb von Gebäuden und von Außenbewirtschaftungsflächen von Gewerbebetrieben liegen, für die eine Erlaubnis oder Gestattung nach gaststättenrechtlichen Vorschriften vorliegt. In diesen Bereichen kann alkoholbedingten Störungen durch Auflagen nach §§ 2, 12 GastG begegnet werden, etwa durch Sperrzeitverlängerungen bis hin zum Widerruf der Schankerlaubnis (LT-Drucks 16/2741, 24).

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Die zeitliche Geltung einer PolVO nach § 18 soll auf bestimmte Tage und an diesen zeitlich beschränkt werden (Abs. 2). Die Auswahl der Zeiträume liegt im – gerichtlich voll überprüfbaren – Ermessen der Ortspolizeibehörde (§ 40 LVwVfG). Die Verbotswirkung muss auf Zeiten beschränkt werden, in denen erfahrungsgemäß mit alkoholbedingten Störungen zu rechnen ist, etwa zur Nachtzeit (z. B. 21.00 bis 05.00 Uhr) oder an bestimmten Wochentagen (z. B. Freitag und Samstag sowie vor Feiertagen).

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Nach Abs. 3 muss die PolVO zwingend befristet werden, andernfalls ist sie nichtig. Hier erscheint ein Geltungszeitraum von 2–3 Jahren angemessen. Auch vor Ablauf der Befristung muss die PolVO aufgehoben werden, sobald die Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 4 nicht mehr vorliegen, etwa weil sich die Szene verlagert hat. Eine Verlängerung der Geltungsdauer sieht das Gesetz nicht vor, allerdings kann im Bedarfsfall eine neue PolVO mit dem gleichen Inhalt erlassen werden.

4. Tatbestandsvoraussetzungen

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Eine PolVO nach § 18 darf für Gebiete erlassen werden, für die die vier aufgezählten Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

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1. Die Belastung des betroffenen Gebietes muss sich von der des übrigen Gemeindegebiets deutlich abheben („Brennpunkt“). Die besondere Belastung kann sich ergeben

– aus der Häufigkeit alkoholbedingter Straftaten oder OWi. Taten sind alkoholbedingt, wenn der Täter alkoholisiert war und der Alkoholkonsum eine, wenn auch nicht zwingend ihre einzige Ursache war (Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 30.3.2017 – 3 C 19/16 –, Rn. 21 zur vergleichbaren Norm in § 9 a Abs. 1 SächsPolG)

– oder aus deren Bedeutung. Wann dieses Merkmal bei Straftaten erfüllt ist, erhellt das Gesetz nicht. Gemeint dürfte die Schwere der Tat sein, die aber unterhalb der Schwelle der „erheblichen“ Bedeutung im Sinne von §§ 21 Abs. 8 Satz 2 und 22 Abs. 5 liegen muss. Bei Straftaten dürften v. a. Körperverletzung, Sachbeschädigung, Diebstahl, Raub und Erpressung in Betracht kommen. Zur Definition einer bedeutenden OWi s. § 44 Abs. 10.

Die Belastung muss sich von der des übrigen Gebietes deutlich abheben, was anhand einer Statistik nachzuweisen ist (hierzu § 58, RN 6). In die Beurteilung sind sowohl die absolute Anzahl der Taten als auch die relative Belastung im Vergleich zu den übrigen Gebieten der Gemeinde einzustellen. Nach der Gesetzesbegründung soll (objektiv) eine Schwelle von mindestens 50 alkoholbedingten Straftaten/Ordnungswidrigkeiten überschritten werden; eine deutliche (relative) Mehrbelastung soll in der Regel bei einer vier- bis fünffachen Belastung im Vergleich zur Vergleichsfläche erforderlich sein. Diese Anforderungen dürften in kleineren Gemeinden kaum je erfüllt sein.

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2. Im angezielten Gebiet muss regelmäßig eine Menschenmenge anzutreffen sein. Der Gesetzgeber will eine Menschenmenge bei mehr als 100 Menschen regelmäßig, bei zwischen 50 und 100 Menschen je nach Einzelfall annehmen. Diese Personenzahl muss sich im betroffenen Gebiet regelmäßig aufhalten. Bestimmte Tage und Uhrzeiten reichen aus, weil der zeitliche Anwendungsbereich der PolVO nach Abs. 2 beschränkt werden soll.

 

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3. Es darf nicht möglich sein, durch andere polizeiliche Maßnahmen eine nachhaltige Entlastung zu erreichen; die PolVO soll also das letzte Mittel darstellen (ultima ratio). Als solche anderen Maßnahmen kommen insbesondere Platzverweise und Aufenthaltsverbote in Betracht; diesen wiederum sollten Präventionsmaßnahmen vorausgehen wie z. B. verstärkte Polizeipräsenz vor Ort.

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4. Aufgrund von Tatsachen muss angenommen werden können, dass ohne die PolVO in deren Geltungsbereich auch in Zukunft alkoholbedingte Taten begangen werden. Das Gebiet muss voraussichtlich auch in Zukunft Brennpunkt bleiben, also weiterhin besonders belastet sein.

§ 19 (§ 11 a. F.) Inhalt

Polizeiverordnungen dürfen nicht mit Gesetzen oder mit Rechtsverordnungen übergeordneter Behörden in Widerspruch stehen.

Inhaltsübersicht

1. Rangordnung der Rechtsnormen

2. Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts

3. Vorrang des Bundesrechts

4. Vorrang innerhalb des Landesrechts

5. Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften und Weisungen

1. Rangordnung der Rechtsnormen

1

§ 19 bringt den Grundsatz des Vorranges der ranghöheren Rechtsnorm zum Ausdruck. Innerhalb der Rechtsordnung besteht eine Normenhierarchie in dem Sinne, dass die ranghöhere Rechtsvorschrift (Rechtsnorm) den Vorrang hat und im Falle eines inhaltlichen Widerspruchs (Kollision) die Rechtsnorm niedereren Ranges nichtig ist (vgl. § 24 Abs. 2 2. Hs.). Die ranghöhere Rechtsnorm kann jedoch Abweichungen oder Ergänzungen, z. B. strengere oder weitergehende Regelungen, ausdrücklich zulassen (s. dazu § 17, RN 21). In diesem Fall liegt kein Widerspruch i. S. d. § 19 vor.

2. Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts

2

Zu den Gesetzen i. S. d. § 19 gehören auch die unmittelbar geltenden Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere der AEU-Vertrag und die Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft, die Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht haben. Bedeutung kann beim Erlass von PolVOen z. B. das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEU erlangen. Bei einem Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht ist die PolVO nichtig.

3. Vorrang des Bundesrechts

3

Nach Art. 31 GG hat das gesamte Bundesrecht (Grundgesetz, allgemeine Regeln des Völkerrechts i. S. v. Art. 25 GG, Bundesgesetze, bundesrechtliche Rechtsverordnungen, sonstiges Bundesrecht) den Vorrang vor dem gesamten Landesrecht einschließlich der Landesverfassung. Eine PolVO ist nichtig, soweit sie zu einer Vorschrift des Bundesrechts in Widerspruch steht. Sie darf z. B. keine Grundrechte verletzen (s. die Erläuterungen zu § 4) und keine inhaltlich von einer bundesrechtlichen Vorschrift abweichende Regelung treffen. Ein Widerspruch zum Bundesrecht liegt auch dann vor, wenn das Bundesrecht zwar nicht die in der betreffenden PolVO geregelte Frage behandelt, aber dasjenige Sachgebiet, dem die in der PolVO getroffene Regelung zuzuordnen ist, insgesamt abschließend regelt und deshalb keinen Raum für ergänzende landesrechtliche Regelungen lässt (s. auch § 17, RN 19 f.).

4. Vorrang innerhalb des Landesrechts

4

Innerhalb des bad.-württ. Landesrechts ist die Landesverfassung die ranghöchste Rechtsnorm des geschriebenen Rechts. Ihr folgen in der Rangordnung die förmlichen, vom Landtag beschlossenen Gesetze. Darunter stehen die von Stellen innerhalb des Landes Baden-Württemberg aufgrund einer bundes- oder landesgesetzlichen Ermächtigung (Art. 80 Abs. 1 GG, Art. 61 Abs. 1 VerfBW) erlassenen Rechtsverordnungen, zu denen auch die PolVOen gehören. Innerhalb der Rechtsverordnungen haben die von höheren Stellen erlassenen den Vorrang. So hat z. B. die Rechtsverordnung eines Ministeriums den Vorrang vor der Rechtsverordnung eines Regierungspräsidiums und die PolVO einer Kreispolizeibehörde den Vorrang vor der PolVO einer Ortspolizeibehörde. Ein Verstoß gegen eine Norm dieser Hierarchieebenen macht die PolVO nichtig.

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Auf der untersten Stufe der landesrechtlichen Normenhierarchie stehen die kommunalen (vgl. §§ 4 und 142 GemO und §§ 3 und 61 LKrO) und sonstigen Satzungen. Sie gehen den Rechtsverordnungen stets im Range nach, ohne dass es darauf ankommt, von welcher Stelle sie erlassen worden sind. Die PolVO einer Ortspolizeibehörde hat also den Vorrang vor einer Satzung der Gemeinde und des Landkreises. Wegen der unterschiedlichen Regelungsbereiche von PolVOen und kommunalen Satzungen kommen Überschneidungen nur selten vor, z. B. bei Regelungen, die der Abwehr von Gefahren bei der Benutzung kommunaler Einrichtungen dienen (zur Abgrenzung zwischen einer PolVO der Ortspolizeibehörde und einer Benutzungssatzung der Gemeinde s. VGH BW, NWwZ 2000, 457).

5. Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften und Weisungen

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Rechtsnormen aller Rangstufen (s. RN 1–5) haben den Vorrang vor Verwaltungsvorschriften, Erlassen und sonstigen Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde ohne Rechtsnormcharakter. Verstößt also eine PolVO gegen Verwaltungsvorschriften oder gegen Weisungen der Fachaufsichtsbehörden, z. B. gegen die Weisung, eine PolVO nicht zu erlassen oder ihr einen bestimmten Inhalt zu geben, so ist ein solcher Verstoß zwar pflichtwidrig, führt aber nicht zur Nichtigkeit der PolVO, sondern ggf. zur Aufhebung nach § 24 Abs. 2 1. Hs. (s. § 24, RN 5). Bis zu ihrer Aufhebung ist die PolVO gültig.

§ 20 (§ 12 a. F.) Formerfordernisse

(1) Polizeiverordnungen müssen

1. die Rechtsgrundlage angeben, die zu ihrem Erlaß ermächtigt,

2. die erlassende Behörde bezeichnen und

3. darauf hinweisen, daß die nach § 23 erforderliche Zustimmung erteilt worden ist.

(2) Polizeiverordnungen sollen

1. eine ihren Inhalt kennzeichnende Überschrift tragen,

2. in der Überschrift als Polizeiverordnung bezeichnet sein und

3. den Tag bestimmen, an dem sie in Kraft treten.

(3) Fehlt eine Bestimmung über das Inkrafttreten, so tritt die Polizeiverordnung mit dem vierzehnten Tag nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem sie verkündet worden ist.

Inhaltsübersicht

1. Zwingende Formerfordernisse (Abs. 1)

2. Soll-Erfordernisse (Abs. 2 und 3)

3. Änderungs- und Aufhebungsverordnungen

4. Ausfertigung und Verkündung von Polizeiverordnungen

5. Kommunalrechtliche Heilungsvorschriften

1. Zwingende Formerfordernisse (Abs. 1)

1

Abs. 1 legt zwingende Formerfordernisse für PolVOen fest, deren Verletzung zur Nichtigkeit der PolVO führt. Ein Verstoß kann nicht durch den Verordnungsgeber nachträglich geheilt werden. Eine gesetzliche Heilungsvorschrift, durch die Verstöße gegen Abs. 1 erfasst werden, besteht nicht (s. RN 20–22). Deshalb muss ein völliger Neuerlass der PolVO erfolgen.

2

Nach Nr. 1 muss jede PolVO die Rechtsgrundlage angeben, die zu ihrem Erlass ermächtigt. Dies ist keine Besonderheit für PolVOen, sondern ein zwingendes Formerfordernis für sämtliche Rechtsverordnungen nach Bundesrecht (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG) und nach Landesrecht (Art. 61 Abs. 1 Satz 3 VerfBW). Nr. 1 enthält daher keine konstitutive Regelung, sondern wiederholt nur das auch für PolVOen geltende Zitiergebot der Verfassung. Bei PolVOen, die aufgrund des PolG erlassen werden, ist als Rechtsgrundlage § 17 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 anzugeben, da beide Vorschriften zusammen die Generalermächtigung zum Erlass von PolVOen enthalten. Soll eine PolVO mit Bußgeldvorschriften bewehrt werden, so muss auch § 26 Abs. 1 als Rechtsgrundlage angegeben werden (s. auch § 26, RN 2), da die Bußgeldvorschriften hierauf beruhen. § 17 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 ermächtigt nur zum Erlass von materiellen Gebots- und Verbotsnormen, nicht aber zur Festlegung von Sanktionen für Zuwiderhandlungen (s. auch § 17, RN 10, und § 26, RN 2). Die Angabe der Rechtsgrundlage sollte in der Eingangsformel erfolgen, die zwischen der Überschrift und dem Text der PolVO einzufügen ist („Aufgrund von … wird verordnet:“ oder „wird folgende Polizeiverordnung erlassen:“). Eine andere Zitierweise wäre im Hinblick auf die ständige Praxis der Verordnungsgeber in Bund und Ländern mit einem erheblichen rechtlichen Risiko verbunden.

3

Beruht eine PolVO auf mehreren Rechtsgrundlagen, z. B. auf der Generalermächtigung und gleichzeitig auf einer der in § 17, RN 2 genannten Spezialermächtigungen, so müssen sämtliche Rechtsgrundlagen angegeben werden, wobei es nicht erforderlich (BVerfGE 101, 1, 42) und wegen der damit verbundenen Gefahr von Fehlern auch nicht ratsam ist, die einzelnen Vorschriften der PolVO einer bestimmten Ermächtigungsgrundlage zuzuordnen.

4

Ist die einschlägige Ermächtigungsnorm nicht angegeben, so ist die PolVO nichtig (BVerfGE 101, 1, 43, und VGH BW, VBlBW 1985, 385 m. w. N.). Da die Nichtangabe als solche zur Nichtigkeit führt, reicht es nicht aus, dass eine die PolVO tragende Ermächtigungsnorm vorhanden ist (VGH BW 2013, 27). Unschädlich ist es dagegen, wenn neben der einschlägigen Ermächtigungsnorm eine andere, nicht zutreffende Vorschrift als Rechtsgrundlage angegeben ist. Nur teilweise nichtig ist eine PolVO dann, wenn für einen Teil ihrer Vorschriften die einschlägige Rechtsgrundlage angegeben ist und dieser Teil für sich allein noch eine sinnvolle Regelung darstellt. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Angabe des § 26 Abs. 1 als Rechtsgrundlage für eine Bußgeldvorschrift fehlt. Dann können die materiellen Vorschriften der PolVO im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt, Verstöße aber nicht als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Zur Teilnichtigkeit s. VGH BW, VBlBW 1993, 99 m. w. N.

5

Nach Nr. 2 muss jede PolVO die erlassende (Polizei-)Behörde bezeichnen. Auch dies ist keine Besonderheit von PolVOen, da alle Rechtsverordnungen wie auch alle sonstigen Hoheitsakte ihren verantwortlichen Urheber erkennen lassen müssen. An welcher Stelle der PolVO die Bezeichnung der erlassenden Polizeibehörde erfolgt, ist nicht vorgeschrieben. Es ist jedoch zweckmäßig und üblich, die erlassende Polizeibehörde in der Überschrift der PolVO anzugeben. Dabei muss die korrekte Bezeichnung der Polizeibehörde verwendet werden, z. B. „PolVO der Ortspolizeibehörde X. über …“. Zulässig ist auch die Formulierung „PolVO der Gemeinde X. als Ortspolizeibehörde“. Ist eine Behörde zugleich Orts- und Kreispolizeibehörde (s. § 107, RN 10), hängt die zu verwendende Bezeichnung davon ab, in welcher Eigenschaft sie die PolVO erlässt (s. auch § 21, RN 4). Bei gemeinsamen PolVOen mehrerer Polizeibehörden (s. § 21, RN 5 u. 6) müssen sämtliche beteiligten Polizeibehörden als erlassende Behörden bezeichnet werden. Es genügt nicht, wenn eine der beteiligten Polizeibehörden „im Einvernehmen mit“ oder „mit Zustimmung“ der anderen handelt.

 

6

Soweit nach § 23 die Zustimmung einer kommunalen Vertretungskörperschaft zum Erlass einer PolVO erforderlich ist, muss die PolVO nach Nr. 3 darauf hinweisen, dass diese Zustimmung erteilt worden ist. Es reicht aus, wenn auf die Tatsache der Erteilung der Zustimmung hingewiesen wird. Es ist jedoch üblich, auch das Datum des Zustimmungsbeschlusses anzugeben. Zweckmäßigerweise erfolgt die Angabe in der Eingangsformel.

Beispiel: „Aufgrund von § 117Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und § 26 Abs. 1 des Polizeigesetzes (PolG) in der Fassung vom 6. Oktober 2020 (GBl. S. 735, ber. S. 1092) wird mit Zustimmung des Gemeinderates vom … folgende PolVO erlassen:“.

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