Polizeigesetz für Baden-Württemberg

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7. Mehrere Verantwortliche

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Im Rahmen des § 7 können für ein und dieselbe Gefahr mehrere Eigentümer, mehrere Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder Eigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt nebeneinander verantwortlich sein. Wen die Polizei aus Ex-ante-Sicht tatsächlich heranzieht – alle oder nur einzelne –, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Weitere Einzelheiten, insb. zum obersten Auswahlkriterium der effektiven Gefahrenabwehr, s. o. § 6, RN 21 f.

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Das gilt auch, wenn Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit zusammentreffen. Es besteht zwischen § 6 und § 7 also kein Rangverhältnis in der Weise, dass der Verhaltensstörer stets vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen wäre (VGH BW, VBlBW 1995, 281; 1996, 221, 222; 2001, 281, 283; 2002, 73; VGH BW, Urt. v. 24.1.2012 – 10 S 1467/11). Bestehen etwa Zweifel an der Verantwortlichkeit des Verhaltensstörers, ist dieser nicht bekannt oder bereitet diesem die Gefahrenabwehr Schwierigkeiten, kann primär der Zustandsverantwortliche herangezogen werden. Aus Billigkeitserwägungen kann zudem der Doppelstörer, der also zugleich Verhaltens- und Zustandsstörer ist (s. u. RN 17), vor dem Einfachstörer heranzuziehen sein (VGH Kassel, UPR 1995, 198, 199).

In den übrigen Fällen ist es ermessensgerecht, wenn sich die Polizei in erster Linie an den Verhaltensverantwortlichen wendet (VGH München, DVBl. 1986, 1283; VGH Kassel, NVwZ-RR 1989, 137), vor allem dann, wenn es lediglich um die Heranziehung zur Kostenerstattung geht (VGH BW, NVwZ-RR 1992, 350). Diese Grundsätze gelten auch für die Heranziehung zu den Abschleppkosten, wenn Halter und Fahrer nicht identisch sind (OVG Koblenz, NJW 1986, 1369).

Eine ermessensfehlerhafte Störerauswahl führt zur Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme.

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Im Falle der Störermehrheit ist bei der Auswahlentscheidung zwischen der Heranziehung zur effektiven Gefahrenabwehr auf „primärer Ebene“ (s. o. RN 14 f.) und der aus Ex-post-Sicht vorzunehmenden gerechten Lastenverteilung der Polizeikosten, etwa in Folge einer Ersatzvornahme, auf „sekundärer Ebene“ zu unterscheiden. Die Auswahlkriterien müssen hierbei aber nicht zwangsläufig identisch sein (VGH BW, Urt. v. 24.1.2012 – 10 S 1467/11; Urt. v. 18.12.2012 – 10 S 744/12).

Zur Ausgleichspflicht unter mehreren Verantwortlichen s. o. § 6, RN 22.

8. Verhältnis von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit in einer Person

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Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit können in unterschiedlicher Weise miteinander konkurrieren. So kann eine Person hinsichtlich derselben Gefahr sowohl Verhaltens- als auch Zustandsstörer sein.

Beispiel: Der Gehilfe des Landwirts L macht auf dessen Wiese bei einer Zugmaschine einen Ölwechsel. Für die vom Erdreich ausgehenden Gefahren ist L nach § 6 Abs. 3 und § 7 verantwortlich.

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Möglich ist auch, dass eine Person mit einer Handlung mehrere Gefahren verursacht, und zwar als Verhaltens- und als Zustandsstörer.

Beispiel: Macht L im vorhergehenden Fall den Ölwechsel selbst, so ist er für die Verunreinigung des Grundstücks nach § 7 und für das unbefugte Ablassen des Öls nach § 6 Abs. 1 verantwortlich.

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Benutzt eine Person eine ihr selbst oder die einem anderen gehörende Sache lediglich als Werkzeug, so kommt nur die Verantwortlichkeit nach § 6 Abs. 1 zum Tragen.

Beispiel: Wenn Hooligans mit Fahnenstangen aufeinander losgehen, sind sie nur nach § 6 Abs. 1 verantwortlich.

Verantwortlich für Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung ist nur der Fahrer, nicht aber der personenverschiedene Halter.

Verliert die Sache ihre Eigenschaft als Werkzeug und stellt sie eine eigenständige Gefahr dar, z. B. durch ihre Lage im Raum, so kann die Zustandsverantwortlichkeit wiederaufleben.

Beispiel: Der Halter eines Kfz ist zwar nicht für die Verkehrsverstöße des Fahrers verantwortlich, wohl aber nach § 7, wenn sich aus der Lage des Fahrzeugs im Raum eine Gefahr ergibt (VGH BW, VBlBW 1990, 257 mit zutreffender Anmerkung von Funke-Kaiser).

§ 8 Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme

(1) 1Die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei ist nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§ 6 und 7 bezeichneten Personen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. 2Die von der Maßnahme betroffene Person ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) 1Entstehen der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die in den §§ 6 und 7 bezeichneten Personen zu deren Ersatz verpflichtet. 2Die Kosten können im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden.

Literatur: Gaul, Die Rechtsgrundlagen für das Abschleppen von Kraftfahrzeugen, VBlBW 1996, 1; Martensen, Kostentragungspflicht des Störers nach unmittelbarer Ausführung – illustriert am Beispiel der „Abschleppfälle“ – VBlBW 1996, 81; Pietzner, Unmittelbare Ausführung als fiktiver Verwaltungsakt, VerwArch Bd. 82 (1991), 291; Schäfer, Zur Rechtsnatur der unmittelbaren Ausführung nach Art 9 Abs 1 PAG – Verwaltungsakt oder Realakt?, BayVBl. 1989, 742; Schmitt-Kammler, Die Sofortbefugnisse im Polizei- und Ordnungsrecht, NWVBl. 1989, 389; Stephan, Zur Rechtsnatur von Rettungsmaßnahmen der Polizei, VBlBW 1985, 121; Weber, Das Bundesverwaltungsgericht, das mobile Halteverbot und die Abschleppkosten, NZV 2019, 399.

Inhaltsübersicht

1. Wesen, Anwendungsbereich

2. Zulässigkeitsvoraussetzungen (Abs. 1 Satz 1)

3. Ausführung durch die Polizei oder deren Beauftragte (Abs. 1 Satz 1)

4. Benachrichtigung des Betroffenen (Abs. 1 Satz 2)

5. Kostenersatz (Abs. 2)

6. Rechtsschutz

1. Wesen, Anwendungsbereich

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Das Polizeigesetz geht von dem Grundsatz aus, dass primär der Verantwortliche (§§ 6, 7) zur Gefahrenabwehr herangezogen wird. Hiervon macht § 8 eine Ausnahme: unter den dort genannten Voraussetzungen kann die Polizei selbst die an sich dem Pflichtigen obliegende Gefahrenabwehrhandlung vornehmen, allerdings ist dieser zum Kostenersatz verpflichtet.

Beispiel: Auf einem Autobahnparkplatz werden Fässer mit zweifelhaftem Inhalt entdeckt. Die Polizei veranlasst den Abtransport und zieht den später ermittelten Verursacher zu den Kosten heran.

2

Die früher vertretene Auffassung, die unmittelbare Ausführung sei ein (adressatloser) Verwaltungsakt, kann heute als überholt gelten. Nach h. M. ist sie als tatsächliches Handeln, als eingreifender Realakt zur Gefahrenabwehr (s. o. § 3, RN 17 ff.) zu qualifizieren. Weil die unmittelbare Ausführung ein intensiverer Eingriff als der Erlass einer Verfügung ist, bedarf es einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage (s. o. § 3, RN 19). Diese ist § 8 Abs. 1 und nicht die „gedachte Polizeiverfügung“ (s. u. RN 6), denn Letztere ermächtigt nicht zur tatsächlichen Ausführung der Maßnahme durch die Polizei (str.). Demgegenüber ist der Bescheid, mit dem die Kosten der unmittelbaren Ausführung angefordert werden (Abs. 2), als Verwaltungsakt anzusehen. Zum Rechtsschutz s. u. RN 22 f.

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§ 8 erlangt in der Praxis vor allem beim Abschleppen von Kraftfahrzeugen Bedeutung, und zwar dann, wenn ein Ge- oder Verbot – eventuell vermittelt durch ein Verkehrszeichen – nicht ergeht.

Beispiel: Ein Kraftfahrzeug steht behindernd auf dem Gehweg. Da der Fahrer nicht erreichbar ist, veranlasst ein Polizeibeamter das Abschleppen des Fahrzeugs.

Es ist allerdings zu beachten, dass nicht jedes Abschleppen von Kraftfahrzeugen eine unmittelbare Ausführung darstellt. Abschleppmaßnahmen können auch sein: die zwangsweise Durchsetzung eines zuvor erlassenen Verwaltungsakts (Ersatzvornahme, s. u. § 63, RN 51), eine Sicherstellung (s. u. § 37, RN 2) oder eine Beschlagnahme (s. u. § 38, RN 2 f.).

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Spezielle Rechtsgrundlagen für eine unmittelbare Ausführung einer Maßnahme sind z. B. § 19 BPolG, § 28 WaStrG, § 16 Abs. 8 Satz 2 StrG (vgl. VGH BW, DÖV 2007, 661, 663); § 42 Satz 2 StrG, § 31 Abs. 2 BestattG (vgl. VGH BW, NVwZ-RR 2000, 189) und § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG (vgl. VGH BW, VBlBW 2007, 228; VG Karlsruhe, Beschl. v. 5.5.2008 – 11 K 645/08).

 

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Die unmittelbare Ausführung muss strikt von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung, insbesondere von der Ersatzvornahme, unterschieden werden. Mit Letzterer ist die unmittelbare Ausführung zwar in ihrem äußeren Erscheinungsbild vergleichbar, allerdings geht Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung in Baden-Württemberg immer ein Verwaltungsakt voraus, was bei der unmittelbaren Ausführung, die nicht als Institut des Vollstreckungsrechts angesehen werden kann, nicht der Fall ist.

2. Zulässigkeitsvoraussetzungen (Abs. 1 Satz 1)

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Zunächst müssen – als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen geprüft werden, die bei einer Verfügung gegen den Störer – wäre er erreichbar – vorliegen müssten (Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der gedachten Polizeiverfügung), denn die Polizei darf selbst nur das ausführen, wozu im Ergebnis auch der Störer verpflichtet gewesen wäre. Diese Voraussetzungen bestimmen sich entweder nach einer speziellen Ermächtigungsgrundlage oder nach den §§ 3, 1 Abs. 1.

Beispiel: Das Abschleppen eines Kraftfahrzeugs (Freimachen des Gehweges) im Wege der unmittelbaren Ausführung ist nur zulässig, wenn eine auf das gleiche Ziel gerichtete Polizeiverfügung gegen den Störer („Machen Sie mit Ihrem Fahrzeug den Gehweg frei“ – § 36 StVO) zulässigerweise hätte erlassen werden dürfen.

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Außerdem ist die unmittelbare Ausführung nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck (die Abwehr der Gefahr) durch Maßnahmen gegen den Störer oder gegen einen von mehreren Störern (§ 9 wird nicht genannt!) nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann, d. h., wenn Gefahrenabwehr durch Erlass einer an den Störer gerichteten Polizeiverfügung und gegebenenfalls deren Vollstreckung, nicht möglich ist. Die Abwehr der Gefahr durch den Störer aufgrund eines polizeilichen Ge- oder Verbots ist also vorrangig (VGH, VBlBW 1993, 298, 299). Der VGH BW (VBlBW 1996, 32, 33) lässt es genügen, dass diese Subsidiarität nur hinsichtlich der Person, die durch die unmittelbare Ausführung in Anspruch genommen wird, vorliegen muss.

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Nicht erreicht werden kann der polizeiliche Zweck, wenn z. B. der Störer nicht bekannt oder zwar bekannt ist, eine Polizeiverfügung und gegebenenfalls deren Vollstreckung aber nicht zum Erfolg führen würde. Gibt es überhaupt keinen Störer (z. B. bei einer Gefahr, die von einer herrenlosen Sache ausgeht), so ist die Gefahrenabwehr durch die Polizei zwar ein tatsächliches Handeln, aber keine unmittelbare Ausführung, die immer ein Handeln anstelle eines Störers ist. Nicht rechtzeitig kann der polizeiliche Zweck erreicht werden, wenn zwar der Erlass einer Polizeiverfügung gegen den Störer möglich wäre, sich bis dahin aber die Gefahr ganz oder teilweise verwirklicht hätte, sodass ein sofortiges polizeiliches Handeln geboten ist.

Beispiel: In den meisten Abschleppfällen kann der Fahrer und Halter nach einiger Zeit ermittelt und eine Verfügung erlassen werden. Zur Vermeidung von Verkehrsbehinderungen ist jedoch häufig ein sofortiges Handeln notwendig, sodass eine unmittelbare Ausführung zulässig ist.

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Da die Polizei mit der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme nur das ausführt, was sie sonst dem Verantwortlichen durch Verfügung aufgegeben hätte (Identität von „geschuldeter“ und unmittelbar ausgeführter Handlung), kann die unmittelbare Ausführung nur bei vertretbaren Handlungen zum Zuge kommen.

Beispiel: Statt der Anordnung „Entfernen Sie Ihr Fahrzeug“ (vertretbare Handlung), entfernt die Polizei bei der unmittelbaren Ausführung selbst. Das Gebot, das Absingen nationalsozialistischer Lieder zu unterlassen (unvertretbar) kann nicht durch die unmittelbare Ausführung ersetzt werden.

Da das durch die Standardmaßnahmen (§§ 27 ff.) aufgegebene Verhalten i. d. R. unvertretbar ist, scheidet bereits aus diesem Grund eine unmittelbare Ausführung aus. Außerdem bedarf es der Heranziehung des § 8 Abs. 1 nicht, weil die Befugnis zur tatsächlichen Vornahme der Standardmaßnahme bereits in den § 27 ff. enthalten ist.

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Aus dem Wesen der unmittelbaren Ausführung folgt auch, dass Rettungsmaßnahmen keine unmittelbare Ausführung sein können, mit der Konsequenz, dass der Gerettete von der Polizei nicht zu den Rettungskosten nach Abs. 2 herangezogen werden kann (s. u. RN 16).

Beispiel: Die Maßnahmen zur Rettung von eingeschlossenen Höhlenforschern (z. B. Heranziehen von auswärtigen Tauchern und von teurem Suchgerät) sind nicht identisch mit der „geschuldeten“ Handlung, die Höhle zu verlassen (a. A. VGH BW, VBlBW 1984, 20, 21).

3. Ausführung durch die Polizei oder deren Beauftragte (Abs. 1 Satz 1)

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Nach Abs. 1 darf nur die Polizei eine Maßnahme unmittelbar ausführen, nicht aber „andere Stellen“ i. S. des § 2 Abs. 1 oder andere Verwaltungsbehörden. Welche Behörde bzw. welche Polizeidienststelle im Einzelfall zuständig ist, bestimmt sich zunächst nach speziellen Zuständigkeitsvorschriften (z. B. § 50 LBO, § 80 ff. WG), ansonsten nach dem Polizeigesetz (§ 105, § 111 ff., § 120 ff.).

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Die Polizei kann sich bei der unmittelbaren Ausführung auch eines (regelmäßig vertraglich) beauftragten Dritten als Verwaltungshelfer (z. B. privater Abschleppunternehmer) bedienen, sofern damit nicht unverhältnismäßige Mehrkosten für den Störer verbunden sind.

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Für die Ausführung selbst gelten, wie für jede sonstige polizeiliche Maßnahme, die allgemeinen rechtlichen Anforderungen. So hat die Polizei ihr Ermessen fehlerfrei auszuüben und die dort bestehenden rechtlichen Grenzen (s. o. § 3, RN 24 ff.) zu beachten.

4. Benachrichtigung des Betroffenen (Abs. 1 Satz 2)

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Der von der unmittelbaren Ausführung Betroffene ist unverzüglich zu unterrichten. Betroffener ist regelmäßig der Störer, eventuell aber auch andere Personen, deren rechtliche Interessen durch die Maßnahme berührt werden. Die Unterrichtung muss unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) erfolgen. Gestaltet sich die Ermittlung des Störers schwierig, kann selbst eine Benachrichtigung nach mehreren Wochen oder Monaten noch unverzüglich sein. Eine bestimmte Form ist für die Unterrichtung, die keine Regelung enthält und somit kein Verwaltungsakt ist, nicht vorgeschrieben, ebenso wenig braucht eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt zu werden.

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Unterbleibt die Unterrichtung ganz oder erfolgt sie nicht unverzüglich, so hat dies in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der unmittelbaren Ausführung keine Folgen. Möglich ist aber, dass ein derartiges Unterlassen einen Schaden herbeiführt, zu dessen Ersatz die Polizei verpflichtet sein kann.

5. Kostenersatz (Abs. 2)

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§ 8 Abs. 2 ist Ermächtigungsgrundlage für einen Verwaltungsakt, nämlich für einen Kostenbescheid über die anlässlich der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme entstandenen Kosten.

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Eine Pflicht zur Erstattung der Kosten besteht nur, wenn das Tätigwerden der Polizei überhaupt als unmittelbare Ausführung anzusehen ist, was z. B. bei Rettungsmaßnahmen verneint werden muss (s. o. RN 9). Werden bei diesen z. B. die Feuerwehr oder Rettungsdienste herangezogen, können diese Kosten erheben, sofern eine entsprechende Rechtsgrundlage vorhanden ist (vgl. § 34 FwG). Außerdem muss die unmittelbare Ausführung formell und materiell rechtmäßig gewesen sein. Es müssen also vor allem die Voraussetzungen der gedachten Verfügung und die des Abs. 1 Satz 1 vorliegen (VGH BW, VBlBW 2004, 213).

Beispiel: Die Polizeibehörde hat ein Grundstück im Wege der unmittelbaren Ausführung saniert. Die Kosten hierfür können von A nicht verlangt werden, wenn er im Zeitpunkt der Sanierung nicht Störer war (vgl. VGH BW, VBlBW 2002, 161).

Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der unmittelbaren Ausführung, so geht dies zu Lasten der Polizei (materielle Beweislast), d. h., die Kosten können nicht verlangt werden (zweifelhaft: VGH BW, VBlBW 2002, 161, 162).

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Über den Umfang der zu ersetzenden Kosten (zu diesem Begriff s. u. § 127, RN 5) enthält Abs. 2 keine Aussage. Folgt man der Meinung, dass die Ersatzpflicht nur die Kosten umfasst, die durch die unmittelbare Ausführung verursacht worden sind, so gehören dazu nicht die unmittelbaren Ausgaben (z. B. Dienstbezüge oder Anschaffungskosten für Fahrzeuge), da diese ohnehin entstehen. Damit wäre jedoch der nicht erreichbare Störer im Fall des § 8 bessergestellt als der erreichbare Störer im Fall der Ersatzvornahme, weil Letzterer bei der Selbstvornahme gem. § 6 LVwVGKO (pauschaliert) zu den unmittelbaren Ausgaben herangezogen wird. Richtigerweise haben sich daher die Kosten in Abs. 2 an denen zu orientieren, die bei Anwesenheit des Störers bei der Ersatzvornahme entstanden wären (dazu s. u. § 63, RN 54).

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Zur Heranziehung der Kosten ist die Polizei grundsätzlich verpflichtet, es besteht diesbezüglich also kein Ermessen (anders VGH BW, NJW 1991, 1698 zur früheren Rechtslage!). Das lässt sich zwar nicht dem Wortlaut des Abs. 2 entnehmen, weil hiernach nur eine Verpflichtung des Störers im Fall seiner Heranziehung begründet wird, ergibt sich aber aus dem allgemeinen Kostenrecht, das grundsätzlich von einer Kostenerhebungspflicht ausgeht (vgl. § 4 Abs. 1 LGebG). Eventuellen Unbilligkeiten kann z. B. durch Erlass der Forderung nach den gesetzlichen Vorschriften (z. B. § 22 Abs. 2 LGebG) begegnet werden (str.).

Beispiel: Ein erlaubt geparktes Fahrzeug, dessen Halter kurzfristig verreist ist, wird wegen nicht angekündigter Straßenbauarbeiten abgeschleppt. Diese unmittelbare Ausführung ist rechtmäßig, es wäre aber unbillig, den Halter mit den Kosten zu belasten. Daher kann gem. § 22 Abs. 2 LGebG die Festsetzung der Kosten unterbleiben.

Gleiches gilt bei kurzfristiger Änderung der Verkehrsregelung. Ein Absehen von der Erhebung der Kosten dürfte dann geboten sein, wenn die „Vorlaufzeit“ weniger als drei Tage beträgt (str.).

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Verpflichtet zur Kostentragung ist der nach § 6 oder/und § 7 Verantwortliche. Zur Auswahl unter mehreren Ersatzpflichtigen können die Erläuterungen zu § 6, RN 21 entsprechend herangezogen werden. Zur Verjährung des Kostenersatzanspruches s. o. § 3, RN 37.

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Die zu ersetzenden Kosten werden mittels eines Kostenbescheids (s. o. RN 15) erhoben, der im Bedarfsfall auch zwangsweise nach den Vorschriften des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes (§§ 1 ff., 13 ff. – Beitreibung) vollzogen werden kann (Abs. 2 Satz 2). Zuständig für den Erlass ist die Behörde bzw. Dienststelle, welche die Maßnahme ausgeführt hat.

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§ 8 Abs. 2 ist – hinsichtlich der Rechtsgrundlage für den Kostenersatz – im Regelungsbereich des § 8 eine spezielle und abschließende Regelung, die andere Ersatzansprüche (z. B. entsprechend § 677 ff. oder § 812 ff. BGB oder nach § 4 Abs. 4 LGebG) ausschließt (VGH BW E 23, 34, 35 f.; BGH, NVwZ 2004, 373). Eine ergänzende Anwendung des Landesgebührengesetzes oder des Kommunalabgabengesetzes (z. B. hinsichtlich Stundung oder Erlass der Forderung) ist möglich.