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Wie man Maler wird

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»Zwei Personen erblicken etwas Befremdendes, wie ein Gespenst. Der eine ist furchtsam und erschrickt, der andere lacht darüber.


Man denke nicht bei diesen unvollkommenen Proben von des Jünglings Kunst, daß er keine Fortschritte machte; wir haben bis hierher nur die Früchte seiner ersten Bemühungen in jedem Fache gegeben.



Von nun aber wird seine Hand bald imstande sein, den Eingebungen seines Geistes gerecht zu werden: denn er ist jetzt in die Klasse des lebendigen Modells vorgerückt. Nun wird er die Formen des menschlichen Leibes in der Natur selbst studieren und berechnen.

Seit einiger Zeit war eine merkliche Veränderung in der Lebensweise unseres Franz vorgegangen. Er hatte begriffen, daß ein Maler, der nicht gar manche Kenntnisse wenigstens oberflächlich besitzt, nicht wohl ein großer Künstler werden und seiner Kunst selbst keine Ehre machen könne. Darum sah er sich jetzt eifrig um nach Büchern über Geschichte, Altertümer, Kleidertrachten u. Dgl. und kaufte oder entlehnte sie, um dann seine Abende mit dem Studium derselben zuzubringen und flüchtige Zeichnungen darnach zu machen und so seine Hand in Kompositionen zu üben. Ungefähr um diese Zeit fiel ihm ein neues Buch, »Das Wunder-Jahr«,8 in die Hände. Als er die darin befindlichen Bilder sah, fühlte er sich angeregt zu versuchen, ob er das Werk nicht besser hätte verzieren können und zeichnete mehrere Darstellungen daraus. Wir wollen hier nur einen Teil einer seiner Zeichnungen geben. Sie zeigt Godmaert, der im ersten Kapitel des »Wunderjahrs« eine Anrede an die Geusen hält.

Wenn Franz auf ein Werk stieß, das ihm schöne Vorstellungen erweckte, so warf er diese sogleich auf das Papier und bildete sich in dieser Weise eine reiche Sammlung von Studien und Skizzen, die ihm später sehr nützlich werden mußten. Was er immer finden mochte, das ihn in der Ausbildung seines Geistes förderte, er machte fleißigen Gebrauch davon und hatte so das wahre Mittel gefunden, ein tüchtiger und unterrichteter Künstler zu werden. In einem französischen Werke eines unsrer Stadtgenossen »L’Ecuelle et la besace,« das ihm zur Hand kam, fand er eine Schilderung des Spions Guarez, der einen Redenden belauscht; so schwierig dieser Gegenstand zu zeichnen war, er versuchte sich dennoch daran und brachte das nachstehende Bild zustande, das wir wie das vorhergehende nur darum hier beigefügt haben, um seine Lernbegierde, seinen Fleiß und merklichen Fortschritt anzuzeigen.



Soviel Mühe und Fleiß, gepaart mit angeborenem Talent, förderten des jungen Künstlers Entwicklung in solchem Grade, daß er seine Mitschüler weit hinter sich zurückließ. Im Laufe des Jahres 1839, da er neunzehn Jahre alt war, gewann er fast alle ersten Preise in den obersten Klassen der Akademie.

Für die Preisbewerbung aus der Komposition war als Gegenstand aufgegeben: ein öffentliches feierliches Halsgericht in Spanien.



Franz machte eine schöne Skizze davon; es ward aber eine noch bessere eingeliefert, denn er erhielt nur den zweiten Preis. Glücklicher war er in der Aufgabe des Ausdruckes; hier übertraf er alle seine Mitkämpfer. Der Gegenstand war: das Gebet. Franz wählte zu dieser Darstellung einen betenden Mönch oder Geistlichen und legte so viel Andacht und Geisteserhebung in dessen Gesichtszüge, daß diese Zeichnung sogar von seinen Mitschülern bewundert wurde. Sie war in der Tat schön und gewiß unendlich besser, als der rohe Abriß, den wir hier davon geben.



Endlich, zum Übermaß des Glückes, errang Franz in diesem Jahre den ersten Preis für die Zeichnung nach dem lebenden Modell, den höchsten Gipfel, den man damals auf der Akademie erreichen konnte.

Am Tage der Preiseverteilung konnte man unter den zahlreichen Zuschauern eine alte Frau sitzen sehen, die jedesmal, wenn Franzens Name aufgerufen ward, von ihrem Stuhle aufsprang und mit Mühe eine Träne der Freude zurückhielt. Ihr Herz war voll Glückseligkeit, hatte sie ja doch ihren Enkel, ihren geliebten Franz schon viermal bekrönt und mit vier silbernen oder goldenen Medaillen, unter anhaltendem Händeklatschen, von der Siegesbühne herabkommen sehen!

Der Bürgermeister hatte ihn umarmt, der Gouverneur ihm die Hand gedrückt! Und die glückliche Großmutter sah dies mit Wonne, ja mit Entzücken an.

Als die Preiseverteilung beendigt war, wollte der Herr Baron de Pret in seiner eigenen Kutsche den Bekrönten nach Hause führen; zuvor jedoch nahm er ihn mit in seine eigene Wohnung, bewirtete ihn dort mit einem Glase Wein und beschenkte ihn mit einigen kostbaren Büchern über Altertümer und Kleidertrachten, sowie mit einigen nützlichen Ratschlägen.

Unterwegs hatte Franz die Fragen und Erkundigungen des Barons de Pret mit so viel Aufrichtigkeit beantwortet und auch von seiner Großmutter mit so viel Liebe gesprochen, daß der Baron die alte Frau sehen wollte.

Als der Wagen in die St. Andreas-Straße, in die Nähe von Franzens Wohnung kam, mußte der Kutscher die Pferde anhalten und langsamen Schritt gehen lassen, so viel Volk war in der Gasse versammelt; die ganze weite Nachbarschaft war auf den Beinen, jung und alt wetteiferten, um dem Franz, ihrem armen Nachbarskinde, ihre freudige Anerkennung zu beweisen, und überall ward er mit lautem, anhaltendem Jubelgeschrei begrüßt.

Der Baron stieg mit Franz aus dem Wagen, begleitete ihn in das Haus und sprach ungemein freundliche Worte mit den Eltern und der Großmutter, worauf er sich entfernte.

Mutter und Großmutter waren nahe daran, vor Freude närrisch zu werden; sogar der Vater war voll Stolz; wie konnte es mit den Frauen anders sein? Der Baron de Pret, dieser edle Beschützer der Künste, war in ihrem Hause gewesen; er hatte so freundlich mit ihnen gesprochen; die ganze Nachbarschaft wußte es; jedermann bezeigte ihnen nun Ehrerbietung oder beneidete ihr Glück!

Aber noch mehr Ehre und neues Entzücken! Am Abend kam eine zahlreiche Musikbande und brachte vor der Türe der armen Wohnung ein herrliches Ständchen!

Vor allem brachte das Lied: »Wo kann man besser sein,« die Freude in den Herzen der Frauen auf ihren Gipfel. Großmutter, ihr Alter und ihre Steifheit vergessend, sprang wie ein junges Mädchen von ihrem Stuhle auf, nahm Franz und seine Mutter bei der Hand und nötigte sie zu einem Ringeltanz, während sie mit heiserer Stimme die Worte des Liedes zu der Musik sang:

 
Wo kann man besser sein,
Wo kann man besser sein,
Als in der Freunde Mitte?
Wir sind hier froh vereint,
Und kennen keinen Feind;
Die Gläser blinken,
Drum laßt uns trinken,
Nach alter Sitte.
 

Ihre Stimme wurde aber bald erdrückt durch das gewaltige Rufen der Schüler der Akademie, die vor der Türe standen und aus vollen Kehlen schrien:

»Vivat Franz! . . . Der Preisträger lebe hoch!«

Wer könnte die Tränen zählen, die an diesem Tage von dieser glücklichen Familie vor Freude vergossen wurden? . . .


4
Änderung des Tons. – Warum es so wenige gute Maler gibt. – Mittel, um in der Kunst sichere Fortschritte zu machen

Es gibt in Belgien unzählig viele Künstler. Aber warum sind ihrer so wenige, deren Namen mit einigem Glanze umgeben sind? Warum fehlt so manchem Erwerb und Brot? – Hierauf könnte man oberflächlich mit dem bekannten Spruche antworten: »Viele sind berufen, aber wenige auserwählt;« oder auch mit den Worten eines französischen Dichters: »Bleibe Maurer lieber, wenn’s dein Handwerk ist.«

Jedoch diese Gründe allein sind nicht genügend, um die Seltenheit tüchtiger Künstler zu erklären. Es gibt noch andere Ursachen, die einen viel schädlicheren Einfluß auf junge Schüler ausüben und sie für ihre Bestimmung verderben, bevor sie noch wissen können, ob sie auch wirklich für das Kunstleben berufen sind. Um diese Ursachen anschaulich zu machen, wollen wir hier mit ein paar Zügen die Art und Weise schildern, wie ein Lehrling, der mißlingen muß, seine Studien beginnt.

Ein Vater glaubt in seinem Sohne große Anlagen für die Malerkunst zu bemerken; wer glaubt nicht gern so was von seinen Kindern? – Er läßt ihn eine Zeichenschule seines Wohnorts besuchen. Faul und geisteslahm, lernt der Junge denn doch in einigen Jahren die Anfänge der Zeichenkunst; oder fleißiger und begabter, lernt er sie in kürzerer Zeit.



– Und nehmen wir an, daß er wirklich das Zeug zu einem wahren Künstler in sich trage; nun kommt aber der Hochmut, dieser Betrüger und falsche Ratgeber, und mischt sich in die Sache. Der unkundige Vater bewundert mit Entzücken die noch wenig geförderten Studien seines Sohnes; er hält sie schon für Meisterstücke der Kunst. Er spricht davon in Wirtshäusern und Gesellschaften und belästigt jedermann durch das unaufhörliche Rühmen der seltenen Talente des Jungen. Einige glauben daran und tragen es weiter. Endlich gilt der Sohn in der ganzen Nachbarschaft für ein kleines Kunstwunder, und alle diese Lobpreisungen kommen ihm wieder zu Ohren. Er bläht sich auf und nicht sobald hat er ein Weilchen nach der Antike gezeichnet, so muß er auch schon ein Atelier haben; er muß in Öl malen, muß Bilder fertigen – er, der noch keine gute Nase aus dem Kopfe zeichnen kann!

 


Nun hat er sich Leinwand und Rahmen und eine Staffelei angeschafft. Ein weißer flaumiger Schnurrbart keimt beschämt auf seinen Lippen; sein Haar hängt lang und wild um seinen Kopf und die Gassenbuben rufen ihm nach: »Ein Künstler

Er malt nun ein Bild, aber was stellt es vor? Es ist eine Gestalt, die den Kopf schlafend auf einen Tisch lehnt; – dadurch vermeidet er die Notwendigkeit, das Gesicht zu malen; – daneben eine Schüssel mit einem Schinken, und ein Hund, der an letzterem nagt; im Hintergrund einige Kasten, Töpfe, Kessel u.s.w.

An dieser unbedeutenden Komposition arbeitet er drei Monate; er reibt, er fegt, er schmiert und stiehlt – und siehe da, endlich hat er ein Ding fertig, das von weitem einem Gemälde ähnlich sieht.

Der Vater und die Freunde sagen: »Es ist ein kleiner Teniers!«9 Andere aber sagen mit mehr Grund, daß es ein armseliges Machwerk ist. Die Perspektive ist darin ganz verfehlt, die Gegenstände der zweiten Tiefe sind größer gehalten als die der ersten; Arme und Beine hängen wie zerbrochen an dem Körper oder sind zu lang oder zu kurz; die Gegenstände fallen um; der Hund ist ein Rätsel, das selbst ein Buffon10 nicht würde gelöst haben . . .

Bis jetzt ist das Übel noch nicht groß: der Junge hört noch auf den Rat älterer Künstler; er geht noch auf die Zeichenschule, wenn ihm gleich das Lernen zuwider ist.

Aber, o Unglück! Ein Freund der Familie, ein unkundiger Gönner oder Liebhaber zahlt ihm hundert Franken für sein Gemälde.

Jetzt ist die Bombe geplatzt . . . Er will und muß ein Atelier außerhalb des väterlichen Hauses haben, damit man fortan frage: »Wo ist das Atelier von dem und dem?« Er nimmt einen Jungen auf, den er verdirbt, und hat nun auch einen Schüler oder Eleven: ist also Meister. Kann er noch ferner auf die Akademie in den Zeichenunterricht gehen? Kann er, als Meister, noch zwischen den Schülern sitzen? Das verträgt sein Stolz nimmermehr! Er verläßt also die Akademie und die Zeichenschule.

Was kann nun aus diesem sogenannten Künstler werden? Er kann nicht zeichnen; er weiß nichts vom menschlichen Gliederbau; die Regeln der Perspektive sind ihm fremde Dinge.

Er kann aber doch, sollte man vielleicht denken, seine Zeichenstudien für sich fortsetzen und sich darin vervollkommnen. Allein es ist eine unter den Künstlern nur zu bekannte Wahrheit, daß, wer einmal zu malen angefangen, fast immer einen Widerwillen gegen das Zeichnen bekommt.

Nein, der ungeschulte Künstler bleibt sein Leben lang ein Pfuscher, verkauft von Zeit zu Zeit ein schlechtes oder unbedeutendes Bild und schleppt seine bitteren Tage zwischen Hochmut, Neid und Mutlosigkeit dahin. Er ist mißgünstig gegen jeden, begeifert seine Kunstgenossen . . . und stirbt als Möbelmaler.

Und doch war er vielleicht berufen, sein Vaterland zu verherrlichen! Vielleicht war Ehre, Reichtum, Glück ihm vorbehalten. Aber seine schlechten Studien haben ihn scheitern lassen, haben sein angeborenes Talent unnütz gemacht.

Es gibt, wir gestehen es, einzelne kräftige Geister, die in solchem Zustande noch die Mittel erkennen und ergreifen, sich zu retten, und denen dies auch gelingt. Aber dazu gehört ungewöhnlicher Mut. Wir kennen solche, die einen Teil ihrer Tageszeit und; manche Abende darauf verwenden, sich noch im Zeichnen zu üben; die lesen, untersuchen, vergleichen und rastlos bemüht sind, die verlorene Zeit wieder zu gewinnen. Wir kennen solche, die durch Suchen und Versuchen eine eigentümliche Entwicklung errungen haben; die arbeiten vom Morgen bis Abend und zeichnen sich durch wirklich gelungene Hervorbringungen aus. An solche fleißige Künstler sind unsere harten Worte nicht gerichtet. Im Gegenteil, solche preisen und achten wir als Männer, die vieles beitragen zu dem Ruhme der flämischen Schule. Niemals, das beweisen sie, wird eine Arbeit mit Mut unternommen und mit Standhaftigkeit vollführt, ohne daß sie lohnende Früchte trägt.

Nein; unsere bleiernen Wahrheiten fallen denen auf den Nacken, die ihre Zeit sorglos vergeuden; die einen geringen Teil des Tages an einem Pfuschwerke arbeiten und vielleicht nicht einmal Bleistift oder Kreide in ihrem Besitze haben; die das ganze Jahr nicht einen einzigen Abend aus dem Wirtshause bleiben und hier durch Räsonnieren und Pochen glauben machen, daß die Kunst im Schwätzen bestehe, so daß selbst einfältige Menschen darüber die Achseln zucken. Denen also gilt unsere Rüge, die mit unerhörter Anmaßung über alles absprechen dürfen, in dem Glauben, daß es genüge, mit dem Namen »Künstler« behangen zu sein, um ein eingegossenes Wissen zu besitzen, ohne daß man ein Buch in die Hand zu nehmen brauche; . . . denen, die durch ihre hochmütige Unwissenheit die Kunst herabwürdigen!

Wann endlich werden diese Unglücklichen begreifen, daß die Kunst ein Tempel ist, den man ohne Vorbereitung und Einweihung nicht betreten darf? Wann werden sie einsehen, daß man das Vaterland – nicht verherrlichen kann, bevor man nicht sich selbst der Ehre und Achtung würdig gemacht? Niemals: Begreift wohl je der Unverstand? —

Ihr jüngeren Schüler, die ihr eure Zeichenstudien beginnt, merkt auf meine Worte! Ich sage euch: wollt ihr Maler werden und Ruhm erringen, dann lernet alles, was in Sachen der Kunst nur immer gelernt werden kann. Reich an Kenntnissen, wird dann euer Geist sich frei entfalten, euer Talent wird sich ohne Mühe befruchten und eure Hand leicht gehorchen den Eingebungen eures Genius, und nichts wird euch in der Ausführung eurer Schöpfungen hinderlich sein. Lernet und arbeitet in euren jungen Jahren; . . . wo nicht, so möget ihr diese Worte als eine Vorhersagung annehmen: Vergessener Stümper —armes Leben – bitteres B r o t!

8Titel des ersten historischen Romans, den Conscience 1834 herausgab. Der Roman schildert die gegen die spanische Herrschaft in den Niederlanden entstandene Verschwörung und den Aufruhr der protestantischen Geusen.
9David Teniers (1610—90) einer der größten Maler niederländischen Volkslebens, besonders von Bauern- und Kirchweihszenen.
10Berühmter französischer Naturforscher.