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Wie man Maler wird

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Die Großmutter: »Ja, ja, kommt, wir gehen nach Haus.«

Fränzchen (seine Mutter aufhaltend): »Ach nein Mütterchen lieb, laßt uns noch nicht nach Haus gehen.«

Eine Stimme im Zimmer: »Herein!«

Fränzchen: »Hörst du, Mutter? sie rufen, daß wir herein kommen sollen. (Die Frauen gehen zitternd hinein und bleiben angstvoll an der Türe stehn.)

Die Großmutter (mit dem Kopfe nickend): »Guten Tag, mein Herr von Bree, guten Tag, mein Herr Wappers. Ihre Dienerin, meine Herren!«

Herr Wappers: »Kommt her, Mütterchen! Was ist euer Verlangen?«

Die Großmutter: »Mein Herr Wappers, wenn Sie es nicht übel nehmen; Sie wissen wohl, . . . Ihr Bedienter . . . der Barbier . . . und . . . «

Die Mutter (sie mit den Ellenbogen anstoßend): »Ist das nun Sprechen? Stottert doch nicht so!«

Herr van Bree: »Frauchen, gewiß ist es wegen dieses Kindes, daß Ihr kommt?«

Herr Snyers: »Wegen eines Platzes für ihn auf der Akademie? Ihr müßt Euch nicht fürchten, Frau. Sprecht nur gerad‘ heraus und sagt nur, was Ihr begehrt.«

Die Großmutter: (mit dankbarem Lächeln): »Ach, meine Herren, wie gütig sind Sie doch! Ja, mein Herr van Bree, ja, mein Herr Wappers, wenn Sie die Güte haben wollten, unser Fränzchen (sie führt das Kind ein wenig vor) auf die Akademie gehen zu lassen . . . Sie wissen nicht, wie froh wir dann sein würden.«

Herr van Bree: »Wie alt ist er, Mutter?«

Die Mutter: »Elf Jahre, mein Herr.«

Herr Wappers: »Das sollte man noch nicht sagen. Seht, Mutter, wenn ich Euch einen Rat geben soll, so laßt ihn lieber noch ein oder zwei Jahre in die Schule gehen; denn hier würde er doch nichts lernen. Er ist zu klein und kann noch nicht an die Tafel hinanreichen.«

Die Großmutter (betrübt): »Ach, mein Herr Wappers! . . . Er hat so großes Verlangen darnach; seht, die Tränen kommen ihm schon ins die Augen; ach Armer! (Das Kind betrachtet der Reihe nach alle Professoren mit flehenden Blicken; seine Mienen sind so sprechend und so süß, daß es einen tiefen Eindruck auf ihr Gemüt macht.) Und wüßten Sie nur, meine Herren, wie fleißig er immer schon ist mit Zeichnen!«


Die Mutter (einfallend): »Ja, meine Herren, er ist stets damit beschäftigt. Beim Essen und beim Trinken, ja in seinem Bette sogar macht er nichts als Männerchen. Unser ganzes Haus ist voll davon . . . Gestern Abend noch hat er seine Großmutter, die da steht, abgezeichnet.«

Die Großmutter: »Ja,es ist wahr, meine Herren.« (Die Professoren zeigen große Neugierde.)

Herr Snyers: »Es steckt doch vielleicht etwas in dem Kinde. Habt Ihr dies Porträt nicht bei Euch, Mutter?«

Die Mutter: »Ja, Großmutter hat es in ihrer Tasche.«

Herr Wappers: »Laßt es einmal sehen.«

Die Großmutter (sie durchsucht ziemlich lange ihre Taschen): »Ach Gott! sollte ich’s verloren haben! Ha, nein, hier ist es. Sehen Sie, meine Herren! Er ist noch erst ein Kind, meine Herren! . . . Ich sage nicht, daß das Porträt gut geraten ist; aber es gleicht doch ein bißchen.«

(Die Professoren reichen einer dem andern das Stück Papier. Der eine beißt sich die Lippen, der andere scheint niesen zu müssen; doch beim Anschauen der Großmutter, die sich als Vergleichungsmodell mitten in das Zimmer stellt, brechen alle in ein heftiges Lachen aus.)

Die Mutter: (leise zur Großmutter): »Mutter, sie lachen.«

Die Großmutter (mit Freude): »Laß sie nur lachen; je mehr, je lieber. Siehst du nicht, daß ich’s darum tue; jetzt kommt Franz sicher auf die Akademie.«

Die Mutter (bedenklich): »Ich glaube es nicht.«

Die Großmutter (zu den Professoren): »Ja, meine Herren, niemand hat sein eigen Selbst gemacht; es ist meine Schuld nicht, daß ich nicht mehr hübsch bin. Was ist ein alter Mensch?«

Herr Schäfels: »Aber, Frau, er hat gewiß bessere Sachen gezeichnet; habt Ihr sonst nichts bei Euch?«

Die Mutter: »Jawohl, mein Herr; er kann nichts sehen, oder er zeichnet es ab. Da ist der Regiments-Tambour vom 6. Regiment, der hat Bekannte in unserer Nachbarschaft; er war noch keine o dreimal durch unsere Straße gegangen, so hat ihn Fränzchen auch schon auf seinem Papier stehen . . . Zeigt einmal, Mutter.«

Die Großmutter (dem Herrn van Bree ein Stück Papier reichend): »Hier, meine Herren! . . . Das gleicht vielleicht noch besser.« (Die Professoren tun sich Gewalt an, um nicht zu lachen. Herr Schäfels liegt mit dem Kopf auf dem Tische.)

Die Großmutter (vortretend): »Und mit der St. Andreaskirche ist er auch schon nach Haus gekommen, und das wohl sauber, mit Türen und Fenstern, wie sich‘s gehört. Ich hab es auch in der Tasche: – sehen Sie, meine Herren!«




Herr van Bree: »Da steht was wie ein Schornstein auf der Kirche; das ist was Neues.«

Die Großmutter (mit sichtbarem Verdruß): »Ja, das ist wahr. Das ist verfehlt. Fränzchen, warum hast du doch einen Schornstein auf die Kirche gesetzt?«

Fränzchen: »Nun, Großmutter, das ist um dem Herrn Pfarrers sein Essen zu kochen.« (Diese Antwort erweckt ein neues Gelächter.)

Herr van Bree: (zu Herrn Wappers): »Was meinen Sie, sollen wir das Kind aufnehmen?«

Herr Wappers: »Ich meine wohl; der Knabe ist nicht ohne Geist; mich deucht, daß wirklich etwas aus ihm zu machen sein werde.«

Herr Serrüre: »Aber, Frauchen, kann er auch gut lesen und schreiben?«

Die Großmutter: »Jawohl, mein Herr; er geht schon fünf Jahre in unsre Pfarrschule; fragen Sie nur den Lehrer Klinke; er hat heuer noch zwei Preise bekommen. Im Flämischen kann man ihn schon nichts mehr lehren; – er lernt auch schon Französisch!«

Herr Serrüre: »So, das ist was andres.«

Herr Wappers (zu Herrn van Bree): »Lassen Sie mich einmal mit dem Kinde reden. – Kleiner, komm du mal her! (Das Kind geht zu ihm; er streichelt es unter dem Kinn. Fränzchen lacht ihn dankbar an.) Sage mir mal, liebes Kind, welche Kunst möchtest du denn gern lernen?«

Fränzchen (seine Züge bekommen einen wunderbaren Ausdruck; aus seinen Augen strahlt ein feuriger Blicks: »Malen wie Rubbes,7 mein Herr!«

Herr Wappers: »Aber sag’ mir mal, – Kind! dies Männchen ist deine Großmutter, nicht wahr? So sieht sie aber doch nicht aus, mit diesen struppigen Haaren um den Kopf?«

Fränzchen (mit leiser Stimme): »Ja, wenn Großmutter abends klöppelt, dann tut sie ihre Haube ab, und dann hat sie wohl solche Haare.

« Herr Wappers (zu Herrn van Bree): »Wir werden dies Kind wohl auf die Akademie gehn lassen; es sieht lebhaft und verständig aus.«

Herr van Bree: »Ja, allerdings.«

Herr Wappers (zu dem Kleinen): »Willst du gut lernen, Männchen?«

Fränzchen (ihm hoffnungsvoll in die Augen sehend): »Ach ja, mein Herr!«

Herr Schäfels: »Wir werden ihn auf eine kleine Bank stellen.«

Herr Wappers: »Nun, so lerne nur gut; – und wart ein wenig; ich will bei Herrn Professor Van Hool einen Platz für dich aufsuchen.«

Die Großmutter (voll Freude zu Fränzchen gehend): »Bedanke dich bei den Herren und küß die Hand.«

(Das Kind küßt seine Hand und blickt der Reihe nach alle Professoren an, um ihnen zu danken. Dann geht es zur Mutter und Großmutter und sieht beide an mit Freudentränen in den Augen.)

Herr Wappers (zu den Frauen): »Geht jetzt nur nach Haus, Frauchen! Fränzchen bleibt auf der Akademie.«

Die Großmutter (mit Verneigung): »Dank Ihnen, mein Herr van Bree, Dank Ihnen, mein Herr Wappers, Dank Ihnen, meine Herren allesamt. – Jetzt komm nur, Annemie; jetzt ist’s gut!« (Sie gehen zur Türe hinaus und begeben sich nach Haus.)

Die Mutter (mit heiterer Freude): »Nun, Mutter, wer hätte das gesagt! Was ist’s doch um jemand, der noch nichts gesehn und erlebt hat! Wir, die wir so bange waren, vor den Herren zu erscheinen . . . Aber seht, ich will was sein, wenn ich nicht lieber mit solchen Leuten zu tun habe, als mit denen in unsrem Viertel. Wie gut und liebreich waren sie! haben mit uns geredet wie Schwester und Bruder . . . Das sind die rechten Leute! – Ein Glück, daß Herr Wappers Euch half, sonst bliebt Ihr schön drin stecken!«

Die Großmutter: »Ja, Herr Wappers, der ist gut gegen Bürgersleute, das weiß ich schon lange. Schau, er ging selbst einen Platz für unser Fränzchen zu suchen, als wär’ es sein eigenes Kind gewesen.«

Die Mutter: »Ja, aber Herr van Bree doch auch, Mutter.«

Die Großmutter: »Ach, es sind allesamt gute Menschen!« (Die Frauen gehen so plaudernd nach Haus.)

Fränzchen hatte nun einen Platz auf der Akademie bekommen. Von diesem Abend an begann er die Bahn, in die er eintrat, mit ein wenig Sachkenntnis zu betrachten; er begriff, wie langsam und mühselig das Studium der Kunst sein müsse, da er, der von Figuren und Gemälden geträumt hatte, nun schon einen ganzen Tag im Schweiße seines Angesichts bemüht gewesen war, eine große Nase nachzuzeichnen, ohne daß es ihm gelungen; aber er versprach sich selbst zu Hause eine Entschädigung für dies lästige Studium. Zu diesem Ende betrachtete er jetzt mit gespannter Aufmerksamkeit alle die Bilder um sich her und prägte sich genau ein, wo ihnen die Augen, die Nase und der Mund im Kopfe standen, und wie ihnen die Arme und Beine am Leibe saßen. Voll von diesen Erinnerungen verließ er dann nach dem Schlusse der Stunden die Akademie und eilte auf den Schloßplatz, der nicht weit von seiner Wohnung lag, und wo, wie er wußte, die Soldaten in diesem Augenblicke exerzierten. Nachdem er sie eine halbe Stunde sorgfältig betrachtet hatte, rannte er nach Haus und warf sich sogleich aufs Zeichnen. Alsbald zeigte er seiner Großmutter ein Stück Papier und rief dabei triumphierend aus:

 

»Seht, so stehen die Soldaten auf dem Schloßplatz!«

»Aber, wie ist’s möglich!« rief die erstaunte Großmutter.


3
Die Bahn der Kunst. – Verschiedene Klassen der Akademie. – Preiseverteilung, wo man Bekanntschaft macht mit dem Baron de Pret

Seit seiner Aufnahme in die Akademie war Franz mehr als je für die Malerkunst begeistert worden. Alle Spiele waren ihm verleidet; es kam mehr Ernst in sein Gemüt und er lebte sich ganz in seinen hohen Beruf hinein. Papier und Bleistift verließen ihn nie; und erhielt er von Eltern einen Spielpfennig, so verwendete er ihn gewiß sogleich für ein Blatt Figuren, die er dann wohl zwanzigmal nachzeichnete. Hierdurch wurde jedoch sein Fortgang auf der Akademie nicht merklich beschleunigt, denn er blieb ein ganzes Jahr bei den Köpfen im Umrisse. Dieser Gang war zu langsam für seinen ungeduldigen Geist; kein Wunder also, daß er sich zu Hause immer um eine Klasse weiter zauberte, als auf der Akademie. Hier noch bei den Umrissen stehend, zeichnete er dort schon geschattete Bilder nach, die er in der Schule zum Lohne für seine Aufmerksamkeit vom Pfarrer erhalten hatte. Im zweiten Jahre war Franz der Erste in der Klasse der Figuren im Umriß. Er erhielt einen Lorbeerzweig, der ihm bei der feierlichen Preiseverteilung unter Händeklatschen überreicht ward. Großmutter und Mutter küßten ihren Sohn wohl zehnmal, und in ihrer Unwissenheit meinten die Frauen, daß nun die geträumten Reichtümer unfehlbar schon unterwegs seien. Der Vater allein betrachtete die Freudenbezeugungen mit Mißtrauen und verhehlte nicht, daß noch keine große Kunst wahrzunehmen sei in den Bildern, die der Sohn noch am selben Tage gezeichnet hatte; allein er konnte die Freude der Frauen nicht vermindern.

Im vierten Jahre erhielt Franz den zweiten Preis aus der geschatteten Figur.

Er war nun bereits fünfzehn Jahre alt und wegen seiner aufgeschossenen Gestalt hielt man ihn schon für einen jungen Mann. All sein Streben ging jetzt dahin, in die Klasse der Antike zu kommen; allein dies gelang ihm nicht, weil hier kein Platz mehr übrig war. In Erwartung dessen machte er Bekanntschaft mit einem Schüler, der schon nach dem Leben zeichnete, und befragte ihn jede Woche, welche Gegenstände als Aufgaben für die Komposition und den Ausdruck gegeben wären, und zeichnete dann in der Stille diese gegebenen Vorwürfe, um sie von dem gedachten Schüler verbessern zu lassen. Das erste Mal, als er eine Komposition zu machen versuchte, hatte Herr van Bree folgenden Vorwurf gegeben:

»Der Maler Brauwer, der in einem Wirtshause brav gezecht und kein Geld hat, den Wirt zu bezahlen, verlangt ein Blatt Papier, und macht eine Zeichnung auf dem Tische, woran er gegessen. Um diese zu sehen, drängten seine Zechbrüder sich hinter ihn, und einige steigen sogar auf die Stühle.«

Franz zeigte diese seine Komposition dem Schüler von dem »Leben«, der sie nicht ohne Lächeln ansah.

Wie wenig ihm aber auch dieser erste Versuch gelungen war, er fuhr darum nicht minder eifrig fort und machte in kurzer Zeit ziemlich gute Kompositionen.



Obwohl Franz durch den täglichen Umgang mit seinen Mitschülern die anziehende Zartheit seines Wesens zum Teil eingebüßt hatte, war dennoch sein Herz an reinem, tiefem Gefühl und an Tugend nicht ärmer geworden. Seiner Großmutter hatte er die tiefste Ehrerbietung und die wärmste Liebe geweiht. Manchmal, wenn die alte Frau ihn durch schmeichelnde Voraussichten ermutigte, rief er, und die Augen glänzten ihm dabei vor Dankbarkeit:

»O, Großmutter, wenn ich Maler werde und glücklich bin, so daß ich etwas verdienen kann, o dann will ich Euch und den Eltern alle Eure Sorgfalt und Güte vergelten; dann will ich Eure alten Tage schön und freudig machen. Ihr sollt mich nicht verlassen und ich will nicht heiraten, damit ich Euch stets meine ganze Liebe zuwenden könne. Fürchtet nicht, daß ich es etwa mache, wie manche andere Künstler, die gleich mir von armen Leuten hergekommen sind, und die ihre Eltern dann nicht mehr kennen wollen. Nein, wenn mir auch die größte Ehre widerfahren, wenn ich auch die schönsten Erfolge in der Kunst erleben sollte, ich würde mit Stolz auf Euch zeigen und sagen: Die ist es, die mich zu einem Künstler gemacht hat!«

Die Freudentränen rollten dann über die gefurchten Wangen der alten Frau und ein wechselseitiger Kuß besiegelte solche Liebesbezeigungen.

Nun begann Franz die wahre Bahn der Kunst zu beschreiten; er war in der Klasse der Antike und durfte jetzt nicht mehr bloß gezeichnete Vorbilder nachahmen; er durfte die edlen Formen des Apollo oder des Laokoon auf dem Papier wiedergeben. Dies fiel ihm anfangs schwer und es dauerte geraume Zeit, ehe er die Mittel erfaßt hatte, die Erhöhungen und Vertiefungen, die Lichter und Schatten genau und fließend auszudrücken. Zu gleicher Zeit mußte er die Lehrgänge der Komposition und des Ausdruckes verfolgen. An dieser letzten Übung fand er ein sonderliches Behagen und schon an seiner ersten, wenn auch noch so fehlerhaften Probe konnte man ein besonderes Geschick bemerken für den Ausdruck der Empfindungen in den Gesichtszügen. Der Vorwurf war:

7Der Name Rubens wird, wie auch der Name Wappers, vom Volk mit Weglassung des vorletzten Lautes ausgesprochen.