Kostenlos

Baas Gansendonck

Text
0
Kritiken
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

– »Nun, wohl! Wenn Herr von Bruinkasteel nicht selbst bald mit mir von seiner Heirath redet, so werde ich kühn genug sein, ihn darüber zu befragen; – Aber es hat keine Eile.«

– »Keine Eile, Baas? Von Hand zu Mund ist Gefahr. Heute noch müßt Ihr wissen, was der Baron im Sinne hat.«

– »Nun, nun!« – rief der Baas – »Ich werde heute Nachmittag nach dem Jagdhofe gehen und mir von dem Barone eine bestimmte Erklärung ausbitten. Ich weiß aber schon jetzt, was er mir antwortet.«

– »Ich wünschte, daß Ihr die Wahrheit sagte, Baas; aber ich fürchte, Ihr backt schliff mit Euern Neujahrskuchen.«

– »Was? daß ich die Wahrheit sagte?«

– »Ja, wenn auch nur dieses Mal!«

– »Die Welt hat sich umgekehrt« – seufzte der Baas mit ziemlicher Ungeduld – »der Knecht hat den Herrn zum Narren . . . und ich muß es verbeißen. Spiele mit dem Esel und er schlägt Dir mit dem Schwanze ins Angesicht. Aber warte nur, ich werde bald gerächt sein. Noch diesen Nachmittag gehe ich nach dem Jagdhofe . . . Und was wirst Du dann sagen, Unverschämter, wenn ich die Erklärung zurückbringe, daß der Baron sich mit Lisa verheirathen will?«

– »Daß Ihr allein Verstand habt, Baas, und daß alle Anderen, ich nicht ausgenommen, große Dummerjahne sind. Aber, was werdet Ihr sagen, Baas, wenn Herr von Bruinkasteel Euch verspottet?«

– »Das ist unmöglich, sage ich Dir.«

– »Wenn es nun aber doch wäre?«

– »Wenn! wenn! Wenn der Himmel einfällt, so sind wir Alle todt!«

– »Ich wiederhole meine Frage, Baas: Wenn der Baron Euch nun mit Spott abweist?«

– »Ach, Baron oder nicht Baron! Ich will ihm schon zeigen, wer ich bin, und . . . «

Ein schwerer furchtbarer Angstschrei machte ihm das Wort im Munde ersterben. Erschreckt und bestürzt sprangen Beide auf und eilten nach dem Zimmer, in dem Lisa sich befand.

Die Jungfrau stand am Fenster und sah auf die Straße. Was sie gewahrte, mußte furchtbar sein; denn ihre Lippen zuckten und sie biß ihre Zähne krampfhaft zusammen. Ihre weit aufgerissenen Augen schienen ihr aus dem Kopfe treten zu wollen, und sie zitterte furchtbar an allen Gliedern. Baas Gansendonck war kaum in das Zimmer getreten, so flog ein neuer Angstschrei schneidend durch dasselbe; – Lisa hob beide Hände gen Himmel empor und schlug rücklings ohnmächtig hintenüber.

Schreiend kniete der Baas neben ihr hin.

Kobe lief nach dem Fenster und warf einen Blick hinaus. Er erblaßte und zitterte gleichfalls; Thränen sprangen ihm aus den Augen, und was er sah, bestürzte ihn dermaßen, daß er gar nicht auf den Hilferuf eines Herrn achtete.

Draußen auf der Straße ging Karl, mit auf den Rücken gebundenen Händen, zwischen zwei Gensdarmen den Weg entlang, der nach der Stadt führte; eine alte Frau trippelte schreiend hinter ihm her und säete glühende Thränen in die Fußstapfen ihres unglücklichen Sohnes. Sus, der Schmied, riß sich die Haare aus und wüthete vor Zorn und Betrübniß. Eine Anzahl Bauern und Bäuerinnen schritt mit gesenktem Haupte und traurigem Antlitze hinterher. Mehr als eine Schürze wurde in Bewegung gesetzt, um die Thränen des Mitleids zu trocknen. – Man hätte sagen mögen, ein Leichengefolge sei hier vorübergezogen, um einen theuren Todten zu Grabe zu geleiten.

IX.
Wenn dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen und bricht ein Bein

Baas Gansendonck war kaum mit einem Mittagsessen fertig, als er sich auch schon nach dem Rathe eines Knechtes aufmachte, um den Baron über seine Absichten zu befragen. Da er nicht an der Schmiede vorübergehen wollte, so verließ er sein Haus durch die Hinterthür und schlug einen Nebenweg ein, der ihn queer durch Tannenwälder und über einsames Feld nach dem Jagdhofe des Herrn von Bruinkasteel führen sollte.

Man las aber keine Trauer auf dem Gesichte des Baas Gansendonck, obwohl seine Tochter seit dem Morgen an einem heftigen Fieber darniederlag. Im Gegentheil, es zeigte eine gewisse Selbstzufriedenheit, und mitunter schlug er ein Lachen auf, so hell und so jubelnd, als freue er sich über einen gewonnenen Sieg. An der Beweglichkeit seiner Gesichtszüge und dem abwechselnden Ausdruck, den sie zeigten, konnte man sehen, daß er sich nur mit angenehmen Dingen beschäftigte und seine Gedanken achtlos auf dem Strome der Hoffnung und der Täuschung dahintreiben ließ. Er hatte schon eine Zeitlang leise vor sich hingemurmelt und nur durch Geberden die Beschäftigung eines Innern verrathen. Endlich aber rissen ihn eine Einbildungen so fort, daß seine Stimme sich mehr und mehr steigerte und er gleich darauf laut sagte:

– »O, sie verschwören sich Alle zusammen gegen mich und sie glauben, ich werde auch nur einen Fußbreit zurückweichen wegen ihres dummen Geschreies? Baas Gansendonck wird zeigen, was er ist und was er vermag. Ein Anderer würde sagen: Es ist besser Freunde als Feinde zu haben. Aber ich sage: Besser Neider als Mitleider; und Jedermanns Freund ist Allermanns Geck . . . Der Baron sollte Lisa nicht heirathen? Und er hat heute schon einmal einen Knecht geschickt, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Wenn ich mir es recht überlege, so ist gar nicht daran zu zweifeln. Hat er mir nicht selbst gesagt, daß Lisa viel zu gut und zu gebildet ist, um die Frau eines groben Bauers zu werden? Hat er nicht hinzugefügt: die muß eine bessere Partie und Jemanden glücklich machen, der im Stande ist, sie zu begreifen? Mir dünkt, das ist klar genug. Oder glauben die Flegel von Bauern, daß ein Baron dergleichen abmacht wie sie und so ohne Weiteres sagt: Trina, wollen wir uns heirathen? Nein, so geht es nicht. Wie? Herr von Bruinkasteel würde sich weigern, sich mit Lisa zu verheirathen? Ich wette fünf Morgen Landes, daß er mir um den Hals fällt, wenn ich anfange davon zu reden. Herr von Bruinkasteel sollte sich nicht mit Lisa verheirathen? nicht verheirathen? Als ob ich nicht bemerkt hätte, warum er immer so freundlich mit mir war und so höflich gegen mich that, daß es Jedermann sehen konnte! Das hieß immer: Herr von Gansendonck hier, Freund Gansendonck dort! Und die Hasen, die er schickte! und die Rebhühner, die er brachte! Und Lisa ißt kein Wild! Also nur mir wünschte er zu gefallen. Warum? Gewiß nicht um meiner schönen Augen willen. Nein, nein! er wollte sich nur den Weg ebenen, ehe er den großen Schritt wagte Ich werde ihm die Sache leichter machen; er wird sehr froh darüber sein . . «

Baas Gansendonck rieb sich mit fröhlicher Selbstzufriedenheit die Hände und schwieg eine Weile, wahrscheinlich um noch besser die Süßigkeit seiner Ueberzeugung zu genießen. Plötzlich brach er in Lachen aus und sagte:

– »Aha! ich sehe sie schon im Dorfe stehen, mit Nasen, so lang wie mein Stock! Da geht der Baron und führt Lisa am Arme. Sie sind gekleidet, daß die Bauern die Augen zukneipen möchten vor dem Glanze. Vier Knechte mit Gold und Silber am Hute, folgen ihm; die Kutsche, mit vier Pferden bespannt, fährt hinterher. Ich, Peter Gansendonck, ich gehe neben Herrn von Bruinkasteel her mit hochgehobenem Kopfe und betrachte mir die Lästerer und Neider, wie es sich für den Schwiegervater eines Barons geziemt, gemeines Bauernpack sich zu besehen. Wir gehen nach der Kirche; dort liegen Teppiche und Kissen; dort werden Blumen gestreut; die Orgel spielt, daß die Fensterscheiben zittern; das Jawort wird vor dem Altar gesprochen . . . und Lisa fährt in Begleitung ihres Mannes mit Extrapost durch das Dorf, daß die Funken aus den Steinen springen . . . Am nächsten Tage liegen wohl zwanzig Bauern zu Bette vor Aerger und Neid. – Unterdessen verkaufe oder verpacht ich den heiligen Sebastian, und wenn mein Schwiegersohn mit meiner Tochter zurückkehrt, ziehe ich nach dem großen Schlosse. Baas Gansendonck, das heißt Herr von Gansendonck hat seine Schäfchen ins Trockene gebracht; er thut weiter Nichts mehr als befehlen, essen, jagen, spazierenreiten. Aber indem ich mir alle diese schönen Dinge überlege, renne ich beinahe mit der Nase an die Thür des Jagdhofes.«

Dies sagend, zog der Baas an der Glocke. Nachdem er einen Augenblick gewartet hatte, kam ein Diener und sagte, während er die Thür öffnete:

– »O, guten Tag, Baas! Ihr kommt gewiß um den Herrn Baron zu besuchen!«

– »Ja wohl, Kerl!« – sagte der Baas mit vornehmem Tone.

– »Er ist nicht zu Hause.«

– »Was? nicht zu Hause?«

– »Das heißt, er ist nicht zu sprechen.«

– »Was? für mich nicht zu sprechen? Das wäre schön! Er liegt vielleicht zu Bette!«

– »Nein; aber er will Niemanden empfangen. Ihr könnt Euch denken, warum: Ein blaues Auge und das Gesicht voll Schrammen . . . «

– »Das macht Nichts! Vor mir braucht er sein Gesicht nicht zu verbergen; wir sind intim genug, der Herr Baron und ich, so daß ich mit ihm sprechen kann, wenn er auch zu Bette liegt . . . Ich gehe hinein; sein Befehl ist nicht für mich gegeben.«

– »Da kommt nur!«

– sagte der Knecht mit einem schlauen Lächeln. – »Folgt mir; ich werde Euren Besuch anmelden.«

– »Das ist nicht nöthig« – entgegnete der Baas. – »Complimente sind zwischen uns überflüssig.«

Der Knecht führte ihn jedoch in ein kleines Vorzimmer und zwang ihn, trotz seiner Einreden, sich zu setzen und die Antwort des Barons zu erwarten.

Es war bereits mehr als eine halbe Stunde verflossen und der Bediente noch immer nicht zurück. Der Baas fing an sich schrecklich zu ärgern, und brummte vor sich hin:

– »Der Knecht meint auch, mich zum Besten zu haben. Schon gut! Ich werde mir es schon anotieren! In unseren Diensten soll der keine grauen Haare bekommen. Er muß fort! Das wird ihm schon eine Lektion sein . . . Aber ich horche mich taub, und ich höre Nichts sich auf dem Jagdhofe rühren! Sollte der Knecht vergessen haben, daß er mich hier warten läßt? So weit wird er doch nicht die Ungezogenheit zu treiben wagen! Auf jeden Fall kann ich doch nicht bis morgen sitzen bleiben. Aha! da höre ich den Schelm! Er lacht! Mit wem lacht er denn?«

 

– »Baas Gansendonck!« – sprach der Bediente – »beliebt mir zu folgen! Der Herr Baron hat die Güte, Euch zu empfangen. Ohne meine Fürsprache müßtet Ihr unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen.«

– »Nun, was schwatzt Ihr denn da, grober Patron?« – rief der Baas ärgerlich. – »Wißt Ihr mit wem Ihr sprecht? Ich bin Herr Gansendonck!«

– »Und ich bin Jaek Miermans, Euch zu dienen!« – antwortete der Bediente mit kaltem Spott.

– »Ich werde Euch schon zu finden wissen, Kerl!« – sagte der Baas, die Treppe hinaufsteigend. – »Ihr sollt erfahren, daß Ihr mich eine halbe Stunde habt in dem Zimmer warten lassen! Schnürt nur Euer Bündel! Ihr sollt hier nicht lange mehr mit Männern, wie ich bin, Euern Spott treiben!«

Ohne auf die Drohung zu antworten, öffnete der Bediente die Thür eines Salons, und rief mit lauter Stimme:

– »Der Baas aus dem heiligen Sebastian!« – Darauf ließ er den erzürnten Gansendonck stehen, und lief rasch die Treppe hinunter.

Herr von Bruinkasteel saß am Ende des Salons und lehnte sich mit dem Ellenbogen an einen Tisch. Sein linkes Auge war durch eine Binde bedeckt; seine Stirn und seine Wangen trugen die Spuren des Kampfes mit dem Brauer.

Was jedoch die Aufmerksamkeit des Baas Gansendonck bei seinem Eintritt weit mehr anzog als dies, war der prächtige türkische Schlafrock des Barons. Der bunte und sammetartige Anzug stach ihm gewaltig in die Augen, und mit einem Lachen der Bewunderung rief er, noch ehe er selbst den Baron begrüßt hatte:

– »Heiliger Gott! Herr Baron! was haben Sie für einen schönen Schlafrock an!«

– »Guten Tag, Herr Gansendonck!« – sagte der Baron, ohne darauf zu achten. – »Sie wollen sich gewiß erkundigen, wie es mir geht! Haben Sie Dank für Ihre Freundschaft!«

– »Nehmen Sie es nicht übel, Herr Baron! Aber ehe ich nach Ihrer Gesundheit frage, möchte ich gern wissen, wo Sie diesen Schlafrock haben machen lassen. Er sticht mir wahrlich in die Augen.«

– »Bringen Sie mich nicht zum Lachen, Herr Gansendonck; es thut mir weh im Gesicht.«

– »Es ist nicht um zu lachen, Herr Baron; nein, nein, es ist mein Ernst!«

– »Ihre Frage ist sonderbar. Dieser Schlafrock ward in Paris gekauft.«

– »Zu Paris? Das ist ärgerlich Baron!«

– »Warum denn?«

– »Ich hätte mir gern auch einen solchen machen lassen.«

– »Er kostet an die zweihundert Franken.«

– »Ach, das macht mir Nichts aus!«

– »Er würde Sie nicht kleiden, Herr Gansendonck!«

– »Nicht kleiden? Wenn ich ihn bezahlen kann, so muß er mir auch gut stehen! – Aber lassen wir das! Wie steht es denn eigentlich mit Ihrer Gesundheit, Herr von Bruinkasteel?«

– »Sie sehen es: ein blaues Auge und den Leib voll Beulen!«

– »Der Schelm ist von den Gensdarmen abgeholt und nach der Stadt gebracht worden. Sie werden ihn doch einen unverschämten Angriff bezahlen lassen, wie sich's gehört?«

– »Allerdings, bestraft muß er werden! Er hat mir mit Vorbedacht in meinem eigenen Hause aufgelauert und mich angefallen. Auf dergleichen steht eine schwere Strafe; jedoch würde ich nicht gern sehen, daß man die Sache nach dem Buchstaben des Gesetzes behandelte; denn dann käme er unter fünf Jahren Gefängniß nicht davon. Seine alte Mutter war heute Morgen bei mir, und bat und flehte; ich habe Mitleiden mit der armen Frau . . . «

– »Mitleid?« – rief der Baas, ärgerlich und verwundert. – »Mitleid? Mit dem Schurken?«

– »Wenn der Sohn auch ein Tollkopf ist, welche Schuld hat dann die arme Mutter daran?«

– »Sie müßte ihren Sohn besser erzogen haben. Der grobe Schlingel wird nur bekommen, was er verdient. Und was sollten die Bauern denken, wenn sie Menschen, wie wir, so behandeln könnten, als ob sie ihres Gleichen wären? ein, nein; Respekt, Ehrfurcht, Unterthänigkeit müssen aufrecht erhalten werden! Sie tragen jetzt schon die Hörner viel zu hoch. Wäre ich an Ihrer Stelle, so würde ich nicht auf das Geld sehen, um dem Brauer und mit ihm de ganzen Dorfe eine tüchtige Lektion zu geben.«

– »Nun, das ist meine Sache.«

– »Das weiß ich wohl, Baron. Jeder ist Herr in seinen eigenen Angelegenheiten.«

Es schien, als ob diese Wendung des Gesprächs dem Baron mißfalle; denn er wandte das Gesicht ab und saß einen Augenblick da, ohne ein Wort zu reden. Der Baas, der gleichfalls nicht wußte, was er sagen sollte, sah zerstreut im Zimmer umher, und suchte Etwas zu finden, um von der Heirath seiner Tochter anzufangen. Er scharrte mit den Füßen und räusperte sich einige Male; aber es wollte ihm Nichts einfallen.

– »Und unser armes Lieschen!« – sagte der Baron endlich. – »Der Anblick der Gefangennehmung des Brauers muß sie sehr erschreckt haben. Ich begreife das wohl; sie liebt ihn seit ihren Kinderjahren.«

Der Baas schien wie aus dem Schlafe aufzufahren, sobald der Name Lisa aus dem Munde des Barons in seinen Ohren klang. Er dachte, daß ihm das den Weg ebene, um einen Plan auszuführen, und hub daher lächelnd wieder an:

– »Sie liebt ihn, meinen Sie, Baron? Nein, nein! es war früher eine Kälberliebe, wie man zu sagen pflegt; aber das ist lange vorbei. Ich habe einen Riegel vorgeschoben und dem Brauer die Thür gewiesen. Denken Sie nur, Baron, das grobe Bierfaß hätte sich gar zu gern mit Lisa verheirathet.«

– »Es gibt noch andere Leute, Baas, die dieselbe Neigung verspüren könnten.«

Ein Strahl der Freude brach aus des Baas Augen. Er sprang in einem Sessel empor und sagte mit dummschlauem Lächeln:

– »O, ich weiß es schon lange. Ein verständiger, Mann räth leicht, wo die Kuh liegt, sobald er ihren Schwanz sieht.«

– »Ein artiger Vergleich!«

– »Nicht wahr? Ich bin so dumm nicht, Baron. Aber lassen Sie uns das Kalb bei dem Kopfe packen; Umwege sind ja zwischen uns nicht nöthig.«

Der Baron sah den Baas mit gezwungenem Lächeln an.

– »Also denken der Herr Baron ernstlich an die Heirath? – fragte Gansendonck zuversichtlich.

– »Woher wissen Sie das? Ich habe es selbst vor meinen Freunden verborgen gehalten.«

– »Ich weiß Alles, Baron; ich habe mehr im Schubsacke, als Sie meinen.«

– »In der That! Sie müssen ein Wahrsager sein; oder Sie rathen es nur; Sie treffen jedoch den Nagel auf den Kopf.«

– »Dann wollen wir alles Uebrige nur kurz abmachen!« – sagte der Baas sich die Hände reibend. – »Sehen Sie, ich bringe ein Opfer: ich gebe meiner Lisa dreißigtausend Franken Aussteuer in Geld und liegenden Gütern. Wenn ich sterbe, bekommt sie noch dreißigtausend. Ich verkaufe die Wirthschaft, mache keine Gemeinschaft mehr mit den lumpigen Bauern zu haben . . . und ich werde bei Ihnen auf dem Schlosse wohnen. So bekommen Sie doch die sechzigtausend Franken schon vom ersten Tage an.«

Bei diesen Worten stand er auf, bot dem Baron die Hand, und rief:

– »Sie sehen, daß ich nicht viele Schwierigkeiten mache. Nun, Herr von Bruinkasteel, schlagen Sie ein auf diese Heirath . . . Warum ziehen Sie Ihre Hand zurück?«

– »Auf diese Heirath? Auf welche Heirath?« – fragte der Baron.

– »Kommen Sie, drücken Sie ihrem Schwiegervater die Hand, und binnen vierzehn Tagen fallen Sie mit meiner Tochter von der Kanzel! Schämen Sie ich nicht, Baron; wir sind ja keine Kinder mehr; geben Sie mir die Hand!«

Der Baron brach in ein lautes Gelächter aus; – auf dem Gesichte des Baas malte sich Bestürzung und Angst.

– »Warum lachen Sie, Herr von Bruinkasteel?« fragte er verlegen. – »Vielleicht vor Freude?«

– »Nun, Herr Gansendonck,« – rief der Baron, sobald er wieder Herr über sich selbst wurde – »sind Sie von Sinnen? oder was geht mit Ihnen vor?«

– »Haben Sie nicht selbst gesagt, daß Sie sich verheirathen wollen?«

– »Gewiß mit einer Dame in Paris! Sie ist nicht so schön, wie ihre Lisa; aber sie ist eine Gräfin und hat einen sehr alten und berühmten Namen.«

Es durchfuhr den Baas; er zitterte vom Kopf zu Füßen; mit bittender Miene sagte er:

– »Herr Baron! Scherz bei Seite, wenn Sie die Güte haben wollen! Sie beabsichtigen ja doch meine Lisa zu heirathen. Ich weiß Sie lachen gern, und habe Nichts dagegen, wenn es ihnen Spaß macht, – bedenken Sie aber nur, Baron! Mädchen, wie unsere Lisa, laufen eben nicht viele herum. Schön wie in Blümchen im Felde, gebildet, liebenswürdig, von guter Herkunft und dreißigtausend Franken gleich, und eben so viel in der Zukunft! Das ist doch nicht lächerlich, und ich kenne nicht eine einzige Gräfin, die so viele Vortheile darbietet. Eine gute Gelegenheit fliegt mit den Störchen über das Meer, und man weiß nicht, wann sie wiederkehrt.«

– »Armer Gansendonck!« – sagte der Baron – »ich beklage Sie! Sie haben wahrlich ihre fünf Sinne nicht beisammen; in Ihrem Kopf ist eine Schraube losgegangen!«

– »Was! Was!« – rief der Baas aufgebracht – »Ich will mich bezwingen; es ist vielleicht nur ein Scherz. Unser Mißverständniß muß jedoch ein Ende haben. Ich frage Sie, Herr von Bruinkasteel: Wollen Sie meine Tochter heirathen, oder nicht? Haben Sie die Güte und geben Sie mir eine kurze und deutliche Antwort.«

– »Es ist mir eben so unmöglich, Lisa zu heirathen, Baas, als Ihnen, eine Ehe mit dem Morgenstern zu schließen!«

– »Und warum das?« – rief der Baas zürnend – »oder sind Sie vielleicht zu vornehm für uns? Die Gansendoncks sind ehrliche Leute, mein Herr; sie haben manches schöne Stück Land unter dem blauen Himmel liegen. Sagen Sie kurz: Heirathen Sie meine Tochter oder nicht?«

– »Ihre Frage ist lächerlich, doch will ich sie beantworten. Nein! Ich heirathe Lisa weder heute, noch morgen, noch jemals! Und nun lassen Sie mich zufrieden mit Ihrem lächerlichen Wahn!«

Vor Wuth bebend und roth wie ein Hahn vor Schaam und Zorn, stampfte der Baas mit dem Fuße auf den Teppich, und rief:

– »So! meine Frage ist lächerlich? ich bin ein Narr? Sie wollen Lisa nicht heirathen? Das wollen wir sehen! Das Recht ist für Jedermann, sowohl für mich, wie für einen Baron! Und wenn ich die Hälfte meines Vermögens daran setzen soll, so werde ich Sie zu zwingen wissen. Was? Sie wollen mit scheinheiligem Wesen in mein Haus dringen, meiner Tochter einen Haufen Lügen weismachen, ihren guten Namen in Gefahr bringen, mich zum Besten haben? . . . und dann zu sagen wagen: Ich will sie nicht, ich verheirathe mich mit einer Gräfin! Das geht nicht so, Baron! Mit Baas Gansendonck kann man nicht so umspringen! Nach dem, was gestern vorgefallen ist, dürfen Sie sich nicht mehr weigern. Sie müssen die Ehre meiner Tochter wiederherstellen, oder ich lasse Sie vor das Gericht laden, und treibe den Prozeß bis nach Brüssel. Sie müssen sie heirathen; und wenn Sie mir nicht gleich das Jawort geben, so verbiete ich Ihnen, je wieder einen Fuß über meine Schwelle zu setzen.«

Während dieses Ausfalles hatte der Baron mit einem stillen Lächeln des Mitleides und mit großer Ruhe den Baas angesehen. Nur als dieser drohte, zeigte die plötzliche Röthe eines Gesichts, daß Unwille oder Zorn sich seiner bemächtigten.

– »Herr Gansendonck! – sagte er – »Aus Achtung gegen mich selbst müßte ich an diesem Klingelzuge ziehen und Sie durch meine Diener hinausführen lassen; aber ich habe wahrlich Mitleid mit ihrer Verrücktheit. Wenn Sie wollen, will ich ein für alle Mal klar und deutlich antworten auf das, was Sie gesagt haben und noch sagen könnten. In dem, was vorgefallen ist, liegt eine Lehre für Sie wie für mich. Wir werden Beide wohlthun, wenn wir Nutzen daraus ziehen.«

– »Ich will wissen,« – rief der Baas – »ob Sie sich mit Lisa verheirathen werden oder nicht!«

– »Haben Sie keine Ohren, daß Sie mich so oft dasselbe fragen? Achten Sie, Herr Gansendonck, auf das, was ich Ihnen sagen werde, und unterbrechen Sie mich nicht! oder meine Knechte sollen unserem lächerlichen Gespräche ein Ende machen!«

– »Ich höre, ich höre!« – murrte der Baas, die Zähne zusammenbeißend – »Und wenn ich verschmachten sollte, ich werde schweigen, bis nachher die Reihe an mich kommt.«

– »Sie werfen mir vor, daß ich mich in Ihr Haus gedrängt habe,« – hub der Baron an – »und doch wissen Sie selbst, daß Sie mich dahin lockten und mich antrieben mit Ihrer Tochter Bekanntschaft zu machen. Was habe ich denn gethan, das ohne Ihre Zustimmung geschah? Nichts! Sie fanden im Gegentheil stets, daß ich nicht vertraut genug mit ihrer Tochter umgehe. Nun verlangen Sie, daß ich mich mit ihr verheirathen soll. Es war also eine Falle, d e Sie mir stellten, und Sie hatten Ihre geheimen Absichten dabei. Urtheilen Sie nun selbst, ob ich nicht solche Mittel und so abscheuliche Pläne verwerfen müsse. Ich kam zu Lisa, weil ihre Gesellschaft mir angenehm war, und weil n echt freundschaftliches Gefühl mich zu ihr zog. Hat dieser Umgang, durch d ich Sie zu ehren meinte, eine traurige Folge für uns Alle gehabt, so ist es al in dadurch gekommen, daß wir das Sprichwort: »Bleibe bei Deines Gleichen,« nicht geachtet haben. Wir haben Beide unverständig gehandelt und sind Beide dafür bestraft worden. Ich ward zu meiner großen Schande fast von eine Bauer todtgeschlagen. Sie sind der Spott des ganzen Dorfes geworden und haben alle die Luftschlösser einstürzen sehen, die Sie bauten. Besser unter dem Galgen beichten, als niemals! Ich bekenne, daß ich Unrecht that, in eine Bauernherberge zu kommen und mich zu benehmen, als ob ich Ihres Gleichen wäre, und ich sehe jetzt wohl ein, daß, wenn Lisa nicht von Natur so streng sittlich wäre, meine Worte und Manieren ihren schönen Charakter verdorben haben würde.«

 

– »Was erlauben Sie sich zu sagen?« – brach der Baas los – »haben Sie Unsittliches zu meiner Tochter gesagt, Sie Verführer?«

– »Ich lache über Ihre Thorheit« – fuhr der Baron fort – »und will noch einen Augenblick vergessen, wer es ist, der so mit mir zu sprechen wagt . . . Ich habe Ihrer Tochter Nichts gesagt, als was man in höheren Klassen als tägliche Komplimente betrachtet, Dinge, die der französischen Sprache eigen sind und Personen, die von Jugend auf nichts Anderes hören, vielleicht wenig schaden, die aber in den niederen Ständen das Herz und die Sitten verderben, weil man sie dort für Wahrheit hält und sie also Leidenschaft entzünden, als ob sie nicht leere Complimente wären. Darin habe ich gefehlt; es ist das einige Unrecht, oder der einzige Mißgriff, den mir Jeder vorwerfen darf, Sie ausgenommen, der Sie mich mehr sagen und thun ließen, als ich selbst wollte. Sie haben mir so eben gedroht, Sie wollen mir Ihr Haus verbieten; das ist nicht nöthig. Ich hatte schon beschlossen, mir die erhaltene Lehre zu Nutze zu mach und nicht allein nicht mehr zu Ihnen als Freund zu gehen, sondern mich jedem Bauer nur zu stellen, wie es sich für meinen Stand geziemt.«

– »Bauern?« – rief der Baas ungeduldig – »Ich bin kein Bauer! Ich heiße Gansendonck! Welche Aehnlichkeit finden Sie zwischen mir und einem Bauer? Sagen Sie!«

– »Unglücklicher Weise für Sie leider keine große,« – antwortete der Baron – »Ihr Hochmuth hat Sie verführt; jetzt sind Sie weder Fisch, noch Fleisch; weder Bauer, noch Herr; Sie werden Ihr ganzes Leben hindurch Nichts finden, als Feindseligkeit und Spott auf der einen, Verachtung und Mitleid auf der Andern Seite. Sie sollten sich schämen, daß Sie so unvernünftig Ihren eigenen Stand verachten. Ein Bauer ist auf Erden der nützlichste Mensch, und wenn er dabei ein ehrlicher und redlicher Mann ist, der seine Pflicht erfüllt, so verdient vor allen andern Menschen geachtet und geliebt zu werden. Wissen Sie, wer die Bauern lächerlich macht? Leute, wie Sie, die sich einbilden, man erhebe sich dadurch, daß man seine Brüder verachtet, die da meinen, daß man kein Bauer mehr ist, wenn man von den Bauern mit Geringschätzung redet, und es genüge, sich einige Adlerfedern auf den Leib zu hängen, um ein Adler u sein.«

– »Habe ich nun lange genug zugehört?« – rief der Baas aufspringend, – »oder denken Sie, Herr Baron, daß ich gekommen bin, mich so durch den Koth schleifen zu lassen, ohne etwas darauf zu antworten?«

– »Noch ein Wort,« – setzte der Baron hinzu – »ich will Ihnen einen guten Rath geben, Herr Gansendonck! Schreiben Sie über die Thür Ihrer Schlafstube das Sprichwort: »Schuster bleibe bei Deinem Leisten!« – Kleiden Sie sich wie die andern Bauern, sprechen und handeln Sie wie Leute Ihres Standes, suchen Sie einen braven Bauernsohn für ihre Tochter zum Mann, rauchen Sie Ihre Pfeife und trinken Sie Ihr Glas Bier in Freundschaft mit den Dorfbewohnern und geben Sie sich keine Mühe mehr, zu scheinen, was Sie nicht sind. Denken Sie, daß wenn auch ein Esel eine Löwenhaut trägt, seine Ohren doch herausgucken, und daß man stets an Ihren Federn und Ihrem Gesange deutlich genug merkt, Ihre Mutter sei keine Ente gewesen. – Und nun gehen Sie in Frieden mit dieser Lehre nach Hause; Sie werden mir später dafür danken. Glauben Sie aber noch etwas sagen zu müssen, so reden Sie, ich werde Sie nun meinerseits anhören.«

Der Baas sprang wieder vom Stuhl empor, kreuzte die Arme wüthend auf der Brust und rief:

– »O, Sie glauben mit Ihrer erheuchelten Kälte und mit Affensprüngen mich zu betrügen. Nein, nein, so soll das nicht enden; wir wollen einmal sehn, ob es kein Recht in der Welt mehr giebt, das Sie zwingt, Herr Baron! Ich werde u Ihrem Vater nach der Stadt gehn und ihm erzählen, wie Sie die Ehre meines Hauses schändeten. Und müßte ich nach Paris an die Gräfin schreiben, Ihren Namen Sie aus Furcht verschweigen, so werde ich es thun – Ihre Heirath hindern und der ganzen Welt mittheilen, welch' ein falscher Betrüger Sie sind.«

– »Ist das nun Alles, was Sie zu sagen hatten?« – fragte der Baron mit verhaltenem Zorn.

»Heirathen Sie Lisa oder nicht?« – schrie der Baas, mit den Fäusten drohend.

Der Baron streckte die Hand aus und riß zwei Mal heftig am Klingelzuge. Eben so rasch hörte man die Schritte herbeieilender Diener auf der Treppe. Baas Gansendonck zitterte vor Wuth und Beschämung. Die Thür öffnete sich, die Diener erschienen im Salon. —

»Der Herr Baron haben geklingelt?« – fragten Alle zugleich bestürzt.

»Begleitet Herrn Gansendonck bis an das Thor des Jagdhofes!« – befahl er, so kalt wie es ihm noch möglich war.

»Was, Sie wollen mich aus der Thür werfen,« – schrie der Baas mit verbissener Wuth – »das sollen Sie mir bezahlen, Tyrann, Betrüger, Verführer . . . !«

Der Baron gab den Bedienten ein Zeichen mit der Hand, fand auf und verließ den Salon durch eine Seitenthür.

Baas Gansendonck war wie vom Donner gerührt und wußte nicht, ob er schelten oder weinen sollte. Die Bedienten schoben ihn unterdessen artig, aber unwiderstehlich bis an die Thür, ohne auf eine Ausrufungen zu achten.

Ehe der Baas noch recht wußte, was mit ihm vorgegangen, befand er sich auf offenem Felde und sah das Thor des Jagdhofes hinter sich zufallen.

Eine Weile ging er gerade aus, wie ein Blinder, der nicht weiß wo er ist, bis er mit dem Kopf an einen Baum rannte und durch diesen Stoß zu erwachen schien. Dann schritt er eilig auf dem Wege weiter und stieß Schimpfreden gegen den Baron aus, um seiner Betrübniß und seinem Zorn Luft zu machen.

Hinter der Ecke eines Gehölzes blieb er überlegend stehen. Nach zehn Minuten etwa des peinlichsten Nachdenkens fing er an sich selbst mit Fäusten zu puffen und mit der flachen Hand an die Stirn zu schlagen, während er bei jedem Schlage sich selbst zurief:

»Esel, darfst Du nun noch zu Hause gehn, Du Eule? Die Peitsche verdienst Du, dummer Lump.

Das soll Dich lehren Barone und gnädige Herren suchen! Thu‘ nur noch eine weiße Weste und gelbe Handschuh an! Eine Narrenkappe paßt besser für Dich! Einfältig und dumm genug bist Du, um in einer Windmühle zu ertrinken! – Versteck Dich, kriech in die Erde vor Schaam, lumpiger Bauer! lumpiger Bauer! . . .

Endlich, nachdem er seinen Aerger über sich selbst ausgegossen, stürzten ihm die Thränen aus den Augen; weinend und seufzend, beschämt und betrübt, trabte er nach seiner Wohnung fort.

Plötzlich sah er einen Knecht von Weitem, der ihm entgegen lief und ihm in der Eile unverständliche Worte zurief.

»Baas, Baas, kommt schnell,« – rief Kobe, so wie er sich seinem Herrn näherte – »unsere arme Lisa liegt in tödtlichen Krämpfen!«

– »Gott, Gott!« – seufzte Baas Gansendonck – »Alles stürzt zugleich auf mich ein! Und Jeder verläßt mich. Du auch Kobe!«

– »Vergeben und vergessen Baas!« – sagte der Knecht höchst mitleidig – »Ihr seid unglücklich; ich bleibe bei Euch, solange ich Euch nützlich sein kann . . . aber kommt nur, kommt!«

Beide eilten mit hastigen Schritten und traurigem Geschrei nach dem Dorfe.