Christlicher Glaube - was ist das?

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1.3.5 Der Islam

Der Islam fasst sein Gottesverständnis, das er dem Judentum und dem Christentum entnimmt, in dem Satz zusammen: »Es gibt keinen Gott außer Gott«. In Sure 112 wird der islamische Monotheismus gegenüber dem Polytheismus und gegenüber einem nicht verstandenen Trinitätsglauben abgegrenzt.

1.3.6 Monotheismus und Universalreligion

Der Monotheismus sprengt alle regionalen und kulturellen Begrenzungen und bildet eine Basis für die Universalreligion. Das bedeutet freilich nicht, dass ein personales Gottesverständnis oder überhaupt eine Art von Gottesgedanke die Bedingung für eine Religion oder gar für eine Universalreligion wäre. So ist z. B. der Buddhismus eine nichttheistische Religion, die weder einen Gott noch eine Gottesverehrung kennt.

1.4 Religion und Kultur
1.4.1 Was ist unter »Kultur« zu verstehen?

Seit die Römer das Wort »Kultur« (cultura) erfunden haben, wird darüber gestritten, was darunter zu verstehen ist. In den Streit der Spezialisten müssen wir uns hier nicht einmischen. Für unseren Zusammenhang reicht jene weite Umschreibung, die allgemein anerkannt ist. Danach gilt als Kultur all das, was nicht von Natur aus gegeben ist, sondern durch den Menschen, durch dessen geistige und handwerkliche Fähigkeiten an Welt- und Lebensgestaltung hervorgebracht wird.

Darin sind vier Dinge hervorzuheben:

1 Kultur ist keine Sache des Einzelnen, sondern stets die Gesamtleistung einer Gruppe von Menschen, die in der Lage sind, sich untereinander zu verständigen.

2 |29| Von den frühesten Kulturen an war die Sprache die wesentliche Basis für das Entstehen und den Aufbau einer gemeinsamen Kultur.

3 Kultur ist keine starre Größe. Sie verändert sich mit den Lebensbedingungen und mit den Antworten, die die kulturelle Gemeinschaft auf die jeweils aktuellen Lebensfragen gibt. Kulturen sind historisch sich verändernde Ganzheiten.

4 Es gibt keine gewordene Gemeinschaft ohne Kultur, denn die Kultur macht gerade das Gemeinsame einer menschlichen Gemeinschaft aus.

1.4.2 Die Rolle der Religion in den frühen Kulturen

In der Frühzeit der Menschen und auch in den Naturreligionen bilden Kultur und Religion eine untrennbare Einheit. Wenn Religion die elementaren Sinnfragen des menschlichen Lebens stellt und darauf Antworten gibt, so repräsentiert sie das umgreifende Sinngefüge, von dem her die kulturelle Gemeinschaft ihr Sozialgefüge, ihr soziales Verhalten, ihr Verhältnis zur Natur ordnet und die Richtung ihrer kulturellen Entwicklung steuert.

In den regionalen Hochreligionen ist die Dominanz der Religion zwar noch gegeben, aber Religion und politische Herrschaft beginnen sich bereits als eigenständige kulturelle Bereiche zu profilieren. Herrscher und Priester ergänzen einander und bilden gelegentlich eine Personalunion. Das Irdisch-Weltliche bleibt aber im Nichtirdisch-Göttlichen verankert und auch darauf ausgerichtet. In den meisten islamischen Ländern ist die enge Verbindung von staatlicher Macht und Religion bis heute das Normale.

1.4.3 Religion und Kult

In den alten Kulturen äußert und präsentiert sich Religion öffentlich in der Gestalt von Kult. Das Wort »Kult« ist, wie auch »Kultur«, aus dem lateinischen colere hergeleitet und |30| bedeutet »hegen und pflegen«. Im Kult wird der Umgang mit dem Heiligen, den Göttern und dem Göttlichen in geordneter Weise gepflegt und in den Formen der Kultgemeinschaft vollzogen. Der Kult ist eine Art Begegnungs- und Vermittlungsstelle zwischen dem Irdischen und dem Göttlichen. Im Kult verehrt die Gemeinschaft zum einen die göttlichen Mächte, und sie empfängt darin zum anderen auch deren Segen und Bestätigung für ihr irdisches Handeln. Der Kult veranschaulicht und dokumentiert in den alten Kulturen die enge Verbindung zwischen Religion und Kultur. Er ist eine öffentliche Angelegenheit.

Die Nachklänge des Kultischen sind selbst in jenen Gesellschaften gegenwärtig, in denen Staat und Religion als streng getrennt gelten. Synagogen, christliche Kirchen und Moscheen prägen bis heute auch in säkularen Gesellschaften das Ortsbild. Jüdische, christliche und islamische Feste gliedern das säkulare Jahr und sind auch in jenen Ländern und Bevölkerungsschichten prägend gegenwärtig, in denen der Kontakt zu den religiösen Inhalten dieser Feste längst verlorengegangen ist. Weihnachten, Ostern und Pfingsten sind bei uns weithin von Inhalten überlagert worden, die mit ihren Ursprüngen nur noch wenig zu tun haben. Der säkulare Staat entwickelt für seine eigenen Anlässe der Repräsentation religionsartige Kultformen. Denken wir nur an die protokollarischen Riten beim Empfang von Staatsgästen und an die militärischen Zeremonien bei Paraden, Gedenkformen, Vereidigungen.

1.5 Religion und Staat
1.5.1 Die Alte Welt

Die Griechen hatten noch keine Bezeichnung für das, was wir »Religion« nennen. Sie trennten nicht zwischen einem sakralen und einem profanen Bereich, weil für sie noch alles Geschehen Anteil am Göttlichen hatte. Staatliches Handeln und |31| religiöser Kult bildeten eine Einheit, die im Kult zum Ausdruck kam. Im Alten Orient und auch im Alten Israel waren die Könige sakrale Gestalten. In Rom nahm Cäsar den sakralen Titel Pontifex Maximus für sich in Anspruch, das taten bis auf Gratian (375–383) auch die nachfolgenden römischen Kaiser. Im 5. Jahrhundert zog dann der römische Bischof in der Folge des Untergangs des römischen Reiches den Titel Pontifex Maximus an sich.

1.5.2 Die Einheit von Kirche und Staat bis ins 19. Jahrhundert

Die ersten Christengenerationen haben keinen neuen Kult eröffnet, denn sie erwarteten das Reich Gottes. Mit der staatlichen Macht setzten sie sich kaum auseinander. Als Anhänger einer nicht erlaubten Religion verhielten sich die Christen möglichst unauffällig und gegenüber der Staatsmacht loyal. Für sie galt: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist« (Mk 12,17).

Kaiser Konstantin I. erhob mit dem Toleranzedikt von 313 das Christentum zur anerkannten Religion im römischen Reich. Kaiser Theodosius I. machte das Christentum 380 zur Staatsreligion. Kaiser Justinian I. (um 485 bis 565) verband Kirche und Staat zu einer Theokratie, die vom Kaiser geleitet wurde. In den orthodoxen Kirchen, besonders in Russland, ist das bis heute die Idealvorstellung.

Im Westen entwickelte sich seit Augustinus († 430) ein anderes Verhältnis der christlichen Kirche zum Staat, nämlich ein spannungsvolles Miteinander, Ineinander und Gegeneinander von kirchlicher und weltlicher Herrschaft. Papst Gelasius I. (492–496) postulierte die Zwei-Schwerter-Theorie. Danach ist die Kirche von der politischen Macht unabhängig. Zu Beginn des 2. Jahrtausends beanspruchte die Kirche den Vorrang vor der weltlichen Macht. Papst Gregor VII. erklärte im »Dictatus Papae« 1075 den Papst zum obersten Herrn der gesamten Erde. Papst Bonifatius VIII. geht noch weiter. In |32| der Bulle »Unam sanctam« von 1302 stellt er fest, dass die geistliche Macht jede irdische Macht überragt, und dass es für jedes menschliche Geschöpf heilsnotwendig sei, dem römischen Bischof unterworfen zu sein. Damit war der Bogen überspannt. Bereits 1309 gerieten die Päpste durch die französischen Könige in die »babylonische Gefangenschaft« von Avignon. Es gab jetzt zwei, später sogar drei Päpste nebeneinander, die einander und ihre Anhänger gegenseitig exkommunizierten. Für Jahrzehnte war die gesamte Christenheit exkommuniziert. Dieses abendländische Schisma wurde erst 1415 durch das Konzil von Konstanz beendet.

Durch die Reformation entstand eine neue Gesamtlage. Die Vorstellung von einem umfassenden christlichen Reich löste sich auf. Es bildeten sich souveräne nationale Territorialstaaten, die zunächst konfessionell geschlossen blieben, entweder römisch-katholisch oder protestantisch. Seit 1555 (Augsburger Religionsfriede) galt der Grundsatz: »cuius regio, eius religio«/der Herrscher bestimmt die Religion in seinem Herrschaftsbereich. Erst im Westfälischen Religionsfrieden, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, wurde 1648 bestimmt, dass bei einem Konfessionswechsel des Landesherrn die Untertanen ihre Konfession behalten konnten. Das war ein wesentlicher Schritt auf dem beschwerlichen Weg zur Religionsfreiheit. Die Kirchen blieben allerdings weiterhin unter der Aufsicht der Landesherren. Die Glaubensfreiheit des Einzelnen kam in Deutschland erst durch die Französische Revolution von 1789 in Sicht und durch die Säkularisierung infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803. Jetzt erst erhielten die Kirchen größere Eigenständigkeit, freilich noch nicht die volle Souveränität.

Das Ende des landesherrlichen Kirchenregiments brachte erst das Ende des Ersten Weltkriegs mit dem Ende der Monarchien im Jahre 1918. Kirche und Staat mussten sich jetzt |33| ganz neu definieren, und sie mussten auch ein neues Verhältnis zueinander finden.

1.5.3 Die Trennung von Kirche und Staat

1918 wurde ein Prozess abgeschlossen, der durch die Reformation eingeleitet worden war. Die Reformatoren haben den weltlichen Charakter der Welt betont. Ein Beispiel ist Luthers Wort zur Ehe. Er sagt: »Die Ehe ist ein weltlich Ding.« Die Naturwissenschaften begannen, die Welt »ohne die Hypothese Gott« zu verstehen. Auch die Lebensbereiche Wirtschaft, Politik, Medizin, Kunst u. a. lösten sich aus der Bevormundung durch die Religion.

Mit der Trennung von Staat und Kirche waren auch Religion und Staat als eigenständige Größen erkannt und anerkannt. Seither gibt es kein kirchliches Monopol mehr, die weltlichen Bereiche aus kirchlich-theologischer Perspektive zu deuten. Der Staat sieht sich als Organisation und in seinem Machtmonopol nicht mehr durch sakrale Quellen oder durch die Kirche legitimiert, sondern allein durch die Zustimmung seiner Bürger. Als den Bereich seiner Verantwortung betrachtet er nicht mehr Sittlichkeit, Moral oder Ordnung der Wahrheit, sondern den Rechtsfrieden und die Sicherheit für alle Bürger. Der säkulare Staat versteht sich religiös neutral und beschränkt sich auf innerweltliche Staatszwecke. Theokratische Elemente sind damit ausgeschlossen.

 

1.5.4 Persönliche Verantwortung ist jetzt gefordert

Die Trennung von Kirche und säkularem Staat hat im öffentlichen Bewusstsein dazu geführt, dass Religion als Privatsache des Einzelnen zu verstehen ist und dass sie im öffentlichen Leben nichts zu suchen hat. Wenn es um die Gestaltung unserer Gesellschaft und um die Klärung ethischer Werte geht, werden die Kirchen als Organisationen zwar noch gehört, aber eine verbriefte Mitsprache haben nur noch die einzelnen |34| Christen als Bürger des Staates. Die offizielle gesellschaftliche Mitsprache ist von den Kirchen auf den einzelnen Christen übergegangen. Das Christsein in unserer Welt hat mit der Privatisierung der Religion eine politische Dimension erhalten, die der Einzelne bis 1918 so nicht wahrzunehmen hatte. Diese, jedem Einzelnen zugefallene Mitverantwortung für die soziale, wirtschaftliche, politische und kulturelle Gestalt unseres Gemeinwesens und der Werte, die darin gelten sollen, kann niemand mehr an »die Kirche« delegieren. Die Verantwortung für die Gestalt unseres Gemeinwesens und seiner Werte muss jetzt jeder unvertretbar persönlich wahrnehmen. Das ist noch nicht voll im Bewusstsein der Christen. Es gilt jetzt ohne Abstriche das Wort Jesu: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (Joh 20,21). Es genügt nicht mehr, sich um das eigene Seelenheil zu kümmern. Die christliche Botschaft bedeutet: Mitgestaltung unserer Welt aus dem Geist der Liebe.

|35| 2 Basis und Bedingungen unseres Redens von Gott und Glauben

Über Gott und Glauben kann und darf jeder reden, wie er will. Soll aber der Inhalt dieses Redens überprüfbar sein, so muss geklärt werden, wovon wir reden und wie das geschehen kann. Nur wenn der Forschungsbereich, die Vorgaben und die Methoden offengelegt werden, kann der Leser den Gehalt religiöser Texte einschätzen und sich mit ihnen auseinandersetzen.

Die folgenden Ausführungen sind nicht als subjektive Meinungen des Verfassers zu verstehen, sondern als Aussagen, die sich auf einen breiten wissenschaftlichen Konsens stützen. Da sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber bestehen, was als »wissenschaftlich« gelten kann, muss auch dies vorab geklärt werden, und zwar schon deshalb, weil das Vorurteil besteht, Religion und Wissenschaft seien miteinander nicht vereinbar.

2.1 Theologie
2.1.1 Was heißt »Theologie«?

Das Wort »Theologie« ist abgeleitet von dem griechischen Wort theós/Gott und lógos/Wort. Es bezieht sich generell auf Religionen, in denen eine Gottesvorstellung existiert. Theologie ist die denkerisch verantwortete und geordnete Rede von Gott und dem Göttlichen. In diesem weitesten Sinn finden wir theologische Aussagen auch bei Philosophen, in deren Systemen das Göttliche eine Rolle spielt.

Im engeren Sinn bezeichnet Theologie die denkerisch verantwortete und systematisch geordnete Rede von jener Gotteswirklichkeit und Glaubenswelt, die von einer bestimmten Religion (Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus u. a.) |36| repräsentiert und vergegenwärtigt wird. Jüdische, christliche und islamische Theologie reflektiert die Gotteswirklichkeit der jeweiligen Religion im Blick auf alle menschlichen Lebensbereiche (Natur, Kultur, Wirtschaft, Politik, Geschichte, Familie, menschliches Handeln).

Die christliche Theologie reflektiert entsprechend jene Gotteswirklichkeit, die durch Jesus von Nazaret in den Blick gekommen ist und die sich geschichtlich in Kirchen ausgeformt hat und im Bewusstsein der Christen existiert. Sie erforscht das geschichtliche Werden und Wachsen der christlichen Gemeinden und Kirchen, ihre verschiedenartigen geistigen Konzepte und ihre Einbindung in die jeweiligen Kulturen, geistigen Strömungen und politischen Konstellationen. Sie bedenkt die Konsequenzen der Christusbotschaft für alle Felder und Bereiche des menschlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens.

2.1.2 Das Selbstverständnis der Theologie

Mit dem christlichen Glauben kann man sich auf verschiedene Weisen befassen, und zwar aus der Außenperspektive und aus der Innenperspektive. Die Religionswissenschaften betrachten Religion und christlichen Glauben aus der Außenperspektive. Das tun sie unter verschiedenen Hinsichten und mit verschiedenen Schwerpunkten.

 Die Religionsethnologie forscht aus der Sicht der Völkerkunde.

 Die Religionsethologie betrachtet das Frömmigkeitsverhalten.

 Die Religionsgeschichte ordnet Religion in die geschichtlichen Prozesse ein.

 Die Religionsphänomenologie konzentriert sich auf religiöse Erscheinungsformen.

 Die Religionspsychologie interessiert sich für das seelische Geschehen.

 |37| Die Religionsphilosophie setzt die Religion ins Verhältnis zu philosophischen Fragestellungen und Positionen.

 Die Religionssoziologie ordnet Religion den gesellschaftlichen Prozessen und Erscheinungen zu.

Theologie reflektiert die eigene Religion aus der Innenperspektive. Sie steht ihrem »Gegenstand« nicht distanziert und unbeteiligt gegenüber, sondern sie formuliert und argumentiert aus der Sicht und der Logik der eigenen Glaubensbasis. Das bedeutet nicht, dass die Theologie das jeweils geltende Glaubenssystem der eigenen Kirche legitimiert und verteidigt. Auch die römisch-katholischen Theologen sagen klar: »Bleibender Grund und Gegenstand christlicher Theologie ist das Erinnern, Bezeugen und Bedenken des Ereignisses Jesus Christus« (H. Häring/K.-J. Kuschel) und was daraus folgt.

Indem die christliche Theologie den Urgrund des christlichen Glaubens als den Prüfstein und Maßstab ihrer Arbeit versteht, definiert sie sich selbstkritisch gegenüber ihren eigenen Konzepten und auch kritisch gegenüber allen historischen und aktuellen Erscheinungen von Frömmigkeit, Religiosität und Kirche. Sie sieht ihre Aufgabe darin, alle Erscheinungsformen des christlichen Glaubens mit ihrem Urgrund in Jesus von Nazaret zu konfrontieren und sie daran zu messen.

2.1.3 Theologie und kirchliche Lehre

Die römisch-katholische Kirche hat im Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 festgelegt, wer die Normen des Glaubens setzt und welche Rolle die Theologie zu spielen hat: »Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird.« (DV 10) Die Arbeit der Theologen wird auf die Funktion festgelegt, das, was das päpstliche Lehramt zu glauben vorlegt, im Sinne dieses Lehramtes zu erklären und zu vermitteln. Alle in der römisch-katholischen Kirche Lehrenden |38| müssen sich dazu mit einem Treueid verpflichten. Der katholische Theologe G. Hasenhüttl sieht dadurch alle Lehrenden zu »Vollzugsbeamten des Papstes« gemacht und widerspricht vehement diesem Verständnis von Theologie.

In ihrem Selbstverständnis versteht sich eine freie christliche Theologie ganz und gar nicht als Magd, die für die kirchliche Lehre Zubringer und Vermittlerdienste zu leisten hat. Theologie orientiert sich bleibend an jener Wirklichkeit, die uns durch Jesus von Nazaret eröffnet wurde. Sie ist das Forum, in welchem die Fragen des christlichen Glaubens und der Gestalt und Funktion von Kirche im Lichte der Botschaft Jesu öffentlich verhandelt und für die Gegenwart bedacht und verantwortet werden. In diesem Sinne ist Theologie ein notwendiges kritisches Gegenüber zur Kirche und ihren Lehren. Sie hilft, dass Kirche und christlicher Glaube bei ihrem Grund und bei ihrer Sache bleiben.

2.1.4 Theologie und Glaube

Nach römisch-katholischer Lehre ist »Glaube theologisch eine auf innerer Sicherheit beruhende absolute Zustimmung«, und zwar »vor allem ein Akt des zustimmenden Verstandes« zu den Lehren der Kirche. Der Katholische Weltkatechismus sagt: Der Glaube ist »freie Zustimmung zu der ganzen von Gott geoffenbarten Wahrheit, wie sie von der Kirche in ihren Lehren vorgelegt wird«. Hier steht das Fürwahrhalten der richtigen Erkenntnis im Vordergrund.

Nach reformatorischem Verständnis ist Glaube in erster Linie ein Akt des Vertrauens. Luther formuliert im »Großen Katechismus« generell: »Woran du dein Herz hängst, und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott.« Ein Vertrauensakt ist allemal ein Wagnis, weil sich erst im Wagnis zeigt, ob jenes Gegenüber, auf das ich vertraue, mein Vertrauen rechtfertigt und sich als tragfähig erweist.

|39| Christliche Theologie hat immer wieder herauszuarbeiten, was der Vertrauensgrund für den christlichen Glauben ist. Sie verdeutlicht, dass Glaubenswissen oder Fürwahrhalten von Lehren noch kein Glaube ist, weil ein Christ nicht an Glaubensvorstellungen einer Kirche glaubt, sondern sich jener Wirklichkeit anvertraut, die in Jesus von Nazaret als Liebe offenbar geworden ist und die damit seinem Leben einen neuen Horizont eröffnet.

2.1.5 Theologie und Frömmigkeit

Unter Frömmigkeit verstehen wir den Ausdruck der subjektiven Seite des Glaubens. Frömmigkeit ist das Verhalten, das aus dem jeweiligen Glauben hervorgeht. Dieses Verhalten weist auf den Glaubensgrund zurück. So weist z. B. eine Observanz-Frömmigkeit darauf hin, dass der Gläubige sich von einer göttlichen Macht abhängig weiß, die von ihm vor allem bestimmte moralische und rituelle Verhaltensweisen und Handlungen verlangt. Die Kultus-Frömmigkeit weist auf einen Gott hin, der vor allem Verehrung verlangt. Die Werk-Frömmigkeit setzt darauf, dass man sich durch gute Taten vor Gott ausweisen und sein Heil verdienen kann. Die Askese-Frömmigkeit z. B. des Mönchtums ist eine spezielle Form der Werk-Frömmigkeit. Die mystische Frömmigkeit strebt durch Versenkung bis hin zur Ekstase eine Vereinigung mit Gott an. Die Verstandes-Frömmigkeit meint, dass Gott das Fürwahrhalten der richtigen Lehren über ihn verlangt.

Die Theologie hat nicht die Aufgabe, den oder jenen Frömmigkeitstyp zu rechtfertigen oder zu propagieren. Sie fragt und klärt, in welchem Maße der in den verschiedenen Frömmigkeitsformen gelebte Ausdruck des Glaubens dem christlichen Glaubensgrund entspricht oder ihn verfehlt.

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