Die wilden Zeiten der Théra P.

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Kapitel 3. Im Schutz der Haremsfrauen

1.

Mitte Januar nahmen sich Théra und Clara in der Schule frei und sie flogen mit ihrem großen Bruder Para nach Dubai.

Wieder erfuhr Théra, wie weise dieser Emir war.

Bei der Begrüßung umschloß der Emir Théras kleine Hände mit seinen großen kräftigen Männerhänden und er seufzte, „ich glaube, dieses Mal brauchst du meine Hilfe.“

Seine Söhne hatten im Umgang mit den Pferden durch Théras Unterricht einen ganz neuen Stil entwickelt. Sie waren lockerer und souveräner. Sie achteten die Tiere mehr als vorher, und sie konnten auch den Menschen viel besser zuhören. Ihr Urteil war klarer und gereifter. All das waren Eigenschaften, die einen arabischen Herrscher auszeichnen. Der Emir war ein Mann von Ehre. Er würde Théra seine Hilfe gerne gewähren.

Dann hatte er nach seiner Lieblingsfrau geschickt und sie gebeten, sich um Théra zu kümmern. Sollten Clara und Para dieses Mal die Pferde und die Jungens übernehmen. Théra hatte sich seine Fürsorge verdient. Seine Frauen sollten einmal ganz für Théra da sein.

2.

Théra wurde im Harem des Emirs stürmisch und begeistert aufgenommen. Die gleichaltrigen Mädchen hatten sich durch Théras Vermittlung auf verbotenes Terrain vorwagen dürfen. Sie waren in die Männerdomaine eingebrochen, und sie hatten begonnen, die ausgemusterten Pferde zu pflegen und zu reiten, die aus irgendwelchen Gründen nicht in das ästhetische Zuchtprogramm passten. Mal gab es eine Blässe, die da nicht hingehörte, mal waren die Beine zu kurz oder das Fell ungleichmäßig. Sie wären unter normalen Umständen zum Schlachter geschickt worden, aber es waren gute Pferde. Théra hatte damals dafür gesorgt, dass diese Tiere unter dem Schutz der Mädchen leben durften.

Die Mädchen hatten dabei nie ihre traditionellen Pflichten vernachlässigt, oder gar vergessen, und die Mädchen waren durch diese neue Aufgabe innerlich „gewachsen“. Sie hatten Verantwortung übernommen, und sie waren selbstbewusst und stolz geworden, ohne die Demut und die Dankbarkeit zu verlieren, die Teil ihrer Erziehung war.

Die Rolle der Frau im Clan des Herrschers war die einer unsichtbaren Fee. Viele dieser Frauen hatten angesehene Berufe. Sie waren diplomierte Übersetzerinnen, studierte Ökonome und Anwältinnen. Sie waren in dem Clan des Herrschers dennoch unsichtbar. Sie lenkten viele Geschicke des Landes, aber sie hielten sich an die Traditionen.

Einige der Mädchen hatten also jetzt die Männerdomaine des Reitens für sich entdeckt. Sie fühlten sich glücklich und das war allein Théras Verdienst.

Es war kein Wunder, dass Théra aufgenommen wurde, wie in eine grosse Familie.

Théra und die Mädchen pflegten die aus der Zucht ausgemusterten Pferde. Sie wagten auch, in den frühen Morgenstunden weit hinaus in die Wüste zu reiten, und sich nach dem Sternenhimmel zu orientieren. Sie waren völlig allein. Nun ja, so gut wie. In einiger Entfernung folgten ihnen stets einige besonders ausgesuchte Beduinen, alles geschickte Reiter und unsichtbar wie Schatten, um über die Mädchen zu wachen. Der Emir liebte seine Mädchen viel zu sehr, um sie einer Gefahr auszusetzen, und er ließ sie keinen Moment aus den Augen.

Dennoch war für Théra in diesem Monat alles anders als früher. Théra hatte ihre Rolle als Lehrerin der Mädchen abgelegt. Es war eher so, dass sie jetzt von den Mädchen gestützt und umsorgt wurde, und sie war froh, dass sie nur von den Mädchen und den Frauen umgeben war, ganz ohne Männer.

In den heissen Tagesstunden wurde gebadet. Sie pflegten sich gegenseitig. Sie kämmten und flochten sich die Haare. Die Mädchen berührten Théras Körper, anfangs eher wie zufällig, später wurden die Berührungen gezielter. Sie streichelten und stimulierten Théra, die nach anfänglicher Scheu langsam anfing, diese Berührungen zu genießen.

Zwischen den verschiedenen Badegängen wurde immer wieder gelernt, getanzt und gesungen. Théra lernte sich zu bewegen. Sie lernte den Klang der fremden Instrumente kennen, und sie genoß es, sich im Takt zu drehen und die langen Gewänder und Seidenschals schwingen zu lassen. Das war ganz anders, als alles, was sie bisher an Musik und Tanz gesehen und gehört hatte.

Kein Mann hatte Zutritt zu diesem Harem. Es gab keine neugierigen Blicke. Die Frauen blieben unter sich. Es war traditionell, rhytmisch und melodisch. Die Frauen sangen über Themen, die sie nie einem Mann genannt hätten, sie lachten viel, und sie sangen auch über Themen, die für die Stimulation des Mannes gedacht waren. Es gab viele Facetten dieses Gesanges und des Tanzes. Théra war fasziniert.

Sie begriff schnell, dass die Mädchen Unterricht in Liebe erhielten. Sie lernten, was Männer mögen.

Darüber wurde im Harem ganz offen gesprochen. Jede der Frauen beherrschte ein breites Instrumentarium der Liebe, aber es war nicht jeder Frau vergönnt, die erste Frau des Herrschers zu sein. Darüber entschieden seltame Mechanismen und Launen. Manchmal wechselte das. Jede der Frauen wollte dieses Privileg verständlicherweise für sich beanspruchen, doch darüber entschieden der Emir und die anderen Ehemänner und auch das Geschick der Frauen. Manchmal entschied nur die Geburt eines männlichen Erben über die Rolle der Frau.

Obwohl die Frauen alle gebildet waren, so lebten sie alle in diesem System und erzogen auch ihre Mädchen in diesen Gedanken.

Die Sache mit dem Reiten änderte bei den Mädchen nichts an diesem System. Ein Bruch der Tradition wäre nicht hingenommen worden. Die Frauen achteten genauso streng auf die Respektierung ihrer Welt, wie die Männer.

3.

Théras Freundin Leyla war gerade 16 geworden. Sie würde im Sommer den Sohn des Emirs von Masquat heiraten, am Golf von Oman. Die Heirat war schon lange geplant. Schon mit sechs Jahren war Leyla versprochen worden. Es war ein großes und freudiges Ereignis, aber es war auch ein politisches Arrangement. Gesehen hatte Leyla ihren Bräutigam bisher nur aus der Ferne, bei Pferderennen oder bei anderen festlichen Anlässen. Der Bräutigam kannte sie nur verschleiert und hatte noch nicht mal ein Bild von ihr.

Als Théra das hörte, war sie ziemlich schockiert. Hier gehörte es zur Kultur des Landes. Als sie Leyla darauf ansprach, hatte Leyla gelacht und genickt. Es war ihre Pflicht, ihren Mann zu lieben und ihn die Liebe zu ihr zu lehren. Es war ihre Aufgabe, zu ihrem Mann zu stehen. Es spielte keine Rolle, ob sie sich körperlich gefielen. Wenn sie das richtig machte, dann konnte sie von ihrem Mann alles erbitten. Dann konnte sie die erste Frau des zukünftigen Herrschers sein, und hinter ihrem Mann die Geschicke des Landes lenken. Dazu gehörten Diplomatie, Aufopferung und Geschick. Liebe würde dann von selbst kommen - oder auch nicht. Das lag an ihr.

Leyla, die durch Théra das Reiten gelernt hatte, lud Théra zu dieser Hochzeit ein. Aber zunächst sollte Théra ihr bei den Hochzeitsvorbereitungen ein wenig helfen. Leyla zwinkerte Théra zu. „Du kannst viel lernen“, versprach sie.

Es war eine völlig andere Kultur und Théra war bereit, zu lernen.

Noch in diesem Monat würde ein großes Ereignis stattfinden. Ein Pferderennen, zu dem viele Gäste aus der arabischen Welt erwartet wurden. Die Frauen würden Théra mitnehmen.

4.

Während sich Clara und Para um die Heilung der Pferde kümmerten, lebte sich Théra langsam im Harem ein. Sie bekam es gar nicht mit, dass Para nach vier Tagen die Stadt verließ, um all die anderen Herrscher aufzusuchen. In den Emiraten, in Kuweit, in Saudi Arabien und Lybien. Sogar bis Marokko und Algerien führte ihn diese Tour.

Es waren Länder darunter, in die er Clara nicht mitnehmen konnte. Man hätte seine Autorität als Mann in Frage gestellt. Andere Länder waren dabei, da hätte er Clara gern mitgenommen, aber in diesem Januar musste Clara in Dubai bleiben. Die Rücksicht auf Théra gebot das.

Clara hatte indes viel zu tun. Sie trainierte die Jungs, obwohl nicht mehr so viel zu trainieren war wie früher, denn die Jungs machten das inzwischen richtig gut. Sie veränderte den Schwerpunkt des Lernens.

Clara zeigte ihnen, wie sich auf ihren Pferden noch leichter machen konnten und die Pferde ohne Peitsche und nur durch Zurufe und Korrekturen durch die Fersen noch besser dirigieren konnten. Sie übten auf dem hauseigenen Rennparcours, und sie stoppten die Zeiten.

Durch das Training gelang es in den nächsten 10 Tagen, die Zeiten um fast zwei Sekunden schneller zu machen, während die Pferde gleichzeitig geschont wurden und am Ende des Rennens immer noch fit und frisch schienen.

Eine Sekunde ist nicht viel, aber in dem rasend schnellen Tempo über die Zweimeilendistanz konnten das auf der Zielgeraden ein bis zwei Perdelängen sein. Zwei entscheidende Sekunden hatten die Jungs, um das Rennen für sich zu gewinnen.

Der Emir stand manchmal dabei und auch er ließ sich die gestoppten Zeiten zeigen. Er nickte anerkennend. Was er sah (und was langsam auch den Jungs des Emirs ins Bewusstsein trat), das war, dass sie auf den Pferden eine andere Haltung bekommen hatten. Offener, fast schon lässig leicht und doch angespannt und konzentriert.

„Nicht zu lässig leicht“, warnte er seine Jungs. „Behaltet immer den höchsten Spannungsbogen bei, aber überspannt den Bogen nicht. Ihr wollt schließlich ein Rennen gewinnen.“ Clara nickte bei diesen Worten. Genau das hatte sie den Jungs auch sagen wollen. Dieser Emir war wirklich ausserordentlich.

 

Dieses Rennen würde schon bald den ganzen Tag der nordafrikanischen Eliten ausfüllen. Sie würden alle zusammen nach Riad fliegen, dort fand jährlich einmal das größte Derby des Kontinents statt. Es war ein Fest der Ölmilliardäre. Alle, die Rang und Namen hatten, würden kommen, und sie würden ihre zahlreichen Onkel, Söhne, Neffen, Frauen und Nichten mitbringen, die sie für würdig erachteten, an diesem grandiosen Spektakel teilzunehmen.

Die Prämien waren gigantisch. Trotzdem traute sich kein europäischer Züchter an dieses Rennen heran. Züchter aus nichtarabischen Ländern wären auch gar nicht zugelassen worden. Überdies war die Hitze zu groß, die Araberpferde zu schnell, die Regeln rabiat, und die Söhne der Emire und Scheichs konnten es mit jedem Spitzenjockey aufnehmen. Manchmal winkte dem Gewinner auch eine besondere Prämie: die ein oder andere Tochter eines der Emire. Eine königliche Mitgift war selbstverständlich.

Die Preisgaben waren keine „normalen“ Töchter. Es waren Mädchen, die wegen ihrer besonderen Schönheit und Sanftmut gerühmt wurden. Mädchen, die keiner der Männer je gesehen hatte, außer tief verschleiert. Natürlich gab es Tricks. Manchmal zeigten die Mädchen - wie durch einen Zufall der Bewegung - einen kleinen Teil ihrer schlanken Fesseln. Unter den weiten Gewändern zeichneten sich manchmal die grazilen Bewegungen ab. Manchmal die leichte Wölbung des Busens oder der Schulter. Manchmal - wie konnte das nur geschehen - verrutschte der Schleier ein wenig. Ein ganz klein wenig nur, aber doch so, das man eine Schläfe oder eine Augenbraue sehen konnte oder sogar - welch ein Glück - einen kurzen Augenblick lang in die tiefbraunen Augen blicken konnte, bevor der Schleier von der grazilen Hand hastig wieder vorgezogen wurde. Nur die Frauen wussten um die Schönheit der Mädchen und sie strickten eifrig an Legenden, die sie über den Kontinent verbreiteten. So wurden Ehen gestiftet und Frieden untereinander gehalten. Nicht in allen Ländern gelang das, aber in den ölreichen Regionen Nordafrikas und der Sinaihalbinsel, da funktionierte das.

Davon wusste Clara nichts. Clara hatte andere Aufgaben. Théra hingegen wurde in diese kleinen Tricks eingeweiht. Es sind manchmal nur die Kleinigkeiten, die einen Mann zum Rasen bringen können, wurde ihr erklärt. Anders, als bei den europäischen Frauen. Dort - so war man sich sicher - fehlte jede Spannung und jeder Anstand. Théra und Clara wurde es indes hochangerechnet, dass sie stets auf das klassische Ritual geachtet hatten. Sie waren zwar nicht verschleiert, aber sie waren in Gegenwart der Männer immer verhüllt und sittlich gekleidet, und sie waren äußerst höflich. Das entsprach ganz der Sitte und dem Anstand der Araber.

In den Mittagspausen ruhte Clara ein wenig und genoss es, mit Théra und den Mädchen zu baden. Sie sah Théra also jeden Tag und Théra schlief ihr zuliebe in dem gemeinsamen Bett, das eher ein Matratzenlager war, voll mit weichen Kissen, und von einer Gaze umhüllt wurde, um die Mücken fernzuhalten.

Clara sah, dass die Mädchen des Emirs ihrer großen Schwester gut taten. Sie fühlte sich erleichtert. Es war eine gute Idee gewesen, Théra völlig zu entlasten und den Frauen des Harems zu überlassen. Clara hatte keine Ahnung, welchen Mächten sie Théra anvertraut hatte.

5.

Die Mädchen hatten in diesem Land als Jungfrau in die Ehe zu gehen, aber es gab durchaus einige Möglichkeiten, schon vor der Ehe Sex zu haben. Das war zwar verboten, es galt offiziell als unsittlich, doch es wurde bis zu einem gewissen Punkt geduldet, wenn es hinter hohen Mauern des Schweigens verborgen blieb. Küssen, Penetrieren und Schleier ablegen war strengstens verboten, aber warum sollten sich die Mädchen nicht schon vor der Ehe heimlich in der Liebe üben, um noch besser für die Ehe vorbereitet zu sein? Man musste nur aufpassen, dass nichts unsittliches passierte. Dann wäre der Ruf für immer dahin. Es gab strengreligiöse Länder, da wurden Mädchen für solche Dinge öffentlich aus der Gemeinschaft ausgestoßen und sogar zu Tode gesteinigt. Verbotene Dinge sind stets sehr gefährlich.

Es gab sogar Vorkommnisse, da wurden liebende Paare zueinander geführt und die Frauen erreichten schließlich, dass bereits bestehende Ehegelöbnisse der Partner gelöst wurden. Die Frauen hatten viel Macht, wenn sie listig und verschwiegen waren.

Das passierte nicht oft, doch hin und wieder passierte es. Die Frauen hatten da durchaus ihre Kontakte und Mittel, um so etwas in die Wege zu leiten.

Sie sahen Théras Nöte und sie besprachen sich heimlich. Théra stammte nicht aus ihrem Harem. Sie war nicht Teil ihrer Adelsfamilie. Sie stammte nicht einmal aus diesem Land. Da konnte man durchaus etwas lockere Regeln anwenden. Théra war eine Freundin und sie brauchte Hilfe.

Wenn sie da etwas einfädeln würden, dann durfte Théras Ruf auf keinen Fall leiden. Sie musste unerkannt bleiben und sie brauchte den absoluten Schutz der Gruppe. Nie durfte das Gerücht aufkommen, dass vielleicht sogar Leyla dieses Angebot gesucht hätte, um sich für die Ehe besser zu rüsten. Dann wäre die Heirat mit dem Sohn des Emirs von Masquat Vergangenheit.

Die Frauen des Harems waren erfahren in Intrigen und Schachzügen. Überall dort, wo die Regeln sehr streng sind, blühen die unerlaubten Dinge im Verborgenen. Die Frauen des Harems standen in einer Jahrtausende alten Tradition der Kenntnis verbotener Dinge. Sie hatten Königreiche kommen und gehen sehen. Sie hatten Ehen gestiftet, sie hatten fremde Heerführer bestochen und Ehemänner vergiftet. Sie hatten ihre Verbindungen. Sie reichten sogar bis nach Südafrika und nach Indonesien. Théra würde nie alleine sein. Sie würde stets Schutz haben, doch eine Verbindung zum Hof würde nie hergestellt werden können. Nichts würde herauskommen. Die Frauen, die Théra zur Sicherheit begleiten würden, hatte Théra nie gesehen und sie würde sie nie sehen. Niemand würde je ihre Gesichter kennen oder ihre Namen erfahren.

Auch Prostitution hatte es schon immer gegeben. Die Frauen des fürstlichen Harems hatten schon vielen Männern solche gewerblichen Liebhaberinnen vermittelt. Außerhalb und innerhalb des Palastes. Sie wussten, wo man solche Frauen findet, und wer von diesen Frauen „sauber und rein“ war. Diese Dinge blieben Geheimnisse der Frauen. Ihre bevorzugte Stellung am Hofe machte es ihnen leicht, Dinge zu tun, die anderen Frauen nicht möglich gewesen wären. Sie waren wirkliche Herrscherinnen. Sie traten nie öffentlich in Erscheinung. Sie waren Herrscherinnen der Nacht.

6.

Théra wurde langsam und vorsichtig auf dieses besondere Ereignis vorbereitet.

Dann kam der Tag, da wurde Théra gründlicher als sonst gebadet. Sie wurde mit wohlriechenden Seifen gewaschen und sie erhielt duftige Gewänder, über die später ein sittliches Übergewand gezogen werden würde. Sie würde am Nachmittag ruhen und abends noch einmal baden.

In dieser Nacht wurde sie von mehreren Frauen des Harems heimlich aus dem Haus gebracht. Es gab Hintertüren. Sie wurde einige Strassenzüge weiter geführt. Dort fanden sie eine leere Wohnung, in der zwei tief verschleierte Frauen warteten. Die Frauen des Harems verließen Théra, dann wurde ein geheimes Zeichen gegeben und Théra wurde von anderen Frauen abgeholt. Diese Zeremonie wurde noch zweimal wiederholt.

Schließlich wurde Théra in den Seitentrakt eines großes Hauses geführt. Die Frauen blieben dieses Mal bei ihr. Dann wurde eine Tür geöffnet.

7.

Es war ein saalartiger Raum. Es gab kostbare Teppiche, Kissen, Kerzen und viel gedämpftes Licht. In der Mitte gab es ein Podest mit einem riesigen Bett, um das Seidentücher von der Decke hingen, die sich in einem leichten Wind leise bewegten. Woher der Windhauch kam, war unklar.

Auf diesem Bett lag ein vielleicht 18-jähriger junger Mann in weisser Kleidung, das Gesicht unverhüllt. Théra kannte ihn nicht, aber er musste sehr reich sein, nach der wertvollen Einrichtung und den edlen Zügen des Gesichts zu schließen.

Die Frauen hatten sich beim Eintreten stumm verbeugt, dann verteilten sie sich und griffen nach verschiedenen Instrumenten, die - wie zufällig - im Raum standen. Sie begannen leise und melodisch zu singen und diesen Gesang mit Zimbeln, Glöckchen und verschiedenen Zupfinstrumenten zu begleiten. Es war wie eingeübt.

Zwei der Frauen geleiteten Théra in den offenen Raum. Sie begannen sich im Rhythmus des Gesanges zu bewegen und forderten Théra auf, es ihnen gleichzutun.

In dieser Nacht erlebte Théra zum ersten Mal die körperliche Liebe. Sie erlebte den Zauber, wenn Mann und Frau sich vorsichtig berühren. Der Junge war sehr geschickt und er entfachte in Théra ein Feuer nach Mehr. Sie empfand Lust und sie stöhnte, und sie spürte, dass auch der junge Mann Lust empfand.

Die Frauen waren immer dabei. Sie ließen Théra nie alleine, und bevor es zum Äußersten kam, wurde sie von den Frauen weggebracht. Nur zwei Frauen blieben da, und sie vollendeten, was Théra und der junge Mann begonnen hatten, aber davon bekam Théra nichts mehr mit.

8.

Als Théra in das Haus der Frauen zurückkam, wurde sie von einigen Frauen des Harems erwartetet. Die anderen Frauen zogen sich dezent zurück und jetzt waren die Frauen des Harems ganz für Théra da. Sie umsorgten sie, sie badeten sie und sie passten auf, dass Théra nicht in ein seelisches „Loch“ fiel. Später schliefen sie zusammen ein.

Als Théra am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie noch das Feuer der Berührungen in sich. Ob das immer so sei, wollte sie wissen.

Es sollte immer so sein, wurde ihr geantwortet, aber es ist nicht immer so. Ihre Aufgabe wäre es, Liebe und Glück zu einer Einheit zu führen, zu etwas ganz Besonderem. Théra dachte lange nach. Ob sie dieses Feuer wohl noch einmal erleben dürfe?

Die Frauen wiegten die Köpfe und warteten ab. Sie blieben den ganzen Tag bei Théra in diesem fremden Haus. Später spürte Théra, dass Besuch kam, und dann teilten die Frauen Théra mit, der junge Prinz wolle sie gerne wiedersehen.

Théra erlebte ihre zweite Liebesnacht. Aber auch in dieser Nacht brachten die Frauen sie weg, bevor es zum Äußersten kam.

Théra wusste, dass dies eine rein körperliche Liebe war. Sie kannte den jungen Mann ja gar nicht. Sie kannte nur seinen Körper, seine Haut, seinen Geruch, seine Zartheit und den Willen, der sich hinter diesem athletisch gebauten Körper verbarg. Sie verstand auch, was er ihr ins Ohr flüsterte. Sie hatte sich geschmeichelt gefühlt. Sie hatte nicht einmal ihr Gesicht zeigen dürfen, aber sie brannnte jetzt nach dieser Berührung.

In der Folgenacht wurde Théra entjungfert. Obwohl der junge Prinz zart und vorsichtig war, tat das sehr weh. Es war ein krasser Gegensatz zu dem vorherigen Gefühl der Zartheit. Ohne die Wollust, in die sie sich gesteigert hatte, hätte sie das nie geduldet.

Der junge Prinz war voller Rücksicht. Er war geduldig und liebevoll. Er hielt sie in ihren Armen und Théra weinte ein bisschen. Später begann er sie erneut zu streicheln. Théra hatte an diesem Körper Gefallen gefunden. Als sie zum zweiten Mal zusammenkamen, tat es schon nicht mehr ganz so weh.

Sie bleib in dieser Nacht bei dem Prinzen. Am Morgen wachte sie auf, weil die zarte Hand des Prinzen auf ihrer Haut ruhte. Sie schliefen zum dritten Mal miteinander, und dieses Mal tat es gar nicht mehr weh. Sie spürte die Lust. Sie spürte die Erregung des Prinzen und sie schrien gemeinsam, als sie den Höhepunkt ihrer Lust erreichten. Sie lagen noch eine Weile zusammen und sie schlief wieder ein.

Als sie wieder aufwachte, lag sie alleine im Bett. Nur die Frauen waren da - wie die ganze Nacht zuvor. Sie waren wie Glucken und sie brachten sie in das Haus zurück. Sie wurde von den Frauen des Harems und einigen der Töchter des Emirs empfangen, die den ganzen Tag bei ihr blieben, mit ihr badeten und ihre Seele pflegten.

In der Nacht wurde sie unerkannt in den Palast zurückgeführt.

Clara wunderte sich. Théra war schließlich drei Tage weggewesen, aber Théra schwieg. Die offizielle Version war, dass sie einen Ausflug gemacht hatte. Im Palast war nichts durchgesickert. Die Frauen waren wirklich wahre Meister der Verstellung und der Nacht.

 

9.

Früh am Morgen wurde Théra geweckt. Es war die Zeit, wo sie sonst immer aufstand, um nach den Pferden zu sehen. Heute hatte sie keine Lust. Das Ereignis brannte in ihr. „Komm“, bettelten die Mädchen, „lass uns ein wenig hinausreiten in die Nacht. Es wird dir gut tun.“

Théra rappelte sich auf. Sie nahmen die Pferde aus der ausgemusterten Pferdeschar, wie immer, und ritten ohne Sattel hinaus in die Wüste.

Die Mädchen hatten recht. Das war es, was Théra jetzt brauchte. Die Kälte der Nacht, der Luftstrom, der sich immer beim Reiten entwickelt, die flatternden Gewänder und die lebendigen warmen Körper der Pferde zwischen ihren Schenkeln. Sie spürte diese Pferde plötzlich ganz anders. Sie spürte das Leben, das zwischen ihren Beinen entstanden war. Sie genoß das Lachen der Mädchen und die scherzhaften Spiele und Kämpfe, die sich entwickelten, wenn sie um die Wette ritten. Sie musste nicht die Beste sein. Sie wollte nur noch ein Teil dieser Gruppe sein. Diese Mädchen waren wunderbare Geschöpfe.

Die Frauen waren den ganzen Tag rührend um sie besorgt. Théra hatte die körperliche Liebe entdeckt. Das andere konnten ihr die Frauen auch nicht geben. „Das entwickelt sich von selbst“, sagten die Frauen. „dann, wenn du am wenigsten daran denkst. Wenn Mann und Frau zusammen sind, dann ist diese körperliche Liebe wichtig für die Seele, die Erfüllung der Liebe ist sie nicht. Darauf musst du warten. Übe dich in Geduld. Das kommt, wie die Regenwolke am Himmel. Urplötzlich.“

In Théras Heimat hätte man das nie so gesagt, aber in diesem heißen Wüstenstaat war eine Regenwolke etwas seltenes und kostbares. Théra wusste plötzlich, dass sie mit ihrem Vater über die Liebe sprechen musste.

10.

Am nächsten Tag war alles in Aufbruchstimmung. Ein Teil des Harems würde den Herrscher auf seiner Reise begleiten und diesem einzigartigen Wettkampf beiwohnen, der sich in der Wüste von Saudi Arabien einmal im Jahr ereignete.

Es war selbstverständlich, dass Clara und Théra mitkommen würden. Para würde sie in Riad erwarten, wo er die Pferde des königlichen Gestüts für das Rennen fit machte.

Sie stiegen zusammen in die zwei Privatmaschinen des Emirs. Sie flogen nach Riad und wurden dort von riesigen Limousinen abgeholt, die alle klimatisiert waren. Dann fuhren sie auf einer breiten asphaltierten Strasse hinaus in die Wüste. Die Strasse spannte sich schnurgerade durch den Sand, vorbei an Sandbergen. Es gab keinen Schatten und nicht die Spur von Grün. Nur Sand und Steine.

Nach vier Stunden Fahrt kam die Karawane in ein Wadi. Théra staunte nicht schlecht. Mitten in diesem Tal gab es Dattelpalmen und Sträucher. Sie sah das Glitzern eines Sees. Sie sah hunderte von Zelten, die teils in dem Wädchen, teils außerhalb der Grünzone aufgestellt waren. Sie sah Abzäunungen, in denen diese wunderbaren Araberhengste hin- und herliefen. Sie waren aufgeregt. Sie scharrten mit den Hufen und schnaubten. Überall gab es Pfleger und Hilfen. Abseits stand eine ganze Karawane von teuren Geländewagen bereit. Der Lack glitzerte im Licht der Sonne.

Von einer Arena sah Théra nichts.

Sie hatte schon auf dem Herflug gemerkt, wie aufgeregt die Jungs des Emirs waren. Es ging um die Ehre.

Die Pferde waren längst von Helfern nach Riad geflogen worden, damit sie beim Rennen ausgeruht waren. Zwei der Söhne hatten die Pferde begleitet, um die zahlreichen Helfer zu beaufsichtigen.

Die Schar wurde in mehreren Zelten untergebracht. Es gab Männerzelte und Frauenzelte. Es gab viele „kleine Geister“, die wie selbstverständlich Wasser und Früchte brachten. Es gab Decken und Kissen. Als Théra das erste Mal in eines dieser mit Wimpeln und Fransen geschmückten Zelte trat, staunte sie. Das war ja wie ein Palast. Es gab einen Innenraum. Es gab mehrere abgetrennte Kammern. Es gab eine Feuerstelle, auf der ein Teekessel blubberte. Es gab kostbare Teppiche, die auf dem Boden lagen.

Théra spürte das kommende Ereignis. Das ganze Lager war wie ein Bienenstock. Die Erregung war greifbar. Sie fasste intuitiv nach Claras Händen, und sie tauschten einen ihrer Energiestrahlen aus. „Whow“ sagte sie.

Noch etwas war besonders. Théra und Clara mussten sich außerhalb des Zeltes verschleiern. In diesem Lager durfte keine der Frauen das Zelt verlassen, ohne die traditionelle Burka anzulegen, bei der nicht einmal ihre Augen zu sehen waren.

Am nächsten Tag steigerte sich dieses fast unmerkliche Gesumm der Erregung noch. Neue Gruppen kamen.

Théra und Clara gestatteten sich, hinaus zu laufen zu den Gattern, um sich die Pferde anzusehen. Sie wurden von grimmig dreinschauenden Männern mit Krummsäbeln bewacht, die MP im Anschlag.

Die Mädchen durften sich den Gattern zwar nähern, aber sie hatten respektvoll Abstand zu wahren. Dennoch sahen sie, welche wundervollen Pferde hier versammelt waren. Sie wagten gar nicht daran zu denken, welche Werte da vor Ihnen standen. Das mussten hunderte Millionen von Dollar sein.

Der Geldwert war Théra und Clara jedoch egal. Sie pfiffen leicht und stimmten ihr Gesumm an. Sie sahen, wie die Pferde reagierten. Sie drehten die Köpfe, sie wedelten mit den Ohren und sie kamen langsam auf die Seite des Gatters, wo Théra und Clara standen.

Den Wachen war das zuviel. Sie drängten Théra und Clara ab und bedeuteten ihnen, den Platz zu verlassen.

Théra und Clara hatten schon genug gesehen. Das hier waren die edelsten Pferde, die sie je in ihrem Leben zu Gesicht bekommen hatten.

Am nächsten Morgen wurde Théra schon früh wach. Sie merkte, dass ein Teil der Pferde weggebracht wurde.

Dann wurden auch die Frauen wach. Sie wuschen sich und legten festliche Gewänder an. Manche weiss, manche schwarz. Verziert mit den Symbolen des Herrschers. Auch Théra und Clara erhielten solche Gewänder.

Von den Mädchen im Harem wussten sie, dass es mehrere Rennen gibt. Hengste, Stuten, gemischte Rennen, Dreijährige und Vier- bis Fünfjährige. Sie würden früh beginnen, diese Rennen, denn die Mittagshitze war unerträglich. Dann würde Siesta gehalten. Es würde Tee getrunken, geplaudert und ein wenig geschlafen. In den Abendstunden würde das Rennen weitergehen. Es würde insgesamt drei Tage dauern und dann in ein gemeinsames Fest übergehen.

11.

Die Geländewagen standen bereit, um die hochrangigen Gäste über die Sandberge zu fahren, dort wo der Parcours abgesteckt war.

Auch dort gab es Zelte und Sonnensegel. Sie waren entlang des Parcours aufgebaut, so dass man einen guten Blick auf das Geschehen hatte. Es gab einen Rundkurs und es würde zum Schluss einen mörderischen Ritt hinaus in die Wüste geben, bei dem es galt, verschiedene am Weg aufgestellte Trophäen einzusammel, sich abzujagen und dennoch als erster durchs Ziel zu reiten.

Théra erfuhr, dass es in diesem Jahr bei diesem letzten Rennen einen wahrhaft königlichen Preis zu gewinnen gab. Der Herrscher des Jemen, unten im Süden der Sinai Halbinsel, hatte eine Tochter, von der man sich wahre Wunderdinge erzählte. Sie war schön wie eine Rose, sie war sanft wie der Morgenwind, sie bewegte sich wie... nun ja. Sie musste das schönste Mädchen auf dem Globus sein, wenn man den Erzählungen Glauben schenkte. Die Mitgift war gewaltig und sie würde nur an den Besten der Besten der Reiter vergeben werden. Sie würden mit allen Tricks und all ihrem Geschick um diesen Vorzug kämpfen. Wehe dem Gewinner, wenn er dieses Geschenk nicht behandeln würde, wie eine Perle. Es ging um die Ehre und das Ansehen ganzer Dynastien. Man erwartete Glück und einen reichen Kindersegen.

12.

Die beiden ersten Tage waren spannend. Die Söhne der Emire, der Scheichs und Könige, der hohen Minister und Landesfürsten stritten um die Gunst, der beste Reiter zu sein. Es waren viele. Weil nicht alle dasselbe Alter hatten und nicht alle Pferde derselben Kategorie zuzuordnen waren, gab es viele einzelne Rennen. Es ging nicht um Geldpreise. Es ging um die Ehre. Es gab Wimpel, Ehrenzeichen und teure Geschenke, wie goldene und brillantbesetzte Uhren aus schweizer Fabrikation, schwere goldene Halsketten (die sehr begehrt waren), verzierte Decken, Dolche oder wertvolle Kamele.