Die Invasion

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2. Leise Infiltration

1.

Mendez läßt sich Zeit. Seine Gruppe ist vorerst sicher, solange sie keine äußerlich sichtbare Energie absondert. Die Verständigung mit den Artgenossen kann mit einem Minimum an Energie erfolgen. Die Cantara können hierfür sogar die Fähigkeiten von Microorganismen nutzen, wie z.B. von Sandflöhen und den Larven von Heuschrecken, die es hier in großer Anzahl gibt.

Die Cantara haben die Vibrationen der Flugzeuge gespürt. Sie haben die Detonationen der Einschläge der Laserkanonen gespürt, sie haben gespürt, als die Raumschiffe landeten, und sie wissen, dass die Xorx im Moment mit anderen Dingen beschäftigt sind, als ausgerechnet in der heißen Zone nach möglichen Überlebenden zu suchen.

Mendez hatte in den letzten Wochen genügend Zeit, um sich einen Plan zurechtzulegen. Wenn sie überleben wollen, dann müssen die Cantara um ihren Planeten kämpfen. Die Gruppe von 70 Mitgliedern ist den Xorx zwar zahlenmäßig weit unterlegen, aber die Xorx wissen nichts von ihrer Existenz, und sie haben keine Ahnung, mit welcher Form der Intelligenz sie sich eingelassen haben.

Entscheidend wird sein, dass die Cantara ihr Versteck zunächst unbemerkt verlassen können. Erst dann, wenn die Wärmebildkameras weitgehend abgeschaltet sind, kann dieses Versteckspiel aufhören. Unbegrenzt Zeit haben die Cantara nicht, um sich zu formieren und einen Gegenangriff zu beginnen.

Sie haben keine Waffen, aber sie haben Fähigkeiten, die denen der Xorx weit überlegen sind. Es kommt also nur auf das Zeitfenster an, in dem es möglich ist, den Gegenangriff unerkannt zu beginnen, und um die richtige Strategie zu wählen.

2.

Mendez ist sich mit seinen Cantara einig. Er schickt zunächst zwei Späher, die sich in eine Gaswolke verwandeln, um als Energieform ungesehen zu bleiben. Sie kommen nach zwei Tagen zurück, und geben das Signal zum Aufbruch.

Diesmal verwandeln sich die Cantara in ein Gemisch aus unterschiedlichen Gasen, bestehend aus Kohlenwasserstoffen, Lach-, und Faulgasen, Wasserdampf und Stickstoffverbindungen.

Überall in dem ehemals grünen Gürtel um den Planeten steigen solche Gase jetzt durch die verfaulenden Blätter und Tierkadaver auf. Die Cantara sind in dieser Form völlig unverdächtig, und sie lassen sich mit dem heißen Wind treiben, der in Richtung des Landesinneren weht, und Verdunstung erzeugt, die sich zu Wolken verdichtet. Die Cantara sind in dieser Form nicht von den andern Wolken zu unterscheiden, und sie bleiben unsichtbar.

Schon nach einem Tag entdecken sie die ersten Krieger der Xorx. Die durchforsten das Gestrüpp am Boden, auf der Suche nach Leben.

Es gibt zehn Fahrzeuge, die sich auf Ketten vorwärts bewegen, und alles niederwalzen, was ihnen in den Weg kommt, gesteuert von einem Krieger in einer Kanzel. Diese Maschinen haben Greifarme mit aufmontierten Schusswaffen.

Dann gibt es noch eine andere Maschine. Eine Art überdimensionaler Mensch aus Eisen, auf zwei stämmigen Beinen, mit gewaltigen Armen. Statt eines Kopfes gibt es auch hier eine Kanzel, in der ein Krieger sitzt. Sein Gehirn, seine Beine und seine Arme sind direkt mit den Gliedern des Metallriesen vernetzt. Er kann vorwärts und rückwärts gehen, sich drehen, sich bücken, springen und rennen. Auch dieser Koloss ist mit Greifarmen und Waffen versehen. Auch hiervon gibt es zehn Stück.

Schließlich gibt es noch Saurier. Das sind Riesentiere mit gewaltigen Beinen und kleinen Armen. Die Hände sind mit spitzen Krallen bewehrt. Sie sind gesattelt und auf ihnen reiten Krieger der Xorx in Panzerkleidern. Auch davon gibt es zehn Stück.

Diese 30 Krieger sind die kleinste Formation der Kampfeinheiten der Xorx. Wenn sie wollen, können sie sofort Luftunterstützung anfordern.

Sie sind so mit der Durchsuchung des Unterholzes beschäftigt, dass sie nicht auf den Luftraum achten. Mendez gibt Anweisung an vier seiner Cantara, sich an die Maschinen und die Krieger anzudocken und sie zu entern. So werden die Cantara eins mit den Maschinen. Wenn sie jetzt ihr Energiefeld anzünden sind sie für Wärmebildkameras nicht mehr von den Kriegern der Xorx zu unterscheiden.

Mendez hat die Losung ausgegeben, die Truppen nur zu infiltrieren. Seine Cantara sollen Informationen sammeln. Sie sollen lernen, wie so ein Krieger denkt. Sie sollen die Maschinen verstehen und lernen, wie man die Elektronik steuert und programmiert. Unsichtbar für die Krieger der Xorx.

Die Kampfformation wird gefolgt von einer Einheit aus Aufräumfahrzeugen, um Wege anzulegen.

Das sind Raupenfahrzeuge und Kipplastwagen. Sie sammeln totes Gehölz auf und schichten es zu großen Haufen. Sie sammeln Kadaver, und laden sie auf die Kipper. Von Zeit zu Zeit wird eine Grube ausgehoben, um die Kadaver mit Erde und Sand zu bedecken. Es gibt auf diesem Planeten genug Käfer, welche den Supergau überlebt haben, und die jetzt die Arbeit des Zerkleinerns übernehmen werden.

Diese Fahrzeuge werden von Arbeitern gesteuert, die von einer Einheit von fünf Aufsehern begleitet werden, die Anweisungen geben, und dafür sorgen, dass keiner der Arbeiter seine Pflicht vernachlässigt.

Auch hier gibt Mendez die Anweisung an zwei seiner Cantara, je einen der Arbeiter und einen der Krieger zu besetzen. Sie docken sich an. Sie kriechen in die Körper ihrer Widersacher.

Sie beginnen zu lernen, wie diese Wesen ticken.

Der Großteil der Cantara zieht in gasförmiger Form weiter.

Nach zwei weiteren Tagen stoßen sie auf ein freigeräumtes Gelände, das an einem See gelegen ist. Sie finden eines der Kampfschiffe, einen Transporter und ein Versorgungsschiff. Es ist nur eine der Großeinheiten der Kampftruppen, aber für die Cantara ist diese Einheit das vorläufige Ziel ihrer Reise durch die Luft.

Sie docken sich an die Maschinen an. Sie nehmen Besitz von den Kriegern und dem Kommandanten. Sie werden lernen, wie man solche Kampfschiffe steuert oder sabotiert. Sie werden lernen, wie man die Elektronik beeinflusst und umprogrammiert.

Sie werden lernen, wie die Kommunikationskanäle und die militärischen Strukturen aufgebaut sind. Sie werden von den Gehirnen der Gegner Besitz ergreifen.

Sie werden den Xorx nichts tun. Noch nicht. Sie werden beobachten, sich kurzschließen, und ihre Informationen austauschen, um sie als Erbinformationen an ihre Nachkommen weiterzugeben.

All das geschieht unbeobachtet und völlig unerkannt. Die Gruppe um Mendez hat instinktiv die richtige Tarnung gewählt, um einen Teil der Flotte in einem Handstreich zu übernehmen.

Es ist wie ein Kampf David gegen Goliath. Dieses Mal haben die Cantara die besseren Karten, weil sie unterschätzt werden, und weil sie genau das Zeitfenster erwischt haben, um diesen Posten der Xorx unbemerkt zu übernehmen.

Zwar sind die Kampfeinheiten mit Infrarotsuchgeräten, Sensoren und Wärmebildkameras ausgerüstet, aber die durchforsten nur das Unterholz. Es gibt weitere solcher Einheiten. Sie sind in einem großen Radius um die Raumschiffe herum aktiv. Sie erscheinen auf dem Sonar und den Wärmebildkameras in der Kommandozentrale der Kampfeinheit, aber die Cantara selbst sind jetzt unsichtbar, weil sie sich mit der Energie der Kämpfer und der Maschinen verschmolzen haben, auch dann, wenn sie ihr Energiefeld anzünden, etwa, um Informationen mit ihren Artgenossen auszutauschen.

Es ist die ideale Tarnung.

3.

Mendez hat sich in der Kommandozentrale des Zerstörers breit gemacht. Er hat sich geteilt. Er ist in den Körper des Kapitäns geschlüpft, in den Körper des Steuermanns und der Offiziere. Er sitzt jetzt in den Köpfen der Funker, und er hat sich an die Maschinen angedockt.

Mendez hat noch nie vorher etwas von dieser Elektronik und dieser Mechanik gesehen, aber er lernt schnell. Sehr schnell.

Schon nach wenigen Tagen kann er dieses Raumschiff steuern und es bedienen. Er überwacht den Funkverkehr und sämtliche Beobachtungsgeräte.

Seine Cantara haben auch Besitz von diesen bemannten Kampfjets ergriffen, welche die Bodentruppen manchmal begleiten, und die den Luftraum überwachen. Sie lesen die verschlüsselten Codes. Sie lernen, wie man eine Laserkanone bedient. Sie lernen, wie diese Schallwellen entstanden sind, die einen Großteil ihres Volkes ausgelöscht haben.

Die Cantara hören zu. Sie beobachten und sie lernen weiter.

Sie begleiten auch die Krieger zu ihren Schlafstätten. Die Cantara selbst brauchen keinen Schlaf. Sie können in eine Art Ruhephase verfallen, in der die Energie total heruntergefahren wird, aber Schlaf ist ihnen fremd. Im Schlaf sind diese Krieger der Xorx verwundbar.

Sie begleiten die Krieger in die Schlafräume. Sie sehen, dass hier zweigeschlechtliche Wesen gibt. Mann und Frau. Sie beobachten diesen Akt der Paarung, den der Flottenkommandant Protaxa angeordnet hat. Sie schlüpfen in die Körper der Frauen, und sehen, was dort geschieht. Die Frauen haben eine Gebärmutter, und sie haben Eileiter. Die Männer hingegen haben einen Hoden, in dem Samenzellen entstehen.

Die Cantara finden das hochinteressant. Es ist so, wie bei den Säugern, die es auf ihrem Planeten gegeben hat, bevor sie durch den Beschuss der Xorx ausgelöscht wurden. Sie beobachten diesen Prozess der Befruchtung. Sie beobachten die Zellteilung, und sie spüren die Genstränge und die Chromosomen auf. Diese Xorx sind auf einmal für die Cantara durchsichtig wie Glas, und sie werden manipulierbar.

Die Cantara finden heraus, wie schnell der Alterungsprozess bei diesen Wesen fortschreitet, im Vergleich zu ihrem eigenen Leben. Die Xorx brauchen diese ständige Vermehrung durch den Akt der Zeugung, um die Art am Leben zu erhalten. Das ist für die Cantara die Chance, mittel- und langfristig auf die Art Einfluss zu nehmen, indem sie die Genstränge manipulieren. Die Cantara brauchen nur einen oder mehrere Bausteine bei der Zellteilung im Mutterleib zu verändern, um völlig neue Wesen hervorzubringen.

 

Nicht nur das. Die Cantara beobachten die Prozesse des Körpers. Die Nahrungsaufnahme und -verwertung. Das Immunsystem. Die Nervenbahnen und die Entstehung von roten und weißen Blutkörperchen. Diese Wesen sind sehr komplex, und sie sind sehr anfällig, wenn man nur einen dieser Vorgänge im Rückenmark, in den Innereien, oder in der Hirnrinde verändert. Es ist ein Leichtes, diese Wesen auszuschalten, erst recht, weil sie Luft atmen und Wasser trinken, das sie auf Cantara vorfinden.

Im Wasser gibt es Millionen von Microben. Die Nahrung kann verderben. Sie ist der Nistplatz für Pilze und Bakterien. Bakterien wiederum brauchen die Xorx für ihre Verdauungsprozesse. Es ist einfach, in diesen Kreislauf einzugreifen, um die Xorx außer Gefecht zu setzen. Durch Durchfälle, Fieberanfälle und Epidemien.

Die Cantara finden auch schnell heraus, dass in den Körpern der Xorx ein ständiger Kampf zwischen verschiedenartigen Viren stattfindet. Stört man dieses Gleichgewicht, werden die Xorx krank und kampfunfähig.

Die Cantara hingegen sind durch solche Veränderungen nicht gefährdet. Sie sind der Wächter dieser Prozesse. Sie haben weit über eine millionen Jahre Erfahrung in der Steuerung solcher Vorgänge, die es auch in den Tieren gegeben hat, die bis vor wenigen Wochen auf Cantara gelebt hatten.

Die Cantara waren auf ihrem Planeten stets der Herr über alles Leben. Sie haben in den letzten Tagen bereits die Fäulnisprozesse im Unterholz beobachtet. Sie haben herausgefunden, dass es dort junge Sprösslinge und Samen gibt. Wenn man den Wald läßt, so wird er sich in wenigen Jahren erholen und zu einem neuen Urwald heranwachsen.

Ein größeres Problem ist das Aussterben von Großtieren.

Die Cantara haben die Berge von Fischleichen gesehen, die von den Arbeitern der Xorx aus dem Wasser gefischt worden sind. Sie haben die Leichen gesehen, die von den Arbeitern an Land aufgesammelt und begraben werden. Das Gleichgewicht der Natur ist zunächst einmal nachhaltig gestört, weil ein wichtiger Baustein im Kreislauf der Arten fehlt.

Die Xorx haben aber auch eigene Tiere mitgebracht.

Verschieden große Säuger und Vögel, die sie züchten, um sie zu melken, oder zu essen. Diese Tiere sind auf Cantara Fremdkörper. Sie gehören hier nicht hin. Sie sind mit eigenen Bakterien- und Virenstämmen behaftet. So etwas kann für eine fremde Umgebung tödlich enden. Die Cantara müssen auf diese Zellkulturen Einfluss nehmen. Sie müssen die Ausscheidungen beobachten. Sie müssen die Fortpflanzung regulieren. Auf die wenigen übriggebliebenen Cantara warten eine Fülle von neuen Aufgaben, wenn sie ihren Planeten erhalten wollen.

Sie sind jetzt nur auf einem dieser Flottenstützpunkte. Sie haben eine begrenzte Einflussnahme.

Allerdings besteht zwischen den einzelnen Posten nicht nur ein reger Funkverkehr, sondern auch ein Austausch von Material und Personal.

So gibt Mendez die Anweisung an alle seine Cantara heraus, sich mehrfach zu teilen und die Nachkommen mit den Jagdflugzeugen in die anderen Stützpunkte zu tragen.

Alle Nachkommen sind im Besitz der Erbinformationen der Cantara, und sie können sich über Energieströme untereinander austauschen. Sie müssen nur weiter unsichtbar bleiben.

Innerhalb der nächsten drei Wochen nehmen die Cantara hunderte von Zellteilungen vor, und sie verteilen sich auf dem Planeten, angedockt an Maschinen, oder in den Körpern der Xorx.

Es ist die totale Infiltration. Ein Alptraum für die Xorx, die davon nicht einmal etwas wissen. Nicht ein kleinster Anhaltspunkt ist zu sehen. Nicht, solange die Cantara die Genstruktur der Xorx nicht verändern. Nicht solange die Augen- und Fingerkuppenscans dasselbe Bild der Träger zeigen, nicht solange der Schweiß und der Atem derselbe ist, wie vor der Infiltration, und die Cantara vermehren sich weiter. Sie sitzen jetzt in den Gehirnen aller Offiziere und Kommandanten. Sie sitzen jetzt in den Computern. Sie sitzen in den Aufsehern der Arbeiter und in einigen der Arbeiter selbst. Sie sitzen inzwischen auch in vielen der Tiere, welche die Xorx mitgebracht haben.

Es ist für die Cantara ein Leichtes, diese Tierkörper wieder zu verlassen, wenn sie zur Schlachtbank getrieben werden. Die Cantara springen dann rechtzeitig auf die Treiber über. In ihrer gewählten Tarnung sind die Cantara unbesiegbar.

Nur ein weiterer Angriff aus dem All mit Schallwellen könnte sie töten, dann aber wären auch all die Xorx ein Opfer ihrer eigenen Vernichtungsstrategie.

Die Cantara haben die Funksignale unter Kontrolle. Sie wissen, was in den Signalen an den Heimatplaneten der Xorx steht. Sie wissen, dass keine anderen Kriegsflotten unterwegs nach Cantara sind. Sie wissen, wieviele Jahre es dauert, um eine solche Flotte nach Cantara zu manövrieren. Vorerst besteht also keine Gefahr für einen weiteren Angriff aus dem All.

Was die Cantara gerade tun, ist ein Alptraum für jeden Sicherheitsoffizier, weil sie bereits alle Sicherheitscodes der Xorx entziffert haben, aber, wie gesagt, die Xorx haben keine Ahnung von dieser Gefahr.

4.

Die Xorx unterscheiden sich nicht nur durch ihre äußere Gestalt von den Cantara. Das, was man soziale Struktur nennt, ist von einer strengen Hierarchie, und oft genug von einer skalaren Ordnung bestimmt, die sich durch subtile Ausübung von Macht manifestiert. Das ist eine strenge Befehlskette von oben nach unten, und die Xorx lernen schon von klein auf, sich in dieses System einzuordnen.

Nichtsdestotrotz gibt es Wünsche, möglichst schnell in dieser Ordnung aufzusteigen, um mehr Macht zu erlangen. Die Xorx haben hierfür viele Methoden, die ihnen zur Verfügung stehen, von Bissigkeiten über verbale und körpersprachliche Tricks, und das Einschleimen bei Vorgesetzten, bis zu roher Gewalt und die Fähigkeit, Andere gegeneinander auszuspielen. Die Kinder lernen schon sehr früh, sich durchzusetzen. Es gibt Gewinner und Verlierer auf dieser Skala der Macht.

Für die Cantara ist das neu, weil es soviel subtiler abläuft, als Rangkämpfe innerhalb des Tierreichs. Also studieren die Cantara das Verhalten der Xorx, denn man kann hieraus nur lernen, um diese Gattung zu steuern und um sie zu benutzen und gegebenenfalls gegeneinander auszuspielen.

Die Arbeiter sind der Macht und der Willkür der Xorx ausgeliefert. Sie erleben diese Übermacht der Xorx bereits in jungen Jahren. Sie lernen, sich unterzuordnen, um nur nicht negativ aufzufallen und negative Sanktionen zu riskieren.

Aber auch innerhalb der Sklavenkaste haben sich dieselben Mechanismen breit gemacht, die bei den Xorx herrschen. Es ist ein Teil der Überlebensstrategie, in diesem System bestmöglichst durchzuschlüpfen, und Vergünstigungen zu erhaschen, die dem Einzelnen das Leben erleichtern können.

So entsteht ein System des gegenseitigen Mißtrauens, des Verrats, und auch der Unterwerfung von vermeintlich Schwachen unter die vermeintlich Starken.

Es ist ein angeborenes System, das es den Xorx leicht macht, die unterdrückten Völker gegeneinander auszuspielen.

Die Cantara beobachten auch das. Es wird nicht leicht sein, diesen Lebewesen den Weg in eine Zukunft zu weisen, die von Harmonie geprägt ist, aber zunächst haben die Cantara die Aufgabe, all diese Strukturen kennenzulernen, um diese Creaturen schließlich dafür zu benutzen, die Kontrolle über den eigenen Planeten zurückzugewinnen.

Zunächst einmal sind die Cantara nur in Beboachtungsposition, und sie tauschen sich ständig über die Erfahrungen aus, damit sie zum Allgemeingut werden, oder anders gesagt, damit sie ein Teil des historischen Wissens der Cantara werden.

5.

Protaxa ist zwar der oberste Feldherr dieser Flotte, aber die Kolonialisierung steht unter dem Befehl einer zivilen Gruppe von Administratoren und Wissenschaftlern. Sie haben die Kompetenz, den Planeten unter ihre Kontrolle zu bringen, wenn der militärische Teil der Arbeit abgeschlossen ist.

Zur Zeit gibt es eine Art Parallelregierung. Protaxa ist für die Sicherungsaufgaben zuständig, und der Zivile Rat aus acht Personen, ist für die Besiedlung des Planeten, und die Ausbeutung der Rohstoffe verantwortlich.

Protaxa hat den Nachkommen der Cantara einen erfahrenen und altbewährten Cantara zur Seite gestellt. Callan wird vorerst die Kontrolle über die Zentrale des Flottenkommandanten übernehmen. Zwar tragen die durch Zellteilung entstandenen neuen Wesen alle Erbinformationen in sich, aber es fehlt ihnen die Erfahrung, die ein Tausendjähriger mit sich bringt.

Zwar verfügen die Youngster über das historische Wissen aller Cantara, aber erst die Erfahrung lehrt, Vorgänge zu kombinieren, und über den Tellerrand zu gucken, so dass wirklich weise Entschlüsse entstehen. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass die Youngster in solche Abenteuer nicht ohne einen erfahrenen Lehrmeister geschickt werden.

Auch diese heimliche Okkupation vollzieht sich geräuschlos und unsichtbar. Callan hat sich im Gehirn von Protaxa eingenistet, und auch in den Köpfen des Zivilen Rates sitzen jetzt die Nachkommen der Cantara.

Callan hört jetzt auch den Funkverkehr ab, der regelmäßig zwischen dem Kommandanten und der Zentrale auf dem Heimatplaneten hin- und hergeht.

Die Meldungen sind eindeutig. Die Xorx haben in den letzten Wochen keine weiteren Ansammlungen von intelligentem Leben mehr gefunden. Die Krieger werden zur Kontrolle den Planeten weiter durchkämmen, begleitet von den Jagdfliegern, aber der Planet gilt jetzt als übernommen. Er kann jetzt systematisch besiedelt und ausgebeutet werden. Step by step. So ist der Befehl.

Der Rat hatte schon seit langem Pläne in der Schublade, wie diese Besiedlung vonstatten gehen soll.

Anlegung von Feldern. Systematische Erzeugung von natürlichem Dünger. Kontrolle des Trinkwassers. Aussetzung der Tiere in eingezäunten Arealen. Aufbau einer Infrastruktur und schließlich der Bau von Wohnungen für die Besatzer.

Der Zeitrahmen für die erste Phase der Kolonialisierung ist auf ein Jahr begrenzt worden. Dann werden die Xorx daran gehen, systematisch nach Bodenschätzen zu suchen, um sie auszubeuten, zu verladen und in die Heimat zu schicken.

Vorerst geht es darum, das Leben auf Cantara mittel- und langfristig zu sichern. Dazu gehören auch regelmäßige Gesundheitschecks, die von Ärzten durchgeführt werden. In einem der Begleitschiffe gibt es ein Labor, und sogar ein voll ausgestattetes Krankenhaus, in dem Operationen durchgeführt werden können. Krankenstationen gibt es aber in allen Basen. Zu ihren Aufgaben gehört auch die regelmäßige Ausgabe von Medikamenten.

6.

Auf einem der Versorgungsschiffe gibt es einen Konferenzraum. Normalerweise werden Konferenzen bei den Xorx via Telefonleitung durchgeführt, aber heute hat der Zivile Rat zu einer persönlichen Aussprache gebeten.

Die acht Räte sind bereits in fortgeschrittenem Alter. Die lange Reise hat Spuren hinterlassen. Sie haben Monitore vor sich, die in den Konferenztisch integriert sind, und aufgeklappt werden können. Sie brauchen keine Tastatur. Die Aufnahme ist sprachdigitalisiert, und sie können Dokumente auch per Spracheingabe abrufen.

Solche Konferenzen dauern manchmal etwas länger, wenn sie persönlich erfolgen, und so haben die Räte auch Getränke vor sich stehen. Der Rat ist paritätisch besetzt. Aus vier Frauen und vier Männern, und gerade geht die Türe auf. Protaxa betritt mit zwei seiner Offiziere den Raum.

Es gibt eine kurze Begrüßung, dann eröffnet der Flottenkommandant die Runde.

“Zunächst einmal lassen Sie mich sagen, dass meine Truppen gute Fortschritte machen. Wir haben schon mehrere Dutzend Sektoren durchgekämmt und wir haben kein Leben mehr gefunden. Unsere Jäger haben die Gebirge überflogen. Sie haben alle Höhlen, die sie erfasst haben unter Beschuss genommen, und auch sie haben keine hochentwickelten Lebensformen mehr entdeckt. Wir haben zwar nicht einmal 1/10 der besiedelbaren Fläche untersucht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir nichts mehr finden werden. Unsere Truppen werden die nächsten Monate weitersuchen, aber ich halte das für eine überflüssige Aufgabe. Dennoch werden wir diesen Auftrag erfüllen. Die Anordnungen von Zuhause sind in diesem Punkt eindeutig.”

Chariba nickt zu diesen Worten. Sie ist die wissenschaftliche Leiterin, der auch alle Versuchslabors unterstehen. “Wir haben diese teigähnlichen Gebilde untersucht. Das sind ungeheuer leistungsfähige Organismen von der 20-50 fachen Menge unser eigenen Gehirne. Wir selbst können ungefähr 15% unserer Gerhirnmasse steuern. Nehmen wir im ungünstigsten Fall einmal an, dass diese Lebewesen hundert Prozent ihrer Gehirnmasse unter Kontrolle haben, dann kann ich nur annähernd vermuten, zu was diese Zellkultur fähig war, die wir da ausgelöscht haben. Wir wissen aber nicht einmal, wovon diese Lebewesen gelebt haben. Wir haben in unseren Labor etwa 1200 dieser Gehirne untersucht, wir wissen also, dass diese schleimigen Gebilde hochintelligente Wesen waren, aber wir haben auf Cantara nichts gefunden, wass auch nur annähernd an eine Stadt, an Straßen, an Felder, an Maschinen oder an eine Verwaltung erinnert.

 

Vielleicht gibt es unterirdisch irgendwelche geheimen Verstecke und hochentwickelte Städte. Vielleicht haben sich da noch etliche dieser Wesen verschanzt, sofern diese Höhlen durch den Beschuss nicht eingebrochen sind. Ich weiß es nicht. Soweit ich weiß, gibt es aber auch auf den Wärmebildkameras und Sonaren keinerlei Aufzeichnungen, die bestätigen können, dass da irgendwo noch Leben ist.”

Sie seufzt. “Ehrlich. Ich habe Angst davor, was passiert, wenn von dieser seltsamen Wesen noch einige Exemplare übrig sind. Immerhin haben sie unseren Truppen jahrhundertelang widerstanden. Erst mit Hilfe unserer Schallwellenkanonen haben wir den Energiegürtel um Cantara knacken können.”

Der medizinische Leiter des Rates, ihre Excellenz Katakomba, der aus der Führungsriege ihres Heimatplaneten abstammt, der senkt bestätigend den Kopf. “Auch meine Leute haben diese Zellkulturen untersucht. Sie zersetzen sich, wie jede andere tote Zellform, aber wir sind sicher, dass es dort zu Lebzeiten keine Bakterien und keine Viren gegeben hat. Auch wir haben keine Ahnung, wie und wovon diese Zellkulturen gelebt haben, aber sie haben definitiv gelebt. Es gibt Synapsen und eine Art Nervensystem. Ich rege an, dass jede Zellkultur, die von den Kriegern und den Arbeitern aufgefunden wird, sofort in die Labore gebracht wird. Sollte es tatsächlich noch lebende Organismen geben, so würde ich gerne mit diesen Lebewesen Kontakt aufnehmen, um sie in Arbeit zu sehen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich will. Wenn die Annahme meiner Kollegin zutrifft, dann ist diese Lebensform für uns von einer völlig unberechenbaren Gefahr.”

“Gut”, sagt Protaxa. “Ich gebe Anweisung, die Suche fortzusetzen. Wir werden daran gehen, Höhlen zu untersuchen. Vielleicht gibt es irgendwo Eingänge zu unterirdischen Katakomben. Ich habe Anweisung aus Colofenia-Stadt, jede intelligente Lebensform auszulöschen, um den Planeten in unserem Sinne zu kolonialisieren, sofern sich diese Wesen unserem Willen nicht beugen. Die Regierung in Colofenia will kein Risiko eingehen. Wir brauchen diese Rohstoffe. Lieber gestern als heute. Und nun zu den Einzelheiten der Besiedlung.”

Filomena, die Rätin für Landwirtschaft wirft ein, “inzwischen haben die Arbeiter über 50 Quadratkilometer an Feldern bestellt. Die mitgebrachten Tiere vermehren sich bereits. Sie finden in Gräsern und Büschen ausreichend Nahrung. Sie werden fett. Die Labors haben außerdem künstliche Befruchtungen vorgenommen, um den Prozess der Vermehrung zu beschleunigen. Allem Anschein nach vertragen die Tiere das Wasser und die Nahrung gut. Sie scheinen gesund zu sein. Bei einer ordentlichen Ausweitung der Zucht wird der Bedarf für die neue Bevölkerung von Cantara gedeckt sein.”

Der Kommandant dankt. “Gibt es irgendetwas, was ich dazu wissen muss? Sind die Laboruntersuchungen eindeutig? Ich muss das wissen. Schließlich hängt das Überleben unserer Mission hiervon ab.”

Filomena wiegelt ab, “da ist nichts. Auch unsere Pflanzkulturen wachsen gut an. Wir haben Bewässerungsgräben gezogen, um die Felder ständig mit Frischwasser zu versorgen. Unsere Arbeiter haben aus den Süsswasserseen die toten Fische geborgen, und sie gemäß unserer Verordnung in Massengräbern bestattet und mit Erde zugedeckt. Wir konnten sie nicht mehr verwenden. Schade darum. Wir hätten unsere Verpflegung locker aus den Tierbeständen von Cantara decken können. Wir haben auch das Wasser von Flüssen und Seen untersuchen lassen. Wir haben keine nennenswerten Ansammlungen von Krankheitskeimen gefunden. Wir haben Glück gehabt, weil wir so schnell reagiert haben. Der Zersetzungsprozess der Kadaver war noch nicht fortgeschritten. Vielleicht gibt es Krankheiten, die uns noch unbekannt sind, und die wir noch nicht aufgespürt haben, aber bisher ist da nichts.”

Der Rat für Bergbau hingegen seufzt. “Wir haben derzeit keine Kapazitäten, um den Planeten auf Vorkommen von Erzen, Öl und so weiter zu untersuchen. Ich habe nur ein kleines Team. Wir katalogisieren bisher die verschiedenen Planquadrate. Unsere Jagdflieger liefern uns Messungen, die sie mit Ultraschall und Sonar machen. Da ist noch viel zu tun.

Vorerst beschränken wir uns auf den Grüngürtel, den wir ja weitgehend vernichtet haben. Selbst das Holz ist nicht mehr zu verwenden, weil es völlig zersplittert ist. Wir könnten allenfalls Pressplatten daraus machen, aber dafür haben wir hier keine Maschinen. In die heiße und die extrem kalte Zone von Cantara werden wir erst in den nächsten Jahren vordringen können. Wer weiß, was dort noch alles lagert.

Immerhin sind einige der Aufnahmen aus den Jagdfliegern vielversprechend. Durch die Zerstörung von Felsformationen können wir sagen, dass es dort gewaltige Granit- und Sandsteinvorkommen gibt, aber auch Erze. Die Jäger haben die Randgebiete der heißen Zone überflogen und sie sind sicher, dass sich dort unter dem Sand Kohle und Erdöl befindet. Ich bitte darum, für uns eine Abteilung abzustellen, um solche Untersuchungen aus der Luft systematisch durchzuführen, um den Planeten noch viel genauer zu vermessen, und um Fundstellen durch Farbbeutel und elektronische Signalabgeber zu markieren, damit wir so schnell wie möglich mit Probegrabungen beginnen können.”

7.

Die Cantara haben dieser Konferenz beigewohnt. Anders als die Militärs sind die Räte nicht bewaffnet. Entsprechend ihrer Position sind sie mit einer Robe bekleidet, einem schillernden Umhang, der die Attribute der jeweiligen Fachrichtung trägt.

Darunter tragen sie einen praktischen Zweiteiler und eine Art Würdenkette, wie man sie auf der Erde im Mittelalter vorfand, aber diesmal aus Gold, verschiedenen Edelsteinen und Titan, mit einem Mittelteil für Sprechfunk. An den Handgelenken tragen sie wertvolle Uhren mit Brillantverzierungen und einem digitalen Kompass. Auch sie tragen einen ultraleichten Helm, der innen mit einem leichten Material ausgepolstert ist, damit er nicht drückt, denn die Gehirne der Xorx sind sehr empfindlich. Auf Wunsch kann dieser Helm mit einer Sauerstoffmaske verbunden werden, wobei die Flasche dann wahlweise auf dem Rücken oder an der Hüfte getragen wird.

Auf Cantara ist dies aber nicht erforderlich, weil es hier genug Sauerstoff gibt, und weil die Luft klar und sauber ist.

Wie sich das entwickeln wird, jetzt, wo der Wald vernichtet ist, und wo die Blätter keine Photosynthese mehr leisten, ist allerdings unklar. Darüber haben sich die Xorx wohl noch keine Gedanken gemacht. Sie haben das ökologische Gleichgewicht des Planeten nachhaltig gestört. So etwas muss Folgen haben.

Die Militärs tragen hingegen eine feuerfeste Uniform aus Stretch-Material, die sich den Körperveränderungen anpassen kann. Sehr praktisch. Sie tragen Rangabzeichen auf der Schulter und an der Brust, und auch die hohen Militärs tragen diese Armierungen an Armen, Händen, Brust und Rücken. Sie können damit Laserstrahlen abschießen oder Ultraschallwellen. Sie sind über ein Kehlkopfmikrophon mit ihrer Leitstelle verbunden und können das über ein Stimmsignal aus- und einschalten. Es gibt auch Frauen in der Armee, sehr gute Kampffliegerinnen und Aktive im Sanitärbereich.

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