Das Leben ist ein Abenteuer

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Er fuhr fort: „Wenn die Russen erst mal zu wissen glauben, wer hinter dem Anschlag steckt, werden sie noch mehr Feuer spucken, als jetzt. Dann möchte ich in dieser Stadt kein Chinese sein. Théras Plan ist gut. Überlassen wir es diesen Ganoven, sich gegenseitig umzubringen.“

Er wandte sich an Dennis. „Ich kann meine Leute da jetzt nicht hinschicken. Wenn die entdeckt werden, fliegt unser Unternehmen auf. Es ist eure Sache, den Fortgang des Geschehens zu beobachten.“

Dennis nickte. „Théra und Nils gehen jetzt schön ins Bett. Ich werde noch mal zurückspringen und die Russen beobachten. Das Messer muss auch wirklich gefunden werden.“ Dann überlegte er einen Moment. „Théra, vielleicht solltest du das lieber machen. Es kann Situationen geben, wo deine besondere Kraft benötigt wird.“ Théra nickte. Das war für sie eine Kleinigkeit.

Nachdem sie verschwunden war, wandte sich „der Dicke“ an Dennis und Nils: „Ich bleibe hier und lese Akten. Ihr verschwindet jetzt.“ Er mahnte Nils mit dem Finger. „Keine unüberlegten Aktionen“, und dann mit einem verschmitzten Blick zu Dennis. „Weist du, was du da für eine schöne Tochter hast?“ Dennis nickte. „Alanque ist ihre Mutter. Vergiss das nicht.“ Alanque war Dennis „zweite Frau“, die Mutter von Théra. Sie lebte in Peru.

Das Geld wanderte in den Safe. Dennis nahm Nils an der Hand und sprang mit ihm nach Hause. Er brauchte jetzt den Vater mehr als je zuvor.

Zwei Stunden später kam Théra zurück. Sie gab „dem Dicken“ einen kurzen Lagebericht.

„Sie haben die Geschichte gefressen. Ab morgen ist hier der Teufel los. Du solltest noch eins wissen. Ich hab die Mädchen freigelassen und in alle Windrichtungen davon gejagt. Sie haben mich nicht gesehen. Die Russen wissen jetzt nicht, wo ihnen der Kopf steht. Sie müssen jetzt auch noch im Dunkeln den Mädchen hinterherjagen. Vier der ganz ganz Kleinen hab ich nach Rüdersdorf gebracht. Natascha ist jetzt bei ihnen.“

„Der Dicke“ runzelte die Stirn. „Das war nicht ausgemacht.“

Théra nickte. „Ich werde mich um die Kücken kümmern. Natascha ist zuverlässig. Ich werde die Mädchen für uns gewinnen.“

„So wie du das immer machst“, fragte „der Dicke“ und Théra nickte. „So wie ich das immer tue.“

Théra überlegte einen Moment, dann sprang sie zurück in die Wohnung in Rüdersdorf. Sie traf Natascha und die Mädchen dort an, die völlig verstört waren. Théra setzte sich zu ihnen und stimmte ihr Gesumm an, fast wie ein Lallebei. Es dauerte nicht lange, da waren die Mädchen eingeschlafen. „Ist der Kühlschrank voll?“ Natascha nickte. „Immer.“

Théra umarmte Natascha und schickte sie nach Hause. „Sie haben dich nie gesehen. Verlass dich drauf.“ Natascha kannte einige von Théras Kräften. „Mach ich. Wenn du mich brauchst, ruf mich.“

„Der Dicke“ wusste nicht, dass Théra jetzt die Nacht in Rüdersdorf blieb, einem Vorort von Berlin, wo die Organisation eine ihrer getarnten Wohnungen hatte, wie in vielen Stadtteilen. Er musste jetzt handeln. Er rief seinen Freund Trifter und einige seiner „Leutnants“ an und bestellte sie sofort ein.

„Absolute Tarnung“, bat er. „Die Diebstähle sind im gesamten Stadtgebiet einzustellen. Die Kids im Untergrund bleiben von der Strasse weg, außer, wenn wir Sonderaufträge haben.“ Er wandte sich an Trifter. „Telefonier’ heut’ früh sofort mit dem Innensenator. Lass dich unterrichten. Von Eva will ich, dass sie sich morgen an das Fernsehen ranklemmt.“ Dann wandte er sich an seine Leutnants.

„Théra hat die Mädchen freigelassen. Das sind über hundert Stück. Der Großteil wird von den Russen wieder aufgegriffen werden. Ein kleiner Teil wird vorübergehend entkommen. Werft unsere Kontakte zur Polizei und zum Roten Kreuz an, zu den Auffangstationen für Obdachlose, alles das. Sie haben Théra zwar nicht gesehen, aber wenn wir ein paar von ihnen von der Strasse holen, dann kann uns das vielleicht nützen, obwohl’s gefährlich ist. Sie haben keine Papiere, kein Geld, keine Nahrung und sprechen kein Wort deutsch. Spannt Ewalowa und einige unserer Freunde aus Tschechien und Polen ein. Wir müssen in diesem Sprachsegment mehr Präsenz zeigen. Wenn ihr Erfolg habt, bringt ihr die Mädchen nach Eberswalde, bloss nicht nach Berlin. Dann sagt ihr Théra sofort Bescheid. Es ist ihre Aufgabe, die Mädchen für uns zu gewinnen.“ Er schaute noch mal in die Runde. „Alles klar? Dann los jetzt.“

6.

Es gab viele Schleuserbanden in Deutschland und in Europa. Die meisten Menschen wurden gegen ein irrwitzig hohes Transportgeld über die Grenzen geschafft, um hier im Billiglohnsektor zu arbeiten. In Schlachtereien, am Bau, am Fließband und in Sozialberufen. Manche wurden ganz sich selbst überlassen. Was hier gerade geschehen war, hatte einen anderen Charakter. Hier ging es um großes Geld. Prostitution war ein gutes Geschäft, direkt hinter Rauschgift und Erpressung. “Der Dicke” und Nils hattren solche Aktionen schon öfter gemacht, aber dieses Wochenende sollte das Leben von Nils nachhaltig beeinflussen. Ohne dieses brutale Geschehen wäre sein Leben mit Sicherheit anders verlaufen.

Manchmal werden unsere Schicksale von Zufällen beeinflusst. Wir können uns nicht dagegen wehren.

Am nächsten Morgen weckte Dennis seinen Sohn. „Steh auf. Wir müssen jetzt Wache schieben, immer abwechselnd, und denk daran: keine unüberlegten Reaktionen, keine spontane Bestrafung.“ Er gab Nils eine Adresse. Du bleibst unsichtbar. Wenn du genug hast, dann löse ich dich ab. Er sah auf die Uhr. So um Zwölf. Ist das OK?

Nils nickte. Er sprang nach Teltow, weil er wusste, dass die chinesische Mafia dort ein Zentrum hat, das den Russen bekannt war, dann wartete er ab. Um Zwölf emfing er von Dennis einen Energiestrahl. Er sprang zurück und legte sich wieder ins Bett. Als er um fünf aufwachte, war Dennis wieder da. „Théra ist jetzt unterwegs. Sie hat gestern Nacht übrigens vier der Mädchen gerettet. Sie hat sie eingewebt und Natascha ist jetzt bei ihnen. Die Mädchen werden keine Probleme machen.“ Nils atmete tief ein. „Immerhin vier.“

Dennis nickte. „Der Dicke hat seine Kontaktleute in Marsch gesetzt. Er sagt, er kriegt jetzt ständig Berichte von der Polizei und den Hilfsdiensten vor Ort. Sie haben schon zehn weitere Mädchen aufgegriffen. Vier davon sind jetzt in Sicherheit bei unseren Freunden.“

Nils nickte erleichtert. Das war eine gute Nachricht.

Dennis legte sich zum Schlafen. Nils war immer noch aufgewühlt und er trödelte ein bisschen herum. Dann besuchte er seine Mutter, die heute im Büro Wache schob und klärte sie leise über den Stand der Dinge auf. Er musste einfach reden.

Eva war ohne sein Wissen unterwegs. Sie hatte gute Kontakte zum Fernsehen. Sie war vor Ort, dort, wo der zersiebte Truck stand, mit fünfzehn Mädchenleichen im Auflieger. Es war ein Fressen für die Presse. Das drei Kilometer entfernte Gehöft war völlig niedergebrannt. Es gab nur noch rauchende Trümmer. Spuren würde man da wohl kaum finden.

Als Théra um acht kam, war sie richtig groggy. Das waren zwei harte Tage und Nächte gewesen. Nils löste sie jetzt ab und signalisierte Dennis um zehn, „alles ruhig, aber ich brauche jetzt mein Bett.“

Dennis löste seinen Sohn bei der Wache ab.

Papa kam spät in der Nacht zurück. Er legte sich sofort hin und legte einen Zettel für Théra und Dennis auf den Küchentisch. Phase 2 erfolgreich, stand da.

Als Nils am nächsten Morgen in die Schule ging, gab es überall Sonderverkäufer. „Extrablatt“, schrien sie, und versuchten die Zeitungen an den Mann zu bringen. Sie wurden ihnen förmlich aus der Hand gerissen. „Überfall auf Chinesenlokale“, „Mädchenleichen in LKW“, „Brutales Gemetzel auf dem Strich“. Nils ließ sich ein Exemplar geben. Es stand nicht viel drin, aber diese Nacht musste ziemlich blutig gewesen sein. Die Chinesen würden jetzt aufrüsten und es den Russen heimzahlen. Er grinste plötzlich. Das hatte Théra gewollt. Sie würden sich jetzt gegenseitig ausrotten. Eine Vendetta.

Die andern Banden würden sich da raushalten. Sie würden beobachten und dann versuchen, den freien Markt unter sich aufteilen. Das würde nicht ohne neue Kämpfe abgehen. Die Hintermänner der Russen und der Chinesen würden auch anreisen. Sie würden Killerkommandos schicken. Die Kids und alle ihre Freunde würden jetzt sehr vorsichtig sein müssen, um nicht in diesen Strudel hineingerissen zu werden, aber sie würden schon dafür sorgen, dass ihre Unkosten gedeckt werden würden. Damit kannten sie sich aus.

Als er von der Schule heimkam, wachte Dennis gerade auf. Nils besprach sich mit seinem Vater.

Dennis nickte. „Es wird Zeit, dass wir den Behörden ein paar Tipps geben. Wofür haben die Räumkommandos.“ Er lachte Nils an. „Théra hat da in ein Wespennest gestochen, aber wir müssen höllisch vorsichtig sein. Wir müssen all unsere Kids warnen. Keine Diebstähle mehr. Die Stadt wimmelt jetzt von Detektiven. Ich werde mich gleich auf den Weg machen.“

„Wo ist Théra“, fragte Nils. „Sie kümmert sich um die Mädchen. Eva ist schon wieder mit dem Fernsehen unterwegs. Mach dir mal keine Sorgen. Théra wird die Mädchen irgendwo bei unseren Freunden unterbringen, wenn sie sich sicher ist.“

Nils nickte. „Darf ich wieder ins Bett? Ich hab was nachzuholen.“ Heute ging er nicht zum Training. Das Kickboxen musste heute warten. Ellen musste heute warten.

Am Abend wurde er wach. Théra war gerade gekommen. „Alles OK mit den Mädchen?“ Théra nickte. “Natascha und Ewalowa haben das jetzt in die Hand genommen. Ich werde noch ein paar Tage hier bleiben, dann werde ich wieder nach Peru gehen. Dann seid ihr alleine, du und Papa. Kriegt ihr das hin?“

 

Nils zuckte mit den Schultern. „Wird schon gehen.“

7.

Es war wirklich ein totaler Krieg ausgebrochen. Die überlebenden Chinesen wussten längst, wer sie angegriffen hatte. Der gefährliche Hua Guo Lang würde sich bitter rächen. Fünf seiner wichtigsten Lokale waren zur gleichen Zeit angegriffen worden. Auf dem Strich hatten die Russen gewütet und sechzehn seiner chinesischen und thailändischen Strichmädchen niedergemäht. Zur gleichen Zeit waren sie in Kreuzberg aufgetaucht und hatten eines seiner besten Bordelle in Fetzen geschossen. Dann waren sie untergetaucht. Wie von der Bildfläche verschwunden.

Er selbst war nur durch einen Zufall mit dem Leben davongekommen.

Der Angriff war völlig überraschend gekommen. Viele seiner Leute waren jetzt tot. Das würde viel Arbeit geben.

Dann war da noch die Sache mit seinem Messer. Es war weg. Er konnte sich das nicht erklären. Er hatte es einmal in Honkong gekauft, bei einem Trödler. Es war sicher 300 Jahre alt. Ein handgeschmiedeter Stahl. Etwas Besonderes.

Jetzt würde er erst mal versuchen, zu retten, was zu retten ist. Dann würde er seine Organisation neu aufbauen und die Russen jagen.

Er gab Anweisung, in Deckung zu gehen, und dort auch zu bleiben. Straßenstrich nur unter Bewachung. Die fünf anderen Puffs mussten großräumig abgesichert werden. Irgendwo musste das Geld ja herkommen.

Den Heroinverteilerring hatten die Russen noch nicht angegriffen. Auch da musste er jetzt äußerste Vorsicht walten lassen.

8.

Nils blieb in dieser Woche in Deckung. Er ging normal zur Schule. Mittags und abends übernahm er geheime Überwachungsaufgaben, alles andere ließ er schleifen. Er sah in dieser Woche weder Ellen noch Helen. Er überlegte kurz. Bei dieser Namensnennung war es möglich, sich zu versprechen, aber er könnte sich immer rausreden. Hatte auch sein Gutes. Er grinste und machte sich wieder an die Arbeit.

Er hatte zusammen mit Papa und Théra verschiedene Verstecke der Russen und der Chinesen ausfindig gemacht. Der Heroinverkauf ging vorsichtig weiter und jetzt gab Papa den Behörden einen Tipp. Er ließ das durch Trifter einfädeln, der unter vier Augen mit dem Innensenator sprach. „Sie sind sicher“, fragte der Innensenator, der inzwischen ein guter Freund von Trifter war und Trifter nickte.

In der selben Nacht noch überfiel ein Kommando der SOKO-Miliz (das inzwischen gegründet worden war, um die ständige Bedrohung durch Banden in der Stadt zu bekämpfen) ein Haus in Kreuzberg. Die Russen wehrten sich. Sie wurden in einem heftigen Schusswechsel niedergemäht. Die Beute war gewaltig. 25 Kilo reines Heroin und 1,5 Millionen Euro in bar.

Doch auch die Chinesen gingen nicht leer aus. Wieder gab Dennis einen Tipp. Diesmal war die Wohnung weit vor Berlin gelegen, in Neuruppin, mitten in Brandenburg. Der Innensenator spitzte seine Kontakte zu den Kollegen im Nachbarland an. Auch in dieser Nacht waren sie erfolgreich. 8 Kilo reines Heroin und 1,8 Millionen Euro in bar. Auch hier gab es Tote und es gab fünf Festnahmen.

Der Innenminister reichte seinem Kollegen nach Abschluß der Aktion persönlich die Hand. „Darf ich erfahren, wie Sie an die Information gekommen sind?“

Der Berliner Innensenator, der sich mit einem Hubschrauber hatte einfliegen lassen, zuckte mit den Schultern. Wir haben in Berlin eine lange Tradition der Zusammenarbeit mit vielen Stellen im Untergrund. Mehr darf ich Ihnen auch nicht sagen, um meine Quellen nicht zu gefährden.“

„Ist es möglich, diese Quellen auch anzuzapfen?“

Der Berliner Innensenator zuckte wieder die Schultern. „Ich werde mal mit der Quelle reden.“

In dieser Woche passierte noch etwas. Théra, Nils und Dennis schlugen erneut zu. Diesmal erleichterten sie die Chinesen und die Russen um mehr als 12 Millionen Euro.

Diese Woche war für die beiden Gangs eine Desaster. Davon würden sie sich nicht so schnell erholen.

Der Drogenmarkt in Berlin stockte. Zwei der großen Verteilerringe waren vorübergehend lahm gelegt. Die Südamerikaner, die Italiener, die Afrikaner, die Albaner und die Kroaten standen jetzt in den Startlöchern.

Noch hielten sie sich zurück. Die Aktionen der Polizei hatten sie verunsichert. Überall tauchten diese schwarzen Garden der SOKO-Miliz jetzt auf. In Kampfuniform und in schusssicheren Westen. Schwer bewaffnet und bereit, sofort zu schießen. Die Gangs blieben in Deckung und sie beobachten.

Warum die Russen den Burgfrieden zwischen den Gangs gebrochen hatten, wussten sie auch nicht. Sie hätten das sicher schlauer angefangen. Wozu gab es Verhandlungen.

9.

Es war eine harte Woche für Nils. Er hatte solche Spionagearbeit schon mal gemacht, damals in Peru, als er mit Théra und den anderen Geschwistern die Opposition des Präsidenten ausgespäht hatte. Er war viel kleiner gewesen. Damals war es wie ein Spiel. Das Verwandeln in Insekten, die Verfolgungen, das Ausspähen von Bankverbindungen, all das. Er hatte damals nicht sehr viel von dem verstanden, was er da gemacht hatte. Seine große Schwester Théra hatte die Federführung der Aktion gehabt.

Nils hatte damals gelernt, was die Macht der Geschwister bewirkt, wenn sie zusammenhalten. So war es auch in dieser Woche gewesen. Seine Schwester Eva hatte sich in dieser Woche aus der operativen Seite herausgehalten. Sie hatte nur begleitende Funktionen. Ihre Kontakte zum Fernsehen und Presse waren wirklich gut. Ein Phänomen. Eva war selbst so ein Phänomen. Sie hatte unglaubliche gestalterische Fähigkeiten. Mit der Videokamera, mit der Digitalkamera, mit dem Pinsel. Die Musikgruppen im Zentrum liebten sie. Sie entwarf CD Covers und Plakate, sie nahm an Videoproduktionen teil.

Eva war mit ihren knapp 15 Jahren zwar ein blutjunger „Joungster“, aber dennoch war sie schon so was wie eine „graue Eminenz“ im Videogeschäft. Eva hatte wirklich eine besondere Begabung. Sie hatte schon mit sechs Jahren begeistert gezeichnet und gemalt. Sie kannte alle die Cracks auf der Halfpipe und die Musiker. Sie hatte einen eigenen Stil entwickelt und sie hatte schon im Grundschulalter Plakate und CD Cover entworfen. Ein Ausnahmetalent, das sie dank ihrer überragenden Intelligenz, und dank der Beziehungen ihrer Eltern entwickeln und ausleben konnte.

Diesmal nutzte sie ihre Kontakte, um herauszufinden, was die Polizei wusste und was nicht. Auch das hatte sie nur dank der überragenden geheimen Fähigkeiten ihrer Familie. Papa und Mama waren in dieser Sache aber auch immer streng. Sie achteten stets darauf, dass sie ihre Kräfte sinnvoll nutzen. Missbrauch war nicht erlaubt.

Am Samstag morgen gab es eine letzte Konferenz im Büro „des Dicken“. Théra musste wieder zurück in ihre Heimat nach Südamerika, Papa musste wieder nach Sachsen-Anhalt und in die USA. Es musste jetzt zusammengefasst werden, was in dieser Woche passiert war, und es musste eine Strategie für die Zukunft entworfen werden.

Wie gut, dass es in einer Woche Ferien gab.

Nachdem Papa, Théra und Dicke die wichtigsten Fakten vorgetragen hatten, ergriff Dennis das Wort.

„Wir haben einen Teilerfolg gehabt, aber jetzt muss es weitergehen. Die anderen Gruppen stehen in den Startlöchern. Ich bin mir sicher, dass auch ein Teil des Heroins und ein Teil des Geldes, was wir an die Behörden verraten haben wieder auf dem schwarzen Markt landet. Die Beamten sind schließlich auch nur Menschen, und sie werden schlecht bezahlt.“

Er fuhr fort, „wir können solche Aktionen nutzen, um dem Gegner zu schaden. Wir können die Öffentlichkeit aufrütteln, langfristigen Erfolg haben wir damit nicht.“

„Der Dicke“ nickte. „So ist es überall, ob in den USA oder in Burma. Die Behördenvertreter arbeiten manchmal sogar mit der Mafia zusammen. Die Verlockungen des Marktes sind auch zu gross. Als Polizist würde ich wohl auch nicht widerstehen, wenn ich mein Beamtengehalt damit leicht verdoppeln oder verdreifachen kann, indem ich die Augen zudrücke.“

Théra nickte. „Vielleicht könnten wir den Drogenbaronen in einem Land schweren Schaden zufügen, etwa in Kolumbien, aber es gibt andere, in Afghanistan, in Burma, in Persien oder der Türkei, überall, wo es solche Anbaugebiete gibt, die teilweise unter dem Schutz der Regierungen stehen, weil das eine sichere Einnahmequelle devisenschwacher Länder ist.“

Trifter seufzte. „Das ist es ja gerade. Selbst wir profitieren davon. Wir verkaufen nicht, aber wir klauen Drogengelder. Ich hab nicht mal einen genauen Überblick, wie viel Millionen wir schon in der Schweiz und in Liechtenstein gebunkert haben. Ich glaube fast, wir werden diesen Sumpf nie austrocknen.“

Théra nickte. „Ist die Frage, ob das sein muss. Wir haben andere Schwerpunkte. Unsere Reformation der Gesellschaft in Peru und den Nachbarstaaten. Unsere Nahrungsmittelfabriken und die Versorgung Bedürftiger mit billigem Essen. Unser bisher leider sehr geringer Einfluss auf Industrie und Bänker. Unsere kleinen Erfolge bei der Klimarettung. Unsere Erfolge bei der Erforschung und Produktion umweltfreundlicher Technologien. Unsere Zusammenarbeit mit Menschen in vielen Ländern der Erde, die immer mehr zu einer Art „geheimer Völkerverbindung“ werden. Wir dürfen unsere Erfolge nicht gering einschätzen, aber eins zum Abschluss: Wir können nicht alle Schleuserbanden verfolgen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir wüssten auch garnicht, wohin mit den Menschen, denen wir helfen. Das wäre ein eigenes Projekt, Aufanggesellschaften für politisch Verfolgte und für Wirtschaftsflüchtlinge zu gründen, die jedes Jahr tausende von Menschen aufnimmt. Das hätte zudem die Folge, dass nur noch mehr Schleuserbanden entstehen. “

Théra seufzte, “wir wären da komplett überfordert, aber nun zurück zu unserem eigentlichen Thema. Papa und ich, wir werden euch jetzt wieder verlassen. Ich denke, es genügt voll und ganz, wenn „der Dicke“ seine bisherige Arbeit fortsetzt. Schade dem Gegner. Bleibe unsichtbar. Baue ein festes Netzwerk an Freunden und Helfern. Wir haben Unterstützung bei gewissen Behörden und bei Politikern. Wir bewegen uns vorwärts. In zwei oder drei Jahren können wir einen solchen Schlag wie jetzt wiederholen. Wir können die Mädchen für unsere Zwecke einbinden, die wir jetzt gerettet haben. Naja. Nicht nur für unsere Zwecke, auch zu ihrem eigenen Vorteil. Sie werden glücklicher sein, wenn sie mit uns zusammenarbeiten. Ich werde die Drogenbarone nicht umstimmen. Selbst mit meiner Macht nicht. Aber wir können dafür sorgen, dass langsam das Wirklichkeit wird, was Papa immer mit einer gerechteren Weltordnung anstrebt. Wir sind dabei. Mein Vorschlag ist also, dass wir genauso weitermachen, wie bisher. Wir sind auf einem guten Weg.“

Es wurde noch eine Stunde diskutiert, dann wurde Théras Vorschlag angenommen.

Nils war erschüttert gewesen, als er all das mitansehen musste. Diese Sinnlosigkeit der Gewalt. Aber nun konnte er sich beruhigt zurücklehnen. Irgendwie schien er durch die Vorgänge gereift. Théra und Papa würden ihn morgen verlassen. In einer Woche gab es Ferien. Er würde wieder sein „normales Leben” aufnehmen, und für die Freunde sorgen. Lernen, Sport, Skaterfahren, das tägliche Programm, die gelegentlichen Überwachungen und Aktionen mit „dem Dicken“, und all die Kontakte in der „Musikakademie“, die überall nur „das Zentrum“ genannt wurde. Und vielleicht würde er in diesem Sommer auch seine Liebe finden. Helen. Ein Schauer von Vorfreude fuhr plötzlich über seinen Rücken.

Heute würde es noch weitere Beobachtungen geben, morgen würde er sich frei nehmen. Er fand, dass er Anspruch darauf hatte.

Er empfing plötzlich einen warmen Energiestrahl von Papa. Er hatte seinen Gedanken gelesen. Er sah Papa an. Dennis lächelte und Nils atmete auf. Vielleicht würde er Helen sogar am Sonntag wiedersehen.

Plötzlich bemerkte er Théras Energiestrahl. Auch Théra lächelte. Jetzt war sich Nils sicher, dass er Helen morgen wiedersehen würde.

Nur gut, dass sie so höllisch vorsichtig gewesen waren. Mit der Mafia war nicht zu spaßen. Wenn du bei denen erst auf der schwarzen Liste standest, dann gute Nacht.

 
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