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Himmelfahrt am Muttertag - Satirisch Heiteres und Ernstes für Freunde des gepflegten Suizids

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Adieu Kirche

Die weltweit große Gemeinde der Christen stand schon einmal an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend, das die Völkergemeinschaft in finstere Barbarei und Vernichtung führte. Was nicht heißen soll, dass das Jahrtausend vor Beginn des zweiten Jahrtausends den Garten Eden auf Erden darstellte. Das Gegenteil war der Fall. Im Hinblick auf die historischen Tatsachen, die Gewaltbereitschaft des Menschen verbunden mit seinem ewigen Hunger, seiner unstillbaren Gier nach allem Besitzbaren, lässt mich mit Blick auf das dritte Jahrtausend keine humanen oder ethischen Verbesserungen erwarten, gleichwohl ich sie erhoffe. Gerade die großen Religionsgemeinschaften, denen das Gedankengut christlichen Lebens und Handelns vertraut sein sollte, haben unausgesprochen ihren Offenbarungseid geleistet. Weltweit liegen die religiösen Großverbände, denen zu Hunderttausenden ihre Mitglieder den Rücken kehren, in der Agonie. Daher ist außer Lippenbekenntnissen und gelegentlichen sporadischen Hilfsaktionen nichts weiter zu erwarten. Überregional und weltweit hallt mehr denn je die Devise:

Jeder für sich und Gott für uns alle. Die Erfahrung mit Gott, wenn es denn eine gibt, ist immer subjektiv und persönlich, niemals gemeinschaftlich oder kollektiv, mögen sich auch ganze Volksgemeinschaften in zuweilen religiöser "Raserei" dem "allmächtigen" Willen des Herrn unterstellt haben. Wohin diese Ausstellung solcher Blankovollmachten führte und noch führt, hat die Geschichte zur Genüge bewiesen. Meine eigene Erfahrung mit jener esoterischen Figur die Gott oder wie auch immer genannt wird beschränkt sich ausschließlich auf das, was diese Welt und diese Natur mir schenkt, mir zeigt und mich verstehen lässt. In ihrem Wesen liegt meine Vorstellung von Gott begründet. Und aus ihrem Wesen erfahre ich auch Wohl oder Übel, ganz nach meiner Einstellung, die ich zu eben dieser Natur habe. Das in früheren Zeiten das Verständnis der Menschen gegenüber vielen natürlichen Erscheinungen nicht ausreichte diese zu erklären, hat der machtvollen und teilweise unseligen Ausbreitung großer Religionsgemeinschaften kraftvollen Antrieb verliehen. In allem und jedem wurde gottgewollte Entscheidung gesehen, was letztlich fürchterliche Exzesse und Vernichtungsfeldzüge ermöglichte. In dem Maße, wie der menschliche Geist der Erweiterung zugänglich wurde, verringerte sich der Einfluss der religiösen und kirchlichen Verbände auf den Menschen. Das geschah besonders dort in beängstigender Weise, wo Wohlstand und Sicherheit eine solide Basis für zukünftige Generationen schufen. Kurioserweise sind es jedoch die begüterten und wohlhabenden Personen im großen Heer der "Verbal-Christen", aber auch der gesättigte Mittelstand, der, um der eher als lästig und unangenehm empfundenen Verantwortung des Christseins in der modernen Zeit, sich der Zahlkarte oder des Überweisungsformulars bedient, um seinen Vorstellungen vom Christsein zu frönen. Gott ist weit weg, und in der Stunde des Todes auf der Intensivstation oder abgestellt im Badezimmer, verzweifelt im Hinblick auf die Insolvenz der religiösen Gemeinschaft die "Seele" des Verlassenen und schreit rasend vor Angst nach Beistand und Hilfe. Erfahrungen mit Gott - das Leben bietet vierundzwanzig Stunden am Tag dazu Gelegenheit. Der Tod bietet nur eine Erfahrung, den Augenblick finsterer Nacht. Erfahrungen sind dazu da, dass sie gemacht werden. Gleiches gilt für die berühmten Fehler, die jeder einmal macht. Also alles eine einzige Wiederholung? Eine Litanei der Kleinkrämerei und Sinnlosigkeiten, einzig und allein dazu bestimmt bereits existierende und noch zu schaffende Verhaltensschemata zu manifestieren, abzusegnen, im Namen des Herrn. Missbraucht wird der Erfahrungsschatz unzähliger Generationen tagein - tagaus in schändlicher Weise und wir erdreisten uns zu behaupten, das ist Gottes Wille. Sollte es denn einen Gott geben so ist kaum nachvollziehbar, warum er der Vernichtung seines Hauses, seines Gartens, seiner Herden und Weiden tatenlos zusieht, die Menschen sogar noch in ihrem Treiben unterstützt? Wo bleiben denn die großen Lehren, Erkenntnisse, Weisheiten auf die sich die Menschen so gerne berufen, wenn ihr Forscher- und Entdeckergeist sie in rauschhafter Weise zu neuen Ufern führt, immer weiter weg von jener kleinen blauen Insel, die wie ein verlorener Diamant in unendlich dunkler und kalter Nacht durch die Einsamkeit flieht? Verloren sind wir, einsam und allein, und dennoch schützt uns diese Welt vor allen Unbilden und Gefahren, die nach unserem Leben, unserer Gesundheit trachten, die der dunklen Seite der Macht den Zutritt in unsere Herzen verwehren, wenn wir bereit sind für diese Welt einzustehen. Aber das tun wir nicht. Durch unser Handeln haben wir das Anrecht auf einen Platz im Paradies für alle Zeit verspielt.

Trümmerstück

Anfang der fünfziger Jahre wurde ich in die Katholische Volksschule eines Ortsteils einer größeren Stadt eingeschult. Eine Tatsache, die mich nicht sehr erfreute, die aber offensichtlich unumgänglich war. Der schulische (Unter)Werdegang der Kinder sah im Normalfall die Einsitzung bis zur achten Klasse vor, danach erfolgte die Entlassung in den "Ernst des Lebens"(das kann ja heiter werden) mit allen guten Wünschen für die Zukunft. Das war um so perverser, da die gleichen "Lehrer" die ihnen anvertrauten Zöglinge nach allen Regeln der Katholischen Kirche kneteten und bogen, drückten und zerbrachen, durchprügelten und walkten, demütigten und verachteten, um sie nach acht Jahren seelischen und körperlichen Leidens als brauchbare Staatskrüppel auf den Markt des billigen Fleisches zu werfen. Das erste was mich mein Klassenlehrer am Einschulungstag fragte(einen Sechsjährigen mit Schultüte!), ob ich etwa auch so werden wollte wie mein Bruder, worauf ich in völliger Unkenntnis der Zusammenhänge und naiver Gutgläubigkeit antwortete, "Ja, das will ich", denn ich bewunderte meinen großen Bruder, der sich unter seinen Mitschülern und an dieser Schule "Respekt" verschafft hatte. Eine fast tödliche Antwort mit fatalen Folgen. So bestand die einzige Möglichkeit diesem Horrorkabinett cholerischer Staatsdiener und kirchlich bestallter Kinderschänder zu entkommen darin, nach dem 4. Schuljahr entweder auf das im nächsten Ortsteil liegende Gymnasium oder zur Mittelschule zu wechseln, wie diese Einrichtung damals noch genannt wurde. Leider sah meine familiäre und damit gesellschaftliche Herkunft die Nutzung dieser vielversprechenden Alternative nicht vor. Meine seelische Zerstörung begann.

Die Zerstörung

Da zu meiner Zeit die staatlich legitimierte Prügelstrafe(man muss sich das vorstellen nach diesem Krieg, nach der in ihm begangenen Verbrechen und Massenmorden in Auschwitz) als Züchtigungsmaßnahme weder abgeschafft noch ernsthaft zur Debatte stand, ließen sowohl die in allen Fächern gleich beschränkten, dennoch unterrichtsberechtigten "Lehrer" (heute nennt man diese geistigen Irrlichter Pädagogen) als auch die im Religionsunterricht zum Einsatz kommenden Pastöre und Kaplane ihren sadistischen Trieben freie Entfaltung, was im Hinblick auf das vorhandene Menschenmaterial virtuose Variationen ergab. Allein der fast tägliche Anblick nackter, zuckender Kindergesäße, auf die in rhythmischen Intervallen die stets im Wasser liegende Haselgerte niedersauste, ließ von uns Schülern beobachteter Weise, bei den Tätern euphorisch - befriedigende Gefühle zum Vorschein kommen, die nicht selten erhöhten Speichelfluss zur Folge hatten. Mein Klassenlehrer, ein Herr L., verteilte Schellen und Gesäßtritte wie das Christkind Geschenke. Jeden Tag, jede Stunde. Unser Geschichtslehrer, ein Herr S., bezeichnete jeden zweiten Schüler als Kaffer, wobei er wie besessen mit Kreide nach uns warf. Das dabei die Kreide zu Bruch ging war normal. Da wir jedoch in seinen Augen die Schuld daran trugen, gab es anschließend noch Ohrfeigen und hin und wieder einen Hieb mit dem Zeigestock über die nach vorne zu streckenden Handflächen, was die weitere Schreibfähigkeit für diesen Tag beendete. Der Rektor der Schule, ein Herr K., wurde von uns nur "Eisenhand" genannt, denn seine Schläge ins Gesicht haben manchem Kind zu frühzeitigem Zahnersatz verholfen. Darüber hinaus verstand er sich auf den Stock wie kein Zweiter, und der Anblick der sich rasch verfärbenden Gesäßbacken, versetzte ihn in rauschhafte Stimmung. All das in sich schon grauenvoll und verachtenswert wie kaum eine andere Schandtat auf der Welt, erfuhr jedoch durch die Beteiligung der katholischen Amtsinhaber in geradezu perverser Verhöhnung des christlichen Glaubens seinen ekelhaften Höhepunkt. Offensichtlich hielt sich jeder der am Unterricht beteiligten Priester für einen zweiten Christus, der mit der Peitsche in der Hand unter den Ungläubigen und Aufsässigen aufräumt. Ein Pastor ist mir in unauslöschlicher Erinnerung geblieben, ein gewisser Pastor J., Träger einer Auszeichnung, verliehen für erstklassige Abricht- und Vernichtungsarbeit, für die Zertrümmerung junger Seelen im Auftrag der katholischen Kirche und in Anlehnung an den Ausspruch Jesu?, dass der Baum in das Feuer gehört, der keine guten Früchte trägt. Da das mit dem Verbrennen nicht mehr möglich war, musste uns auf andere Art und Weise das Rückgrat gebrochen werden. Jedenfalls sprach dieser Pastor J. immer dann von seinen "dollen fünf Minuten", wenn er sich einen Schüler/eine Schülerin zu einer Strafaktion auserkoren hatte. Im Namen des Herrn ... flogen dann die Fetzen, dass wir Kinder in die Hose machten vor Angst und Schmerz. Ein anderer Priester, Kaplan M., stand seinem Vorgesetzten in keiner Weise nach, bevorzugte er gern seine Fäuste, um uns Zehn- und Elfjährigen klarzumachen, worin der Sinn göttlicher Gebote zu sehen ist. Den Schülerinnen und Schülern(es gab in dieser Schule nur gemischte Klassen)war es trotz aller Bemühungen nicht möglich, den exzessiven Ausfallerscheinungen der Lehrkörper auch nur annähernd zu folgen, geschweige in ihnen auch nur eine Spur von Notwendigkeit oder Methode zu erkennen. Da auch der familiäre Rückhalt, die Unterstützung gänzlich fehlte; der Krieg und der preußische Erziehungsstil hatte bei meinen Eltern ganze Arbeit geleistet, erübrigten sich meine Klagen von vorneherein und mir blieb nichts weiter übrig, als mich in die willkürlichen Gesetzmäßigkeiten weitestgehend einzupassen, um so den "Schlaganfällen" der Lehrer und Priester zu entgehen. Leider erkoren Pastöre und Kaplane, aber auch die Lehrer ausgerechnet jene Kinder zu ihren "Lustobjekten", die zum einen dem Unterricht aus welchen Gründen auch immer nicht folgen konnten, zum anderen - wie ich - aus Verhältnissen stammten, die nach einstimmigen Aussagen aller Beteiligten in der weiteren Entwicklung ohnehin nichts Gutes erwarten ließen. Daher sei es nicht verkehrt eine gute Tracht zu erhalten, denn die Prügel die du jetzt einsteckst, kann dir später keiner mehr geben. Eine sehr einfache, aber ungemein realistische Aussage, die mindestens einmal im Monat an mir in die Tat umgesetzt wurde. Im gleichen Atemzug verlangten diese Monster von uns die bedingungslose Bekennung zu jener "alleinseligmachenden Kirche" auf der Grundlage christlichen Gedankengutes, deren Vorläufergenerationen Millionen Menschen in Europa und der weiten Welt ermorden ließen, im Zeichen des Kreuzes, denn willst du nicht die Lehre der Kirche annehmen, dann prügeln wir sie dir ein. Und das wenige Jahre nach Auschwitz. Die Güte des Herrn wurde gepriesen, seine verzeihende Gnade und Milde, seine Nachsicht, sein Verständnis. Die rituellen samstäglichen Beichtorgien für Kinder wurden für uns zu wahren Lügenwettbewerben, denn jeder trachtete natürlich danach, "besser" dazustehen als der/die andere. Vielleicht war das auch Teil unserer kindlichen Vorstellung von Rache und Gerechtigkeit, was mir jedoch im nachhinein als reine Verzweiflungstat einer verwundeten Seele transparent wird. Gleiches galt für die morgendliche Betstunde, wenn die versammelte Klasse mit Blick auf das Bildnis des damaligen Bundespräsidenten ihr kirchlich verordnetes Gelöbnis, einen christlich - katholischen Toast ausbrachte auf Theo I und Konrad den Einmaligen. Dabei eiferten wir um die originellsten Gebete, denn dafür setzte entweder die Prügel aus oder es gab eine gute Note, auch für uns "Erdschweine", wobei die drei den gleichen Stellenwert besaß wie eine Eins für die besser Gestellten. Interessant auch die notwendigen Besuche der Schultoiletten, bei denen eigens angestellte Ordensschwestern darauf achteten, dass wir beim Wasserlassen nur ja nicht auf unser Geschlechtsteil schauten, denn das ist "unrein" und "unschamhaft". Möglicherweise sollten wir dadurch nicht sehen, auf welche widerwärtige Weise diese "Ordensschwestern" ihren verkümmerten Trieben frönten. Das wir uns dabei regelmäßig an die Hose und in die Schuhe urinierten ist verständlich. Dann gab es direkt was auf das blanke Gesäß, von Frau Ordensschwester persönlich, die anscheinend nur darauf wartete, einen strammen, festen Knabenpopo von der Ernsthaftigkeit der kirchlichen Verbote zu überzeugen. Pervers das ganze, abgrundtief pervers. Über acht Schuljahre verteilt macht die Mühe schon ihren Sinn, denn du wirst zu einem funktionierenden Schrotthaufen, unglaublich aber wahr. Schlusslicht und gleichzeitig Höhepunkt meiner versuchten Einpassung in die damals bestehenden gesellschaftlichen Normen war die schulische Abschlussfahrt in eine Abtei am gleichnamigen See in der Eifel. Sieben Tage sollte diese Tortour dauern, während der sich die Nonnen und Mönche eifrig mühten, uns im theoretischen Eilverfahren anhand von Vorträgen, Zeichnungen und Schaubildern das Märchen vom Klapperstorch auszureden. Eine Woche vor der endgültigen Schulentlassung wurde uns Vierzehn und Fünfzehnjährigen beigebracht, dass es zweierlei Menschen gibt, nämlich Mann und Frau. Und wozu Mann und Frau ihre Geschlechtsteile noch gebrauchen können, außer zum Wasserlassen, nämlich zum Erzeugen neuer Menschen. Peng - aus. Die Aufklärung im Sinne der katholischen Kirche war damit abgeschlossen. Da uns noch Zeit blieb die erworbenen Kenntnisse praktisch zu erproben, kam es dann erwartungsgemäß zu fallweise chaotischen Zuständen, insgesamt zu unüberschaubarem Durcheinander, was eine vorzeitige Beendigung unseres Aufenthaltes in der Abtei nach sich zog. Auch für mich hatten diese neuartigen Einsichten ungeahnte Folgen, denn meine damalige Angebetete fieberte wie ich in völliger Unkenntnis in Sachen Sex dem großen Augenblick entgegen, und so gaben wir im Hinblick auf die kirchliche Heilslehre unser Bestes, nämlich unsere körperliche und seelische Unschuld (gebenedeit sei die Frucht deines Leibes - denn das Weib ist dem Manne untertan...