Der Güldene Baum

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Bonalibona schlug sich beide Hände vor das Gesicht, und sein Körper schüttelte sich in Verzweiflung, denn der große Zauberer hatte die Zukunft gesehen, Bonalibona besaß das zweite Gesicht. Wie ein eisiger Hauch legten sich die Worte des Zauberers über die Kinder, die nun ganz dicht zusammengerückt auf dem Sofa saßen und kein Wort herausbrachten. Doch dann erhob Bonalibona sein Haupt, öffnete seine Augen, die voll Glanz und Licht erfüllt waren, und er setzte seine Erzählung fort, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen.

"Es war einmal ein Tropenbaum, meine lieben Freunde. Der lag verkohlt und zerschlagen auf dem verkrusteten Boden des einstigen Tropenwaldes. Um ihn herum schien alles tot und erstarrt. Aber unter seinem Stamm, tief im Boden des einstigen Tropenwaldes, bereitete sich das Leben auf einen Neubeginn vor. Es waren die Erdmännchen, die der zerstörten Welt neues Leben einhauchten. Die Erdmännchen sind die Seelen der Menschen, die dieser Welt Böses antaten und nun den angerichteten Schaden wiedergutmachen müssen. Damit man die Erdmännchen auf der ganzen Welt erkennen kann, wurde ihnen die Gestalt des Menschen verliehen, damit er sich immer an seine Unvollkommenheit erinnert. Sie sind dazu bestimmt in der Erde zu wohnen, solange es Menschen gibt, die dieser Welt Schaden zufügen. Sollte es irgendwann einmal keine Erdmännchen mehr geben, dann haben die Menschen das Paradies gefunden. Aber das wird wohl niemals geschehen, niemals. Zur Zeit wimmelt es auf der Welt von Erdmännchen, ja, es ist eine wahre Flut geworden. Überall und an jeglichem Ort tauchen sie auf, wohin ihr auch schaut. Ihr könnt sie sofort erkennen, auch wenn sie als Wurzeln aus dem Boden gegraben werden. Sie gelten als Zaubermittel, und sie haben einen magischen Einfluss auf den, der sie richtig zu nutzen weiß. Deshalb grabe ich nach ihnen in meinem Garten. Ihr Elixier wirkt in der Tat Wunder und lässt mich Dinge sehen, die mich manchmal um den Schlaf bringen. Auf der anderen Seite bewirken sie nur Gutes, wozu sie ja bestimmt sind. Trotzdem ist die Gestalt des Menschen unverkennbar - und das stets lauernde Böse in ihm."

Bonalibona beendete seine Geschichte, nahm seine Pfeife zur Hand und stopfte Tabak in den Pfeifenkopf. Genüsslich entzündete er den Tabak, sodann paffte er dicke Wolken in das große Kaminzimmer. Luna, Miriam, Max und Tommy horchten dicht aneinander gerückt mit großen Augen der Erzählung ihres Freundes, des großen Zauberers Bonalibona.

"Was - was - was wird denn aus uns - lieber Bonalibona? Müssen wir auch in die Erde - als Wurzel?" fragte ängstlich die kleine Luna.

Bonalibona verschluckte sich beinahe am Rauch der Pfeife, begann zu husten und klopfte sich dabei lachend auf die Schenkel. Der große Zauberer lachte so herzlich, dass ihm die Tränen in die Augen schossen. Er schüttelte den Kopf und nahm einen tiefen Schluck von der köstlichen Limonade, die Bonalibona aus den Früchten seines Gartens selbst herstellte.

"Nein - nein - nein, liebe Luna, ihr werdet ganz bestimmt keine Zauberwurzeln, dazu seid ihr viel zu gut und würdet dieser wunderschönen Welt niemals weh tun" lachte Bonalibona.

"Außerdem habt ihr ja alle Gelegenheit zu beweisen, was euch diese Welt bedeutet. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr. Euer ganzes Leben lang. Und danach wird sich entscheiden, ob eure Seele in einen neugeborenen Menschen Einlass findet, oder als Alraune, als Zauberwurzel den guten Menschen Hilfsdienste leisten muss."

"Wie - was - meine Seele, ich meine, ich komme noch Mal auf die Welt in einem anderen Menschen?" rief Max aufgeregt.

"Na klar doch, was hast du denn gedacht? Das könnte ja niemand mehr auseinander halten. An jeder Ecke würden die Seelen zu Hunderten, ja zu Tausenden herumsitzen, ohne sinnvolle Beschäftigung. - Nein - das ist schon gut eingerichtet so - und auch gerecht. Schließlich sollen diejenigen, die der Welt und den Menschen Schaden zufügen, ja nicht den gleichen Lohn empfangen wie jene, die mit sich und der Erde in Einklang leben. Hört sich zwar sehr altmodisch an, ist aber voll in Ordnung. Die Menschen heute meinen zwar, sie hätten alles im Griff und sind so stolz, dass sie vor lauter Überheblichkeit kaum gehen können. Aber in den einfachsten Dingen versagen sie kläglich. Gottlob gibt es noch Kinder, die sich für Zauberer, geheimnisvolle Märchen und die alte Zeit interessieren. Das ist auch der Grund, warum es uns Zauberer überhaupt gibt. Wir haben die ehrenvolle - und manchmal auch schwierige Aufgabe, den Kindern die Geschichten der alten Zeit zu erzählen. Und mit ein wenig Glück gelingt es uns sogar, sie davon zu überzeugen. Das, meine lieben Kinder, ist das eigentliche Geheimnis des Zauberers. Bewahrt es stets in eurem Herzen und vergesst niemals die alte Zeit, denn sie wird sich noch an euch erinnern, wenn ihr längst erwachsen seid und eigene Kinder habt. Und hütet die größte Tugend die euch Menschen zuteil wurde – die Wahrhaftigkeit. – Ja – Wahrhaftigkeit – das ist es. Vergesst das nie – tretet zusammen unter dem Sternenzelt und schickt eure Wünsche zu den Lichtern des Himmels. Vergesst nie diesen Tag – denn ihr werdet einst sagen können – wir sind dabei gewesen.“

"Die alte Zeit - ist das so eine Art Vergangenheit?" flüsterte Miriam.

"Oh nein, die alte Zeit ist genau so eine Zeit wie diese, in der wir jetzt leben. Kompliziert, zugegeben, aber im Grunde ganz einfach. Stellt Euch die Zeit wie ein Meer vor. In ein Meer münden Flüsse. Die Zeit ist auch ein Fluss. Im Wasser finden sich unvorstellbar viele kleine und größere Teilchen, die langsam aber unaufhaltsam ins Meer transportiert werden. Dort sinken sie dann zu Boden. Der Meeresboden wird dadurch immer höher. Aber nicht überall gleichmäßig. Auf diese Weise entstehen Gebirge, die irgendwann einmal die Meeresoberfläche erreichen - und schon gibt es eine neue Insel. Mit der Zeit ist das ähnlich. Jeden Tag vergehen exakt - Moment - ich muss nachdenken - das sind - ja - 86400 Sekunden. An jedem Punkt der Welt. Faszinierend - nicht wahr! Das Jahr hat mal 364, mal 365 Tage. Ein Menschenleben währt 50, 60 oder sogar 100 Jahre. Aber die alte Zeit, die ist unendlich, sie ist ewig, ein riesiger, gewaltiger Strom, der sich in den Ozean der Ewigkeit ergießt. In jeder Sekunde, jeder Stunde, an jedem Tag, in jedem Monat und Jahr geschieht etwas. Überall auf der Welt. Und dieses Geschehen wird durch die Zeit in den Ozean der Ewigkeit gespült, wo es zu Boden sinkt. Auch dort gibt es Gebirge, die irgendwann einmal die Oberfläche des Zeitmeeres erreichen. Dann entsteht eine zweite, eine dritte und vierte Welt, die mit unserer fast identisch ist. Aber nur fast, denn was auf unserer Welt im Augenblick geschieht ist in der zweiten oder dritten Welt schon Zukunft, in der alten Zeit jedoch Vergangenheit. - Na ja - ich erkläre euch das einmal an einem anderen Tag noch genauer, denn wir werden viel Zeit miteinander verbringen, da bin ich mir ganz sicher. - Und nun haben wir genug philosophiert, jetzt gehen wir alle in den Garten und schauen nach, was es Leckeres zu naschen gibt. Was haltet ihr davon?"

"Naschen - Garten, etwa Himbeeren oder Pflaumen? Stachelbeeren sind auch schon reif, und die Johannisbeeren. Vielleicht finden wir noch Erdbeeren? Kommt - schnell in den Garten, bevor die Spatzen alles weg fressen" riefen die Kinder wie aus einem Mund und stürmten an Tommy vorbei hinaus in Bonalibonas Garten.

"Keine Geduld hat sie, die Jugend, keine Geduld. Wie will sie da etwas lernen? Angst haben sie, dass die Spatzen ihnen etwas wegfressen. Als wenn alles auf dieser Welt nur dazu bestimmt ist, von den Menschen aufgegessen zu werden. Du hast noch viel zu tun, lieber Tommy, sehr viel. Aber es sind gute Kinder, ich spüre es, sie sind gut."

"Ja Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater, das sind sie, aber es macht mir sehr viel Spaß, ihnen die Geschichte des Lebens und die Geschichte ihrer kleinen Stadt zu erzählen. Lassen wir sie erst einmal in Ferien fahren, danach sehen wir weiter. Sie gehen uns nicht verloren, denn sie glauben noch an Zauberer, Traumschlösser und die alte Zeit."

Tommy und Bonalibona verließen das große Kaminzimmer des Hauses und schritten nebeneinander hinaus in den Garten, wo Luna, Miriam und Max mitten zwischen den Sträuchern standen, und mit Hingabe von den süßen Früchten naschten, die im geheimnisvollen Garten des großen Zauberers Bonalibona wuchsen. Unbemerkt von den Kindern, unter Gesträuch und allerlei Pflanzen versteckt, bewegte sich leicht die Erde, um dann plötzlich aufzubrechen. Ein Erdmännchen streckte seinen Kopf heraus, besah sich die muntere Schar und lächelte friedlich. Bald ist seine Zeit gekommen. Dann würde seine Seele wieder frei sein und Platz finden in einem Menschen, der so ist wie diese Kinder in Bonalibonas Garten. Bonalibona hatte recht. Die lange Zeit des Wartens lohnte sich, und irgendwann einmal würden alle Erdmännchen wieder als Seelen in den Herzen der Menschen wohnen.

Das Krokodil im Südparksee

Kalle, Minni, Berta und Max gehen zusammen in die Schule. Nach dem Unterricht machen sie gemeinsam ihre Hausaufgaben - und danach? - Ja - danach spielen sie auch zusammen und erleben die tollsten Abenteuer. Ihr glaubt das nicht? Na - dann passt einmal gut auf und hört aufmerksam zu. Ihr werdet staunen, was Kinder in einer Stadt am Rhein so alles erleben.

"Hallo Kalle, Minni, Berta. Ist euch auch so langweilig wie mir? Jetzt haben wir Ferien und wissen nicht, was wir machen sollen? Was könnten wir denn unternehmen, irgendwas aufregendes - habt ihr eine Idee?"

"Mensch Max, das fragst du uns? Du bist doch immer der Junge mit den tollen Einfällen. - Tja - was könnten wir machen an so einem schönen Tag? Eine Radtour zum Rhein?" schlägt Kalle vor.

"Oder einen Ausflug in den Aqua Zoo - Pinguine besuchen und Seelöwen streicheln" ruft Minni aufgeregt.

 

"Die lassen sich nicht streicheln, weil du da gar nicht in das Becken kommst" lacht Max.

"Kann ich wohl - durch die Scheibe" neckt Minni ihren Freund.

"Ach - das haben wir alles schon gehabt. Wie wäre es mit dem Botanischen Garten? Dort können wir den Fröschen zuhören, und vielleicht treffen wir ja auch wieder die netten Leute vom Radio, die immer die Kinderhörspiele senden?"

"Bestimmt nicht. Erstens ist heute Mittwoch, zweitens macht das Radio auch Ferien und drittens sind die meisten Kinder weggefahren. Und viertens haben die Frösche heute ihren freien Tag" lacht Berta so laut sie kann.

"Prima, dann bleiben wir hier sitzen und zählen die Bienen, die auf unseren Blumen herum klettern" sagt Max.

"Mann oh Mann, ist das warm. Wie wäre es mit schwimmen - das macht Spaß und ist so erfrischend" schlägt Minni vor.

"Ich glaube, ich habe eine Idee" ruft Kalle laut,

"wie wäre es mit einer zünftigen Bootsfahrt? Habt ihr Lust dazu?"

"Wie - was - eine Bootsfahrt? So - mit einem richtigen Boot? - Wo denn - auf dem Rhein?" schnattern Minni, Berta und Max durcheinander.

"Nein - nicht auf dem Rhein, das ist zu gefährlich - wegen der großen Schiffe und der Strömung. Aber - auf dem Südparksee, da ging es schon. Was haltet ihr davon?"

"Der Südparksee - wo ist denn der?" rufen Minni, Berta und Max gleichzeitig.

Ja liebe Kinder, wo ist der Südparksee? Auf alle Fälle in einer Stadt am Rhein. Und da er Südparksee heißt, wird er wohl im Süden der Stadt liegen. Ganz genau gehört er zum ehemaligen Bundesgartenschaugelände, das befindet sich in ebenfalls in dieser Stadt und im Südpark. Der Südparksee war früher eine Kiesgrube, ein Baggersee. Heute gehört er zum Stadtgarten und Erholungsgebiet Südpark. Und genau in diesem Park liegt der große See. Und auf diesem See wollen die vier Freunde Boot fahren. Aber - dürfen die das denn - und - fahren dort überhaupt Boote?

Mal sehen oder zuhören, wie die Geschichte weitergeht.

"Woher nehmen wir denn das Boot?" fragt Minni.

"Von mir, das heißt, von meinem Vater. Der hat eins in der Garage. Zum Aufblasen. Da passen wir alle hinein - so groß ist das!" ruft Kalle voller Stolz.

"Wirklich - so ein großes Boot hat dein Vater? Na - worauf warten wir noch - lasst uns schnell das Boot aufblasen und zum See fahren" lacht Berta voller Freude.

"Das können wir erst am See, weil es sonst viel zu groß ist. - Na gut Freunde, auf zum See. Wir machen eine richtige Bootsfahrt, mit allem was dazu gehört!" lacht Kalle voller Freude.

Die vier Freunde laufen zu Kalles Haus, gehen in die Garage des Vaters und holen das zusammengerollte Boot aus einem Regal. Sie packen das Boot in einen kleinen Anhänger, der an Kalles Fahrrad befestigt wird. Dann laden Minni, Max und Berta noch den Blasebalg, das ist eine große Fußluftpumpe und vier Paddel ein. Und schon geht die Fahrt zum Südparksee los. Bald haben Minni, Kalle, Max und Berta ihr Ziel erreicht.

"Mann - ist das ein See. So groß habe ich mir den aber nicht vorgestellt. Und wo lassen wir unser Boot zu Wasser? Ich meine - so ein Stapellauf eben" fragt Max neugierig.

Ihr wisst was ein Stapellauf ist? Nein - na gut oder auch nicht. Also - wenn ein Schiff gebaut wird, dann legt man es auf Kiel. Der Kiel ist die unterste Stelle am Schiff, so eine Art Wirbelsäule wie bei Säugetieren und auch bei Menschen. Damit man unter dem größer werdenden Schiff auch arbeiten kann, wird es auf eine Art Gestell oder Gerüst gebaut, die sogenannte Helling. Damit das Schiff auch ins Wasser rutscht, wenn es fertig ist, muss die Helling am Bug des Schiffes höher sein als am Heck. Die Schiffe werden nämlich immer mit dem Heck zuerst ins Wasser gelassen, weil da die Schiffsschraube befestigt ist und das Schiff vorwärts oder rückwärts fahren lässt. Und beim Stapellauf von der Helling bremst die Schiffschraube das Schiff ab. Und diese Helling, die ist auf Stapel gebaut, so wie eine Brücke auf Pfeiler. Daher kommt der Name. Aber für ein aufblasbares Gummiboot braucht man keine Helling. Da genügt schon ein kleines grünes Plätzchen am Seeufer. Nun wollen wir mal sehen, wie es mit dem Boot und unseren vier Freunden weitergeht.

"Hau ruck - hau ruck - fest ziehen - so ist es gut. Mann - ist das anstrengend. Wie gut, das wir das Boot nicht tragen müssen. Ich hätte nie gedacht, das Gummi so schwer ist. Und wie geht es jetzt weiter?" fragt Max seinen Freund Kalle.

„Das Boot ist ausgerollt, jetzt müssen wir die Kammern aufpumpen. Zuerst den Boden, danach die Wände. Wer will zuerst auf den Blasebalg treten?" lacht Kalle.

"Ich - nein ich - nein ich" rufen Minni, Berta und Max zusammen.

"Also gut, Berta und Minni teilen sich den Boden, Max und ich nehmen die beiden Außenkammern. Na dann viel Vergnügen" freut sich Kalle.

Minni und Berta steigen in die ausgebreitete Gummiboothülle und stecken den Schlauch des Blasebalgs in das Ventil des Gummibootes. Dann treten sie auf den Blasebalg und es macht laut und pfeifend "ppfffiiiiifsfssfsfsfsch".

Die Luft wird jetzt durch Minnis und Bertas Fußbewegung auf dem Blasebalg in das Boot gepumpt. Das dauert eine ganze Weile, denn so ein Boot ist groß und braucht viel Luft. Dann ist der Boden dick und fest aufgepumpt. Jetzt kommen die Außenkammern an die Reihe.

"Puh - ist das eine Arbeit, jetzt muss ich erst einmal etwas trinken" stöhnt Berta.

"Ich auch" ruft Minni, und plantscht mit den Füßen im Südparksee.

Endlich ist das große Gummiboot aufgeblasen. Leuchtend rot liegt es auf dem hellen Sand in der Sonne.

"Esmeralda - das ist aber ein seltsamer Name" sagt Minni.

"Das bedeutet Smaragd. War die Idee meiner Mutter" lacht Kalle.

"Aber Smaragde sind doch grün - oder?" fragt Max.

"Schon, aber man kann ja das Boot schlecht Tomate nennen, nur weil es rot ist" lacht Kalle und schüttelt sich, das seine blonden Locken nur so fliegen.

"Nun ist genug geflachst, jetzt erfolgt der Stapellauf" gibt Max zum Besten.

"Ein Schiff wird doch getauft - nicht wahr" ruft Berta hell dazwischen.

"Richtig - zuerst die Schiffstaufe. Berta - du hattest die Idee - du darfst unser Schiff taufen."

Berta nimmt zwei Hände voll Wasser aus dem See, schüttet sie dem roten Gummiboot auf den Rumpf und ruft laut:

"Ich taufe dich auf den Namen Paprika - weil du so schön rot bist. Allezeit glückliche Fahrt."

"Juchuh - es geht los - hinein in die Fluten - wir entdecken Kumbalabumba, das Land der Riesentomaten und blauen Bananen. Juchu" jauchzen die Freunde wie auf ein Wort.

"Ein Schiff braucht doch einen Kapitän" ruft Minni,

"sonst ist es kein richtiges Schiff."

"Na gut, ab sofort ist Minni der Kapitän der Paprika. Was sind deine Befehle Käpt,n?" fragt Max.

"Volle Fahrt voraus - Leute - wir fahren nach Kumbalabumba."

Die Freunde nehmen die Paddel in die Hände und beginnen kräftig das Wasser zu schlagen. Langsam setzt sich die Paprika in Bewegung. Immer wieder tauchen die Paddel ins Wasser, und das Boot wird immer schneller. Die Enten, Gänse und Schwäne auf dem Südparksee schauen den Freunden aufmerksam zu. Was mag das nur für ein seltsames rotes Gebilde sein, das keine Flügel, dafür aber auf jeder Seite zwei lange Füße hat, die ständig im Wasser herumtreten?

"Maschine stopp, alles hört auf mein Kommando. Wir machen eine Pause" ruft Minni,

"holt die Paddel ein."

"Ist das schön hier - und so still" freut sich Berta.

"Und so warm - ich möchte am liebsten ins Wasser springen" ruft Max.

"Hier ist es viel zu tief. Wir schwimmen nachher, wenn wir zum Ufer zurück paddeln. Das ist sicherer, dort können wir stehen" mahnt Kalle zur Vorsicht.

"Ob es im Südparksee Fische gibt?" fragt Berta.

"Klar doch, und was für welche. Riesenhechte und gewaltige Karpfen. Hat mein Vater mir gesagt. Er angelt hin und wieder am See und manchmal fährt er mit dem Boot hinaus."

"Wirklich? Die sind doch gefährlich - die Hechte - nicht wahr?" flüstert Berta.

"Na ja, die ganz großen schon. Wenn der dich ins Bein beißt, ist der Fuß ab. Aber das kommt nur selten vor. Viel gefährlicher sind Haie und Krokodile. Die verschlingen dich mit Haut und Haaren" erzählt Max geheimnisvoll.

"Hier gibt es doch gar keine Haie. Und Krokodile leben in Afrika. Darum brauchen wir auch keine Angst zu haben" klatscht Minni in die Hände und lacht.

"Na schön Käpt,n, wenn du es sagst. Wie sind die weiteren Befehle?"

"Maschine halbe Kraft voraus und zurück zum Hafen" lacht Minni.

Das Wasser spritzt auf und die Freund paddeln ausgelassen auf dem See herum. Plötzlich hört Max auf zu paddeln. Mit der ausgestreckten Hand zeigt er auf eine Schilf bewachsene Insel.

"Was ist los Max, warum hörst du auf zu paddeln - und was gibt es so interessantes zu sehen?" will Minni wissen.

"Da - da vorne, seht ihr es nicht. Da kommt etwas aus dem Schilf heraus auf uns zugeschwommen. - Es nimmt direkt Kurs auf uns!" ruft Max laut

"Das ist doch nur ein Baumstamm. Der kommt nicht auf uns zugeschwommen, sondern treibt mit der Strömung. In jedem Gewässer gibt es eine Strömung. Kommt - wir beweisen es Max. Käpt,n Minni, wir sollten den Kurs ändern um eine Kollision zu vermeiden" sagt Kalle.

"Gut - wir ändern den Kurs und steuern direkt auf das Ufer zu!"

Kalle, Max und Berta tauchen die Paddel so ins Wasser, dass sich die Paprika sich auf der Stelle dreht und auf das Ufer zufährt.

"Na - was habe ich gesagt, der Baumstamm verfolgt uns nicht..." mehr, will Kalle sagen, aber das Wort bleibt ihm im Mund stecken.

"Das - das gibt es doch nicht. Wie ist denn das möglich" stottert Max.

"Der Baumstamm kommt uns hinterher und immer näher" wispert Berta,

"vielleicht ist das gar kein Baumstamm, sondern..."

"Ein Krokodil..." stammelt Max,

"das ist ein Krokodil. Es kommt immer näher - los doch - paddelt - das ist kein Baumstamm, das ist ein Krokodil. Im Südparksee gibt es ein Krokodil - schneller - schneller" kreischt Max voller Angst und schlägt das Paddel ins Wasser, das es nur so spritzt. Wie ein Pfeil saust die Paprika über den See dahin, und die Enten, Gänse und Schwäne flattern nach allen Seiten davon. Das Ufer kommt immer näher, aber auch das Krokodil hat die Paprika fast erreicht. Knirschend schiebt sich das Boot auf den Sand, und im gleichen Augenblick springen die Freunde aus der Paprika heraus und rennen so schnell sie können, das Ufer hinauf. Völlig außer Atem bleiben Kalle, Minni, Berta und Max stehen und schauen auf ihr Schiff, den See und das Krokodil.

"Seht nur, da liegt es im Wasser und wartet auf uns. Dieses Biest wollte uns fressen. Mann - hatte ich eine Angst. Aber hier oben kann es uns nichts tun. Jetzt zahlen wir ihm seine Bosheit heim. Kommt - wir bewerfen es mit Steinen, dann schwimmt es vielleicht davon und wir können Paprika an Land holen" ruft Kalle zornig.

"Ich weiß nicht recht, ob wir das dürfen. Es ist ja ein Tier, und ich will keinem Tier etwas zu Leide tun" ruft Minni laut.

"Aber eben wollte dich das Tier noch fressen. - Na meinetwegen, dann werfen wir halt dicht daneben ins Wasser" schlägt Max vor.

Die Freunde heben vom Strand dicke Kieselsteine auf und werfen sie zum Ufer hinunter ins Wasser. Laut plumpst es, und das Wasser spritzt nach allen Seiten. Plötzlich klappt der Rücken des Krokodils auf, und ein Mann in einem Taucheranzug klettert aus dem Krokodil heraus.

"Hallo Kinder, hört auf mit dem Steine werfen. Ich muss nur Krusti an Land ziehen. Könnt ihr mir dabei helfen?"

Kalle, Minni, Max und Berta kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

"Ja - aber - wie ist das denn - ja - wo kommen sie denn her? Etwa aus dem Bauch des Krokodils?" fragt Berta ein wenig ängstlich.

"Richtig, ich komme aus dem Bauch von Krusti. - Na los, kommt schon zu mir, ich beiße nicht und Krusti ist nur aus Kunststoff. - Seht ihr, ein Plastikkrokodil. - Ach so - ich heiße Toni - und wer seit ihr?"

"Minni, Berta, Kalle und ich bin Max. Wir haben eine Bootfahrt gemacht und plötzlich..."

"Plötzlich tauchte Krusti auf. Da habt ihr euch erschrocken. Na - das war nicht meine Absicht, tut mir leid. Damit der Schreck schnell vergeht, spendiere ich jedem von euch ein Eis. Na - ist das ein Vorschlag?"

"Wirklich - das würdest du tun - Toni? - Das ist ja Super, genau das Richtige bei dem Wetter. Aber - wozu brauchst du Krusti und wer hat es erfunden?" fragt Max neugierig.

 

"Krusti ist eine Erfindung von mir. Ich bin Tierfilmer und beobachte Krokodile."

"Was - richtige Krokodile? Ja - und wo machst du das? Ist doch sicher saugefährlich - oder?" fragt Berta ängstlich.

"In Afrika, Asien und Amerika. Eben überall da, wo Krokodile leben. Und gefährlich - na ja, Krokodile sind halt wilde Tiere und keine Schmusekatzen. Da muss man schon aufpassen. Aber im allgemeinen sind sie eher scheu und flüchten vor dem Menschen. Und wie kann man als Mensch am besten Krokodile filmen - wenn man selbst zu einem Krokodil wird. Natürlich nur außen. Krusti ist praktisch ein Boot, nur rundherum zu. Vorne sitzt die Kamera und ich liege auf dem Bauch dahinter. Krusti hat sogar richtige Füße und einen kleinen Ruderschwanz. Damit kann ich vorwärts und rückwärts schwimmen, nach rechts und nach links."

"Und wie bewegst du die Füße und das Ruder" will Minni neugierig wissen.

"Das mache ich mit meinen Füßen über Pedale. Die habe ich von einem Fahrrad. Wenn ich die Kurbel trete, bewegt sich Krusti vorwärts. Mit den Händen bediene ich das Ruder. Und wenn ein richtiges Krokodil auftaucht, dann pirsche ich mich ganz langsam heran und mache meine Fotos. So einfach ist das."

"Einfach - na ja - ich weiß nicht. Aber die Erfindung ist einfach Spitze. Wir haben schon gedacht, dass im Südparksee ein richtiges Krokodil schwimmt und mächtig Angst bekommen. Dürfen wir uns Krusti einmal anschauen?" fragt Berta.

"Aber sicher, schaut euch nur alles ganz genau an. Und wenn ihr fertig seit, dann spendiere ich euch ein Eis - als Wiedergutmachung für den Schrecken. Denn ein Krokodil sieht man nicht alle Tage im Südparksee" lacht Toni und schüttelt den Kopf.

Jetzt lachen auch Minni, Berta, Kalle und Max, denn sie haben sich von einem Plastikkrokodil an der Nase herumführen und Angst einjagen lassen.

"Aber - falls es nun doch im Südparksee Krokodile geben würde, was wäre denn dann?" fragt Kalle geheimnisvoll.

"Tja liebe Freunde, darüber solltet ihr einmal nachdenken. Was wäre, wenn es wirklich bei uns hier in unserer Stadt Krokodile geben würde?"

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