Das Gold in der Heidenfluh

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Das Gold in der Heidenfluh
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Hans Herrmann

Das Gold in der Heidenfluh

Eine unheimliche Geschichte

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorbemerkung

1. Ein nebliger Nachmittag

2. Onkel Leonardo

3. Ein Rad, das sich immer dreht

4. Die fremden Reiter

5. Der Korbflechter

6. Sechs schwarze Pferde

7. Auf dem Kirchturm

8. Nachts im Wald

9. Ein schlauer Trick

10. Selber schuld

11. Ein wahrer Kern

12. Der richtige Schatz

Impressum neobooks

Vorbemerkung

Diese Geschichte basiert auf einer Emmentaler Sage. Die Heidenfluh ist ein geheimnisvoller Felsen in einem Wald oberhalb des Dorfes Hasle. In alten Zeiten soll hier eine Fluchtburg gestanden haben.

1. Ein nebliger Nachmittag

Es war zwischen Weihnachten und Neujahr. Schnee hatte es in dieser Altjahrswoche nur wenig. Dafür war es neblig und kalt. Der Nebel war so dicht, dass man vom Stubenfenster aus die Apfelbäume vor dem Bauernhaus kaum sah. Sie wirkten wie verschwommene Gespenster, die ihre dürren Arme in die dicke Nebelsuppe tauchten.

Sandra und Dominik waren Geschwister. Sie lebten mit ihren Eltern und vielen Tieren auf dem Bauernhof, der einsam auf einem waldigen Hügel lag. Der Hof gehörte zum kleinen Dorf unten im Tal. Die Häuser des Dorfes wurden überragt vom weissen Kirchturm, dessen Schieferdach wie eine spitze Mütze aussah. Zuoberst auf der Spitze sass ein metallenes Kreuz.

Die beiden Kinder schauen aus dem Fenster in den Nebel hinaus. Sie langweilten sich. Kein Wunder bei diesem trüben Wetter! Es war dunkel wie zur Abenddämmerung, obwohl die Stubenuhr soeben erst drei Uhr nachmittags geschlagen hatte.

"Komm, Sandra, wir gehen hinüber zu Onkel Leonardo", schlug Dominik vor.

"Gute Idee!", rief seine Schwester freudig. "Onkel Leonardo weiss immer etwas Spannendes zu erzählen, und vielleicht können wir zuschauen, wie er an einer neuen Erfindung herumtüftelt."

2. Onkel Leonardo

Die Kinder zogen sich rasch eine Jacke über und gingen auf dem vereisten Fussweg hinüber zum kleinen Wohnstock, in dem Onkel Leonardo hauste. Aus dem Kamin quoll eine weisse Rauchfahne. Der Bewohner schien tüchtig einzuheizen. Das Häuschen gehörte zum Bauernhof und war schon immer die Wohnstätte von Onkel Leonardo gewesen.

Er war ein Onkel des Vaters von Dominik und Sandra, somit also der Grossonkel der beiden. Er half auf dem Hof mit, schaute zu den Bienen, pflegte die Obstbäume, molk die Kühe und schor zweimal im Jahr die Schafe. Daneben reparierte er allerlei Gegenstände, sogar Radios, Handys, Musikinstrumente und Uhren, die ihm die Leute aus dem Dorf brachten.

Onkel Leonardo war in solchen Dingen sehr geschickt. Er verstand viel von Handwerk, Technik und Mechanik. Oft beschäftigte er sich mit eigenen Erfindungen, die aus Stangen, Federn, Schrauben, Röhrchen, Zahnrädchen, Drähten und anderen Teilen kompliziert zusammengebaut waren. Bevor er einen Apparat konstruierte, zeichnete er ihn jeweils auf einem Plan sorgfältig auf. Die Wände der Wohnstube, die ihm zugleich als Werkstatt diente, waren voll von diesen Zeichnungen.

"Er ist ein kluger Kopf wie einst der berühmte Maler und Erfinder Leonardo da Vinci", hatte der Vater einmal zu den beiden Kindern gesagt. Seither trug der Onkel den Übernamen Leonardo, obwohl er eigentlich Werner hiess.

3. Ein Rad, das sich immer dreht

An Onkels Haustür war ein kleiner Löwenkopf aus Bronze angeschraubt. Der Löwe trug im Maul einen schweren, beweglichen Metallring. Sandra hob den Ring hoch und liess ihn zurück an die Tür schnellen. Davon gab es ein lautes Geräusch. Eine solche Vorrichtung nennt man Türklopfer. Onkel Leonardo hatte keine Klingel, sondern eben diesen Türklopfer.

"Herein!", tönte von innen eine freundliche Stimme.

Die beiden Kinder traten ein. Der Onkel sass in der warmen Stube am Tisch, der mit Zangen, Scheren, Schrauben, Nägeln, Rädchen, Drahtstücken, Papier, Leim und anderem Material dicht übersät war.

Onkel Leonardo war klein und schlank. Er hatte ein sonnengebräuntes, faltiges Gesicht mit einer etwas knolligen Nase, hellen Augen und buschigen Brauen. Seine Haare waren schneeweiss und standen ihm wild vom Kopf ab. Er schaute vom Plan auf, den er im hellen Licht einer alten Bauzeichnerlampe gerade anfertigte.

"Schau schau, die Sandra und der Dominik", sagte er. "Grüss euch, ihr zwei. Schön, dass ihr mich besuchen kommt an diesem trüben Tag."

"Grüss dich, Onkel Leonardo", sagte Sandra, und Dominik fragte: "Was zeichnest du da? Darf ich mal sehen?"

"Selbstverständlich, schaut nur", sagte der alte Mann und deutete auf die Zeichnung. Sie zeigte ein grosses Rad, an dem einige kleinere Räder mit seltsamen Achsen und Gewichten befestigt waren.

"Was ist das?", fragte Dominik interessiert.

"Ein Exzenterrad", antwortete der Onkel.

"Ess… el… elter… Wie bitte?", fragte Sandra.

"Ex-zen-ter-rad. Ein Rad, das weder Benzin noch elektrischen Strom braucht, damit es sich dreht", erklärte der Erfinder. "Wenn es einmal läuft, läuft es ganz von selbst weiter. Es dreht sich und dreht sich und dreht sich, ohne dass man dafür etwas tun muss. Allein die Anziehungskraft der Erde sorgt dafür, dass es ständig in Bewegung bleibt."

"Toll!", rief Dominik. "Und das funktioniert tatsächlich?"

"Ich weiss es nicht", sagte Onkel Leonardo. "Ich probiere es einfach einmal aus. Wer nichts wagt, gewinnt nichts. Ein Mann namens Johann Bessler soll vor dreihundert Jahren bereits einen solchen Antrieb gebaut haben. Das war zu der Zeit, als die Damen Reifröcke und die Herren Lockenperücken trugen. Besslers Pläne gingen aber verloren. Kein Mensch weiss, wie sein Rad aussah. Offenbar hat es aber funktioniert. Ich versuche jetzt, seine Konstruktion neu zu erfinden. Aber sagt mal, Kinder – ihr wollt mit mir doch nicht über die Anziehungskraft der Erde und solche komplizierten Dinge reden, oder?"

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