Psychologie für Sportschützen

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2.2. Psychische und sensomotorische Grundlagen der sportlichen Technik

Anhand umfangreicher Analysen in der Schießsportpraxis, in die während eines Jahrzehnts über fünfhundert Schützen vom Anfänger bis zum Olympiasieger einbezogen wurden, konnte der leistungsbestimmende Charakter einiger psychischer und sensomotorischer Leistungsvoraussetzungen belegt werden. Auf die wohl wesentlichsten soll im Folgenden eingegangen werden. Die Erläuterung der ausgewählten Eigenschaften soll dazu beitragen, diese im Trainings- und Wettkampfprozess differenzierter zu erfassen.

2.2.1. Wahrnehmungseigenschaften

Qualität und Geschwindigkeit der Wahrnehmungsprozesse bestimmen entscheidend die Leistung im Sportschießen. Die Abgabe eines guten Schusses ist nur möglich, wenn der Schütze wichtige innere und äußere Informationen schnell und sicher aufnimmt und auch richtig verarbeitet. Dabei geht es in erster Linie um die Erfassung der Parameter des Zielbildes sowie um Bewegungs-, Druck- und Kraftempfindungen („Muskelempfindungen“), die uns Auskunft über die Anschlaghaltung, die Stabilität des Systems Schütze/Waffe oder auch den Druckverlauf (wohldosierte Druckerhöhung oder -verminderung mit dem Abzugsfinger) geben.

Bei der Untersuchung der psychischen Regulation der sportlichen Handlung müssen die Wahrnehmungsprozesse immer in ihrem Zusammenhang mit der gesamten Tätigkeit des Schützen dargestellt werden. Der Orientierungsvorgang als wesentlicher Bestandteil der Handlung im Sportschießen umfasst verschiedene Wahrnehmungskomponenten. Es ist nicht möglich, den Problemkreis der Wahrnehmung auch nur annähernd erschöpfend zu behandeln. Wir wollen deshalb einige besonders wichtige Komponenten herausgreifen und näher erläutern.

Die Beurteilung des Zielbildes - zentrale Führungsgröße bei der Regulation der sportlichen Handlung

Die optische Wahrnehmung der Parameter des Zielbildes übernimmt in allen Disziplinen des Sportschießens die Führungsfunktion in der Handlungsregulation. In den Gewehr- und Pistolendisziplinen, die wir in dieser Folge vorrangig betrachten wollen, handelt es sich um die Bestimmung der Mittenlage des Spiegels (geschlossene Visierung) oder des Korns (offene Visierung).


Dieser Ausschnitt aus einem verallgemeinerten Ablaufschema (Gewehr/Pistole) verdeutlicht die Führungsfunktion der optischen Eindrücke. Die verschiedenen Handlungselemente sind um das sogenannte Zentralglied (Bestimmung des Zielbildes) angeordnet, was dessen Rolle in der Handlungsregulation unterstreichen soll. Nur die Beurteilung des Zielbildes entscheidet letztlich darüber, ob der Schuss ausgelöst wird. Alle anderen Handlungsbestandteile haben Voraussetzungscharakter. So ist zwar ein bestimmter Vordruck eine wichtige Voraussetzung, um einen guten Schuss abgeben zu können (ebenso wie die Stabilität des Systems Schütze/Waffe, Atmung, Ausführungsbedingungen), ausgelöst wird der Schuss aber erst dann, wenn das Zielbild stimmt.

Die Beurteilung des Zielbildes stellt eine extreme optische Diskriminationsleistung (Unterscheidungsleistung) dar. Der Schütze muss zum Beispiel in der Disziplin Freie Pistole das Balkenkorn exakt in die Mitte des Kimmeneinschnittes bringen (bei gleichzeitiger Beachtung der Höhe - gestrichen Korn). Kommt es hierbei zu einem Visierfehler von 1 mm nach rechts oder links, so würde theoretisch die Abweichung des Schusses vom Zentrum auf der Scheibe 12,5 cm betragen. Selbstverständlich wird ein Zielfehler in der Sportpraxis nie derartige Ausmaße annehmen, aber selbst ein weitaus geringerer Fehler führt noch zu zielfehlerbedingten Abweichungen, die leistungsentscheidend sein können; besonders dann, wenn man bedenkt, dass zumeist mehrere Handlungsfehler bzw. -beeinträchtigungen (zum Beispiel Instabilität des Systems Schütze/Waffe, Verdrücken) zusammen erst den „Fehlschuss“ ausmachen.

Die Fähigkeit des Schützen, das Zielbild exakt zu bestimmen, bezeichnen wir als optische Diskriminationsfähigkeit. In der Fachliteratur wird diese wichtige Komponente der Wahrnehmung kaum erwähnt, obwohl deren leistungsbestimmender Charakter bereits aus der Tätigkeitsanalyse ableitbar ist. Mit Hilfe eines relativ einfachen Reizmaterials, welches die wesentlichste Komponente der Zielbildbeurteilung, nämlich die Bestimmung der Mittenlage von Korn bzw. Spiegel verallgemeinert abbildet, wurden deshalb Schützen unterschiedlicher Leistungsstärke untersucht. Sie hatten die Aufgabe, einen innerhalb zweier parallel angeordneter Begrenzungslinien variablen, senkrechten Strich bezüglich seiner Lage zu beurteilen und einer von drei möglichen Kategorien (Rechts - Mitte - Links) zuzuordnen. Im Ergebnis der Untersuchungen lässt sich für jeden Schützen ein sogenannter „Mittenbereich“ graphisch darstellen, der Auskunft über den Ausprägungsgrad der Diskriminationsfähigkeit gibt.


Der Mittenbereich umfasst alle Stellungen des mittleren variablen Strichs, die vom Schützen als „Mitte“ bezeichnet werden. Entscheidend für die Einschätzung der Diskriminationsfähigkeit ist ausschließlich die Größe des Mittenbereichs, nicht dessen Übereinstimmung mit der sogenannten objektiven Mitte. Eine Nichtübereinstimmung zwischen subjektiver und objektiver Mitte (Abb. 4: Schützen B und C) kann unabhängig von Richtung und Ausmaß durch eine entsprechende Einstellung der Visiereinrichtung ausgeglichen werden. Trainer, die gelegentlich mit den Waffen ihrer Schützen schießen, kennen die erheblichen Unterschiede, die es hierbei gibt. In unseren Untersuchungen konnten wir belegen, dass zwischen leistungsstarken und weniger leistungsstarken Schützen (bei gleichem Trainingsalter) deutliche Unterschiede im Ausprägungsgrad der Diskriminationsfähigkeit bestehen. Die Trainierbarkeit (Längsschnittuntersuchungen über mehrere Jahre) ist vergleichsweise gering (zum Beispiel im Vergleich zur Konzentrationsfähigkeit), so dass die Vermutung naheliegt, dass es sich bei der optischen Diskriminationsfähigkeit um eine leistungsbestimmende psychische Komponente handelt, die wahrscheinlich nur in geringem Maße kompensierbar ist. In den Flintendisziplinen (Trap/Skeet) ist eine derartig ausgeprägte optische Diskriminationsleitung nicht erforderlich. Dies eröffnet Möglichkeiten für die Umlenkung schießsportbegeisterter Jungen und Mädchen, bei denen sich der Ausprägungsgrad der optischen Diskriminationsfähigkeit als leistungsbegrenzender Faktor erweist, unter der Voraussetzung, dass andere leistungsbestimmende Komponenten entsprechend entwickelt sind. Derartige Umlenkungen haben bereits in mehreren Fällen zu einer erfolgreichen sportlichen Entwicklung geführt.

Für die Überprüfung der optischen Diskriminationsfähigkeit, die im Rahmen der Eignungsauswahl unerlässlich erscheint und auch zum Teil bereits praktiziert wird, sind neben graphischen Vorlagen auch computergestützte Verfahren (Senso-Cotrol, STEPS) einsetzbar, wobei das Beurteilungsmaterial sowohl unspezifisch als auch disziplinspezifisch gestaltet sein kann.

Das Zielbild muss nicht nur exakt, sondern auch schnell erfasst werden.

Bei der Informationsaufnahme im Sportschießen spielt der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle. Der Schütze muss in der Lage sein, in Bruchteilen von Sekunden die Parameter des Zielbildes vollständig und exakt zu erfassen, da das Zielbild aufgrund der gegebenen Instabilität des Systems Schütze/Waffe (besonders in den Pistolendisziplinen und im Stehendanschlag Gewehr) nur kurzfristig sichtbar ist. Da im Sportschießen eine relativ komplexe Beurteilungsleistung gefordert wird, die einzuschätzenden Abweichungen minimal und die dafür zur Verfügung stehende Zeit beschränkt sind, kommt der optischen Auffassungsgeschwindigkeit eine entscheidende Bedeutung zu. Anhand verschiedener Untersuchungen konnte belegt werden, dass zwischen Schützen unterschiedlichen Leistungsniveaus auch Unterschiede im Ausprägungsgrad der optischen Auffassungsgeschwindigkeit bestehen. Schützen mit geringer optischer Auffassungsgeschwindigkeit haben Schwierigkeiten, plötzlich eintretende Zielbildveränderungen zu erfassen und eine eventuell bereits eingeleitete Schussauslösung nochmals zu unterbrechen. Erst mit dem Brechen des Schusses wird ihnen mitunter bewusst, dass das Zielbild doch nicht gestimmt hat. Zur Überprüfung der optischen Auffassungsgeschwindigkeit eignen sich besonders computergestützte Untersuchungsmethoden, wo spezifisches oder unspezifisches Reizmaterial beliebig kurz (0,3 – 0,7 s) dargeboten werden kann.

Gut gedrückt ist halb gewonnen.

Das Drücken des Abzuges wird von Fachleuten übereinstimmend als ein entscheidendes Element der Schießtechnik angesehen. Als Abschluss der Koordinationsphase Halten - Zielen - Drücken entscheidet die Art und Weise der Betätigung des Abzuges letztlich darüber, ob ein guter Schuss abgegeben wird oder nicht. Das „Vordruck-Nehmen“ sowie die eigentliche Auslösung des Schusses erfordern eine hohe Bewegungs-, Druck- und Kraftempfindlichkeit im Finger (taktil-kinästhetische Sensibilität). Wichtig ist die wohldosierte Krümmungsbewegung des Fingers, die besonders beim Anfänger einer gesonderten Kontrolle und Regulierung bedarf. Dabei handelt es sich um das Unterscheiden mehr oder weniger kontinuierlich aufeinanderfolgender Reize (taktil-kinästhetische Diskrimination), was aufgrund der in der Regel allmählichen Druckerhöhung erschwert ist. Obwohl die taktil-kinästhetische Diskriminationsfähigkeit im Trainingsprozess erheblich verbessert werden kann, zeigt sich auch hier, dass zwischen Schützen gleichen Trainingsalters aber unterschiedlichen Leistungsniveaus Unterschiede bei dieser Wahrnehmungskomponente bestehen.

 

Spitzenschützen verfügen im Durchschnitt über eine höhere kinästhetische Sensibilität im Abzugsfinger, unter ihnen befindet sich keiner mit einer unterdurchschnittlichen Ausprägung (bezogen auf die Schützenpopulation). Apparative Voraussetzungen, die die Erfassung des Druckverlaufs gestatten, sind sowohl zur Überprüfung als auch zum Training dieser Wahrnehmungskomponente geeignet. Eine grobe Überprüfung ist auch mit Hilfe der sogenannten Gewichtsprobe möglich, wo verschiedene, geringfügig voneinander abweichende, Gewichte zwischen Abzugsfinger und Daumen geprüft und entsprechend geordnet werden müssen.

Die taktil-kinästhetische Sensibilität ist aber nicht nur für das Abzugsverhalten, sondern auch für die Einnahme eines anforderungsgerechten Anschlags, für Korrekturbewegungen mit der Waffe, für die Kontrolle der Stabilität des Systems Schütze/Waffe von entscheidender Bedeutung. Auch wenn der experimentelle Nachweis dafür noch aussteht, belegen Aussagen von Spitzenschützen, die über differenzierte Kenntnisse und Abbilder bezüglich notwendiger optischer und taktil-kinästhetischer Rückmeldungen verfügen, die Bedeutung der Wahrnehmungsfähigkeit für eine optimale Handlungsregulation.

Schützen, die über eine ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit verfügen, können ihren eigenen Zustand sowie auch die äußeren Bedingungen differenzierter und exakter einschätzen und verfügen somit über eine wesentlich bessere Informationsbasis (Orientierungsgrundlage) für die Regulation der sportlichen Tätigkeit.

2.2.2. Reaktionsfähigkeit

Schnell, richtig und exakt reagieren - das ist eine wichtige Anforderung an den Sportschützen. In der älteren Fachliteratur findet man zuweilen die Auffassung, dass schnelles Reagieren vorwiegend in den jagdlichen Disziplinen und im Schnellfeuerschießen erforderlich ist, in anderen Disziplinen (Gewehr, Freie Pistole) dagegen wesentlich geringere Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit gestellt werden. Derartige Vorstellungen sind inzwischen gründlich widerlegt. Die Reaktionsfähigkeit ist in allen Disziplinen des Schießsports leistungsbestimmend. Wir verstehen darunter eine komplexe psychomotorische Leistungsvoraussetzung, die es dem Schützen ermöglicht, auf bestimmte Reize schnell und richtig zu reagieren. Zur Messung der Reaktionen eines Sportlers wird die sogenannte Reaktionszeit erfasst. Das ist die Zeit zwischen dem Beginn des Reizsignals („Zielbild stimmt“) und einer dadurch ausgelösten Reaktion („Schuss auslösen“). Im Sportschießen unterscheidet man im Allgemeinen folgende Reaktionsarten:

❶ Einfache Reaktion

Der Schütze hat die Aufgabe, auf ein bekanntes, plötzlich auftretendes Signal mit einer vorher eindeutig festgelegten Bewegung zu antworten. Einfache Reaktionen finden wir zum Beispiel im Schnellfeuerschießen, wo auf die Scheibendrehung oder das Lichtsignal mit dem Hochführen der Waffe reagiert wird, oder im Skeetschießen, wo auf das Erscheinen der Wurfscheibe zu reagieren ist.

❷ Antizipierte Reaktion

Hierbei handelt es sich um die Reaktion auf ein bewegliches Objekt (jagdliche Disziplinen) oder auch auf das sich „bewegende“ Zielbild. Aufgrund der in den Gewehr- und Pistolendisziplinen auftretenden Waffenschwankungen kommt es zu ständigen Veränderungen des Zielbildes, die keinen zufälligen Charakter tragen, sondern in entscheidenden Phasen vorhergesehen (antizipiert) werden können. Die antizipierte Reaktion erfolgt schneller als die einfache, da der Schütze das reaktionsauslösende Signal (Zielbild) in seiner Entwicklung „voraussieht“. Er wird durch das Signal nicht überrascht.

❸ Wahlreaktion

Hier werden verschiedene, vorher bekannte Signale in zufälliger Abfolge dargeboten, die mit einer bestimmten und gleichfalls bekannten Bewegung beantwortet werden müssen. Ein typisches Beispiel für eine Wahlreaktion findet man im Trapschießen. Der Schütze muss auf eine der möglichen (und bekannten) Flugrichtungen der Scheibe (rechts - mitte - links) schnell, richtig und exakt reagieren.

Es ist durchaus möglich, dass in einer Disziplin mehrere Reaktionsarten vorkommen. Im Schnellfeuerschießen finden wir sowohl die einfache Reaktion auf das Erscheinen der Scheibe oder das Lichtsignal (grün) als auch die antizipierte Reaktion auf das Zielbild. Im Trapschießen ist neben der Wahlreaktion auf das Erscheinen der Wurfscheibe ebenfalls eine antizipierte Reaktion (Zielbild) erforderlich.

Um nachzuweisen, dass es sich bei der Reaktionsfähigkeit um eine leistungsbestimmende Komponente handelt, haben wir mit Hilfe entsprechender apparativer Verfahren bzw. computergestützt die Reaktionsfähigkeit bei Schützen unterschiedlicher Leistungsstärke (aber gleichen Trainingsalters) untersucht. Dabei ließ sich ein Zusammenhang zwischen der einfachen bzw. antizipierten und der sportlichen Leistungsfähigkeit belegen. Leistungsstarke Schützen reagieren im Mittel schneller. Unter ihnen findet sich keiner mit unterdurchschnittlichen Werten. Letzteres ist von besonderer Bedeutung, denn der Spitzenschütze zeichnet sich dadurch aus, dass er keine ausgeprägte Schwäche hat, nicht dadurch, dass er bei jedem Test vordere Rangplätze erreicht. Dies führt mitunter bei Trainern zu Missverständnissen, wenn der „Wert“ einer Methode danach bemessen wird, inwieweit sich die leistungsstarken Schützen auch im jeweiligen Test von den anderen abheben.

2.2.3. Sensomotorische Koordinationsfähigkeit

Im Vergleich zu anderen Sportarten ist das Schießen durch einen stabilen, sich häufig wiederholenden Bewegungsablauf gekennzeichnet. Ungeachtet der Notwendigkeit, sich wechselnden inneren und äußeren Bedingungen anzupassen, kommt es darauf an, die wesentlichsten Technikelemente in einer vorgegebenen Abfolge mit höchster Präzision in räumlicher (Resultatfeinheit), kraftmäßiger (Dosierung) und zeitlicher (Tempo) Hinsicht zu realisieren.

Unabhängig von der jeweiligen Disziplin lässt sich die sportliche Tätigkeit im Schießen folgendermaßen untergliedern:

❶ Einnehmen der Anschlaghaltung

❷ Visieren, Zielen, Erfassen des (beweglichen) Ziels

❸ Auslösen des Schusses mit Hilfe des Abzugs

Die hier verallgemeinert aufgeführten Teiltätigkeiten beinhalten eine Vielzahl sensomotorischer und geistiger Operationen, die die Kompliziertheit der jeweiligen sportlichen Tätigkeit ausmachen. Dazu kommen in den jagdlichen Disziplinen und im Schnellfeuerschießen koordinierte Bewegungen größeren Ausmaßes mit der Waffe, die erst das Erfassen des beweglichen Ziels (bzw. mehrerer Ziele in Folge) ermöglichen. Die disziplinspezifischen Bewegungen erfordern eine hinsichtlich Ausmaß, Dosierung, Geschwindigkeit und Dynamik exakt abgestimmte Feinmotorik. Dies wiederum setzt eine gut entwickelte sensomotorische Koordinationsfähigkeit voraus. Darunter verstehen wir das geordnete Zusammenwirken sensorischer und motorischer Vorgänge bei der Ausführung der sportlichen Handlung.

Bei der sensomotorischen Regulation unterscheiden wir einen inneren und einen äußeren Regelkreis. Eine Regulation über den äußeren Regelkreis ist immer dann gegeben, wenn diese visuell vermittelt ist, das heißt, wenn optische Informationen für eine anforderungsgerechte Handlungsausführung unerlässlich sind. Der innere Regelkreis umfasst neben den taktil-kinästhetischen (Bewegungs-, Druck-, Kraft-, Lageempfindungen) auch Informationen aus dem vegetativen Bereich. Die im Sportschießen vorherrschenden geführten und gezielten Bewegungen werden vorwiegend über den äußeren Regelkreis gesteuert. In der Fachliteratur finden wir deshalb auch häufig Begriffe wie „opto-motorische“ oder „visuell-motorische“ Leistungsvoraussetzungen, die die besondere Rolle des optischen Analysators bei der Regulation von Bewegungen unterstreichen.

In einer eher bewegungsarmen Sportart stellt sich natürlich die Frage, ob überhaupt und wenn ja wie die sensomotorischen Leistungsvoraussetzungen hinreichend sicher eingeschätzt werden können.

„Wer gut Fußball spielt, verfügt auch über eine gut ausgeprägte sensomotorische Koordinationsfähigkeit“.

Hinter dieser Aussage eines Trainers verbirgt sich die Hoffnung, dass gute Leistungen in koordinativ anspruchsvollen Sportarten (zum Beispiel Spielsportarten, Turnen, Tischtennis usw.) auf einen entsprechenden Ausprägungsgrad der Koordinationsfähigkeit hindeuten. Dem ist zunächst nicht zu widersprechen. Aber lassen sich dort vorfindbare koordinative Fertigkeiten auf die Regulation der Handlung im Sportschießen übertragen? Sowohl die koordinativen Leistungen vieler guter Schützen als auch Ergebnisse aus experimentellen Überprüfungen weisen eher darauf hin, dass sich die in den genannten Sportarten geforderten koordinativen Leistungen von den sensomotorischen Präzisionsleistungen im Sportschießen in spezifischen Anforderungsbereichen unterscheiden.

Vorliegende Untersuchungsergebnisse bestätigen: Bei Anforderungen, die eine Koordination der Extremitäten untereinander erfordern (zum Beispiel Zweihandprüfer*) ergibt sich kein Zusammenhang zur Schießleistung, während bei Anforderungen vom Typ der Auge-Hand-Koordination ein statistisch sicherbarer Zusammenhang besteht. Diese Ergebnisse haben zu entsprechenden Konsequenzen beim Einsatz der Methoden im Rahmen der Leistungs- und Eignungsdiagnostik geführt.

Es kann also davon ausgegangen werden, dass es sich bei der visuell kontrollierten Koordination um eine leistungsbestimmende Komponente im Sportschießen handelt. Der aufgabenspezifische (disziplinspezifische) Faktor der Koordination ist letztlich auch dafür verantwortlich, dass wir von koordinativen Leistungen von einer anderen Sportart nicht auf den Ausprägungsgrad der uns im Sportschießen interessierenden sensomotorischen Koordinationsfähigkeit schließen können. Diese erfordert eine weit größere Anzahl von neuralen Verbindungen als das bei grobmotorischen Bewegungen der Fall ist. Sie beansprucht vorwiegend die „Nerven“, weniger die Muskeln. Dennoch bleiben dem Trainer natürlich noch genügend Kriterien, um auch ohne Hilfsmittel den Ausprägungsgrad der sensomotorischen Koordinationsfähigkeit einzuschätzen:


* Der Zweihandprüfer stellt eine spezielle koordinative Anforderung, die das geordnete Zusammenwirken der oberen Extremitäten betrifft.

Einige dieser Parameter kann der erfahrene Trainer unmittelbar beobachten, andere erschließen sich über Befragungen bzw. Äußerungen des Schützen.

Die Vervollkommnung der Wahrnehmungsfähigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für das Training der sensomotorischen Koordinationsfähigkeit. Da im Schießen kein Schuss dem anderen gleicht, das Zielbild ständig neu bestimmt werden muss, kann es auch keine exakte Wiederholungsgenauigkeit der schießsportlichen Handlung geben. Es kommt also gar nicht darauf an, das Gleiche nochmals zu tun, sondern etwas, was geringfügig davon abweicht. Deshalb sollte der Schütze auch nicht auf einen Sollwert der Bewegung orientiert werden, sondern auf die optimal geführte Bewegung mit der Waffe.