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Soll und Haben

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In diesem Hause tappte Itzig im Finstern eine Treppe hinauf und unsaubere Wände entlang, stieß an eine schwere eichene Tür mit großem Schloß und trat, als er diese durch einen starken Druck geöffnet hatte, in einen wüsten Raum, der fast die ganze Länge des Hauses einnahm. In der Mitte stand ein alter Tisch mit einer schlechten Öllampe, einige Schemel darum; gegenüber der Türseite war ein großer Wandverschlag mit vielen kleinen Türen, welche zum Teil offenstanden und verrieten, daß der ganze Verschlag aus schmalen, voneinander getrennten Abteilungen mit hölzernen Kleiderhaken und Fächern bestand. Vor den kleinen Fenstern, welche auf die Straße führten, waren verblichene Rouleaus heruntergelassen, auf der gegenüberliegenden Langseite fiel durch eine offene Tür das Abendlicht in das Zimmer, diese Tür führte auf eine hölzerne Galerie, welche längs der Gaststube an der Außenseite des Hauses fortlief.

Itzig warf sein Bündel in einen Wandschrank und trat auf die Galerie hinaus. Da er auch hier keinen zweiten Gast vorfand, fing er an, von der Galerie die Aussicht zu bewundern mit demselben Grad von Teilnahme, welchen ein niederländischer Architekturmaler gehabt haben würde, nur nicht ganz in derselben Absicht. Unten am Fuß des Hauses wälzte ein Fluß sein lehmiges Wasser eilig vorwärts und bildete eine schmale Wasserstraße, welche auf beiden Seiten mit verfallenen hölzernen Häusern eingefaßt war. Fast an jedem Hause, an jedem Stockwerk waren ähnliche hölzerne Galerien herausgebaut und durch gebräunte Balken gestützt. Manchmal liefen drei, vier Galerien übereinander, dann war der Fußboden der obern das Regendach der untern. In alter Zeit hatte die achtbare Zunft der Gerber diese Straße bewohnt, damals war das Holzwerk glatt und neu gewesen, und helle Lämmer- oder Ziegenfelle hatten an den Geländern gehangen, bis sie weich und geschmeidig geworden waren, um Handschuhe für die Patrizier und Ledertaschen für ihre Frauen zu geben. Jetzt waren die Gerber nach entfernteren Stadtteilen hinabgezogen, und statt der Tierfelle hing die Wäsche armer Leute an den hölzernen Balkonen, über dem zerbrochenen Schnitzwerk und den wurmstichigen Balkenköpfen. Noch stach die weiße, rote und blaue Farbe der Wäsche im Abendlichte seltsam ab von dem schwarzen Holzwerk, und das Licht brach sich auf wunderliche Weise an den Säulen und Vorsprüngen der Galerien, an rohen Arabesken der Einfassung und an den dunklen Pfählen, welche hier und da aus dem Wasser hervorragten. Es war ein unheimlicher Aufenthalt für jedes Geschöpf, außer für Maler, Katzen oder arme Teufel.

Junker Itzig war schon früher ein und das andere Mal in dem Hause gewesen, aber immer in größerer Gesellschaft. Heut bemerkte er, daß eine lange bedeckte Treppe vom Ende seiner Galerie bis hinunter an das Wasser führte; er sah, daß unweit von dieser Treppe eine ähnliche am Nachbarhause hinablief, und schloß daraus, daß es möglich sein müsse, die eine Treppe hinunter- und die andere hinaufzusteigen, ohne sich mehr als die Schuhe naß zu machen; er entdeckte ferner, daß es bei dem niedrigen Wasserstand des Sommers möglich war, längs der Häuserreihe am Wasser weithin fortzugehen, und er überlegte, ob es Menschen geben könnte, welche bei Tag oder Nacht einen solchen Spaziergang für nützlich hielten. Nachtwächter und Polizeidiener wenigstens waren dort nicht zu befürchten. Durch diese Betrachtungen wurde seine Phantasie so aufgeregt, daß er in das Gastzimmer zurücklief, in die Wandschränke kroch, welche offenstanden, und deren Holzwände durch Abklopfen und Schütteln untersuchte. Mit Erstaunen entdeckte er, daß auch die Rückwand von Holz war und hohl klang. Da an dieser Seite die Mauer laufen mußte, welche dies Haus vom Nachbargebäude trennte, so fand er den hohlen Ton auffällig und nicht in der Ordnung und war eben im Begriff, einen verschlossenen Wandschrank anzugreifen und zu sehen, ob nicht ein Ritz in dem Holze der Rückwand weiteren Aufschluß gäbe, als ein dumpfes Knurren seine Hand von der Schranktür zurückhielt. Er sah sich um und erkannte – ohne große Beschämung –, daß er nicht mehr allein war. In einer Ecke des Zimmers lag, in seinen Kaftan gewickelt, das schwarze Käppchen im Haar, ein galizischer Handelsmann zusammengekauert auf dem Strohsack. Er hatte seine Sachen in dem angegriffenen Wandschrank verschlossen und hielt für nötig, gegen die Untersuchung des Wißbegierigen zu protestieren. Itzig versuchte, ein Gespräch mit dem Fremden anzuknüpfen; da dieser aber mehr Lust zum Schlafen als zur Unterhaltung zeigte, setzte sich Itzig in die gegenüberliegende Ecke auf einen andern Strohsack und saß dort mit seinem rastlosen Geiste rechnend und Geschäfte ausdenkend, wobei er zuweilen in lebhaftem Sinnen mit Händen und Beinen schlenkerte, bis die Dunkelheit der Nacht durch die Tür eindrang und die kleine Öllampe zu knistern anfing und Miene machte auszugehen. Nun kam Pinkus, der Wirt, selbst herauf, ein Licht in der Hand; er untersuchte den Bestand seiner Gäste, setzte einen Krug Wasser auf den Tisch und schloß beim Hinausgehen die Tür von außen ab. Im Finstern holte Itzig ein Stück trockenes Brot aus der Tasche und schlief endlich unter dem Schnarchen seines Stubengenossen ein, den Strohsack unter sich, zugedeckt mit seiner alten Jacke.

Zu derselben Stunde wickelte sich sein Reisegefährte im Patrizierhause in die gesteppte Decke seines Lagers, sah noch einmal mit müden Augen in der Stube umher und bemerkte schlaftrunken, daß die gelbe Katze auf dem Schreibtisch ihre Beinchen bewegte, sich mit der Pfote zu strählen anfing und ihm zuletzt sogar mit beiden Pfoten Kußhändchen zuwarf. Bevor er Zeit hatte, über diese ungewöhnliche Freundlichkeit des Gipses nachzudenken, war er eingeschlafen. Vor beiden Jünglingen senkte sich das Gewebe von grauem Flor herab, auf welchem die Traumgöttin ihre bunten Bilder zu zeigen pflegt. Anton sah sich selbst auf einem großen Warenballen sitzen und durch die Luft fliegen, während eine gewisse junge Dame die Arme nach ihm ausstreckte; und Veitel Itzig entdeckte mit Behagen, daß er ein Baron geworden war, welcher von Hirsch Ehrenthal um ein Almosen angeredet wurde. Er sah, wie er dem alten Ehrenthal seine sechs Dukaten als Geschenk gab und wie dieser sich kläglich bedankte. Über diese Großmut erschrak er im Traume so, daß er mit Beinen und Händen um sich schlug.

Am nächsten Morgen begann jeder der beiden Jünglinge seine Tätigkeit. Anton saß auf seinem Platze im Kontor und kopierte Briefe, und Veitel stand, nachdem er sämtliche Stiefel und Schuhe der Familie Ehrenthal gebürstet und die Kleidertaschen Bernhards untersucht hatte, als Aufpasser vor dem größten Hotel der Stadt, um einen fremden Herrn vom Lande zu beobachten, welcher mit Herrn Ehrenthal unzufrieden geworden war und im Verdacht stand, sich andere Geschäftsfreunde auf sein Zimmer bestellt zu haben. Anton bekam durch das Kopieren der Briefe Einsicht in Stil und Sprache seines Geschäfts, und Veitel hatte während seines Lauerns vor dem Gasthofe das Glück, die Adresse eines vorübergehenden Studenten zu erhalten, welcher es für zeitgemäß hielt, seine silberne Uhr zu verkaufen.

In seinen ersten Mußestunden zeichnete Anton das Schloß, die Kletterpflanzen, den Balkon und die Türmchen aus dem Gedächtnis auf das beste Papier, das ihm die große Stadt liefern konnte. Er ließ das Bild in einen Goldrahmen fassen und hing es über seinem Sofa auf.

5

Anton hatte in den ersten Wochen Mühe, sich in der neuen Welt zurechtzufinden, in die er versetzt war. Das Gebäude, der Haushalt, das Geschäft waren so altertümlich solid und großartig, daß sie auch einem Weltbürger von mehr Erfahrung imponieren mußten.

Das Geschäft war ein Warengeschäft, wie sie jetzt immer seltener werden, jetzt, wo Eisenbahnen und Telegraphen See und Inland verbinden, wo jeder Kaufmann aus den Seestädten durch seine Agenten die Waren tief im Lande verkaufen läßt, fast bevor sie im Hafen angelangt sind, so selten, daß unsere Nachkommen diese Art des Handels kaum weniger fremdartig finden werden als wir den Marktverkehr zu Timbuktu oder in einem Kaffernkral. Und doch hatte dies alte weltbekannte Binnengeschäft ein stolzes, ja fürstliches Ansehen, und was mehr wert ist, es war ganz gemacht, bei seinen Teilhabern feste Gesinnung und ein sicheres Selbstgefühl zu schaffen. Denn damals war die See weit entfernt, die Konjunkturen waren seltener und größer, so mußte auch der Blick des Kaufmanns weiter, seine Spekulation selbständiger sein. Die Bedeutung einer Handlung beruhte damals auf den Massen der Waren, welche sie mit eigenem Gelde gekauft hatte und auf eigene Gefahr vorrätig hielt. Auf den Packhöfen am Flusse lag in langen Speichern ein großer Teil der fremden Waren aufgestapelt, ein kleinerer Teil in den Kellern und Gewölben des alten Hauses selbst, viele Vorräte in Speichern und Remisen der Nachbarschaft. Zahlreiche Kaufleute in der Provinz versorgten sich aus den Magazinen der Handlung mit Kolonialwaren und den tausend guten Erzeugnissen der Fremde, welche uns ein tägliches Bedürfnis geworden sind. Aber auch über die Grenzen des Landes hinaus, nach dem Süden und Osten, bis an die türkische Grenze, saßen die Agenten des Hauses, und dieser Teil des Geschäftes, vielleicht weniger regelmäßig und sicher, galt zur Zeit für die gewinnreichste Tätigkeit der Handlung.

So bot der Verkehr des Tages dem neuen Lehrling eine Menge der verschiedensten Eindrücke, Menschen und Verhältnisse aller Art. Außer den Agenten der Seeplätze, welche fast täglich Warenproben brachten, und außer den Sensalen der Börse, welche die Geldgeschäfte des Hauses vermittelten, Wechsel anboten und verkauften, zog durch das vordere Kontor vom Morgen bis zum Abend eine bunte Prozession von allerlei Volk. Da kamen Materialhändler aus der Provinz, altväterische Männer mit jeder Art von Mützen und jedem Grade von Bildung und Zuverlässigkeit; sie kauften, drückten die Hände und verlangten, als alte Freunde des Geschäftes behandelt zu werden; ferner Gutsbesitzer jedes Standes aus der Landschaft, welche die angebauten Handelsgewächse, Farbkräuter, Gewürze usw. anboten; dann polnische Juden, schwarzlockige Gesellen im langen seidenen Kaftan, die zuweilen einkauften, gewöhnlich aber die Erzeugnisse ihrer Länder, Wolle, Hanf, Pottasche, Talg, verkaufen wollten. Mit ihnen war der Verkehr am wenigsten geschäftsmäßig, ihr Kommen erregte jedesmal unter den jüngeren Leuten des Kontors stille Heiterkeit. Dazwischen kamen Bettler, Hilfesuchende aller Art, Geschäftsfreunde des Hauses, Fuhrleute, welche ihre Frachtbriefe forderten, Auflader und Hausknechte, welche Aufträge erhielten oder die Aufträge anderer Geschäfte ausrichteten. Anton fand es sehr schwer, bei diesem ewigen Türöffnen und Durcheinandersprechen seine Gedanken zusammenzuhalten und die einfache Arbeit, welche ihm aufgetragen war, zu vollenden.

 

Eben war Herr Braun eingetreten, der Agent eines befreundeten Hauses in Hamburg, und hatte aus seiner Tasche eine Anzahl Kaffeeproben hervorgeholt. Während diese vom Prinzipal besichtigt wurden, gestikulierte der kleine behende Agent mit seinem goldenen Stockknopf in der Nähe von Antons Augen umher und berichtete von einem Seesturme und dem Schaden, den er angerichtet haben sollte. Da knarrte die Tür, und eine ärmlich gekleidete Frau trat herein. Herr Specht erhob sich und fragte: »Was wollen Sie?« Man hörte klägliche Töne, welche mit dem Gepiep eines kranken Huhns Ähnlichkeit hatten, der Kaufmann griff schnell in die Tasche, und das Piepen verwandelte sich in ein behagliches Glucksen. »Haushohe Wellen«, ruft der Agent. – »Gott vergelt’ es tausendmal«, gluckste die Frau. – »Macht 550 Mark 10 Schilling«, sagte Herr Baumann zum Prinzipal.

Jetzt wird die Tür heftig aufgerissen, ein starker Mann, mit einem Geldsack unterm Arm, tritt ein, er setzt den Geldsack triumphierend auf den Marmortisch und ruft mit dem Ausdruck eines Mannes, der eine gute Tat vollbringt: »Hier bin ich, und hier ist Geld!« Sogleich erhebt sich Herr Jordan und sagt vertraulich: »Guten Morgen, Herr Stephan, wie geht’s in Wolfsburg?« – »Ein furchtbares Loch«, klagt Herr Braun. – »Wo?« fragt Fink. – »Es ist keine schlechte Stadt, aber wenig Nahrung«, sagt Herr Stephan. – »Natürlich im Rumpfe des Schiffes«, antwortet Herr Braun. – »Fünfundsiebzig Sack Kuba«, bemerkt der Prinzipal als Antwort auf die Frage eines Kommis.

Während nun Herr Stephan die Neuigkeiten seiner Stadt erzählt, darunter die traurige Geschichte eines Lehrjungen, der sich mit Hilfe einer Schlüsselbüchse erschossen hat, und während Jordan diese notwendige Einleitung zu dem bevorstehenden Einkauf geduldig durchmacht, öffnet sich wieder die Tür, ein Bedienter tritt ein und ein Jude aus Brody. Der Diener bringt dem Kaufmann die Einladung zu einem Diner, und der Jude schleicht an die Ecke, wo Fink sitzt.

»Wozu kommt Ihr wieder, Schmeie Tinkeles?« fragt Fink kalt. »Ich habe Euch schon gesagt, daß wir kein Geschäft mit Euch machen wollen.«

»Kein Geschäft?« ruft der unglückliche Tinkeles krächzend in abscheulichem Deutsch, so daß Anton ihn nur mit Mühe versteht. »Solche Wolle, wie ich bringe, ist noch nicht gewesen im Lande.«

»Wie hoch der Zentner?« fragt Fink schreibend, ohne den Juden anzusehen.

»Was ich doch habe gesagt«, antwortet der Jude.

»Ihr seid ein Narr«, sagt Fink, »fort mit Euch!«

»Kein Lotse kann ihm helfen«, sagte Braun.

»Meine Empfehlung an Herrn Kommerzienrat«, sagt der Kaufmann.

»Mit einem Schwefelhölzchen hat er den Schlüssel angezündet«, ruft Herr Stephan zum Himmel blickend.

»Mei«, schreit der Mann im Kaftan, »was ist das: fort mit Euch? Mit fort kann man machen keine Geschäfte.«

»Was wollt Ihr also haben für Eure Wolle?«

»41⅔«, sagt Tinkeles.

»Hinaus!« bemerkt Fink.

»Sagen Sie doch nicht immer hinaus«, bittet der Jude in Verzweiflung, »sagen Sie, was wollen Sie geben?«

»Wenn Ihr so unverschämt fordert, gar nichts«, sagt Fink, eine neue Seite seines Briefes beginnend.

»Sagen Sie doch nur, was wollen Sie geben?« bittet der Jude wieder.

»Nur wenn Ihr wie ein anständiger Mann redet«, antwortet Fink, den Juden ansehend.

»Ich bin anständig« sagt der Jude leise, »was wollen Sie geben?«

»39«, sagt Fink.

Jetzt gerät Schmeie Tinkeles außer sich, schüttelt seine schwarzen Locken und verschwört sich bei seiner Seele Seligkeit mit lautem Geschrei, er könne nicht unter 41; worauf Fink ihm bedeutet, er werde ihn von einem Hausknecht hinausführen lassen, wenn er solchen Lärm mache. Darauf geht der Jude entrüstet vor die Tür, steckt den Kopf wieder herein und ruft: »Also, was wollen Sie geben?«

»39«, sagt Fink und sieht der aufgeregten Mimik des Händlers ungefähr mit demselben Interesse zu, mit dem ein Physiker die galvanischen Zuckungen eines Frosches betrachtet. Die Zahl 39 bewirkt in der Seele des Juden eine neue Explosion, er tritt wieder vor, verschwört seine Seele in den tiefsten Abgrund der Hölle und erklärt sich selbst für das nichtswürdigste Scheusal der Welt, wenn er für weniger als 41 ablassen könne. Als er sich auf wiederholte Ermahnungen Finks, ruhig zu werden, dazu nicht entschließen kann, wird der Hausknecht gerufen. Sein Erscheinen wirkt nun so weit beruhigend, daß Herr Tinkeles erklärt, er könne allein gehen und werde allein gehen, worauf er stillsteht und 40½ sagt. Der Agent, der Provinziale und das Kontor sind still und hören der Verhandlung neugierig zu, während Fink dem armen Schmeie mit einer gewissen Herzlichkeit den Vorschlag macht, er solle sich ohne weiteres entfernen, er sei völlig Narr und mit ihm kein Geschäft zu machen. Darauf wendet sich der Jude trotzig ab und geht hinaus. Und wieder fährt Herr Braun fort: »Dieser Sturm war ein seltenes Unglück, der Kaffee muß steigen«, und Herr Stephan beweist, daß die Selbstmorde und andere Untaten seit der Erfindung der Schwefelhölzer zugenommen haben; und Fink sagt zum Prinzipal, der einen unterdes erhaltenen Brief durchliest: »Er wird’s lassen, wenn ich ihm noch einen halben Taler zulege. Wollen Sie mit 39½ abmachen?«

»Wieviel?« fragt der Kaufmann.

»120 Zentner«, sagt Fink.

»Nehmen Sie«, sagt der Kaufmann und liest weiter.

Von neuem wird die Tür aufgerissen, das Geschwirr geht fort, und Anton müht sich vergebens zu verstehen, wie man die Wolle kaufen könne, nachdem der Verkäufer in so entschiedener Weise gegangen ist. Da öffnet sich, gerade als wieder drei bis vier Stimmen durcheinandersprechen, ganz leise die Tür, Tinkeles schleicht auf den Zehen herein bis hinter Finks Platz und sagt, diesem die Hand auf die Schulter legend, wehmütig und vertraulich: »Was wollen Sie noch geben?«

Fink wendet sich um und sagt ebenfalls mit vertraulichem Lächeln: »Weil Ihr es seid, Tinkeles, 39½, aber nur unter der Bedingung, daß ihr kein Wort weiter sprecht, sonst nehm’ ich das Gebot zurück.«

»Ich spreche nichts«, antwortet der Jude, »sagen Sie 40.«

Fink machte eine Bewegung der Entrüstung und weist schweigend nach der Tür. Der Händler geht und dreht an der Tür um.

»Jetzt kommt’s«, sagt Fink. Darauf kehrt der Händler zurück und spricht mit mehr Haltung: »39½, wenn Sie es dafür wollen nehmen.«

Nach einigem Zögern bemerkt Fink wie gelegentlich: »Es mag sein.« Worauf Schmeie Tinkeles ganz umgewandelt ist, sich als liebenswürdiger Freund der Handlung erweist und angelegentlich nach dem Befinden des Prinzipals erkundigt.

Und wieder knarrte nach diesem Intermezzo die Tür, neue Käufer und Verkäufer kamen, die Menschen sprachen, und Federn knisterten, das Geld rollte unaufhörlich.

Auch der Haushalt, dem Anton jetzt angehörte, erschien ihm sehr fremdartig und mächtig.

Das Haus selbst war ein altes, unregelmäßiges Gebäude mit Seitenflügeln, kleinen Höfen und Hinterhäusern, voll von Mauern und kleinen Treppen, von geheimnisvollen Durchgängen, wo kein Mensch welche vermutete, von Korridoren, Nischen, tiefen Wandschränken und Glasverschlägen. Es war ein durchaus künstlicher Bau, an dem Jahrhunderte gearbeitet hatten, um ihn für späte Enkel so schwierig und unverständlich als irgend möglich zu machen. Und doch sah er im ganzen betrachtet behaglich aus und umfaßte mit seinen Mauern eine große Welt voll Menschen und Interessen. Der ganze Raum unter dem Gebäude und unter seinen Höfen war zu Kellern gewölbt und bis an die Gewölbgurte mit Waren gefüllt; das ganze Parterre gehörte der Handlung und enthielt außer den Kontorzimmern fast nichts als Warenräume. Darüber lagen im Vorderhause die Säle und Zimmer, in denen der Kaufherr selbst wohnte. Herr Schröter war nur kurze Zeit verheiratet gewesen, in einem Jahr hatte er Frau und Kind verloren; seit dem Tode seiner Eltern war eine Schwester alles, was er von Familie besaß.

Streng hielt der Kaufmann auf den alten Brauch seiner Handlung. Alle Herren des Kontors, welche nicht verheiratet waren, wohnten in seinem Hause, gehörten seinem Haushalte an und aßen alle Mittage Punkt ein Uhr an dem Tisch des Prinzipals. Am Morgen nach Antons Eintritt hatte Herr Schröter nur wenige Worte mit ihm gewechselt und ihn darauf Herrn Jordan und dem Provinzialgeschäft übergeben. Jetzt, einige Minuten vor der Mittagsstunde, war Anton in die Zimmer des ersten Stocks bestellt, um der Dame des Hauses vorgestellt zu werden. Erwartungsvoll stieg er die Teppichstufen der breiten Treppe hinauf, der Bediente öffnete und führte ihn durch eine Reihe von Gemächern in das Empfangszimmer. Anton sah auf seinem Wege mit Erstaunen den ruhigen und soliden Glanz der Einrichtung, die großen Wandspiegel, schwere Stoffe, Gemälde, Blumentische, zahlreiche Vasen und Fruchtschalen von Stein und gemaltem Porzellan. Der Diener schlug eine Portiere zurück, und Anton machte auf dem glatten Parkettboden eine tiefe Verbeugung, als der Prinzipal ihn einer jungen Dame vorstellte und dazusetzte: »Meine Schwester Sabine.«

Fräulein Sabine zeigte über dem eleganten Sommerkleide ein feines bleiches Gesicht, von rabenschwarzem Haar eingefaßt. Sie war nicht älter als Anton, aber sie hatte die Würde und Haltung einer Hausfrau. Sie nötigte, Platz zu nehmen, und fragte ihn teilnehmend, wie er sich eingerichtet habe und ob er noch irgend etwas vermisse.

»Meine Schwester regiert uns alle«, sagte der Kaufmann mit einem freundlichen Blick auf die Dame, »machen Sie hier Ihre Bekenntnisse, wenn Sie irgendeinen wirtschaftlichen Wunsch haben; sie ist eine gute Fee, welche den Haushalt in Ordnung hält.«

Anton sah zu der Fee auf und antwortete schüchtern: »Ich habe bis jetzt alles weit glänzender gefunden, als ich von Hause aus gewöhnt bin.«

»Ihr Leben wird Ihnen bei alledem mit der Zeit einförmig erscheinen«, fuhr der Kaufmann fort, »es ist eine strenge Regelmäßigkeit in unserm Hause. Sie haben viel Arbeit und wenig Zerstreuung zu erwarten; meine Zeit ist sehr in Anspruch genommen, auch nach dem Schluß des Kontors. Wenn Sie aber in irgendeiner Angelegenheit Rat oder Hilfe wünschen, so bitte ich, sich vor allem an mich zu wenden.«

Nach dieser kurzen Audienz erhob er sich und führte Anton nach dem Speisezimmer. Auf dem Wege setzte er ihm die Stellung eines Lehrlings im Geschäft auseinander. Anton fand seine Kollegen bereits aufgestellt und in bescheidener Toilette das Mahl erwartend; Sabine trat ein und mit ihr eine ältliche Dame, eine entfernte Verwandte der Familie, welche dem Fräulein in der Wirtschaft half und sehr gutmütig aussah. Die Herren vom Kontor machten den Damen ihre Verbeugung, und Anton erhielt seinen Platz am Ende einer langen Tafel, zwischen den jüngsten seiner Kollegen. Ihm gerade gegenüber saß Sabine, neben dieser ihr Bruder, auf der andern Seite die Verwandte, neben dieser Herr Fink und dahinter alle übrigen genau nach Rang und Alter im Geschäft. Es war im ganzen ein stilles Diner, welches eingenommen wurde, Antons Nachbarn sprachen nur wenig und mit gedämpfter Stimme, das Gespräch wurde fast ausschließlich von dem Prinzipal geleitet. Nur der Jockei von gestern benahm sich mit größter Unbefangenheit, erzählte kleine lächerliche Geschichten, wußte andere Leute vortrefflich in Stimme und Haltung nachzuahmen und bewies seiner Nachbarin, der gutmütigen Tante, eine fast übertriebene Aufmerksamkeit. Kurz, Anton, dessen Herz bereits voller Pietät und Ehrfurcht war, sah mit einer Art von frommem Entsetzen, daß Fink den ganzen Tisch so behandelte, als wäre die Tafel nur seinetwegen gedeckt und als hätte der Kaufherr nur deshalb ein Geschäft, damit Fink, sein Volontär, leichtsinnige Scherze machen und alle Anwesenden dreist anreden könnte. Dabei glaubte er wahrzunehmen, daß der Kaufherr selbst den jungen Herrn mit Kälte behandelte, und ferner, daß Fink sich sehr wenig um dies zurückhaltende Wesen des Kaufherrn kümmerte. Der Diener im schwarzen Frack servierte mit größter Akkuratesse, und als sich die Herren vom Geschäft mit einer Verbeugung erhoben und ihre Stühle wegrückten, nahm Anton aus dem Speisesaal die Überzeugung mit hinaus, daß er noch nie so vornehm und feierlich sein Mittagsbrot verzehrt habe.

 

›Mit allen werde ich zurechtkommen, nur mit diesem Herrn Fink nicht‹, sagte sich Anton den Tag über, ›er ist zu dreist und zu stolz. Auch sitzen blieb er, als alle von unserm Geschäft aufstanden. Er paßt nicht hierher‹, entschied der neue Ankömmling mit einer Weisheit, in welcher mehr Instinkt als Erfahrung war. Seit der Zeit sah Anton mit einiger Scheu auf Herrn von Fink, er mußte aber oft nach ihm hinsehen und sich viel um ihn kümmern, denn das Wesen des Gentlemans imponierte ihm doch sehr; der edel geformte Kopf, ein schmales Gesicht mit feinen Zügen, die sichere Haltung und die kurze Entschlossenheit in Bewegungen und Worten. Anton getraute sich kaum, ihn anzureden, und Fink gab ihm keine Veranlassung dazu, denn er schien von der Anwesenheit des neuen Lehrlings nichts mehr zu wissen. Nur einmal, als Anton zufällig vor Fink die Treppe des Hinterhauses hinaufging, redete ihn dieser an: »Nun, Master Wohlfart, wie gefällt es Ihnen in diesem Hause?«

Anton blieb stehen und sagte, wie sich für einen guten Jungen schickt: »Ausgezeichnet! Ich sehe und höre so viel Neues, daß ich noch gar nicht zu mir selbst kommen kann.«

»Sie werden das alles gewohnt werden«, lachte Fink. »Wie an einem Tage geht es das ganze Jahr ohne Veränderung fort. Am Sonntage ein Gericht mehr und ein Glas Wein vor jedem Kuvert, und Sie werden guttun, dazu Ihren Leibrock anzuziehen. Sie sind jetzt als Rad eingefügt in die Maschine, und es wird von Ihnen erwartet, daß Sie das ganze Jahr regelmäßig abschnurren.«

»Ich weiß, daß ich fleißig arbeiten muß, um das Vertrauen Herrn Schröters zu erwerben«, antwortete der kleine Philister, gereizt durch die rebellische Gesinnung des Volontärs.

»Eine tugendhafte Bemerkung«, spottete dieser. »In wenigen Wochen werden Sie sehen, mein armer Junge, welch ein himmelweiter Unterschied ist zwischen dem Herrn des Geschäfts und den Leuten, welche seine Briefe schreiben und seine Kunden abfertigen. Kein Fürst auf Erden lebt so stolz und einsam unter seinen Vasallen wie dieser Kaffeebeherrscher in seinem Reiche. Lassen Sie sich übrigens durch meine Rede nicht stören«, fügte er mit etwas mehr Gutmütigkeit hinzu, »das ganze Haus wird Ihnen sagen, daß ich unzurechnungsfähig bin. Da Sie mir aber aussehen wie ein hoffnungsvoller Kontorist, so will ich Ihnen noch einen ehrlichen Rat geben. Kaufen Sie sich einen englischen Sprachlehrer und machen Sie, daß Sie fortkommen, bevor Sie hier einrosten. Alles, was Sie hier lernen, wird Sie noch nicht zu einem tüchtigen Menschen machen, wenn Sie anders das Zeug haben, überhaupt einer zu werden. Guten Abend!« Mit diesen Worten drehte Fink unserm Anton den Rücken und ließ diesen wieder ärgerlich über den hohen Ton, den der Jockei angenommen hatte, zurück.

Wohl empfand unser Held nach einiger Zeit mitten in dem Rauschen des Geschäftslebens die ewige Gleichförmigkeit der Stunden und Tage; wohl ermüdete ihn das zuweilen, aber es machte ihn nicht unglücklich; denn durch seine Eltern war er an Ordnung und regelmäßigen Fleiß gewöhnt, und diese beiden Tugenden halfen ihm über manche langweilige Stunde hinweg.

Herr Jordan gab sich redlich Mühe, den Lehrling in die Geheimnisse der Warenkunde einzuweihen, und die Stunde, in welcher Anton zuerst in das Magazin des Hauses trat und hundert verschiedene Stoffe und merkwürdige Bildungen persönlich mit allen Kunstausdrücken kennenlernte, wurde für seinen empfänglichen Sinn die Quelle einer eigentümlichen Poesie, die wenigstens ebensoviel wert war wie manche andere poetische Empfindung, welche auf dem märchenhaften Reiz beruht, den das Seltsame und Fremde in der Seele des Menschen hervorbringt.

Es war ein großes dämmriges Gewölbe im Parterre des Hauses, durch Fenster mit Eisenstäben notdürftig erhellt, in welchem die Warenproben und kleinen Vorräte für den täglichen Verkehr lagen. Tonnen, Kisten und Ballen standen auch hier massenhaft durcheinander, und nur schmale gewundene Pfade führten dazwischen durch. Fast alle Länder der Erde, alle Rassen des Menschengeschlechts hatten gearbeitet und eingesammelt, um Nützliches und Wertvolles vor den Augen unseres Helden zusammenzutürmen. Der schwimmende Palast der Ostindischen Kompanie, die fliegende amerikanische Brigg, die altertümliche Arche der Niederländer hatten die Erde umkreist, starkrippige Walfischfänger hatten ihre Nasen an den Eisbergen des Süd- und Nordpols gerieben, schwarze Dampfschiffe, bunte chinesische Dschonken, leichte malaiische Kähne mit einem Bambus als Mast, alle hatten ihre Flügel gerührt und mit Sturm und Wellen gekämpft, um dies Gewölbe zu füllen. Diese Bastmatten hatte eine Hindufrau geflochten, jene Kiste war von einem fleißigen Chinesen mit rot und schwarzen Hieroglyphen bemalt worden, dort das Rohrgeflecht hatte ein Neger aus Kongo im Dienst des virginischen Pflanzers über den Ballen geschnürt; dieser Stamm Farbholz war an dem Sande herabgerollt, den die Wellen des Mexikanischen Meerbusens angeworfen haben, jener viereckige Block von Zebra- oder Jakarandaholz hatte in dem sumpfigen Urwald Brasiliens gestanden, und Affen und bunte Papageien waren über seine Blätter gehüpft. In Säcken und Tonnen lag die grünliche Frucht des Kaffeebaumes fast aus allen Teilen der Erde, in rohen Bastkörben breiteten sich die gerollten Blätter der Tabakspflanze, das bräunliche Mark der Palme und die gelblichen Kristalle aus dem süßen Rohr der Plantagen. Hundert verschiedene Pflanzen hatten ihr Holz, ihre Rinde, ihre Knospen, ihre Früchte, das Mark und den Saft ihrer Stämme an dieser Stelle vereinigt. Auch abenteuerliche Gestalten ragten wie Ungetüme aus dem Chaos hervor: dort hinter dem offenen Faß, gefüllt mit orangener Masse – es ist Palmöl von der Ostküste Afrikas –, ruht ein unförmiges Tier – es ist Talg aus Polen, der in die Haut einer ganzen Kuh eingelassen ist; daneben liegen zusammengedrückt, in riesigem Ballen, gepreßt mit Stricken und eisernen Bändern, fünfhundert Stockfische, und in der Ecke gegenüber erheben sich über einem Haufen Elefantenzähne die Barten eines riesigen Wals.

Anton stand noch stundenlang, nachdem die Erklärungen seines Lehrmeisters aufgehört hatten, neugierig und verwundert in der alten Halle, die Gurte der alten Wölbung und die Pfeiler an der Wand verwandelten sich ihm in großblättrige Palmen, das Summen und Geräusch auf der Straße erschien ihm wie das entfernte Rauschen der See, die er nur aus seinen Träumen kannte, und er hörte die Wogen des Meeres in gleichmäßigem Takt an die Küste schlagen, auf welcher er so sicher stand.

Diese Freude an der fremden Welt, in welche er so gefahrlos eingekehrt war, verließ ihn seit dem Tage nicht mehr. Wenn er sich Mühe gab, die Eigentümlichkeiten der vielen Waren zu verstehen, so versuchte er auch, durch Lektüre deutliche Bilder von der Landschaft zu bekommen, aus welcher sie herkamen, und von den Menschen, die sie gesammelt hatten.

So vergingen schnell die ersten Monate seines Lebens in der Hauptstadt, und es war gut für ihn, daß er in seinen Freistunden diese lebhafte Unterhaltung mit der ganzen Welt zu führen hatte; denn in einem hatte Fink recht gehabt: Anton blieb trotz dem täglichen Mittagstisch in dem parkettierten Speisezimmer doch dem Chef des Hauses und der Familie sehr fremd und fühlte bald, daß eine Schranke gezogen sei zwischen den Herren vom Kontor und den Personen des Hauses, die, so unbemerkt sie für Fremde sein mochte, doch eisenfest stand. Er war so verständig, daß ihm nicht einfiel, darüber zu murren, aber er wurde doch manchmal dadurch bedrückt, denn mit dem Enthusiasmus der Jugend war er schnell bereit, seinen Prinzipal als das Ideal eines Kaufmanns zu verehren. Die Klugheit, Sicherheit und energische Kürze des Mannes und seine stolze Redlichkeit begeisterten ihn; er hätte sich gar zu gern mit schwärmerischer Innigkeit an ihn geschlossen, aber er sah außer den Geschäftsstunden wenig von ihm. Wenn der Kaufmann am Abend nicht in Versammlungen oder im Klub war, so lebte er nur für seine Schwester, an der er mit einer rührenden Zärtlichkeit hing. Für seine Schwester hielt der Kaufmann Wagen und Pferde, die er selbst selten benutzte, ihr zuliebe besuchte er auch Abendgesellschaften und gab selbst welche, zu denen Anton und seine Kollegen nicht zugezogen wurden. Dann rollten die Equipagen vor das Haus, galonierte Bediente flogen treppauf, treppab, und bunte Schatten schwebten an den erleuchteten Fenstern des Vorderhauses vorüber, während Anton in seiner Dachstube saß und mit Sehnsucht auf das glänzende Leben des Haushaltes sah, zu dem er doch auch gehörte: mit heißer Sehnsucht, denn unser Held war kaum neunzehn Jahre alt und kannte die geschmückte Geselligkeit eleganter Kreise nur aus den trügerischen Schilderungen der Bücher, welche er gelesen hatte. Dann sagte ihm zwar immer sein Verstand, daß er nicht in das Vorderhaus gehöre und was daraus werden solle, wenn er mit seinem Dutzend Kollegen, die so verschieden an Bildung waren, bei solchen Gesellschaften sich ausbreiten wolle. Aber was der Verstand, dieser alte Herr, sagt, wird von der jungen Dame Begehrlichkeit nicht immer ehrerbietig angehört, und Anton schlich manchmal mit einem leisen Seufzer vom Fenster zu seiner Lampe und den Büchern zurück und bemühte sich, die lockende Musik der Quadrille zu vergessen, indem er auf das Geschrei des Löwen und das Gurgeln des Brüllfrosches in irgendeinem tropischen Lande lauschte.