Бесплатно

Die Ahnen

Текст
Автор:
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Zu derselben Zeit, in welcher Regine durch die irdische Klugheit des geistlichen Herrn gekränkt wurde, sollte auch ihr Bruder durch ähnliche Gesinnung hoher weltlicher Befehlshaber von seiner Kompanie geschieden werden. Er war mit seinen Begleitern unter schwedischem Kondukt den Quartieren des Generalleutnants Königsmark zwischen Weser und Leine zugeritten. Dort wurden die Abgesandten in Herberge gelegt, Bernhard selbst durch einen Offizier, der ihm als Führer zugeteilt war, vor das Tafelzelt des Generals geführt. Er stand vor einem ansehnlichen Bau, der nur von außen linnen war, denn an den zurückgeschlagenen Zipfeln des Eingangs sah man den kostbaren Seidenstoff des Innern; dafür diente das Zelt auch zur Pracht bei Gastereien und beim Empfange fremder Besucher. Eine grüne Schnur schloß die Umgebung in weitem Kreise ab und wurde durch Hellebardiere bewacht, welche dem dreisten Andrängen Neugieriger zu wehren hatten.

»Seine Exzellenz sind noch bei der Tafel, und Ihr werdet Euch gedulden müssen«, sagte der Schwede und führte seinen Gast zu einem Haufen von Soldaten und Offizieren niederer Grade, welche schaulustig außerhalb der Schnur standen. Bernhard sah lange Reihen reichgekleideter Diener die Speisen in großen Silberschüsseln auftragen, behende Pagen liefen ab und zu oder stolzierten hochmütig durch die harrende Menge; der Kellermeister brachte einen goldenen Pokal mit beiden Händen heran, und hinter ihm schritten seine Küfer mit schweren Kannen; überall reicher Schmuck und edles Metall, eine Pracht, wie sie Bernhard noch nirgend geschaut hatte, selbst nicht bei dem französischen Marschall, dem die hungernden Soldaten oft Böses wünschten. Da wurde ihm das Herz schwer, und er fragte sich zweifelnd, ob der neue Herr besser sein werde als der alte. Er hatte Zeit zu solchen Betrachtungen, denn die Mahlzeit währte lange, zuweilen vernahm er aus dem Innern des Zeltes lautes Gelächter und Rufe nach dem Mundschenk. Die schwedischen Offiziere, die um ihn her standen, hatten seinen Gruß mit kalter Höflichkeit erwidert und ihn neugierig betrachtet, doch da er stolz aufrecht stand und wie ein Kriegsmann aussah, der seinen Degengriff schnell zu finden weiß, so begnügten sich die Beobachter mit abfälligen Blicken und leisen Bemerkungen. Endlich nach einer harten Geduldsprobe hörte er das Geräusch der aufbrechenden Zechgesellschaft, die Diener strömten zum Ausgang und stellten sich in Reihen auf, und die Befehlsträger und Würdenträger schritten zwischen ihnen, einzeln oder zu zweien, ins Freie, alle mit geröteten Gesichtern, mancher mit wankendem Tritt. Wieder verging eine Weile, die Zuschauer hatten sich verlaufen und Bernhard stand allein, da kam sein Begleiter geschäftig aus dem Zelt, ihn zur Audienz zu holen.

Sie durchschritten den großen Raum, in welchem das Mahl aufgetischt worden, und Bernhard sah die bunten Teppiche der Tribüne, auf der die Tafel stand, in der Mitte den vergoldeten Sessel des Generals mit purpurnem Samt überzogen, einem Fürstenstuhle ähnlich, da General Königsmark als Gubernator von Bremen und Verden sich den regierenden Herren in Deutschland gleich achtete. Der Offizier schlug einen Vorhang zurück, und der Rittmeister befand sich zwischen Tapeten, die aus Gold und grüner Seide gewirkt waren, dem berühmten Kriegshelden gegenüber. Der General hatte diesen Ruf wohl verdient durch die Klugheit seiner Anschläge und wilde Verwegenheit im Gefecht, aber auch durch die Leutseligkeit, in der er mit seinem Volke zu verkehren wußte, wo es galt, zu gewinnen; nicht zuletzt durch sein prachtvolles und großartiges Auftreten und durch einen Anschein von sorgloser Verschwendung. Doch die, welche ihm zu kontribuieren hatten, wußten, daß er habgierig zu greifen und festzuhalten verstand. Auch sein Äußeres war so, wie es der Soldat an seinem Feldherrn liebt, er hatte das Lob, ein schöner Mann zu sein, und war auch sein Antlitz durch Ausschweifungen aufgedunsen, die großen feurigen Augen, hoch geschwungene Brauen und eine starke Adlernase darunter gaben ihm bei seiner stolzen Haltung ein heroisches Aussehen. Mit kurzem Gruß beantwortete er die tiefe Verneigung Bernhards.

»Euer Name und Euer Regiment? Was wart Ihr vor Eurer wilden Reformation?«

»Fähnrich in der Leibkompanie.«

»Warum seid Ihr nicht Eurem Obersten gefolgt?«

»General Rosen ist durch Marschall Turenne verhaftet, und ich bin ein Deutscher.«

»Das bin ich zuletzt auch,« sagte der Feldherr, »leider ist diese Qualität kein Passeport zu einem glücklichen Leben.« Und mit gehobener Stimme fragte er: »Warum seid Ihr nicht zum Feldmarschall Wrangel gestoßen, der sich doch, wie ich höre, mehrfach durch Unterhändler um Euch bemüht hat?«

»Er ist ein Schwede, unsere Völker aber begehren sich einen Kriegsobersten von deutschem Stamme, dem sie zutrauen, daß er der evangelischen Sache aufrichtig dient und seinen Soldaten ein redliches deutsches Herz beweist.« Der General hob warnend die Hand, schritt zum Vorhang und sah nach, ob ein fremder Hörer in der Nähe sei. Dann begann er freundlicher:

»Soll ich Euch Gutes raten, Euch und Euren Kameraden, so schweigt von Eurem deutschen Wesen, insonderheit wenn Ihr mit mir verhandelt. Ich führe Amt und Befehl von der Krone Schweden und bin ein treuer Diener meiner Königin. Bezeuget mir,« fuhr er mit lauter Stimme fort, »daß ich durch keinen Boten einen Antrag an Euch gesandt, und mich in keiner Weise um Euch beworben, sondern daß Ihr freiwillig zu mir kommt und erst zu fragen habt, ob mir an Euch gelegen ist oder nicht.«

»Solcher Antwort waren wir von Ew. Exzellenz durchaus nicht gewärtig«, antwortete Bernhard unwillig. »Als in unserm Kriegsrat Euer Name genannt wurde, gedachten wir, daß Ihr als ein erfahrener Feldhauptmann und Held den Wert der Regimenter besser taxieren würdet. Zumal auch durch Boten, welche vorgaben, in Eurem Auftrage zu handeln, einzelnen Kompanien Versprechungen gemacht wurden, damit dieselben sich Eurem Heere zuwenden möchten.«

»Ob meine Obersten Euch in solcher Weise angesprochen haben, weiß ich nicht,« antwortete der General, »und kann für Versuche einzelner nicht respondieren. Von mir selbst ist kein Antrag ausgegangen, und wenn ich Euch nehme, tue ich es nur auf meine Bedingungen.«

»Wir aber«, versetzte Bernhard, »wollen uns nur auf geschlossenen Vertrag übergeben, und wir suchen nach teuer erkaufter Experienz einen Herrn, der uns bei seiner Ehre gelobt, den Vertrag zu erfüllen, und dem wir zutrauen, daß er uns das Paktum halte. Ist Eurer Exzellenz an uns nichts gelegen, so habe ich meinen Bescheid, und ich kann gehen.«

Königsmark trat auf ihn zu und hob wieder die Hand. »Ihr seid kurzab mit Worten, Herr Abgesandter, das frommt bei solchem Handel nicht, wie Ihr mit mir begehrt.« – Er wies auf eine große goldene Ehrenmünze, welche er am Halse trug. »Ihr seht die eine Seite der Medaille, mir liegt die andere auf der Brust, und ich will mit Euch, obgleich Ihr mir fremd seid, in der deutschen Weise reden, deren Ihr Euch rühmt. Was Euch gefällt, daß ich ein Deutscher bin, das gerade ist mir in Stockholm ein Hindernis für Gunst und Glück, denn argwöhnisch belauern dort meine Feinde meine Mensuren und warten nur auf einen Vorwand, mich zu verleumden, als wenn ich mehr an den eigenen Nutzen oder auf den Vorteil der deutschen Landsleute denke, als an den schwedischen. Schon bin ich Euretwegen von dem Wrangel angefeindet und bei der Königin verklagt. Ich aber habe keine Lust, das Schicksal des Friedländers zu teilen, denn als ein drohendes Schreckbild lebt sein Abfall in der Erinnerung aller Potentaten. Wenn ich jetzt willfährig und mit offenen Armen Euch Empörer empfange, so werde ich selbst geheimer Anschläge verdächtig, und mir wie Euch würde das wenig frommen. Darum wiederhole ich Euch: mir ist wohl bewußt, was Ihr wert seid, aber ich kann nicht wie andere Euch die Hände drücken und in das Ohr sagen: kommt zu mir, während ich mich vor den Franzosen anstelle, als ob ich Eure Rückkehr zum Turenne betreiben wollte. Ich sage Euch kurz und gut, begehrt habe ich Euch nicht! Wollt Ihr doch zu mir, so darf ich‘s Euch nicht versagen, aber Ihr müßt Euch meinem Vorteil fügen. Was ich Euch bewillige, will ich Euch redlich halten. – Doch wie mir zugetragen wird, hat sich in Euren Völkern das Geschrei erhoben: der Soldat müsse zu dem helfen, was die Perücken niemals durchsetzen werden, daß nämlich dies gedrückte Deutschland pazifiziert werde. Solche Meinung ist neu und unerhört in den Heeren. Habt Ihr diese Gesinnung?«

»Auch den Soldaten jammert der allgemeine Ruin,« antwortete Bernhard, »und die Weiber und Kinder des Trosses fühlen den Hunger.«

»Wenn sie gute Quartiere erhalten, kommen ihnen vielleicht andere Gedanken,« versetzte der General lächelnd, »nur im Kriege macht der Soldat seine Fortune. Jetzt hofieren uns die deutschen Fürsten, ist der Friede geschlossen, dann fegen sie uns durch einen Federbart aus dem Lande. Dennoch, Herr Rittmeister, bin auch ich dem Frieden nicht abhold, nur daß er rühmlich komme und zur rechten Zeit.«

»Verzeihet, Herr, die trauernde Germania fragt seit Jahren, wann soll die rechte Zeit kommen?«

»Für Euch, Herr Abgesandter, wenn Ihr ein gemachter Mann geworden seid,« antwortete der General, »und für andere, wenn sie in gleichem Falle sind. Ihr scheint mir von der Art zu sein, aus welcher Frau Fortuna ihre Günstlinge wählt, ich hoffe, es soll Euch auch bei mir gelingen.« Er ging zum Tische und ergriff ein Blatt: »Die Bedingungen Eurer Völker über Sold, Quartiere, Dienst sind mäßig, und sie werden uns nicht scheiden. Doch was hier nicht verzeichnet steht, möchte ich von Euch erfahren, da wir allein sind. Ihr seid im Vertrauen der Offiziere. Was begehren diese unter der Hand für sich selbst, und was begehrt Ihr für Euch als Unterhändler?« Da Bernhard ihn schweigend ansah, fuhr er fort: »Meine Kassen sind leer, und hoch dürft Ihr nicht fordern.«

»Herr General,« sagte Bernhard kalt, »gestattet mir und meinen Kameraden die Nachrede zu vermeiden, als wenn wir die Regimenter an Euch verkauften.«

 

»Ihr tut am besten, Geld zu nehmen,« riet der General gutmütig, »denn mit anderem kann ich Euch noch weniger gefällig sein.«

»Wir Offiziere begehren keine Begabung, die vor den Völkern geheim bleiben müßte.«

»Ich habe Euch für klüger gehalten«, versetzte der Schwede trocken. »Ihr werdet noch lernen, daß das ganze Wesen der Welt durch zwei Prinzipia regiert wird, bei den Soldaten heißt es: nehmen, was zu greifen ist, bei den Schreibern: eine Hand wäscht die andere.«

»Ich habe keinen Auftrag, für die Offiziere der Kompanien etwas zu fordern, außer eines, daß sie im Befehl belassen werden; und vielleicht, Herr General, würde ich mich auch nicht zum Boten eines andern Auftrages hergegeben haben.«

»Das tut mir leid um unser Geschäft,« antwortete der Feldherr, »denn wenn die Führer begehren, ihre Kompanien zu behalten, so sage ich Euch geradeheraus, daß ich darauf nicht mit Euch paktiere. Die Ihr als Offiziere bestellt habt, sind im Tumult aus dem gemeinen Volke gewählt, es ist unmöglich, daß sie in ihren Stellen bleiben. Das wäre ein himmelschreiendes Exempel für alle Zeit, meine Offiziere würden sie niemals als ihresgleichen anerkennen, und kurz, ich sage Euch, soll ich Euch nehmen, so werden die Regimenter neu formiert, die Obersten und Rittmeister von mir bestellt.«

»Euren Willen werde ich dem Kriegsrat mitteilen«, antwortete Bernhard mit Zurückhaltung.

»Das Hin- und Herziehen verdirbt Euch und schadet mir,« rief der General, »soll ich abschließen, so muß es heut geschehen und mit Euch! Sprecht ehrlich, wie weit könnt Ihr mir nachgeben?«

»Wer die Feldbinde des Offiziers getragen hat, wird um seiner Ehre willen diese nicht ablegen«, sagte der Rittmeister finster.

»Das gebe ich zu«, versetzte der Feldherr. »Die Führer der Kompanien mögen zu Leutnants werden. Nur einer soll seine Kompanie behalten, und der seid Ihr.« Da Bernhard stumm blieb, fuhr der Graf fort: »Wollt Ihr diese Abmachung nicht auf Euren Kopf nehmen, so laßt Eure Begleiter darüber entscheiden; und ich sage Euch, eine Mehrzahl wird froh sein, die Kompanien loszuwerden, denn auf die Länge würden sie schlechteren Gehorsam finden, als meine Offiziere. – Noch bleibt das schwerste Stück,« fuhr er nach einer Weile fort, »was soll ich mit Eurem Führer machen, den Ihr, wie ich höre, General tituliert, obgleich er bei Turenne nur Wachtmeister war?«

»Er hat sich als ein guter Oberst bewährt im Befehl gegen die Feinde und gegen die Soldaten,« antwortete Bernhard, »und das Heer hängt an ihm.«

»Um so schlimmer«, murmelte der General. »Was fordert er für sich?«

»Wollen Ew. Exzellenz observieren, daß er es ist, der die Völker der Krone Schweden zuführt, und daß er wohl das Recht hat, eine ehrenvolle Anerkennung zu verlangen.«

»Ich sage Euch, mein Säckel ist leer, doch soll es mir auf ein Stück Geld nicht ankommen.«

»Unsere Völker begehren für ihn das Amt eines Obersten in einem unserer Regimenter.«

»Das ist wieder unmöglich«, rief der General. »Die Majestät von Schweden würde niemals eine solche Ernennung tolerieren und bestätigen. Auch kann Euer Führer selbst das Amt nicht wünschen, denn er würde, bevor acht Tage ins Land gehen, seiner Ehren durch Degenstiche enthoben sein. Tut ein anderes Gebot.«

»Ich bin dazu nicht ermächtigt«, antwortete Bernhard.

»So laßt mich selbst mit ihm verhandeln, es wird sich dazu Gelegenheit finden, wenn Eure Regimenter herangekommen sind. Will sich Euer Führer mit Diskretion der königlichen Gnade anvertrauen, so bin ich bereit, nach Befund der Sache die Forderung eines mäßigen Ranges zu befürworten, ich selbst würde mich auf ein Wespennest setzen, wenn ich mehr täte.«

Mit diesem Bescheide wurde Bernhard entlassen.

Vor den Abgeordneten des Heeres wiederholte der Feldherr sein Anerbieten. Er war leutselig, ließ Wein kredenzen und trank den Fremden auf baldige Konjunktion zu. Bernhard erkannte, wieviel dem General daran gelegen war, den Zuwachs zu erhalten, und wie es ihm auch gelang, die gute Meinung der Abgesandten zu erwerben; und er hörte mit Verachtung, daß schwedische Offiziere mit seinen Begleitern verhandelten und daß leise Worte durch den Klang des Geldes Gewicht erhielten.

Als der Rittmeister mit den anderen Abgeordneten zu den weimarischen Regimentern zurückkehrte, fand er die gemeinen Soldaten nicht in guter Stimmung. Das Unsichere der Lage und die Strenge des Führers, welcher Gewalttätigkeiten gegen die Einwohner nicht leiden wollte, hatte viele unzufrieden gemacht. Dem General war durch seine stillen Vertrauten, die er am Lagerfeuer unterhielt, zugetragen worden, daß einzelne Kompanien schon darüber handelten, sich gegen ihn aufzulehnen und einen anderen Befehlshaber zu setzen. Mit bitterem Lachen vernahm er den Bericht des Freundes. »Als dein Schreiben kam, daß Herzog Ernst die Annahme verweigere, da schwand den alten Reitern das Vertrauen. Ich sage dir, die Undankbaren werden für sich annehmen und mich preisgeben.«

»Was willst du tun?«

»Aushalten«, rief Wilhelm. »Meint Herr Königsmark, daß ich mit seinen Pfennigen in der Tasche und der Schmach auf dem Haupte von dannen reiten werde, nachdem ich ihm acht stolze Regimenter zugeführt? Ich will diese hochmütigen Schweden noch zwingen, mich zu beachten; denn wisse, den Soldaten wird schnell die Reue und neue Unzufriedenheit kommen, und sie werden nach einem Mann aussehen, der für sie denkt und spricht.«

»Mit Gefahr seines eigenen Kopfes, wenn er der Schwedenkönigin den Eid geleistet hat.«

»Sorge nicht um mich,« sagte der General, »ich bin vorsichtig und will ihnen mit ihrer Münze bezahlen.«

In großer Versammlung der Offiziere wurde die Antwort des Schweden verhandelt und den Völkern zur Entscheidung vorgelegt; und der Soldat entschied, wie Wilhelm vorausgesagt, bereitwillig für den Marsch zum Königsmark.

7. Die beiden Sibyllen

Regine sah jetzt von der Höhe des Schlosses auf die Stadt herab und in die blaue Ferne, wo sie sich den lieben Bruder beim Heere des Schweden dachte. Sie war halb als Dienerin, halb als Gast in den fürstlichen Haushalt aufgenommen und hatte auch hier die Freude, sich ein wenig nützlich zu machen. Sie gefiel der Frau Herzogin, einer ruhigen Dame, welche ihrem Herrn mit Bewunderung und Liebe zugetan war und ihre Pflichttreue während einer langen Ehe durch die Geburt von achtzehn Kindern erwies. Obgleich damals von diesem großen Segen nur die ersten Offenbarungen sichtlich waren, so fand die erlauchte Frau doch bereits ihr Glück in stiller Häuslichkeit, indem sie Küche, Wäsche und Silberzeug des fürstlichen Haushalts überwachte und einen großen Teil ihrer Zeit im Sessel bei vornehmer Arbeit verlebte. In solchen Stunden saß Regine oft auf dem Bänkchen zu der Herzogin Füßen, und da der oberdeutsche Klang ihrer Sprache den Herrschaften wohlgefällig war, so wurde ihr das Amt zuteil, Predigten und anderes Erbauliche vorzulesen. Das tat sie mit Eifer, und sie hatte zuweilen auch Gelegenheit, darüber eine bescheidene Meinung gegen den Herrn Lizentiaten auszusprechen, dessen stillen Gruß sie täglich in den Gemächern der Herzogin empfing. Der Herzog selbst aber, der sonst den Frauen der fürstlichen Kammer keine auszeichnende Beachtung zuwendete, fuhr fort, an seinem Schützling ein besonderes Wohlgefallen zu empfinden. Er dachte zuweilen an das unschuldige Gesicht und das verklärte Lächeln, welches er an der Schlummernden beobachtet, dann nahm er das Blatt hervor, auf welchem der Lizentiat die kurzen Reden Reginas verzeichnet hatte, und nährte den Wunsch, wichtigere Enthüllungen von ihr zu erhalten. Ja, ihm begegnete, daß er einst die Tür zu den Zimmern seiner erlauchten Gemahlin öffnete und hinter dem Vorhange stehen blieb, als er die erzählende Stimme des Mädchens hörte. Aber da sah er die Herzogin vor einer Tafel sitzen und um sie die Kammerfräulein, welche, mit Schürzen über den Kleidern, gerade an Gläsern mit Eingesottenem hantierten, er vernahm, daß seine junge Sibylle im Eifer sagte: »Ihrer herzoglichen Gnaden empfehle ich den Nürnberger Brauch, denn dort kochen sie die Latwerge mit Birnmost.« Und dem Herrn mißfiel, daß eine der Frauen widersprach und den Widerspruch schonungslos mit Gründen stützte.

Doch auch ihm glückte nicht, die Fremde in der erwünschten Tätigkeit zu beobachten. Allerdings, wenn das Kammerfräulein, welches bei Nacht auf hohen Befehl Reginas Genossin war, pflichtgemäß über den Schlummer ihrer Nachbarin berichtet hätte, so wäre mancherlei Prophetisches zu melden gewesen, aber das Fräulein wurde durch die flehentlichen Bitten Reginas veranlaßt, nichts zu sagen. Und es schwieg um so lieber, als auch die Hofmeisterin der Ansicht war, daß dem ganzen adeligen Frauenzimmer wenig daran liegen könne, wenn eine Landfremde durch mondsüchtige Reden bei Hofe zu einer unerhörten Distinktion gelange.

Aber nur kurze Zeit sollte Regine in lichter Höhe atmen; vom Walddorfe her zog schwarzes Gewölk heran gegen ihren Frieden und gegen das Glück des Bruders.

In dem Amtsschreiber kämpften durch einige Wochen Furcht und Eifersucht gegen die alte Begehrlichkeit, mit welcher er nach dem Besitz der Jungfer Judith und ihres Hauswesens strebte. Er hatte mit grimmigem Haß Bernhards Wege belauert und in jener Nacht vom Rande des Gehölzes der Suchenden zugesehen. Ihr Werk war ihm unheimlich erschienen, obgleich er sonst im stillen die landläufige Angst vor Zauberkünsten verachtete. Aber die Scheu vor ihrer geheimen Wissenschaft legte ihm auch den Gedanken nahe, daß er als ihr Hausherr dadurch allerlei für sich gewinnen könne. Endlich bedachte er, daß der Fremde davongezogen sei und wohl nicht wiederkommen werde, und wagte sich in das Haus der Jungfrau, mit der Absicht, ihr einen Antrag zu machen. Aber er lief nach kurzer Zeit zornig heraus, sattelte mit bösem Blick sein Pferd und ritt nach der Stadt.

Am nächsten Morgen rollte ein großer Wagen, von Bewaffneten geleitet, dem Walddorfe zu, das gesamte Konsistorium des Landes befand sich darin, drei weltliche Richter und drei geistliche, unter diesen der Schloßprediger, und neben dem Kutscher hockte ein Schreiber. Die Herren saßen in würdigem Ernste wegen des schweren Handels, der ihnen bevorstand. Mehrere Jahre hatte Satan sich begnügt, seine Gegenwart durch die Versuchungen zu erweisen, welche er unzweifelhaften Christen in den Weg warf, aber er hatte den Geplagten kein förmliches Paktum zugemutet, jetzt jedoch war Aussicht vorhanden, wieder eine große Jagd auf den alten Bösewicht mit aller gesetzlichen Feierlichkeit anzustellen. Darum fühlten die Herren neben der Verwunderung und dem Grausen auch das düstere Behagen, welches mit jeder schweren Pflichterfüllung verbunden ist.

Sie waren kaum vor der Wohnung des Pfarrers abgestiegen, so flog, während sie sich noch durch mitgebrachtes Frühstück für die bevorstehende Arbeit stärkten, die Kunde von der Neuigkeit durch alle Hütten des Dorfes. Wer das Geheimnis zuerst ausbrachte, hätte niemand zu sagen vermocht, aber alle wußten darum; die Leute liefen aus den Häusern, starrten nach der Pfarre, flüsterten einander ins Ohr oder rangen die Hände, und wiesen mit heftigen Bewegungen nach dem Hause, das einsam jenseits des Baches stand. Zu den ersten gehörte die alte Ursel selbst, die sich wohl bewußt war, daß die Leute mancherlei von ihr argwöhnten; sie lief von der Wiese, auf welcher sie Wäsche bleichte, in den Hof zurück.

Judith saß auf dem Ehrensitz, den vor kurzem ein anderer innegehabt. Sie folgte mit ihren Gedanken dem Lauf eines trabenden Rosses, wiederholte seine Reden und ihr Auge leuchtete fröhlich, wenn ihr die Worte in der Erinnerung besonders gefielen. Da schrie die alte Dienerin entsetzt in der Tür: »Die Richter sind im Dorfe, sie sind gekommen, Hexen zu brennen.«

»Sie meinen dich«, rief Judith aufspringend.

»Und noch eine«, antwortete scheu die Alte. Judith hielt die Hand vor die Augen. Sie hatte nach dem rosigen Himmel geschaut und stand plötzlich vor einem gähnenden Abgrund. Im nächsten Augenblick gebot sie: »Entflieh!« und wies nach der Gegend des Rennstiegs. Sie selbst setzte sich wieder zu der Arbeit. Sie lauschte auf die Tritte der Alten, vernahm, wie diese hastig im Flüsterton mit dem Knaben sprach, sie hörte die Hinterpforte knarren und sah von ihrem Stuhl durch das Fenster, ob ein Späher in der Nähe sei. Dann rief sie den Knaben, holte aus der Truhe ein verschnürtes Bund, welches Bernhard bei ihr zurückgelassen, tat es in einen Korb und gab es dem Kleinen. »Dies gehört deinem Herrn, birg es in einem Versteck und trag es zu seiner Schwester; bitte, daß sie für dich sorgt, denn ich fürchte, Kind, du wirst bei mir nicht länger bleiben dürfen.«

»Die schwarzen Männer mögen sich in acht nehmen,« drohte Pieps, »mein Herr wird ihnen die Wege zeigen.«

 

Judith lächelte. Als der Knabe mit dem Korbe verschwunden war, schlug sie die Bibel auf, in welche der Vater ihr für die Todesnot einen Spruch geschrieben hatte, legte die Hände darüber und neigte das Haupt, dann setzte sie sich wieder in den Lehnstuhl vor das Spinnrad. Sie dachte, ob der Knabe auch noch Mittagbrot erhalten und ob die Bleß versorgt sei, aber sie stand nicht auf, um nachzusehen. Sie saß still und starr und fühlte dabei, wie ihr das Atmen schwer wurde, und daß sich langsam etwas Unbekanntes, Furchtbares auf ihre Brust legte.

Unterdes fanden die Herren Kommissare viel zu verhören und niederzuschreiben. Zuerst hatten die Dorfleute scheu von fern gestanden und der Amtsschreiber hatte den einen und den anderen zu den Richtern hineinziehen müssen mit der harten Bedrohung, daß das ganze Dorf der Zauberei verdächtig werde, wenn man nicht aussage. Allmählich gerieten die Leute selbst in wahnsinnigen Eifer; was ihnen im Anfange als unglaublich und ungeheuerlich erschienen war, das wurde unter dem Hin- und Herreden wahrscheinlich. Viele wollten etwas beobachtet haben, und zuletzt drängten sich die Schwachen und Einfältigen zum Verhör. Nicht alle Nachbarn, man sah auch traurige Mienen und zornige Gebärden, aber die so gesinnt waren, standen furchtsam beiseite.

So geschah es, daß am Nachmittage eine lange Reihe gefährlicher Beschuldigungen gegen die Jungfrau jenseits des Baches gesammelt war, von der Dienerin Ursula ganz zu geschweigen, da das Konsistorium diese nach fast einstimmiger Versicherung der Zeugen für eine Haupthexe halten durfte. Aber auch die Zauberkunst der Jungfrau war den Herren wahrscheinlich geworden. Sie hatte in Krankheiten geholfen, wo der Stadtmedikus vergeblich angegangen worden, durch übelschmeckende Tränke, durch Auflegen der Hände, ja sogar durch ihre bloße Nähe. Sie hielt zwei schwarze bezauberte Vögel, welche sich vor anderen Menschen als Amseln gebärdeten, sie hatte bei Raubeinbrüchen wiederholt ihr Haus unsichtbar gemacht, die Bleß gab eine unnatürliche Menge Milch; Leute, welche übel von ihr gesprochen hatten, waren plötzlich erkrankt, mehrere Kinder hatten erst vor kurzem in ihrer Dachluke einen Kobold oder Hausgeist in Gestalt eines Kindes mit roter Mütze gesehen, der gegen sie die Zunge ausgestreckt hatte; dazu kam vieles andere, was nach allgemeinem Glauben von Zauberinnen verübt wurde. Auch das Zeugnis des alten Pfarrers war nicht gerade günstig. Er gab zu, daß sie als Pfarrerstochter mit den Geheimnissen des Glaubens wohlbekannt sei und daß sie regelmäßig dem Gottesdienst und der Kommunion beigewohnt, indes habe sie sich niemals durch besonderen Eifer bemerkbar gemacht, auch lobte er, daß sie stets den Schein eines bescheidenen und ehrbaren Wesens bewahrt habe, dennoch mußte er auffällig finden, daß die Dorfleute und die ganze Umgebung eine gewisse Scheu und unerklärliche Furcht vor ihr gehabt, und er konnte nicht leugnen, daß ihr seit Jahren jedermann geheimnisvolle Künste zugetraut habe. Sie sei allerdings gegen viele hilfreich gewesen, doch bleibe immer noch der Zweifel übrig, ob dies nicht aus Schlauheit geschehen sei, um gute Meinung zu gewinnen; auch sei ihm zuweilen auffällig geworden, daß ihre Heilungen nicht lange Bestand gehabt und daß die Genesenen bei nächster Gelegenheit wieder in harte Krankheit gefallen waren; und wenn ihm selbst auch sehr schwer werde, daran zu glauben, daß eine Jungfrau, welche von geistlichen Eltern stamme, sich auf Zauberei eingelassen, so sei doch sicher, daß die fromme Jungfer Königin, welche jetzt unter herzoglicher Protektion in der Stadt weile, in einer ihrer Visionen zweifelhaft von dem Glauben der Angeklagten gesprochen habe.

Es war Nachmittag geworden, als die Kommissare sich aus dem Pfarrhofe mit feierlichem Schritt nach der Wohnung Judiths bewegten und die Bewaffneten an der Pforte aufstellten. Hinter ihnen zog die ganze Gemeinde und umringte neugierig das Haus; während die einen erschreckt und traurig auf die Fenster starrten, dachten die Schlechtesten bereits daran, daß Haus und Hof begehrenswerte Dinge enthielten, welche besser in ihren Hütten, als in den Händen der Richter aufgehoben sein würden.

Judith stand allein in der Stube, sie wußte jetzt, daß sie schutzlos dem Untergange preisgegeben war durch eine Anklage, welche größere Todesgefahr brachte als der Biß einer Kreuzotter an heißem Tage. Aber ihr Schmerz war in diesem Augenblick niedergekämpft, hochaufgerichtet und in stolzer Haltung trat sie den Herren gegenüber, so daß diese mit mehr Höflichkeit und Vorsicht, als vorher in ihrer Meinung gewesen war, das Verhör begannen. Sie begutachteten Kräuter und Flaschen und sorgten dafür, daß der Vorrat, welcher unheimliches Rüstzeug des Bösen sein konnte, aus dem Zimmer entfernt wurde. Judith antwortete auf alle Fragen ruhig, sicher und mit klugem Bedacht. Sie erzählte, daß sie ihre Heilkunde von dem verstorbenen Vater erlernt, sie öffnete die Kammertür, und als ein schwarzer Vogel hereinflog, stellte sie ihm die Bibel hin und der Vogel setzte sich nach einem Wink darauf und pfiff seine Weise, so daß der alte Konsistorialrat Glassius laut sagte: »Mir wird leichter ums Herz, denn dieser Vogel scheint durchaus eine natürliche Amsel«, bis einer der Kollegen das Titelblatt des heiligen Buches aufschlug und, nach dem Druckort sehend, bedeutsam sagte: »Schismatisch«. Da wurde der Vogel noch verdächtiger als er gewesen. Judith lächelte stolz, als das rote Käppchen des Hausgeistes erwähnt worden war, und sie antwortete: »Den hochehrwürdigen Herren ist ja bewußt, daß Kinder und Erwachsene auf dem Lande überall Erdmännchen und Hausgeister sehen.«

Als sie gefragt wurde, wo ihre Dienerin Ursula sei, erklärte sie, das nicht zu wissen, und als ihr die Äußerung Reginas zu Gemüte geführt wurde, antwortete sie kurz: »Ich war der Jungfer fremd«, und setzte nach einer Weile in herbem Tone hinzu: »Ich denke, es geschah ihr ein großer Dienst, daß sie von mir weg nach der Stadt geholt wurde.«

So stark war der Eindruck, welchen ihr festes Benehmen auf die Verhörenden machte, daß sie milder gestimmt wurden und sich der Ansicht zuneigten, die Hauptschuld der Angeklagten sei am Ende nur ein verwegenes Kochen von Kräutern, welches mit Kirchenbuße und strenger Gefängnishaft zu sühnen wäre. Doch freilich blieb einiges sehr Bedrohliche zurück, vor allem als schwerste Anschuldigung, daß sie in der Nacht an unheimlicher Stelle im Walde bei zauberischem Werk gesehen worden war und bei ihr der alte Versucher in Gestalt des wilden Jägers. Als sie darüber befragt wurde, rötete sich ihr bleiches Gesicht und sie schwieg hartnäckig, so daß die Herren einander kopfschüttelnd ansahen. Und als der verhörende Richter darauf mit größerer Strenge über ihren vertraulichen Verkehr mit dem höllischen Nachtjäger zu inquirieren begann, da brach ihr empörtes Gefühl leidenschaftlich heraus und sie rief mit blitzenden Augen: »Schmach und Schande über die Herren, daß sie es wagen, einer ehrbaren Jungfrau so schamlose Fragen zu stellen. Hätte ich die Macht, ich würde euch aus dem Hause jagen, wie man einen bösen Hund hinausjagt.« Sie schlug die Arme übereinander, blieb stumm und keine Drohung mit Gewalt und peinlichem Verhör vermochte ihr fortan ein Wort abzugewinnen. Da freilich erkannten die Richter das verhärtete Gemüt und daß der Prozeß mit aller Strenge durchzuführen sein werde, und weil auch der Tag dahinschwand und das Abenddunkel die Stube der Zauberin noch unbehaglicher machte als sie sonst schon war, so wurde das Protokoll schnell geschlossen. Der Jungfrau ward mitgeteilt, daß sie in Haft sei, und da das Dorf kein Gefängnis hatte, wurde zur Behütung der Gefangenen, sowie zu der nicht weniger wünschenswerten Bewahrung ihrer Habe befohlen, daß zwei Bewaffnete bei Tag und Nacht an dem Hause wachen sollten. Der Schloßprediger aber, dem vieles an der Gefangenen gefallen hatte, vielleicht auch, daß sie der Jungfer Regine ohne Zuneigung gedacht, bestand darauf, daß ihr als einer Pfarrerstochter bis nach gefällter Sentenz eine christliche Frau aus dem Dorf zur Beschaffung des notwendigen Lebensunterhaltes beigeordnet werde. Als die Leute draußen gefragt wurden, wer das Amt übernehmen wolle, war niemand bereit; endlich trat ein halbwüchsiges Mädchen hervor und sagte weinend: »Sie hat meine Mutter in der letzten Krankheit gepflegt. Der liebe Gott wird mich nicht verstoßen, wenn ich zu ihr gehe.« Da die Richter ungern die eigene Rückfahrt aufschieben wollten, nahmen sie das Mädchen schleunig in Pflicht, verschlossen das Haus und übergaben den Schlüssel dem Pfarrer.