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Die Ahnen

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»Ihr Messer hat den Grafen Bohemund von Tripolis getötet«, rief einer der Edlen, und ein anderer: »Zwei Komture von St. Johannes und ein Meister der Templer sind durch sie gemordet.«

»Es ist eine Bruderschaft ehrloser Schufte,« erklärte der Graf von Meran, »die Meuchler, welche sie gegen ihre Feinde aussenden, schleichen durch jede Tür und dringen durch den Ring der Leibwache. Auch die Sultane des Islams hegen in ihrem Harem Angst vor ihnen und kaufen sich durch Jahrgeschenke los von der täglichen Sorge um heimlichen Mord!«

»Dann sind diese Heiden in der Kunst des Messers besser erfahren, als deine Welschen, Humbert, denen es an gutem Willen auch nicht fehlt«, versetzte der Kaiser ungerührt.

»Die Templer haben ihren Brüdern verboten,« fuhr der Graf fort, »gegen das Ungetüm dort zu kämpfen, weil sie demselben ritterliche Ehre nicht zugestehen. Sie allein unter allen Anwohnern des Libanons werden von den Mördern gefürchtet, denn sie haben ihnen Land abgenommen und die Burg Safitah darauf erbaut.«

»Wir haben zuweilen die Redlichkeit kennengelernt, mit welcher die Templer ihre Gegner in Worten und Werken behandeln,« sagte Friedrich verächtlich; »und es gibt ein Sprichwort, daß auch der üble Teufel nicht so schwarz ist, wie die Leute ihn schildern. Jener dort kommt doch nicht mit dem Messer, sondern mit dem Speere, und fordert ritterlich zum Kampfe, ich denke, wenn er einen Johanniter geworfen hat, werden meine Deutschen ihm den Gegengruß nicht schuldig bleiben.« Er sah im Kreise umher, eine Zahl Edler sprengte aus dem Haufen, des Kaisers Blick haftete auf Ivo. »Reitet hinaus, Herr, und faßt mir diesen Uhu, gegen welchen alle meine Raubvögel die Federn sträuben.«

Ivo winkte seinem Marschalk und eilte sich zu waffnen, während Henner mit dem Dragoman und einem Rufer in das Feld ritt. Das ganze Heer sammelte sich zu dem bevorstehenden Streite, auch der Kaiser hielt erwartungsvoll auf der Stelle; der Fremde aber sprengte, als der gebotene Kampf angenommen war, von der Höhe herab und tummelte stolz sein Roß, den Antritt des Gegners erwartend. Als Ivo im Harnisch aus dem Lager kam, laut begrüßt von den Kreuzfahrern, begann Henner, der den Ismaeliten seither nicht aus den Augen gelassen hatte, vertraulich: »Er ist ein kräftiger Gesell, und im Schwertkampf wird er Euch Not machen. Aber er ist noch jung und versteht seine Kunst nicht zu bergen, immer wieder wirft er sein Pferd zur rechten und gleich darauf zur linken Hand, um dann ein Stück in Rabbia geradeaus zu sprengen. Er will das Tier an seine Kunst mahnen. Kommt Ihr ihm im Anritt nahe, so wird er das Pferd umlenken, das gerade Rennen vermeiden und Euch wie ein Blitz à travers anfallen. Solche Künste sind auf unserer Rennbahn auch bekannt, nur daß sein Tier mehr einem Aale gleicht als einem Pferde. Seht, Herr, wie ein Wunder schwingt es sich. Wenn Ihr im rechten Augenblick zum Gegenstoß dreht und Euer Fuchs nicht versagt, so mögt Ihr ihn wohl überrennen.«

»Ihr ratet gut,« versetzte Ivo eifrig, »laßt blasen, ich bin bereit.«

Die Kämpfer ritten auf den Platz, Ivo grüßte, die Lanze neigend, der Ismaelit antwortete in derselben Weise. Der Fremde wandte sich nach Norden und Ivo nach der Gegend, wo Jerusalem lag, während beide ihr Gebet sprachen. Dann klangen hell die Fanfaren und beide rannten gegeneinander; unterdes hielt der Marschalk die Hand auf sein klopfendes Herz. Aber der lautlosen Stille im Christenheere folgte helles Siegesgeschrei, denn dem gefährlichen Anfall auf die ungedeckte Seite begegnete Ivo durch schnelle Wendung im Laufe, sein Speer zerbrach am Metallschild des andern, aber die Wucht des schweren Reiters und seines mächtigen Pferdes warf wie der Stoß eines Sturmbocks den Gegner und sein schwächeres Roß zu Boden. Der Ismaelit lag, von dem Rosse geklemmt, der Helm war ihm abgesprungen und aus seinem jugendlichen Gesicht starrten die dunklen Augen auf Ivo, den Todesstoß erwartend. Dieser war zu Boden getaucht und hielt die Schwertspitze über den Hals des Gegners, welcher kein Zeichen gab, daß er Schonung begehre. »Gut geritten, Ivo,« rief der Kaiser herzureitend, »schenke mir sein Leben, wenn er es selbst nicht begehrt. Löst ihn vom Rosse, entwaffnet ihn und schafft ihn zu unseren Zelten, mein arabischer Arzt soll nach seinen Schäden sehen. Ich bin dir dankbar, Ivo, daß du diesen Scheucher für meinen Vogelherd eingefangen hast.«

Die Begleiter des Fremden waren während des Kampfes näher geritten, sie stießen nach dem Fall ihres Gefährten einen gellenden Klageschrei aus und verschwanden hinter den Hügeln. Der Geworfene, welcher schwer am Bein beschädigt war, wurde auf einer Trage zu den Hütten geschafft, welche das kaiserliche Zelt umgaben, und Friedrich trug dem Sieger die Sorge und Wache über den Kranken auf.

Als Ivo mit einem Dragoman an das Lager des Ismaeliten Hassan trat, begegnete seinen forschenden Augen ein wilder Blick voll geheimer Seelenqual, aber seinem gehaltenen Gruß antwortete der Fremde in gleicher Würde, indem er mit der Hand an Brust und Haupt rührte. Der Wächter meldete: »Er hat sich geweigert, Nahrung zu nehmen, und hat auch den Trank zurückgewiesen, den der Arzt bereitet hat.« Da sagte Ivo: »Während du als Gefangener des Kaisers unter uns weilst, habe ich die Pflicht, für deine Sicherheit und für dein Wohl zu wachen. Ich bitte dich, erschwere mir nicht mein Amt.«

Der Fremde antwortete finster: »Habt Ihr mein Leben bewahrt, um ein Unterpfand zu erhalten, durch welches Ihr meinen Stamm demütigen könnt, so ist Eure Hoffnung vergeblich. Sind mir auch die Waffen genommen, ich weiß auf dem Lager die Lösung zu finden, die mir dein Schwert versagt hat.« Er legte sich zurück und wandte sein Haupt ab.

»Du sprichst, wie einem Tapferen gebührt,« versetzte Ivo, erfreut über den Stolz des anderen, »doch du kennst unsere Sitte nicht. Wer im ritterlichen Kampf Gefangener des Kaisers wird, dem mutet dieser nichts zu, was für einen Helden schmachvoll wäre. Unterdes rate ich dir, für deine Genesung zu sorgen, denn gerade so wie jetzt, bist du auch später Herr deines Schicksals, wenn dir das Leben verleidet wird.«

»Wenig liegt an dem Leben eines Besiegten«, rief der Ismaelit.

»Du hast dich unserm Kampfbrauche gefügt und mein Roß stärker gefunden als das deine; hätten wir den Kampf ausgefochten in der Weise deines Volkes, so würdest vielleicht du der Sieger sein«, tröstete Ivo. »Darum verzweifle nicht, sondern denke mutig auf neuen Streit. Bringt ihm Trank und Kost, damit ich‘s ihm anbiete.« Ivo aß ein wenig von der Speise und setzte den Trank an die Lippen. »Nimm,« lud er freundlich ein, »und laß dir die Heilung gefallen. Beide sind wir jung und haben in unserem Leben noch Ruhm und gutes Glück zu hoffen.«

Der Fremde empfing den Becher aus der Hand seines Wirtes und sah ihn mit dankbarem Blicke an.

Einige Tage darauf sprach Ivo am Lager des Ismaeliten: »Bei uns ist Sitte, daß ein gefangener Held sich durch hohen Eid verpflichtet, während der Haft nichts gegen das Wohl seiner Wirte zu tun und nicht durch Flucht zu entweichen. Gern würde ich dir deine Gefangenschaft erleichtern, wenn ich wüßte, ob dich ein Eid bindet und wie dieser Eid lautet. Doch zürne mir nicht, wenn ich dir auch sage, daß viele unter uns den Männern deines Volkes nicht vertrauen, weil ihr fremde und unehrliche Bräuche übt und heimliche Todesboten gegen eure Feinde sendet.«

Der Ismaelit sah finster vor sich nieder. »Ich bin ein Krieger und gehöre nicht zu der kleinen Zahl der Geweihten, denn nur diese dienen unserm Scheik mit dem Messer. Wisse, Franke, verschieden sind die Pflichten des Lebens unter uns, gerade so wie bei euch. Stehen wir auch alle als Schwurgenossen zueinander, so folgt doch jeder dem Gesetz, welches seinem Berufe gegeben ward. Sieben sind der Stufen zu dem höchsten Amt, auch bei uns arbeitet der Landbauer sorglos auf seinem Acker, der Edle bewahrt seine Ehre, die Weisen hüten die Gedanken des Volkes, und unser Vater, der Scheik, sorgt als ein Heiliger über alle. Die Krieger und Weisen geben ihm Rat, wenn er ihn verlangt, sie sprechen Recht in den Tälern und kämpfen mit den Feinden. Nur was gegen die Fremden geschehen muß zur Ehre des Glaubens und der ganzen Bruderschaft, darüber waltet der Scheik allein, denn dazu ist er von Gott begnadet, und sein Ausspruch, an dem wir nicht deuten, ist unfehlbar.«

»Wie mögt ihr euch, wenn ihr Männer seid, solcher Herrschaft eines Mannes fügen, der eure Seelen und Gedanken führt, wie der Hirt die Schafherde?«

»Auch ihr gehorcht, wie wir vernehmen, einem Scheik, den ihr den heiligen Vater nennt, er öffnet und schließt euch die Tore des Christenhimmels, und auch ihr dient ihm willenlos auf den Knien.«

Erzürnt rief Ivo: »Wage nicht, eure teuflische Lehre mit dem milden Gesetz der Christenheit zu vergleichen. Unser Glaube ist durch heilige Verkündigung festgesetzt und alle unsere Bischöfe und frommen Väter haben darüber zu wachen, daß er rein bewahrt werde. Unser heiliger Vater ist nur der erste unter ihnen, und wir dienen ihm, soweit er weise und redlich ist. Mehr als einem Papst haben Geistliche und Laien widerstanden, und er wurde herabgeworfen von seinem Stuhl, weil er unwürdig war.«

Der Fremde legte sich, ohne zu antworten, auf sein Lager zurück.

Als Ivo dem Kaiser die Unterredung berichtete, sprach dieser: »Zeige ihm Vertrauen, ich wette, es ist mehr Redlichkeit in diesem Heiden, als in manchem Christen.« Und auf Ivos ehrerbietige Mahnung, daß die Sicherheit des Kaisers Vorsicht gebiete, versetzte er gleichgültig: »Wisse, du sorgsamer Deutscher, wenn Messer und Gift eines Meuchlers den Kaiser zu erreichen vermöchten, so wäre er längst aller irdischen Sorge enthoben. Oft war ich begierig, das Geheimnis zu erkunden, welches die Bruderschaft vom Messer verbindet, denn ihr Scheik, wie er auch sei, hat doch etwas Großes bewirkt, sein ganzes Volk gehorcht ihm bis zum Tode. Wären sie die Bösewichter, wozu ihre Nachbarn sie gern machen, so hätten sie sich längst untereinander gleich Ratten vertilgt. Bist du des Helden Hassan besser versichert, so will ich ihn selbst ausfragen. Denn er gilt in seinem Volke für einen großen Mann, und er ist, wie die Templer behaupten, ein Schwestersohn und Liebling des Scheiks.«

 

Friedrich widerstand der Versuchung nicht lange; eines Abends trat er verhüllt in die Hütte, redete den Ismaeliten in arabischer Sprache an, und als er nach langer Unterredung schied, sagte er befriedigt zu Ivo: »Sie haben verrückte Bräuche, und ihre Messer sind in Wahrheit unhöflich. Die Scheiks haben für sie einen eigenen Glauben gemacht, indem sie vorgeben, daß die göttliche Offenbarung von Moses zu Christus gekommen sei, von diesem zu Mohammed und daß sie jetzt aufs neue verkündet werde von ihnen selbst. Dennoch sind sie nicht ganz Teufelskinder. Dein Gefangener fragte ganz verständig nach dem Gesetz der Christen. Ich habe ihm seine Freiheit angekündigt, und sobald er genesen ist, mag er zu seinen Bergen ziehen. Vielleicht gelingt es uns, diese Wilden an bessere Sitte zu gewöhnen.«

Trotz dem Vertrauen des Kaisers bewachte Ivo doch sorgsam die Hütte des Fremden, denn ihm kam vor, als ob dieser geheimen Verkehr unterhalte, und die Wachen mußten einigemal fremdartige Gestalten verscheuchen, welche sich in die Nähe drängten. Aber der Argwohn gegen den Ismaeliten schwand in größerer Sorge. Eine Gesandtschaft des Sultans Elkamil war in das Lager gekommen, und als Ivo bei dem Kaiser eintrat, fand er diesen in einer zornigen Aufregung, welcher der kluge Fürst selten unterlag. »Weißt du, was der Bote des Sultans mir zugetragen hat? Daß die Treue von den Christen gewichen und zu den Heiden gezogen ist, ich stehe hier von meinen Mitchristen preisgegeben und verraten und ich verdanke nur dem Hochsinn eines Sarazenen, daß ich nicht ein Gefangener bin. Zwei Briefe sendet der höfliche Sultan, welche Christen an ihn geschrieben haben, der eine ist von dem heiligen Vater selbst, welcher den Sultan warnt, mit mir zu verhandeln, denn ich sei gebannt, und alle Verträge, die ich schließe, seien nichtig; der andere Brief des Schurken Montague verrät dem Heiden gar die Stunde, in der wir täglich mit kleinem Gefolge in das nahe Tal reiten, um dort zu baden, damit der Sultan uns durch seine Reiter ergreife. Wie gefällt dir, du deutscher Sänger, die neue Weise, in welcher meine Feinde den Sarazenen ins Ohr singen? Und wer hat den Templern zugetragen, daß wir im Bade zu fassen sind?«

»Gebt uns Deutschen die Erlaubnis,« rief der empörte Ivo, »den Bösewicht Montague zu greifen, und wir reißen ihn mitten aus seiner Bruderschaft und führen ihn gebunden an die Sättel unserer Pferde in dies Lager und vor Euer Gericht.«

»Ich weiß, daß ihr Thüringe behende seid, widerwärtige Leute an eure Sättel zu binden«, antwortete der Kaiser, ein wenig besänftigt durch den Zorn des Getreuen. »Aber solange du mir diesen Ritterdienst nicht gegen alle Feinde erweisen kannst, danke ich dir dafür; denn er würde das Übel nur ärger machen und uns schnell aus dem heiligen Lande hinaustreiben. Anderes gebietet dem Kaiser sein Amt. Willst du wissen, was?« Er nahm zwei Briefe von der Tafel, warf sie in einen Kasten und schlug den Kasten zu. »Schweigen und stillhalten, bis der Tag der Rache kommt. Unterdes sind diese Briefe für mich nicht geschrieben, und auch du vergiß, daß du von ihnen gehört hast.«

Der Kämmerer trat ein. »Zürnt nicht, wenn ich Nichtiges melde. Zwei Fremdlinge, die mehr bartlosen Knaben als Männern gleichen, erflehen Zutritt. Sie tragen sich wie syrische Landleute, doch sprechen sie nur arabisch, und auch davon kam wenig über ihre Zunge.«

»Frage selbst, was sie begehren«, befahl Friedrich abweisend.

»Nur dem großen Emperor dürften sie den Auftrag sagen.«

»Dann kommen sie wegen geraubter Frauen oder Hammel. Der Sarazene Abdallah soll mit ihnen reden.«

Aber im nächsten Augenblick trat der gerufene Leibwächter ein, entsetzt, als hätte er einen Geist gesehen. »Sie kommen vom Scheik aus den Bergen, es sind verkleidete Fedavie mit den Messern. Gestatte, daß wir sie niederhauen, bevor sie stechen.«

»Ich bin dem Alten dankbar, daß er gleich zwei seiner Wespen an uns verschwendet«, sagte Friedrich betroffen. »Torheit«, unterbrach er sich selbst. »Ich habe ihm nie etwas zuleide getan. Ladet den Helden Hassan zu mir, doch geleitet ihn durch den anderen Eingang; alsdann führt die Boten herein, ich will sie selbst sehen.«

Als Hassan waffenlos, mit tiefer Verneigung eintrat, hob der Kaiser ein reichgeschmücktes Krummschwert, wie es die Morgenländer zu führen pflegten, aus den aufgestellten Rüstungen und reichte dasselbe dem Ismaeliten. »Ich empfange Boten deines Scheiks, sie sollen dich als freien Mann unter uns erkennen, nimm die Waffe und stelle dich neben mich.«

Ivo warf einen flehenden Blick auf den Kaiser und beugte das Knie. »Gut,« nickte Friedrich, »ich halte mich seitwärts, du magst an meiner Statt in die Mitte treten; ihr Wachen lüftet die Klingen und bringt sie her.«

Zwei unansehnliche Gestalten mit fahlen, verlebten Gesichtern und glanzlosen Augen traten herein, warfen sich am Eingang zur Erde und schlugen mit dem Haupt auf den Teppich, dann griff der eine in das Gewand, brachte einen Brief, der mit goldener Schnur umwunden war, hielt ihn an Herz und Haupt und legte ihn ehrfurchtsvoll in Ivos Hand. Dieser überreichte den Brief dem Kaiser. »Der Alte führt ein Siegel wie andere große Herren,« murmelte Friedrich neugierig, »und sogar sein Wappenzeichen, das Messer.« Er las, ihm entschlüpfte ein Ausruf des Erstaunens, und er gab den Brief an Hassan. »Lies, Held, und sage mir, ob alles ehrlich gemeint ist, was in diesen Zeilen steht.«

Der Ismaelit rührte mit der Hand an seinen Hals und versetzte stolz: »Mein Haupt sei dir Unterpfand, verächtlich ist die Lüge in den Bergen, auch unsere Feinde haben nie an der Wahrheit unserer Rede gezweifelt.«

Der Kaiser blickte ihm scharf in die Augen. »Ich vertraue dir. Wisse, Ivo«, begann er gutgelaunt in deutscher Sprache, die keiner der Anwesenden verstand, »dieser Tag bringt vieles Unerwartete; nicht nur der Sultan, auch der Scheik aus den Bergen erweist sich als ein wohlgefälliger Nachbar. Er dankt ganz höflich für die gute Behandlung seines Neffen Hassan, schreibt Ehrenvolles über die Hochherzigkeit, die ich diesem bewiesen habe, und bittet mich, einen Weisen zu senden, der mit ihm und seinen Gelehrten über den Glauben der Christen verhandeln könne. – Er weiß nicht, daß ich gebannt bin und daß ich nicht sogleich einen frommen Vater auftreibe, der in arabischer Sprache zu streiten vermag. – Zuletzt beweist er seine Achtung vor unserem Christentum dadurch, daß er mir diese hier zum Geschenk sendet.« Er wies auf die beiden Boten, welche am Eingange des Zeltes kauerten mit gesenkten Häuptern und stieren Augen gleich Stumpfsinnigen. Ivo sah in Widerwillen auf die Gesandten. »Was sollen Eurer Majestät diese kraftlosen Männer?«

»Auch der Alte wird schwerlich auf ihre Stattlichkeit stolz sein, aber er hält sie für nützlich. Zwei Seelen seiner Geweihten schenkt er mir und zwei Messer, damit ich sie, wie der wilde Heide schreibt, gegen meine Feinde gebrauche. Denn wisse, so kläglich sie aussehen, sie sind begeistert in ihrem Glauben, kein Hindernis und keine Gefahr hemmt, wie er behauptet, den Todesgruß, welchen sie tragen, und keine Marter lockt ihnen ein Geständnis ab. Wunderlich ist eine Macht, welche so über das Leben anderer verfügt, schneidende Werkzeuge sind diese Knaben in der Hand ihres Herrn, und dieser Herr soll fortan ich sein.«

»Mein Kaiser aber wird dem Geber die fluchwürdige Gabe zurücksenden«, bat Ivo.

»Du bist schnell«, versetzte Friedrich, mit düsterm Behagen auf die Willfährigen blickend. »Wer die Geschenke eines Morgenländers ablehnt, beleidigt ihn schwer, und der Alte in den Bergen vermag ein wertvoller Freund zu werden, ja noch mehr, er findet sogar ein Wohlgefallen an unserem Glauben.«

»Begehrt er in Wahrheit gutes Einvernehmen mit den Christen,« fuhr Ivo flehend fort, »so ist die erste Bedingung, daß er dem teuflischen Gebrauche der Messer entsage, denn kein Zutrauen ist möglich zu einem Volk, dessen Glaube ehrlose Taten heiligt. Niemand aber vermag ihm das so eindringlich zu sagen, als des Kaisers Majestät, wenn Ihr seiner Sendung entgegenhaltet, daß sie mit dem Gesetz unseres Glaubens unverträglich sei.«

»Du hast ganz recht,« versetzte der Kaiser ruhiger, »wenn du ihre Messer ehrlos nennst. Handeln aber die Christen anders?« Er wies auf das Kästchen. »Waren das nicht auch ehrlose Dolche, die gegen mich geschwungen wurden?«

»Viele Missetat geschieht unter uns, welcher wir fluchen,« entgegnete Ivo, »doch die Missetäter trifft in dieser Welt Zorn und Verachtung der Redlichen und vielleicht der Arm des irdischen Richters; und in jenem Leben, wie wir belehrt sind, die Schrecken der Ewigkeit.«

»Dein Kaiser ist auf Erden der höchste Richter,« antwortete Friedrich, »und er hat oft gefühlt, daß in Notzeiten sein Arm schwach ist, die Missetäter zu strafen. Da die Römer noch Heiden waren, bildeten sie ihren höchsten Gott Jupiter ab, wie er ein Bündel rächender Blitze in der Hand hielt, sie konnten kein besseres Zeichen göttlicher Macht erfinden. Wahrlich, diese Knaben, welche sich für ihren Herrn dem Tode geweiht haben, sind solchen Blitzen vergleichbar.«

Erschreckt durch diese Worte, warf sich Ivo dem Kaiser zu Füßen und rief: »Oh, mein gnadenvoller Herr, bannt die finsteren Gedanken aus Eurem edlen Geiste, denn der üble Teufel versucht die Guten durch seine Unholde, die er ihnen in den Weg sendet. Auch der Höchste und Beste auf Erden soll sich hüten, daß ihm nicht in schwerer Stunde die dienstwilligen Boten der Hölle als gute Gehilfen erscheinen für eine ehrliche Tat. Eurer Rache dienen die Schwerter der Redlichen und die Gewalt des laut verkündeten Richterspruches, nicht die heimliche Waffe der Verschwörer; ein heller Tagesfürst seid Ihr uns und nicht ein Gebieter finsterer Schatten.«

»Erhebt Euch, Herr,« rief der Kaiser unwillig, »allzu dreist mahnt Ihr vor Zeugen Euren Gebieter.« Da Ivo traurig zurücktrat, fügte er freundlicher hinzu: »Du meinst es gut, das weiß ich wohl, aber hege ein besseres Zutrauen zu mir. Sehe ich aus wie einer, der Meuchler sendet, um sich lästiger Feinde zu entledigen? Wahrlich, meine Gegner dürfen sich nicht beklagen, daß ich ihnen die Freude, mir zu schaden, unredlich verkürze. Wenn ich etwas von Notfällen sagte, so waren es nur solche, die ein König allein versteht. Tröste dich, Ivo, jene Stummen mögen abwarten, bis wir den Alten selbst auf bessere Gedanken gebracht haben, vielleicht behältst du recht, und ich kann sie ihm zurücksenden, ohne daß er sich gekränkt fühlt. – Du, Hassan, sprich zu den verlorenen Kindern deines Volkes, ihr anderen aber achtet darauf, daß sie nicht im Lager umherschweifen, und überlaßt sie sonst ihren eigenen tiefen Gedanken.«

Der unablässigen Sorge, mit welcher Ivo die Behausung der unheimlichen Gesellen bewachte, wurde er bald darauf durch den Kaiser selbst enthoben.

»Sattle, Held,« rief Friedrich dem Eintretenden zu, »du sollst einen weiten Weg für mich reiten. Nach dem Norden entsende ich dich mit einer Botschaft an den Sultan von Damaskus, du wirst ihn und sein Heer am Libanon finden, wo er mit den Johannitern um die Grenzsteine hadert. Von dort magst du ihn nach Damaskus begleiten, dort kannst du den Hofhalt eines reichen Morgenländers schauen, Geschenke bringen und empfangen.«

Ivo dankte durch einen frohen Blick. »Deine Augen sind unhöflich,« lachte der Kaiser, »sie verraten, wie glücklich du bist, meiner Nähe zu entrinnen. Entschuldige dich nicht,« fuhr er gütig fort, »und eile zurückzukehren. Auch deinen Schützling, den Ismaeliten, wirst du entlassen; ich sende zugleich mit dir den Grafen Humbert nach dem Libanon, er soll dem Scheik seinen Helden übergeben und meinen Dank für die Messer zurücktragen, die der Alte mir gesandt hat. Ich meine, dir wäre der Auftrag unwillkommen.«

»Ich danke, daß des Kaisers Majestät mich dieser Fahrt enthebt«, versetzte Ivo aufrichtig. »Möge Eure Huld dem Hassan eine ehrliche Heimkehr sichern, denn er hat sich unter uns unsträflich gehalten und doch geringe Freundlichkeit gefunden.«

»Du selbst kannst für deine Speerbeute sorgen, denn du reitest bis zu den letzten Burgen der Christen mit dem Grafen Humbert zusammen.«

Ivo machte eine Bewegung. »Ihr lebt beide unter dem Kreuz«, mahnte Friedrich ernsthaft. »Die Heiligen, denen ihr jetzt dient, fordern mancherlei Entsagung. Das Land ist unsicher, und ihr werdet gut tun, scharf auszusehen.«

Der Graf trat ein mit anderen Herren des Gefolges. Bevor der Kaiser sie anredete, schlüpfte aus der Seitentür ein maurischer Knabe und übergab kniend ein kleines Pergamentblatt. Friedrich las, seine Miene umwölkte sich, er setzte sich schweigend in den Sessel, las wieder und sah prüfend auf Ivo und den Grafen. Endlich erhob er sich, und nachdem er die Aufwartenden entlassen hatte, begann er in gebietendem Tone gegen beide von der vertrauten Sendung. Aber Ivo vermochte seine Überraschung nicht zu bergen, als der Kaiser dem Grafen Humbert die Gesandtschaft an den Sultan von Damaskus auftrug, ihm aber die Reise zu dem Alten vom Berge. Der Graf warf von der Seite einen wilden Blick des Triumphes auf Ivo und verneigte sich dankend gegen den Herrn. Als der Thüring folgen wollte, trat Friedrich auf ihn zu, und ihn scharf anblickend, sprach er: »Ich habe dir zuweilen gezeigt, daß du mir wert bist. Wenn du jetzt in stillem Verdruß die unwillkommene Reise antrittst, so wisse, Ivo, daß ich dir einen größeren Beweis meiner Neigung nicht geben konnte, als gerade den, daß ich dein Amt und das eines andern vertauschte.« Er gab ihm mündliche Aufträge, das Schreiben an den Scheik, das Verzeichnis der Geschenke und schloß: »Deine Ritter würden dir in dem fremden Land ohne Nutzen sein, nimm statt ihrer einen Beritt meiner Leibwächter, welche Sprache und Sitte des Morgenlandes kennen, du kannst dich für Leben und Tod auf sie verlassen. Um deine Thüringe werde ich unterdes sorgen. Sende mir den Hassan, damit ich selbst ihn entlasse.«

 

Sonst war Ivo jedem neuen Abenteuer fröhlich entgegengezogen, als er heut aus dem kaiserlichen Zelt trat, war ihm das Herz so schwer, wie niemals in seinem Leben und er schalt sich selbst darüber. Auch seine Ritter trauerten. »Zum erstenmal reitet mein Herr ohne mich unter Feinden«, klagte Henner, und Lutz bat: »Nehmt wenigstens den Rabensohn mit Euch, der uns aus dem Harem zugeflogen ist, denn er versteht das Schnarren und Krächzen alles Geziefers in diesem Lande.«

Mit sechs maurischen Leibwachen und den Saumrossen ritt Ivo, begleitet von Hassan und dem jungen Nubier, zum Sammelplatz des Lagers, gleich darauf kam der Graf von Meran mit großem Gefolge, darunter Brüder von St. Johannes und dem Tempel, welche nach ihren Burgen im Norden reisten. Ivo sah, daß in der ganzen Gesellschaft kein Deutscher war, nur Provenzalen und Welsche. Graf Humbert gab das Reisezeichen und die kleine Schar sprengte aus dem Lagerwall der Küste zu. Als sie eine Strecke geritten waren, trieb der Graf sein Pferd zu Ivo heran. »Der Kaiser will, daß Ihr die Reise bis zu den Grenzburgen in meiner Gesellschaft macht. Da Ihr ein Deutscher seid, so ist nicht unnütz, Euch zu erinnern, daß ich den Befehl habe und daß Ihr Euch meinem Gebot fügen werdet wie ein anderer.«

Ivo antwortete: »Der Oberbefehl gebührt Euch mit Recht, da Ihr der Ältere seid. Was Ihr zum Nutzen der Fahrt meinen Leuten gebieten müßt, das laßt mich wissen, und zwar mit der Höflichkeit, welche ich im Amt des Kaisers von Euch zu fordern habe. Außer durch mich kommt kein Befehl an den Ismaeliten Hassan und an meine Lanzenträger, denn die Leibwache führe ich, und für den Fremden bin ich dem Kaiser verantwortlich.«

Mit hoher Miene antwortete der Graf: »Ich bin nicht gewöhnt, den Befehl mit andern zu teilen.«

Ivo wandte sein Roß. »Dann gestattet, daß ich zur Stelle zurückreite und den Entscheid des Kaisers erbitte.«

»Ihr wißt das Vorrecht eines Günstlings keck zu benutzen«, versetzte der andere mit Hohn und sprach arabisch zu dem Führer der Leibwache. Dieser antwortete ehrerbietig und machte gegen Ivo den Gruß des Untergebenen. »Da die Leibwachen sagen, daß sie an Euch gewiesen sind,« schloß der Graf unzufrieden, »so überlasse ich Euch der Gesellschaft Eurer Ungläubigen.« Er sprengte vorwärts, die Schar bewegte sich in zwei Haufen dahin, die Genossen des Grafen lachend und in sorglosem Gespräch, Ivo allein unter den Morgenländern in trüben Gedanken.

»Meiden sie dich,« fragte Hassan, »weil du mit einem Sohn der Berge reitest?« und sein Flammenblick folgte dem Grafen.

»Ich fürchte vielmehr, Held Hassan, daß deine Reise beschwerlich wird, weil ich selbst jenem verfeindet bin.«

»Und warum reitet Ihr nicht seitwärts in ein Tal, um Euren Streit auszufechten?«

Ivo wies auf das Kreuz an seiner Schulter. »Beide haben wir der Rache entsagt, solange wir das heilige Zeichen tragen.«

»Solches Gesetz verdirbt den, der es am meisten ehrt«, versetzte der Fremde.

Fünf Tage zogen die Gesandten längs der Küste dem Norden zu. Oft ritten sie auf hartem Ufersand, umweht von dem milden Seewinde, oder blickten von der Höhe weit hinaus auf das blitzende und wogende Meer. Sie kamen durch die berühmten Hafenburgen der Christenheit, welche von früheren Kreuzfahrern über den Trümmern vergangener Städte Phöniziens aufgemauert waren, vor ihnen aber erhob sich zur Rechten gewaltig das Gebirge des Libanon, unten fruchtbare Gelände, darüber Höhen mit dunklem Bergwald und alles überragend die langgestreckten Schneegipfel.

Am sechsten Tage lenkten die Reisenden vom Küstenpfade den Bergen zu, welche rings um sie aufstiegen, hier als steile Felsklippen, dort durch dunkles Nadelholz gekrönt. Sie betraten das Grenzgebiet, welches die Templer den Ismaeliten entrissen hatten und durch ihre Burgen festhielten. Beim Aufbruch aus dem Nachtlager bemerkte Ivo, daß der Ismaelit nicht mehr das reichverzierte Krummschwert trug, welches ihm der Kaiser geschenkt, sondern eine Waffe, die er im Zweikampf verloren und bei der Entlassung zurückerhalten hatte, und er fragte: »Willst du die Ehrengabe ablegen, jetzt, wo wir deinen Bergen nahen?«

»Für den Kampf vertraut der Krieger am liebsten dem Stahl, welchen er erprobt hat«, versetzte Hassan.

»Sinnst du auf Schwertschlag?« fragte Ivo. »Wir ziehen im Frieden und du weißt, daß ich dem Kaiser mit meinem Leben für deine Heimkehr hafte.«

Hassan neigte höflich das Haupt. »Vor mir liegt das Land meiner Väter, und bei uns gilt das Sprichwort, daß der Fuß des Heimkehrenden am leichtesten an der Schwelle des eigenen Hauses strauchelt.« Sie ritten den Tag menschenleere und öde Höhen entlang, zwischen Felsen, welche steil gen Himmel ragten, zuweilen sahen sie ein lachendes Tal, welches noch im Spätherbst mit hellem Grün prangte, aber die vereinzelten Steinhäuser, welche gleich Burgen an den Felsen hingen, waren durch Feuer ausgebrannt und die verkohlten Balken lagen umher. Hier und da erschienen und schwanden Reiter auf den Höhen, einigemal glaubte Ivo die Tracht der Templer zu erkennen. Am Abend kamen sie an einen großen Chan und traten in niedrige Hallen, welche sich nach einem weiten ummauerten Hofraum öffneten, an dem Eingange hing das rote Kreuz der Templer. Dort wurden die Reisenden von einigen Brüdern des Ordens begrüßt, Tische waren aufgestellt und ein reiches Mahl gerüstet für die Herren und Knechte und gesondert für die maurische Leibwache nach dem Brauch ihres Glaubens, diese bediente ein sarazenischer Koch und ein Bruder des Ordens.

Die Sonne war untergegangen und große Feuer verbreiteten im Hofe Licht und Wärme, als eine Schar von Templern heransprengte, in ihrer Mitte sah Ivo mit Erstaunen die düstere Gestalt des Meisters Montague, den er weit im Süden beim Kreuzheer verlassen hatte. Der mächtige Mann begrüßte als Wirt die christlichen Gäste, auch zu Ivo trat er: »Da hier die Wegscheide ist für die beiden Boten des Kaisers, so bin ich zur Grenze gekommen, um für die edlen Herren zu sorgen, soweit die Bruderschaft vermag. Wisset, Herr, Ihr zogt bis jetzt im Schutze des Tempels, denn meine Brüder haben die Bergpfade bewacht.«