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Die Ahnen

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»Es tobt ein wilder Kampf rings um die Höfe und auf dem Anger,« begann Ivo, »der bittere Frost und sein Gefährte, der Hunger, bedrängen das Volk, und alle Fröhlichkeit der Welt schwand in Dunkelheit und Not. Setzt Euch zu mir, Henner, es ist einsam in der alten Halle, auch das Feuer will nicht wärmen.«

»Den Knechten drücke der üble Teufel den Kragen, weil sie meinem Herrn nasses Holz in den Kamin geschichtet haben; ich wollte, eine Hausfrau wie Frau Jutte führe ihnen über die Köpfe.«

Ivo lächelte und starrte wieder in die Flamme. »Sagt mir, Henner, welchem Heiligen vertraut Ihr Euch am liebsten?«

Henner räusperte sich und dachte nach. »Es kommt darauf an, Herr, in welchen Nöten ich bin. Da ich jung war, suchten unsere Hofleute noch zuweilen die Fürbitte des Hersfelder Wigbert, aber ich fürchte, daß dieser Heilige träge und säumig geworden ist, die Bitten der Gläubigen anzuhören. Die auf der Mühlburg priesen mir vor Jahren sehr ihren Meginhard, aber wie er auch sei, wo die vom Berge ihre Not klagen, vermögen wir im Talhofe für uns wenig Gutes zu erhoffen. Am besten hat sich mir immer noch St. Georg erwiesen, er hat ritterliche Gewohnheiten und ich hoffe, er ist gutherziger als andere gegen die kleinen Sünden, welche einem Reiter über den Weg laufen.«

»Viele weiß ich,« fuhr Ivo in seinen Gedanken fort, »welche Sinn und Herz der reinen Jungfrau zugewandt haben, die als Himmelskönigin waltet, denn sie beschützt nicht nur die unschuldigen Kinder, auch den Kriegern neigt sie sich huldreich zu und hebt sie von dem Schlachtfelde hinauf in den Saal der ewigen Freude.«

»Ich höre, daß die bärtigen Brüder ihr vertrauen und auch die Schiffer in den wilden Nordmeeren«, warf Henner ein, ganz erstaunt über die schweren Gedanken des jungen Helden. »Doch weiß ich nicht, ob die Jungfrau auch dem zulächelt, welcher sich einer irdischen Herrin gelobt hat, denn die Frauen verlangen gern, daß die Gelübde der Männer ihnen allein zukommen.«

Ivo seufzte: »Es naht die gnadenvolle Zeit der zwölf Nächte, in welcher einst unser Herr Christus geboren wurde; er lag als Kindlein in ärmlicher Hütte und als er ein lachender Knabe war, hielt ihn die Jungfrau in ihren Armen. Mich wundert nicht, daß so viele Helden der Christenheit nach dem heiligen Lande gefahren sind, denn wahrlich, es muß Wonne sein, an den Stätten zu knien, wo einst der Herr leibhaftig gewandelt ist.«

»Die Pfaffen sagen, daß solche Fahrt alle Sünden eines Mannes austilgt. Auch Godwin und ich hatten ein gutes Vertrauen, als wir mit Eurem Vater das Kreuz nahmen, doch blieben wir auf halbem Wege in Italien sitzen, und ich bin unsicher, ob die im Himmel den Willen für die Tat nehmen.«

Ivo sah wieder in das Feuer. »Den Mantel sehe ich und die Kinderköpfe darunter, und darüber holdselig das Antlitz der reinen Magd.« Beide saßen in langem Schweigen, das Feuer brannte herunter, die blauen Flammen züngelten aus den glühenden Kohlen, sie schwanden und fuhren aufs neue empor, wenn die Luft stärker in den Schlot wehte. Endlich rüttelte sich Ivo auf und blickte in dem dunklen Raum umher und über die lange Gestalt des Treuen, welcher achtungsvoll auf dem Schemel saß und den nächsten Einfall seines Herrn erwartete. »Wie steht es drüben in Eurem Hofe?« fragte Ivo.

»Ich denke, Frau Jutte schafft am Herde und sorgt für die Abendkost,« versetzte Henner gleichgültig, »und die jungen Wölfe werden nicht weit ab sein, denn sie sind eßlustig.«

»Ist es Euch recht, Herr, so will ich heut Euer Gast sein und eine Kanne Wein zum Abendtisch steuern, wenn Frau Jutte mich sehen will.«

»Das ist hohe Ehre,« rief Henner, »erlaubt, daß ich vorausgehe und die unartigen Knaben auf ihr Lager scheuche, damit sie nicht um Euch glotzen und heulen, denn sie gleichen noch zu sehr ungeleckten Wildtieren.«

»Nein, laßt sie, wo sie sind. Der Knecht mit der Kanne soll uns begleiten, ich will nicht, daß Eure Hausfrau mich anders halte, als einen guten Gesellen ihres Wirtes.«

Die Männer brachen auf, und Ivo saß den Abend am Herde seines Dienstmannes, rief die Knaben zu sich, hörte auf ihre kindlichen Reden und erzählte ihnen Geschichten, die er als Kind vernommen hatte, bis er selbst in die Stimmung kam, zu spielen und zu lachen, wie ein sorgloser Knabe.

Die Tage wurden länger, der Winter, der grausame Herr, mußte mit seinen Rittern Reif und Frost das Land räumen, und die kleinen Vögel, denen er lange den Gesang gewehrt, flatterten wieder durch die grünen Baumknospen. Die Schneewurz und das Veilchen hoben ihre Häupter aus dem Grunde, und der Frühlingswind wehte warm über Berg und Tal. Wieder tummelte sich die Dorfjugend auf dem Anger und der Ball flog zur Lerche empor. Aber die Zahl der Springenden war gemindert, mancher, der sich im letzten Mai mit stolzem Mut über die Genossen gehoben hatte, lag still unter grünem Rasen, viele saßen kummervoll in dem leeren Hofe und andere schweiften mit wilden Gedanken in der Ferne und mieden die Nähe des Richters und seiner Schergen.

Ivo stand im Bergwalde, auf dem Grund seiner Väter, gelehnt an den Stamm einer alten Eiche, deren Äste der Sturmwind durchfahren hatte, bevor die ersten Kirchenglocken in den Tälern erklangen. Die Zügel des müden Rosses hatte er um eine aufspringende Wurzel des Baumes geschlungen, er selbst sah über die Wälder hinab nach der Gegend, in welcher sein Hof lag; um ihn rauschten die Wipfel, am Himmel trieben die Wolken schnell unter der Sonne dahin und warfen Schatten und dämmrige Lichter auf die Landschaft. Auch die Gedanken des Mannes flogen unstet umher; wieder war sein heimlicher Ritt nach dem Quell und Baum fruchtlos gewesen, er hatte keinen Brief der geliebten Frau gefunden und von den Leuten der Umgegend erfahren, daß man sie nach Welschland geführt habe. »Der Sonne lichter Schein vergeht,« sprach er leise, »und graue Schatten fahren durch meine Seele, der fröhliche Mut ist geschwunden, mit dem ich im vorigen Jahr über die Flur ritt. Der Rettbacher höhnte meine Hofleute mit einer Sage, die durch das Land geht, daß die Frauen auf der Landgrafenburg ein Gewebe verbrannt haben. Ist das Geschwätz auch unwahr, mir tut es doch wehe. Oh, zürne mir nicht, geliebte Herrin, wenn ich sorge, daß der Mantel ein kindisches Werk und des langen Reitens nicht wert war. – Aus dem Harzwald weht der Duft und die Vöglein im Laube singen wie sonst, der Frühling hat jedes Festgewand in Wald und Flur wohlbereitet, aber die Menschenwelt um mich sehe ich verwandelt, und verwandelt bin ich selbst. Langweilig wird mir das Reiterspiel unter meinen Gesellen, und wenn ich in der Halle meiner Väter sitze, empfinde ich die kalte Öde des Winters. Im Herzen schelte ich eitel und nichtig, was ich gerade treibe, mir zucken die Glieder, und die Faust ballt sich, als könnte ich etwas Großes tun und mein Leben wagen für ein heilbringendes Werk. Wahrlich, Gefahr würde mich trösten und heißer Kampf. – Wofür? – Sie sagen, daß der Mann den höchsten Preis erringe im Kampfe um die heiligen Stätten, wo die Gottesmutter unsern Herrn auf ihren Armen trug. Manches Geschlecht vergangener Helden ist nach dem Osten gefahren und hat fruchtlos sein Blut vergossen, zwei meiner Ahnen sind denselben Weg gezogen und mit gebrochener Kraft zurückgekehrt. Aber auch der Glaube ist kalt geworden, und wir zweifeln, ob es in Wahrheit Gottes Wille ist, daß wir im Heergewande über das Meer ziehen. – Hier ist die Stelle, wo ich den Landgrafen knien sah. Jetzt ist er aus Welschland zurückgekehrt, es war ein kühles Wiedersehen, sein Mut war beschwert und gern habe ich ihm in diesem Jahre den Ehrentrunk erlassen. Man sagt, daß er jetzt eine neue Fahrt rüstet.«

Aus der Tiefe läuteten unablässig die Klosterglocken. »Zu welchem Feste laden die lustigen Mönche von Reinhardsbrunn so dringend?« Er neigte sich vor dem Bilde der Gottesmutter am Baum, band sein Pferd los und ritt langsam über seine Mark dem Kloster zu. Als er in die Waldlichtung hinabkam, welche das Kloster umgab, fand er den Grund mit Rossen und Reisigen gefüllt und erkannte das Gefolge vieler Edlen aus der Umgegend, darunter auch die Knechte seines Oheims Meginhard. An der Klostermauer war ein großes rotes Kreuz aufgerichtet. Dort drängte sich das Landvolk um einen Bettelmönch in brauner Kutte, der mit heftigen Armbewegungen eine neue Kreuzfahrt ausschrie und hohen Lohn jedem verkündete, der mit seinen Waffen zur Befreiung des heiligen Landes ausziehen werde, völlige Vergebung aller Sünden und dreijährigen Frieden und Schutz für Habe und Eigen, Weib und Kind in der Heimat. Einige der Zuhörer waren niedergekniet, hoben die Arme nach dem Kreuz und begleiteten die Worte des Mönches mit Stöhnen und Ausrufungen des Entzückens. Die meisten aber standen schweigend in stumpfer Neugier, oder schüttelten den Kopf und sprachen zueinander. Da übergab Ivo einem Knaben sein Pferd und schritt durch das offene Tor zu dem Klosterhof, in welchem die Kirche lag. Leise trat er ein und blieb unter den Knappen an der Tür. Er fand eine erwählte Gesellschaft. Der Landgraf selbst stand auf den Stufen des Chors, ein rotes Kreuz an der Schulter, aber er blickte zerstreut und in trüben Gedanken um sich. Neben ihm lag Frau Else vor dem Altar, bitterlich weinend und ganz aufgelöst in Schmerz. Denn lange hatte der Gemahl ihr verborgen, daß er schon in Welschland sich der Kreuzfahrt zugelobt, und hatte das Zeichen der Fahrt heimlich auf dem Unterkleide getragen. Dort hatte sie es in vertrauter Stunde entdeckt, und jetzt fühlte sie ihr Elend. Auf der andern Seite der Altarstufen aber sah Ivo einen fremden Mann in der Rittertracht der Marienbrüder, mit einem großen goldenen Kreuz am Halse, umgeben von Zugehörigen des Ordens. Der ganze Raum der Kirche war von knienden Edlen und ihren Rittern angefüllt, gegen welche Meister Konrad oben am Altar stand. Von den Knienden erhob sich einer nach dem andern und stieg zu dem Priester hinauf, der ihm das rote Kreuz anheftete und ihn segnete, während rings umher feierlich der Chorgesang der schwarzen Mönche erscholl. Ivo sah, wie sein Oheim Meginhard das Kreuz empfing und nach ihm Ritter Konz und noch ein junger Knappe, Berthold, der Sohn des Richters. Als Meister Konrad die Knienden sämtlich gezeichnet hatte, erhob er mächtig seine Stimme und rief:

 

»Ihr aber, die ihr von fern steht, bedenket euer Heil. Wer ein Schwert zu schwingen vermag, der rüste sich zum Kampfe, denn der Herr spricht: Vater und Mutter sollt ihr verlassen und mir nachfolgen, von Haus und Hof sollt ihr euch scheiden und mein Kreuz auf euch nehmen, damit die Welt erkenne, wer zu mir gehört. Auf, auf, ihr Helden, zur heiligen Reise, Gott will es!« Und die Versammelten riefen, die Arme hebend: »Gott will es!« Da eilten noch manche aus dem Hintergrunde zum Altar, warfen sich vor die Füße des Priesters und ließen sich zeichnen. Aufs neue erhob Konrad die mächtige Stimme und rief zum Kreuze, und Ivo meinte zu erkennen, daß der Priester mit finsterem Blicke nach ihm hinsah und ihn durch seine Rede anmahne. Er aber neigte das Haupt und blieb stehen. Als die Mönche einen neuen Gesang begannen, trat er leise zurück und verließ die heilige Stätte, schwang sich auf sein Roß und ritt in tiefen Gedanken seinem Hofe zu.

Am nächsten Tage saß er auf der Galerie seines Hauses und sprach zu Nikolaus: »Du selbst warst im heiligen Lande, wie kommt es, daß du lieber von anderem erzählst als davon?«

»Ich war jung,« antwortete Nikolaus, »mich bedrückte meine Sünde noch wenig, auch stand ich mit leerem Magen auf dem Ölberg, und der Hunger ist der Andacht hinderlich. Das Beste, was man dort fühlt, läßt sich nicht sagen, und was man erlebt, ist nicht viel Gutes.«

Ivo fuhr in seinen Gedanken fort: »Als ich aus dem Klosterhofe trat, schrie der Mönch draußen an der Mauer gerade wie Meister Konrad drinnen: ›Wer kommt noch mehr?‹ Und als er einen ernsthaften Mann nahe bei sich stehen sah, rief er diesen vor anderen zu sich: ›Kommt, Freund, und nehmt das Kreuz auf euch.‹ Der Mann aber antwortete: ›Ich war bereits dort.‹ Da wandte sich der Mönch ab und der andere auch und sie hatten nichts mehr miteinander zu reden. Das wunderte mich. Weißt du, was das bedeutet?«

Der Schüler sah nach, ob die Türe geschlossen war, bevor er die Antwort gab: »Ich traf einst einen fahrenden Mann, der gegen eine kleine Spende den größten Narren auf Erden zu zeigen versprach. Wer die Tasche auftat, dem öffnete er einen verhüllten Kasten und sprach dazu: ›Haltet‘s geheim vor jedermann.‹ Alle schieden verlegen von dem Kasten. Was meint Ihr wohl, was in dem Kasten war? Ein kleines Spiegelglas. Jeder behielt für sich, daß er sich als Narren geschaut hatte. Jener Mönch und der andere, beide wußten, was in dem Kasten zu finden war. – Dennoch wünsche ich Euch, daß Ihr einmal die heilige Fahrt unternehmt. Macht‘s auch nicht froher, es macht klüger.«

Ein Hornruf des Türmers verkündete das Nahen Bewaffneter. Die Knechte des Hofes liefen zu der Brücke und Herr Godwin trat in das Tor. Ivo vernahm die Hufschläge der Einreitenden, im nächsten Augenblick kam die Meldung, daß Hermann von Salza, der Meister der Marienbrüder, im Hofe sei. Er eilte dem berühmten Herrn auf die Schwelle entgegen und geleitete ihn in das Gastgemach, während das Gefolge durch die Dienstmannen in der großen Halle begrüßt wurde. Neugierig betrachtete Ivo den vielgenannten Helden in der Nähe, und er war überrascht, daß dieser, den er sich wie einen stolzen Krieger gedacht hatte, als ein Herr von mittler Größe vor ihm stand, mit einem Gesicht, dessen vorstechender Zug gutherzige Freundlichkeit war; nur die klugen Augen und die Falten der Stirn verrieten, daß große Gedanken und schwere Sorgen durch sein Haupt gegangen waren. Einfach wie das Aussehen des Fremden war auch seine Anrede, und seine Sprache klang so vertraulich in das Ohr, daß dem jungen Hofherrn vorkam, als begrüße ihn ein alter Bekannter: »Ihr habt Euch dem Kreuze versagt, edler Herr. Als ich in meine Heimat ritt, um dem Zuge des Kaisers ritterliche Schwertgenossen zu gewinnen, da hoffte ich, daß Ihr in der frommen Schar nicht fehlen würdet, denn ich weiß, Euer Beispiel gilt viel in den Burgen.«

»Ich sah eine große Zahl bewährter Krieger, welche Eurem Rufe gefolgt ist,« antwortete Ivo, »ich aber habe nur geringe Erfahrung auf dem Schlachtfelde gewonnen.«

»Soll ich Euch in das Gesicht rühmen?« fragte der Meister mit einem wohltuenden Lächeln. »Was einen Helden locken kann, biete ich Euch; ersehnt Ihr Heldentat und Ruhm, kein Kampf ist ehrenvoller als gegen die Ungläubigen, und die Sänger verkünden das Lob des Siegers in allen Sprachen der Christenheit. Ihr wißt, daß auch der heilige Vater hohen Preis auf solche Fahrt gesetzt hat, wie ihn die Kirche zu spenden vermag.«

Ivo versetzte mit höflicher Zurückhaltung: »Vieles hören wir von Frevel und Torheit der Christen im Morgenlande, was uns das Herz erkältet.«

»Ihr könnt nur wenig von dem gehört haben,« versetzte Hermann ernst, »was ich selbst mit Sorgen erlebte. Wilde Missetat der Eifrigen und harte Klugheit der Großen, welche mehr an den eigenen Vorteil denken als an die Pflicht des Kreuzes. Um unserer Sünden willen hat, wie ich fürchte, der große Gott uns entrissen, was die Frömmigkeit eines früheren Geschlechtes gewann. Aber gerade darum, weil die Argen dort zahlreich sind, sollen die Redlichen der Fahrt nicht widersprechen, damit der Himmel wieder gnädig unseren Waffen beistehe.«

»Uns aber, Herr,« entgegnete Ivo, »bedrängt jetzt die Not in der Nähe. Ohne Freude sage ich, was ich doch nicht verschweigen darf, die Ritterfahrt in das heilige Land gilt bei uns für kostbar, und wohlbekannt ist der Wucher und die Bosheit, mit welcher die Christen auf dem weiten Wege den Wallenden betrügen.«

»Hindert Euch diese Sorge, welche ich verständig nenne, so wißt, edler Herr, der Kaiser hat mich nicht ohne Goldschatz in das Land gesandt, und ich vermag Euch an Geld zu bieten, was die Rüstung und Reisezehrung kostet.«

»Wie darf ich Gold nehmen, damit ich mich dem Dienst des Himmelsherrn gelobe?« rief Ivo verletzt. »Mich wundert, daß Ihr mir ein solches Angebot tut.«

»Ich wollte Euch nicht kränken«, versetzte der Gast ruhig. »Doch wisset, edler Ivo, solche Reisespende ist ein gewöhnlicher Handel, und die höchsten Herren begehren ihn, denn an Geld zur Rüstung fehlt es ihnen immer, und manchmal ist das für andere ein Glück. Auch Graf Meginhard, Euer Oheim, bereitet sich zur Kreuzfahrt mit dem Golde, welches ihm der Landgraf aus dem Schatze des Kaisers zahlt.«

»Es tut mir wehe, wenn ich nicht loben kann, was mein Oheim tut«, antwortete Ivo finster. »Mir verbietet die Ehre, das Werbegeld des Kaisers zu empfangen, und ich denke, Herr, auch Ihr würdet an meiner Stelle fremdes Gold nicht nehmen.«

»Ich bin nur ein Dienstmann der Jungfrau,« sagte der andere, »und ich denke ungern daran, was ich tun würde, wenn ich nicht in den Schuhen des Bruders Hermann stände. So wie ich bin, lobe ich den edlen Stolz, der sich weigert, um Gold zu pilgern, aber verzeiht mir, wenn ich den Rittersinn eines Christen nicht preise, der sich weigert, für den Himmelsgott die Waffen zu tragen, weil ihn solcher Dienst zu viel Geld kostet.«

Ivo errötete bis an die Schläfen, und Hermann fuhr fort: »Der kühne Turnierkämpfer, welcher, um seiner irdischen Herrin im Spiel zu gefallen, Goldringe austeilte, wird mir nicht im Ernst sagen, daß seine Truhen leer sind, wenn es eine Fahrt zu Ehren des Erlösers gilt.«

Ivo fühlte tief den Vorwurf, doch er antwortete ehrlich: »Streng sind Eure Worte, Herr, aber Ihr habt recht. Ich selbst, wenn ich unzufrieden war mit mir und mit anderen, habe zuweilen daran gedacht, daß ich den freudigen Mut wiedergewinnen könnte durch guten Schwertschlag am Ölberge. Dennoch, Herr, darf ich Euch nicht bergen, daß ich in meinem Innern auch eine warnende Stimme vernehme, welche mir diese Speerreise widerrät. Wenn der Himmelsherr das gelobte Land der Christenheit gönnen wollte, er vermöchte das zu tun ohne unsere Waffen.«

»Sprecht diese Worte nicht nach, edler Ivo, ein satter Pfaffe hat sie erdacht, und Ihr scheltet dadurch mich selbst einen Toren«, antwortete der Meister mit Nachdruck. »Gott wirkt seine größten Werke durch die Gedanken und den Willen der Menschen, welche ihm dienen. Seit zwanzig Jahren fahre ich rastlos über die wilde See und durch die Länder der Christen und Heiden, um die Kreuzfahrt möglich zu machen, zu welcher ich Euch lade. Darum habe ich verzichtet auf Gut und Eigen, auf ein Ehegemahl und auf Söhne aus meinem Blut. Ich habe gekämpft gegen den Eigennutz und die Bosheit der Mächtigen und gegen die dumpfe Trägheit der Reichen.«

Er war aufgestanden wie Ivo, jetzt wies er auf die Sessel: »Gönnt einem Vielgeschäftigen noch einmal Rast unter Eurem Dache. Ihr wißt, ich bin ein Thüring wie Ihr, der Hof, in dem ich geboren wurde, liegt so nahe an dem Euren, daß ein Roß den Reiter in einem Tage hinträgt. Ich sah einst Euren Vater, und was ich von ihm kennenlernte, machte mir den Sohn wert. Darum vernehmt mit günstiger Gesinnung eine Mahnung, die ich nicht in die weite Welt hinausrufen darf. Als ich, fast noch ein Jüngling, nach dem Morgenland kam, fand ich allen Landbesitz der Christen und alle Gewalt in den Händen der Welschen, zumal der Gallier. Französisch war Sprache und Sitte, mit Hochmut und Verachtung blickten sie auf die Männer unseres Volkes herab. Auch die beiden mächtigen Bruderschaften vom Tempel und St. Johannes gehörten den Fremden, kam einer unserer Landsleute zu ihnen, so mußte er sich schnell der heimischen Weise entledigen, wenn er unter ihnen gelten wollte. Ihrem Schwert allein und ihrer Heldenkraft schrieben sie die Eroberung des heiligen Landes zu. In Jerusalem sah ich das Grabmal des stärksten Helden im Kreuzheere, des Schwaben Wigger, der mit seinem Schwert einen raubenden Löwen zerschlug und unter König Gottfried zuerst über die Mauer von Jerusalem sprang, durch die Eitelkeit der Fremden zerschlagen und geschändet, damit die unwillkommene Erinnerung an unser Volk dahinschwinde.«

»Die gottlosen Buben«, murmelte Ivo zornig.

»Meine Faust ballte sich, als ich den Frevel sah, wie jetzt die Eure beim Hören«, fuhr Hermann fort. »Da lernte ich unsere heimische Art mit der fremden vergleichen und ich fand, daß wir nicht schlechter waren als jene. Ich erkannte auch, wie Jerusalem durch Schuld der Christen verloren ward. Zuchtlose Kreuzfahrer aus allen Ländern der Christenheit saßen dort durcheinander in Hader und Untreue, in Wahrheit heimatlose Abenteurer, nur auf den eigenen Vorteil bedacht, oft einer im Kampf mit dem andern und den ungläubigen Heiden verbündet. Soll Jerusalem wiedergewonnen werden und die Herrschaft der Christen dauern, so müssen sie alle einem starken Herrn dienen, der seine Macht nicht ihnen dankt, sondern der sie selbst zu schützen, zu bändigen und zu strafen vermag. Dieser Herr aber ist unser Kaiser Friedrich. Und gegen die Verdorbenheit und Untreue der Fremden sollen Männer eines Volkes, dem die Redlichkeit nicht zum Spott geworden ist, als Hüter des heiligen Grabes gesetzt werden, und diese Männer sollen Eure und meine Landsleute sein. In solcher Meinung will Kaiser Friedrich die neue Kriegsfahrt rüsten, auf die Wehrhaften unseres Volkes hat er sein ganzes Vertrauen gesetzt. Vor anderen aber sind es Edle und Ritter des Thüringer Landes, auf die er hofft. Denn wie ein Herzland liegt es in der Mitte und die größte Kraft ist hier gesammelt, ich darf das zum Lobe meiner Heimat wohl sagen. Wenn wir jetzt in edler Schar über das Meer ziehen, so tun wir dies auch, um den Namen der Deutschen zu Ehren zu bringen und eine Herrschaft unseres Blutes über die Länder am Südmeere zu begründen. Das zu bewirken ist das hohe Ziel meines Lebens. Darum bin ich vor Euch getreten mit hoher Mahnung, als Thüring, und als Meister einer Bruderschaft, welche sich vom deutschen Hause nennt. Und darum strecke ich jetzt bittend meine Hand gegen Euch aus, damit Ihr ein Jahr Eurer Jugend dem heiligen Werke weihet als ein Christ und als ein Edler unseres Volkes.«

Gefesselt durch die warme Rede des mächtigen Mannes saß Ivo mit geröteten Wangen. Zum ersten Male, seit er lebte, wurde er gerufen, weil er ein Deutscher war; und verwundert dachte er nach, welchen Wert solche Aufforderung für ihn haben könne. Aber während er den Grund eines tiefen Quells erschauen wollte, gewahrte er darin plötzlich sein eigenes Bild. Ihm stieg das Blut ins Gesicht, als er fühlte, daß eine Kränkung seines Volkes auch Kränkung seiner eigenen Ehre war; und die Hand erfassend, antwortete er: »Ihr habt meine Seele nicht vergebens daran gemahnt, daß ich als ein Kriegsmann meinem Volke zu dienen schuldig bin. Denkt nicht gering von mir, wenn ich heut das Ja nicht ausspreche, das ich gern geben möchte. Ich bin nicht ganz so frei, wie Ihr meint, auch ich stehe unter einem Gelübde; und ich darf nur sagen, daß Ihr meinen guten Willen gewonnen habt; entscheiden über meine Zukunft kann ich erst, wenn ich da gefragt habe, wo ich diene.«

 

Der Meister bewegte beistimmend das Haupt: »Ich ehre die Rücksicht auf ältere Pflicht. Habe ich Euren guten Willen gewonnen, so vertraue ich, daß ihm die Tat nicht säumig folgen wird.« Und nachdem er noch einiges über Zeit und Ort der Heeresversammlung mitgeteilt hatte, brach er auf, und die Hand Ivos festhaltend, sagte er: »Es war eine kurze Begrüßung, aber ich werde mit Freude daran denken. Auf Wiedersehen, will‘s Gott, im Hafen, wenn ein guter Fahrwind dem heiligen Lande zuweht.« Damit schied er vom Hofe.

Eher als Ivo dachte, erhielt er einen Gruß seiner Herrin, der die Unsicherheit beendete. Von Gotha ritt ein Knecht des alten Walter von Vargula bei ihm ein mit der Nachricht, daß Frau Else ihm mündlich eine Botschaft mitzuteilen habe. Ivo schwang sich auf sein schnellstes Pferd und traf vor der Stadt mit Herrn Walter zusammen, der nach der Begrüßung klagte: »Meine Herrin weilt unter den Siechen, dort will sie Euch sehen. Ich fürchte, Ihr werdet sie verändert finden, die Trennung von Herrn Ludwig hat ihr diesmal fast das Herz gebrochen, drei Tage dauerte der Abschied, seitdem lebt sie nur für ihre Kinder und die Armen.«

Am Bette der armen Kranken sah Ivo die Landgräfin in klösterlicher Tracht, verweint und erblichen, hinter ihr stand wie ein dunkler Schatten Magister Konrad. Als Frau Else ihm entgegentrat, zog eine flüchtige Röte über ihr vergrämtes Gesicht, und mit einem Blick auf den Priester begann sie: »Man hat mir gesagt, daß ich ein gutes Werk tue, wenn ich Euch spreche. Es war der Wunsch meines lieben Hauswirtes, Ihr möchtet Euch der Fahrt, welche sie die gnadenvolle nennen, nicht entziehen, denn er sagte mehrmals, lieber würde er Euch in seiner Nähe sehen, als daheim. Auch Frau Hedwig, die Ihr einst bei uns getroffen habt, schreibt mir durch einen Boten vom Kaiserhofe diese Worte über Euch: ›Sorge nicht, denn alles verheißt der Schwertreise ins gelobte Land gutes Glück, und am ruhmvollsten zieht ihr Thüringe daher. Manche unter uns meinen auch, daß Euer starker Speerbrecher, Herr Ivo, nicht fehlen wird, da es jetzt gilt, der heiligen Jungfrau zu Jerusalem statt des alten Gewandes, das die Sarazenen zerrissen haben, ein neues zu erkämpfen.‹ Nur das wollte ich Euch ausrichten, Herr; verzeiht, daß ich Euch bemühte«, schloß die Landgräfin, das Pergament zusammenlegend und verneigte sich wie zum Abschiede.

Diese Worte entschieden den inneren Kampf Ivos. Mit Entzücken erfüllte ihn die Hoffnung, daß er seine geliebte Herrin in Welschland treffen könne, ja daß sie vielleicht wie Frauen oft taten, selbst die Pilgerreise im Gefolge des Heeres wagen werde; deshalb antwortete er zur Stelle: »Die Mahnung, die mir durch Euren Mund kommt, soll nicht verloren sein. Ich denke mich zur Fahrt zu bereiten.«

Mit großen Augen, wie erschrocken über seine schnelle Bereitwilligkeit, sah ihn Frau Else an, und wieder rötete sich ihre Wange ein wenig; dem Scheidenden folgte der finstere Blick des Priesters Konrad.