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Die Ahnen

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»Dennoch hörte ich im Kloster,« antwortete Immo bescheiden, »daß die Weltgeistlichen mehr um ihre eigene Herrschaft sorgen als um den Vorteil des Königs und daß sie ebenso begehrlich sind nach irdischem Gut wie die Mönche. Denn auch diese üben allzuwenig die fromme Sitte, und sie werben und schleichen wegen Hufen und Burgen. Das habe ich selbst zu meinem Schaden erfahren.«

»Haben sie auch dich schon um deiner Sünden willen geängstigt?« fragte der andere lachend. »Ich weiß recht wohl, niemand versteht so gut als sie mit Kreuz und Bußpsalmen Land und Gut zu erkämpfen.« Doch ernsthafter fuhr er fort: »Heilige Männer sind die Mönche, und wir Sünder vermöchten ihr Gebet nicht zu entbehren, auch die Wohltaten nicht, welche sie dem Lande spenden. Sieh, wenn du es zu verstehen vermagst, überall, wo sie gleich den Bienen ihre Waben füllen, bändigen sie den wilden Heidentrotz im Volke, lehren Kunst und schaffen große Werke. Zuweilen aber werden sie faul im Stock, wenn des Honigs zuviel ist, und wer es mit dem Lande wohl meint, muß ihnen dann den Honig nehmen, damit er anderen nützt. Vielleicht sind die Söhne Wigberts in derselben Lage.«

Es ist doch der König selbst, dachte Immo, und ihm fuhren die Worte heraus: »So meinte auch Graf Gerhard, da er jetzt dem Wigbert die Wiesen genommen hat.«

Die Haltung des Kriegsmanns wandelte sich plötzlich. »Was weißt du vom Grafen Gerhard?« fragte er kurz.

Zögernd berichtete Immo, was er die letzten Tage im Kloster erlebt hatte. Über das Gesicht des Kriegsmanns fuhr wieder ein Lächeln, während er mit Anteil zuhörte. »Wo weilt Graf Gerhard?« fragte er, »vernahmst du etwas von ihm in den letzten Tagen?« Und als er merkte, daß Immo zu sprechen zögerte, fuhr ein scharfer Blick wie der eines Adlers auf den Jüngling: »Wenn du deine Treue für den König beweisen willst, so rede die Wahrheit. Wo kamst du über den Main?«

»Ich möchte ungern etwas sagen, was dem Grafen zum Schaden gereichen kann,« versetzte Immo, »dennoch sehe ich, daß es sich nicht bergen läßt. Er lag mit seinem Haufen am Idisbach auf dem Wege nach dem Süden.«

Der Krieger stand auf. »Gutes verkündest du, und du sollst den Dank genießen. Denn auf ihn harren wir hier. Wann sahest du sein Lager?«

»Vorgestern abend ritt ich hinaus.«

»Wohl, die Rechnung war genau. Dann können wir heute abend seine schnellen Reiter erwarten. Wie stark war sein Haufe?«

»Mehr als hundert Rosse zählte ich. Dennoch, Herr, zürnt nicht, wenn ich Unsicheres sage, er lag auf den Wiesen, ob er aufgebrochen ist, weiß ich nicht.«

»Was hast du, Jüngling?« fragte der Kriegsmann befremdet.

»Als ich wegritt, war gerade die Kunde gekommen, daß dem Könige der Schatz entführt ist; und darüber war großes Raunen und Umherlaufen im Lager.«

Der Fremde trat vor Immo, sah ihm fest in das Gesicht, dann faßte er seine Hand mit eisernem Druck, führte ihn einige Schritte zur Seite und fragte leise: »Du meinst, er zögert deshalb, zu kommen?«

»Ich weiß nichts Sicheres, Herr«, versetzte Immo.

»Deine Meinung will ich hören, Jüngling, sprich die Wahrheit, wenn dir dein Leben lieb ist, denn du stehst vor deinem König.«

Immo warf sich auf die Knie. »Heil sei meinem Herrn!« rief er.

Doch der König winkte ihm ungeduldig, aufzustehen. »Antworte!«

»Laß mich‘s nicht entgelten, Herr, wenn ich Unwillkommenes verkünde. Sie sprachen davon, auf dem Idisberg ein Lager zu schanzen, und im Morgengrau sah ich Boten reiten nach der Böhmer Grenze, wo, wie sie sagen, die besten Burgen des Markgrafen sind.«

Der König wandte sich ab und sah finster vor sich nieder. »Der Graf fängt früh an, wie ein großer Herr zu handeln. Wer hundert Rosse ins Feld führt, der ist noch nicht vornehm genug, um den König zu verraten«, rief er bitter. »Sendet dein Geschlecht dich allein?« fragte er argwöhnisch.

»Ich führe dreißig leichtbewaffnete Knaben herzu, sichere Bogenschützen aus dem Walde. Ich ließ sie im Versteck zurück mit einem schwerverwundeten Kaufmann, den wir auf unserem Wege fanden; ihn hatten Räuber gefällt, als er zum Lager des Herrn Königs ritt.«

Der König fuhr in die Höhe. »Wie heißt der Kaufmann?«

»Es ist Heriman aus Erfurt, ein ansehnlicher Burgmann. Da er vielen von uns wohlbekannt ist, wollten wir ihn nicht zurücklassen.«

»Wahrlich,« rief der König, »als ein Unglücksbote kommst du. Ist der Wunde beraubt?«

»Sein Knecht lag erschlagen, Roß und Warenballen waren entführt.«

Der König winkte schnell mit der Hand, daß Immo zurücktreten sollte. Dieser eilte den Hügel hinab zu den Leibwächtern, bei denen Brunico die Pferde hielt, und er sah aus der Ferne, daß der König auf dem Schemel gebeugt, sein Haupt in die Hand stützte. Auf einen Ruf Heinrichs ritt von der anderen Seite der große Kriegsmann herzu, welcher den ausgestellten Wachen gebot. »Graf Gerhard hemmt seine Reise,« rief dem Absteigenden der König entgegen, »er wird sich mit dem Babenberger vereinen, und Heriman liegt beraubt am Boden.«

»Oft warnte ich den König,« antwortete der Vertraute, »der Treue des Wolfes Gerhard zu vertrauen, er nimmt seine Beute, wo er sie findet.«

»Er raubt wie die anderen,« fuhr Heinrich fort, »er ist nicht schlechter als seinesgleichen und schleicht vorsichtig durch die Täler.«

»Seine kleine Schar wird der König ohne Schaden entbehren.«

»Nicht die Schilde, welche er von uns abführt, betrauere ich; aber gerade, daß er kein Held ist, der Kühnes wagt, sondern ein Mann wie andere Edle auch, das schlägt mir die Wunde. Denn wie er, werden viele handeln. Wahrlich, es steht schlecht mit der Sache des Königs, wenn diese Art Raubtiere von seinem Pfade weicht.«

»Auch hat Graf Gerhard sich bereits vorweggenommen, was ihm der König als Lohn versprochen hatte,« begann der große Krieger kalt, »und ihm fehlte der Grund, den andere Empörer vorgeben, daß der König zuerst ihnen ein Gelöbnis gebrochen habe.«

Heinrich fuhr auf, wie von einer Natter gestochen. »Unleidlich ist dein Trost,« antwortete er scheu, »willst auch du zu meinem Bruder und zu dem Babenberger hinüberreiten, daß du mich in dieser Stunde einen Treulosen nennst und zu einem Gesellen des Grafen Gerhard machst?«

»Ich habe mich dir gelobt, König, und ich denke meinen Eid zu halten, obgleich auch ich zu denen gehöre, die du als Raubtiere schmähst. Aber die Wahrheit berge ich dir nicht, das hast du oft erfahren. Ich stand dabei, als der König dem Markgrafen bayrisches Land versprach, damit das Geschlecht der Babenberger dem König zum Throne helfe. Und ich hörte wieder, daß der König auch seinem eigenen Bruder die Herzogswürde in demselben Bayern verhieß. Jetzt schreien beide durch das Land, daß Heinrich ihnen das Wort gebrochen habe. Befiehl mir, sie im Kampfe zu erlegen, und du weißt, ich werde es tun, wenn ich es vermag. Aber wundere dich nicht, wenn jene beiden von vielen gelobt werden, weil sie ihr Anrecht gegen dich mit den Waffen suchen.«

Der König nahm die kühne Rede schweigend auf und saß wie getroffen von der Vergeltung, endlich hob er das Haupt und begann: »Da ich König wurde, dachte ich besser von den deutschen Edlen. Aber in dem ersten Jahre habe ich sie erkannt. Jedermann hüte sich zu versprechen, was er nicht zu halten vermag, und zumeist hüte sich, wer die Krone trägt. Doch glaube mir, Geselle, keinem wird schwerer auf seinem Wort festzustehen als dem Könige, wenn er ein Löwe bleiben will in dem Reich gefräßiger Tiere. Niemand weiß es und niemand glaubt es, wie dem König sein verpfändetes Wort und sein redlicher Wille zu einer Todesgefahr werden in späteren Tagen. Durch die Treue, die er anderen erweist, schafft er sich Untreue. Wer heute sein Freund ist, wächst morgen, sobald er Gut und Gabe erhalten hat, zu seinem Gegner. Jeder begehrt Macht, und je größer seine Macht wird, desto höher steigt seine Begehrlichkeit. Wahrlich, wie ein verächtlicher Tänzer schwankt der König auf dem Seil, und die Arme, welche er ausstrecken muß, um Gleichgewicht zu bewahren, heißen List und Gewalt. Jammervoll wäre seine Aussicht nach dem Tode, wenn ihm nicht gelänge, den Himmelsherrn wieder zu versöhnen durch Demut und fromme Werke. Daß Gutes aus dem Übel komme, das ist des Königs geheimer Trost.« Er stützte das Haupt in die Hand und sah traurig vor sich nieder.

Ein Reiter jagte heran, ein zweiter und dritter. »Sieh auf, König,« rief sein Begleiter, »dort hinten blinken die Speereisen in der Sonne, Krieger sind es des Gerhard oder der Babenberger, deine Wächter fahren nach rückwärts. Führt die Rosse her«, gebot er. »Hoffen die Toren, zum zweitenmal einen Schatz zu fangen? Sie sollen nichts gewinnen als harte Schläge.«

Auf die Ruhe in der Landschaft folgte wilde Bewegung, die flüchtigen Reiter sammelten sich vor dem Könige, am Hoftor stampften die herausgeführten Pferde, der König beobachtete noch immer einen Trupp Feinde, welcher, die Wurfspeere schwenkend, heranjagte. »Geringe Ehre wäre es für den König, mitzukämpfen«, mahnte der Vertraute. Heinrich nickte gleichmütig und schwang sich auf sein Roß, während aus der Ferne gellender Kriegsruf erscholl.

Immo sah mit pochendem Herzen und strahlenden Augen auf den Feind, er band sich den Eisenhut fest, rückte den Schild am Arme zurecht, wirbelte den Speer und wollte zu den Wachen sprengen, welche sich gegen den Feind ordneten. Da fiel eine Hand schwer in die Zügel seines Pferdes, neben ihm hielt der große Kriegsmann, ein glühender Blick aus Augen, die er wohl kannte, bannte ihn fest, und eine Stimme, deren Ton ihm tief in das Herz drang, befahl: »Zurück!«

»Mein Oheim Gundomar«, rief der überraschte Jüngling und trieb unwillkürlich sein Pferd mit einem Sprung zur Seite. »Es ist mein erster Kampf, wie darf ich umwenden?«

»Wohl hättest du verdient, daß jene dort dich schnell auf den Rasen legen. Dennoch gehorche, Knabe!« und der Oheim riß ihm das Pferd herum, schlug es mit der Speerstange, und beide stoben nebeneinander hinter dem Könige her, der mit wenigen Begleitern flüchtig voranritt. Immo fuhr dahin wie im Traum, zuweilen sah er verstohlen auf die düstere Gestalt des gewaltigen Reiters, der an seiner Seite jagte. »Wende dein Haupt nicht rückwärts,« befahl Gundomar kurz, »achte auf den Zügel, dein Pferd hat heut mehr Meilen gemacht, als dir frommen wird, und jene folgen auf auserwählten Rossen.«

 

»Mich kränkt‘s, Oheim, daß ich davonreite.«

»Ich meine, andere kränkst du, daß du im Felde reitest«, klang es von dem anderen Rosse zurück, und weiter ging es, Hügel hinauf und hinab. Die Sonne brannte, die Luft wehte scharf an die Wangen. Immo hörte hinter sich Rosse schnauben und sah den Hauptmann, mit dem er gerungen hatte, blutend und staubbedeckt an der Seite seines Oheims. Dieser wies auf die Niederung vor ihnen, durch welche ein Bach, mit Erlen und Weidengebüsch umwachsen, dahinrann. »Du kennst die Furt, sammle dahinter, die noch schlagen können, und stelle dich noch einmal gegen die Feinde, wollen sie durchschwimmen, so finden sie die Ufer steil, ihr reitet im Vorteil. Fahre wohl, Bernhard, wer übrigbleibt, sorge dafür, daß er seine Gesellen aus dem Fegfeuer löse, ich gedenke deiner Seele, tue mir dasselbe.« Er winkte mit der Hand, der Reiter blieb zurück; sie tauchten in das Wasser, der weiße Schaum hing sich an ihre Kleider. Der Oheim riß das Roß des Neffen an wegsamer Stelle das steile Ufer hinauf, und wieder ging es vorwärts in gestrecktem Lauf. Hinter ihnen klang stärker der Ruf der Verfolger, darauf ein Gegengeschrei der Königsmannen und Getöse des Kampfes. Als sie wieder eine Anhöhe erreicht hatten, sah Held Gundomar nach rückwärts, Freund und Feind jagten wild gemengt in geringer Entfernung nach, vor ihnen durchritt der König die Furt eines anderen Baches, weiter vorn hob sich ein steiler Berghang, mit dichtem Fichtenholz bewachsen. »Hinter dem Harzwald findet er Rettung«, sagte der Ohm zu sich selbst und ritt voran in den Bach. Am anderen Ufer gebot er: »Nur wenige Verfolger sind dem Haufen voran, mache die Kehre zum Anlauf.« Er wandte sein mächtiges Streitroß im Bogen und fuhr von der Höhe herab den Feinden entgegen, welche aus dem Bach auftauchten. Behend folgte Immo seinem Beispiel. Als er den feindlichen Reitern entgegenritt, ergriff ihn der Kampfzorn seines Geschlechtes, er hörte seinen Oheim das Kyrie eleison mit schmetternder Stimme rufen, auch er rief sein Hara, und Roß und Reiter schlugen gegeneinander. Ihn umgab ein wilder Wirbel von Männern, welche aus dem Wasser emporrangen, von springenden Rossen und gehobenen Armen. Er warf seinen Speer und traf mit dem Schwert, die Streiche dröhnten von den Schilden und Helmkappen. In der geröteten Flut des Baches sah er sinkende Krieger und ledige Rosse, an seiner Seite fand er den treuen Brunico wacker dreinschlagend mit blutigem Haupte. Und er vernahm wieder die donnernde Stimme seines Oheims: »Wendet nach rückwärts!« Da tauchte er schnell zu Boden, riß dem Manne, den er gefällt hatte, seinen Speer aus der Wunde, und die geborgene Waffe mit Jauchzen über dem Haupte schwenkend, sprengte er hinter dem Oheim die Berglehne aufwärts, bis zu einer Stelle, wo ein Hohlweg den steilen Abhang durchschnitt. Dort stieg Gundomar ab und gebot ihm durch eine Handbewegung, dasselbe zu tun, dem Brunico aber winkte er, die keuchenden Rosse weiter hinaufzutreiben. »Hierher habe ich dich geführt, weil du aus edlem Geschlechte bist, und hier ist das Tor, an dem du halten sollst, bis du fällst,« befahl der Oheim mit düsterer Miene, »denn Helden sehe ich gegen uns reiten, und kein anderer Pfad führt zum König, als über unsere Leiber. Stehe als erster in dem Wege. Nimmer meinte ich, daß die Heiligen mir zur Buße meiner Sünden auferlegen würden, dich zu rächen; doch heut will es das Schicksal so fügen.« Er trat auf einen Stein, wo seine mächtige Gestalt weit erkennbar ragte, und stellte den Schild an seinen Fuß.

Aus der Tiefe sprengten feindliche Reiter. »Weiche abwärts, Graf Ernst,« rief Gundomar ihrem Führer entgegen, »fruchtlos war dein Jagdritt, mein Schild sperrt dir die Wildbahn.«

Graf Ernst sprang vom Rosse und zuckte die Schildfessel am Arme zurecht. »Drei Zäune deiner Speerreiter habe ich durchbrochen, meinst du, daß der letzte mich aufhält? Behende versteht dein König zu fliehen, seine Helden haben gelernt, mit den Beinen zu kämpfen, den Rücken bieten sie willig unseren Speeren.«

»Vergebens suchst du mich zum Streite zu locken«, rief Gundomar entgegen. »Ich denke daran, daß wir einst in der Fremde Kampfgenossen wurden, als dein Schild den Tod von meinem Haupte abwehrte.«

»Ich meide dich, solange ich andere Beute finde, tue du dasselbe«, rief der Babenberger. Er hielt den Schild über sein Haupt und sprang die Bergsteile wie ein Raubtier hinauf gegen Immo. Als dieser den gefürchteten Helden erkannte, den er einst im Kloster gesehen hatte, hob sich sein stolzer Mut, und er trat ihm entgegen. Die Speere der Helden flogen, und beide hafteten an den Schilden. Sie zogen die Schwerter und tauschten blitzschnelle Schläge, daß die Funken an Helm und Schildrand sprühten. Erprobt war die Kraft des Grafen, aber der Arm Immos schlug stärker von der Höhe abwärts.

Die Krieger, welche dem Grafen folgten, zauderten kurze Zeit und sahen auf den Kampf der beiden Helden, dann warfen sie sich gegen den anderen Wächter des Bergtors, und Gundomar rang gegen sie wie ein Eber gegen die Hunde.

Mehr Feinde sprengten heran, auch gegen Immo rannte ein zweiter, ein dritter. Immo erhob seine ganze Kraft wider den Grafen zu wildem Sprunge, er schmetterte mit dem Schwert in den Helm und drückte den Schild gegen den Leib des Feindes, daß dieser wankte. Da traf ihm selbst ein geworfener Streitkolben das Haupt, so daß er zurückfuhr und auf den Weg sank. Aber in demselben Augenblick sprang Brunico über ihn und hielt seinen Schild den Markgräflichen entgegen; von der Höhe drang ein Trupp Reiter in den Hohlweg, und aus dem Gewühl der Männer und Rosse vernahm Immo die scharfe Stimme des Königs: »Ergreift den Verräter.« Talab wogte der Kampf, und aus der Tiefe erscholl freudiges Kampfgeschrei der Königlichen. Als Immo allein lag, fühlte er, daß ihn ein Fuß unsanft berührte, und als er halb bewußtlos aufsah, glaubte er das Antlitz Gundomars über sich zu erkennen und zwei Augen, welche mit kaltem Haß auf ihn starrten; darnach verlor er die Besinnung.

Der König hielt auf dem Wege, säuberte sein blutiges Schwert an den Haaren des Rosses und rief lachend Gundomar zu: »Der Bösewicht Ernst ist gefangen, und diesmal entgeht er schwerlich der Rache des Königs. Du aber sollst meine Geschwindigkeit loben, denn ich kam zur rechten Zeit, um dich herauszuhauen.« Er blickte auf den liegenden Immo. »In fröhlichem Jugendmut zog er heran, kurz war der Waffendienst des Treuen.«

»Das Leben des Königs zu bewahren, tauschte er Schläge mit einem Helden. Sein Ausgang war rühmlicher, als er hoffen durfte«, versetzte Gundomar finster. Da rief Brunico, der auf dem Boden saß und das Haupt des Gefällten im Schoße hielt, unwillig: »Wenig frommt ihm der Unkenruf, kaltes Wasser wäre ihm dienlicher. Ich meine, er soll noch manches Jahr leben, anderen zur Freude oder zum Ärger, je nachdem sie sind.«

Der König beugte sich über den Liegenden. »Du sorge für ihn,« befahl er dem Knappen, »im Ring meiner Leibwache soll ihm das Lager bereitet werden.« Der Haufe ritt dem Lager zu, in seiner Mitte die schwertlosen Gefangenen. Auf einer Trage aus grünen Zweigen wurde Immo von Reisigen des Königs im Walde geborgen. Als er aus der Betäubung erwachte, fand er sich in einem Zelt auf weichem Lager unter den Händen des jüdischen Arztes, welchen der König gesandt hatte, mit lautem Heilruf begrüßt von seinem treuen Gespielen.

Im Zelt des Königs mahnte Gundomar mit der Sorgfalt, welche einem vertrauten Diener wohl ansteht: »Heiß war der Tag auch für den König, und Ruhe wünsche ich ihm heut für Seele und Leib.«

»Du freilich ruhst nach deinem Heldenwerk,« versetzte Heinrich, »du verbindest die Wunden, siehst in die Abendsonne und freust dich der Streiche, die du ausgeteilt. Der König aber setzt sich auf den Sorgenstuhl und beginnt die kleine Arbeit, welche ihr Helden verachtet. Führt den Reisigen des Thüring Immo herein.«

Brunico wurde eingeführt, er trug den Kopf verbunden und neigte sich schwerfällig an der Tür.

»Auch du hast dir erworben, was die Leute lieber an anderen rühmen, als selbst nach Hause zu tragen«, begann der König und wies auf das blutige Tuch.

»Die Eisenkappe hielt‘s nicht aus, der Schädel ertrug‘s«, versetzte Brunico zufrieden.

»Wo liegt Heriman, der Goldschmied?« fragte der König.

»Auf unserem Karren, zwischen den Mehlsäcken.«

»Wer ist bei ihm?«

»Ich hoffe niemand, außer meinen Gesellen vom Moor und von den Bergen des Immo.«

»Vermagst du den Heriman durch die Späher des Feindes hierherzuschaffen?«

Brunico rechnete: »Von Mittag bis zur Vesper ruhig getrabt, von da bis zum Abend mit dem Herrn König wie die Hasen gelaufen, beträgt zusammen eine gute Tagfahrt südwärts. Dennoch habe ich Vertrauen, soweit man im Walde zurückschleichen kann, denn wir verstehen uns auf die Listen im Holze.«

»Erzähle mir, wie du den Heriman fandest.«

Brunico holte mehrmals Atem und wischte mit dem Ärmel an seinem Eisenhut, denn lange Rede war ihm unlieb. Endlich begann er: »Als mein Gespiele am Idisberg auf die Sommerlinde stieg, dachte ich, er könnte herunterfallen, denn diese Art Holz ist brüchig. Deshalb legte ich mich an die Mauer, ihm beizustehen.«

»Was soll die Rede?« fragte der König, »wer ist dein Gespiele?«

»Derselbe Immo, welchen der Herr König kennt.«

»Bist du nicht sein Dienstmann?«

»Ein Freier bin ich aus dem Moor und freiwillig begleite ich ihn.«

»Seltsamen Ritterbrauch übt man in deiner Heimat«, spottete der König zu Gundomar gewandt. »Weshalb stieg Held Immo auf die Linde?«

»Weil etwas darunter war«, versetzte Brunico mit schlauem Augenzwinkern.

»Schwert oder Spindel?« fragte der König.

»Spindel«, bestätigte Brunico.

Der König nickte. »Daher die Schweigsamkeit des Jünglings.«

»Wie ich so an der Mauer herumschlich, vernahm ich, daß die Fechter des Grafen in einem Erdloch miteinander zankten wegen der dreizölligen Wunden, welche der König an ihnen sehen will.«

»Wie?« fragte der König, »was habe ich mit den Fechtern des Grafen zu tun?«

Aber Brunico, der froh war, jetzt aus seinem Gedächtnis die Rede eines anderen herauszuholen, fuhr herzhaft fort: »Ich selbst vernahm, daß der König die fahrenden Leute mißachtet, insbesondere die Weiber, welche im Tanzen ihr Gewand abwerfen. Ja, man sagt, daß ihm alle Weiber verleidet sind. Aber die Kämpfer beachtet er. Darum fordert Graf Gerhard, daß seine Fechter vor dem Könige kämpfen sollten, dagegen forderten wieder die Fechter eine Begabung. Als ich so über ihnen lag, hörte ich sie weiterhin von den Waren sprechen, welche sie für ihren Herrn von einem Kaufmann geraubt hatten. Das verkündete ich dem Helden Immo, als er sich zu mir fand; wir berechneten die Zeit und suchten die Spur der beiden Räuber; nicht lange, so fanden wir den Heriman, den mancher von uns kannte. Immo verband die Wunden, wie er im Kloster gelernt hatte, wir luden den Heriman auf unseren Wagen, brachen auf, sobald der Morgen graute, und schlugen uns südwärts in die Wälder. Immo aber harrte mit einigen der schnellsten Knaben als Späher im lichten Holz, wohin sich Graf Gerhard wenden werde. Ich blieb unterdes bei den Karren und dem Heriman.«

Der König nickte. »Du hast alles treulich berichtet. Sorge, Gundomar, daß Kundschafter ihn begleiten, die mit den Waldwegen Bescheid wissen.« Er winkte Entlassung, aber Brunico stand unbeweglich und glättete aufs neue an seinem Eisenhut. »Was begehrst du noch?« fragte der König.

Brunico überlegte. »Auch gibt es noch eine Geschichte von einem Bündel, welches mir Heriman für den Herrn König anvertraut hat.«

Heinrich sprang auf und packte den Arm des Thürings. »Wo ist die Botschaft, wo ist das Bündel?«

Brunico sah den König gekränkt an. »Behalten will ich‘s nicht.« Er wandte sich vom König ab und arbeitete mit den Händen längere Zeit innerhalb seines Panzerhemdes, endlich brachte er eine kleine Ledertasche heraus. »Sie soll für den Herrn König, aber mein Gespiele weiß noch nichts davon«, sagte er und sah zweifelnd auf die Tasche.

Heinrich riß sie ihm aus der Hand, öffnete und rief Gundomar zu: »Die Briefe sind es aus Magdeburg und dem Sachsenland, lange ersehnt und glücklich geborgen. So ist doch unsere Fahrt gelungen, und auch du hast die Stöße nicht vergebens erhalten. Laß mich allein und diesen nimm mit dir, er hat guten Botenlohn verdient.«

Als die Nacht über dem Heerlager heraufstieg, Männer und Rosse ermüdet schliefen und die Lagerfeuer niedrig brannten, sah man noch immer im Zelt des Königs das brennende Licht und Schatten seiner Boten, welche herzu und hinaus eilten.