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Die Ahnen

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»Retten Eure Majestät den Fritz König.« Die Miene des Monarchen umwölkte sich. »Ha so! Hat er Sie angestiftet, zu mir zu kommen?« – »Nein,« rief Dorchen, »und er soll nie erfahren, daß ich gewagt habe, seinetwegen zu Eurer Majestät zu dringen.«

»Er ist ihr Bräutigam?« fragte der König, zu dem Begleiter gewandt.

»Nein!« entschuldigte sich Dorchen, »er ist nur ein guter Freund aus der Zeit, wo wir Kinder waren. Damals hat er mich mit eigener Lebensgefahr vor dem Ertrinken bewahrt, und«, fuhr sie errötend und stockend fort, »auch später hat er sich meinetwegen in Gefahr gestürzt, um mich in Polen aus schrecklicher Lage zu befreien.«

»Ich denke, er war in England«, sagte der König mit erwachendem Mißtrauen.

»Es war vor seiner Reise, damals, als er zuerst vor Eurer Majestät Angesicht kam. Ich war während jener fürchterlichen Wochen zu Thorn, und er brachte mich zu meinen Verwandten zurück.«

»Darum also wagte sich der Candidatus unter die Säbel der Polen? Und Sie haben die Geschichte ebenfalls erlebt? Ich kann sie nicht aus dem Gedächtnis bringen, und wir müssen sagen: Der Herr weiß alles zum besten zu lenken, aber wir ängstigen uns, weil wir seine Gedanken nicht verstehen.«

»Dasselbe sagte damals auch Fritz.«

»So?« fragte der König, »er ist wohl ein heftiger Theologe, der gegen die Andersgläubigen auf seiner Kanzel paukt?«

»So ist er nicht, er folgt mehr der Lehre von der Liebe und dem Erbarmen, nur daß er kein Kopfhänger ist.«

»Das ist recht«, bestätigte der König zufrieden. »Die Diskutierer auf der Kanzel kann ich nicht leiden und die Kopfhänger auch nicht. Wer ein gutes Gewissen hat, soll freudig und beherzt geradeaus sehen. Tun Sie das auch, mein Kind, und sagen Sie mir ehrlich, was Sie wollen. Ich soll den Mann nicht für mich haben, sondern Ihnen zurückgeben, weil Sie ihn selber behalten wollen.«

Ein glühendes Rot flog über Dorchens Gesicht. Unter den kurzen Worten des Königs zerriß der Schleier, welcher ihr das eigene warme Gefühl verborgen hatte, und leise sagte sie: »Das will ich nicht!« Aber im nächsten Augenblick lag sie wieder auf den Knien und rang die Hände. »Ich habe gewagt, Herr König, was für ein armes Mädchen zu viel und schwer ist, verachten Sie deshalb meine Bitte nicht. Ja, ich bin ihm gut, und was noch niemand von mir gehört hat, Eurer Majestät will ich es gestehen, damit Eure Majestät sich unser erbarmen. Ich weiß, daß er aus brüderlicher Liebe sich ausgeliefert hat wie jemand, der in den Tod geht, denn er ist nicht zum Soldaten erzogen, sondern zum Geistlichen.«

»Wie können Sie sagen, Demoiselle, daß er zu mir gekommen ist wie einer, der sich dem Profoß ausliefert? Hat er eine solche Meinung vom König von Preußen?«

»Nein!« rief wieder Dorchen, noch immer kniend, »ich hätte nicht gewagt, zu kommen, wenn Monsieur Fritz nicht zu Eurer Majestät ein ganz anderes Vertrauen hätte. Denn damals, als wir die unglückliche polnische Stadt verließen, sagte er zu mir mit schwerem Seufzen: Als Sachse wollte ich, wir hätten das nicht erlebt, und ich wollte lieber, wir wären unter dem König von Preußen zu Hause.«

»Nun,« sagte der König, »was nicht ist, kann noch werden.« Er schob die Leinwand zurück und rief:

»Herein, Sergeant!« Friedrich trat ein im blauen Rock des Königs. Er stand steif da, aber die Augen waren ihm feucht, und er hatte Mühe, die Haltung zu bewahren.

Als Dorothee den Geliebten in der Montur erblickte, verlor sie alle Fassung, die Tränen brachen ihr aus den Augen und sie verbarg ihr Gesicht im Tuche. Unterdes betrachtete der König mit innigem Vergnügen das Aussehen des Theologen. »Die Montur ist gar nicht zu enge,« sagte er zu seinem Vertrauten, »mit dem Maß hattest du recht, er käme doch noch ins erste Glied. – Was ist hier los?« fuhr er verwundert gegen Dorothea fort. »Herr von Reck, Ihr Mündel ist mit der Veränderung nicht zufrieden. – Hat Er gehört, was diese von Ihm erzählt hat?«

»Ja,« antwortete Friedrich leise, »wider meinen Willen.«

»Es geschah auch nicht mit meinem Willen, Fräulein,« versuchte der König zu begütigen, »aber das Unglück ist einmal geschehen, nun wißt ihr‘s beide. Hören Sie auf mit dem Weinen!« – er stampfte mit dem Stocke auf – »das kann ich nicht leiden. Sie gefielen mir vorhin besser. Was sagt Er zu den Geständnissen dieser Demoiselle?«

»Die Erinnerung daran wird mir für mein Leben das höchste Glück sein; ihre Worte gleichen dem letzten Gruß eines Freundes, von dem ich für immer scheide.«

»Wegen meines Rockes?« fragte der König.

»Ja«, sagte Fritz. »Auch hatte die Mutter den Wunsch, daß Fräulein Dorothea einst die Gattin meines Bruders wird.«

Der König sah enttäuscht von einem zum andern. »Zum Teufel mit Eurem Bruder!« rief er unwillig.

Wieder trat der Offizier ein, diesmal selbst in Alteration. »Der Freikorporal König von Markgraf Albrecht meldet sich in Arrest.«

Dorchen stieß einen leisen Schrei aus und tat einen Schritt auf Fritz zu, als wenn sie bei ihm Schutz suchte; auch der König stand überrascht. »Einsiedel, ich will ihn nicht sehen. Trägt er sächsische Montur?«

»Er kommt zivil, er hatte heut früh seine Entlassung aus dem sächsischen Dienst genommen.«

»Hast du ihm gesagt, daß der Bruder statt seiner angenommen ist?«

»Gewiß,« antwortete der Offizier, »und ich habe ihm gesagt, daß er wie ein Verrückter handelt, wenn er sich jetzt in unsere Hände und vor die Augen Eurer Majestät wagt. Ich habe ihm geraten, er solle zur Stelle seinem Pferde die Sporen geben und nach Sachsen zurückreiten, denn was ihm hier bevorstehe, sei ein Kriegsgericht und dahinter Ketten oder eine Kugel.«

»Das war recht«, sagte der König.

»Er aber meinte, er könne nicht dulden, daß der Bruder für sein Unrecht bezahle, und müsse darauf bestehen, sich selbst anzugeben.«

»Warum hat er nicht früher so gedacht?« grollte der König und sah von der Seite auf Friedrich. »Es ist zu spät, der andere ist bereits angenommen.«

»Das hielt ich ihm vor; er aber meinte, er könne nicht leben mit einer solchen Schuld gegen seinen Bruder auf der Seele, und ich sollte so barmherzig sein und ihn melden.«

»Wie war er?«

»Wie ein braver Kerl vor einem Duell, höflich, aber kurz.«

Der König sah wieder nach den Liebenden. Die weinende Dorothee hatte die Hand des Rekruten ergriffen, und er blickte ihr traurig ins Gesicht. »Geht beide dort hinein,« gebot der Monarch, »und damit die jungen Leute nicht miteinander allein bleiben, leisten Sie ihnen Gesellschaft, Herr von Reck.« – Darauf befahl er dem Offizier: »Ich will den Ausreißer doch sehen, halte für alle Fälle die Wache bereit mit Ober- und Untergewehr.«

»Eure Majestät haben ja niemand mitgenommen als den Döpel, weil Dieselben meinten, Sie wollten Kottwitzen nicht zuschanden essen; und der Döpel steckt, wie Eure Majestät befohlen, in dem schwarzen Rock des Theologen.«

»Dann bleibst du selbst gegenwärtig. Diese schwadronierenden Sachsen sollen sehen, daß wir mit ihrem Mundwerk und ihren Flattusen auch noch fertig werden.«

August trat ein, stellte sich aufrecht hin und begann seine Meldung: »Freikorporal August König!«

Der Monarch unterbrach ihn rauh: »Ist mir nicht bewußt. Warum tragt Ihr nicht die sächsische Montur, wenn Ihr Euch bei mir meldet? Ich mag‘s nicht leiden, wenn ein fremder Offizier sich wie ein Federfuchser kleidet.«

»Ich habe meinen Abschied aus kursächsischem Dienst genommen und heute früh erhalten.«

»Abschied?« fragte der König. »Es kommen dabei Irrtümer vor.«

»Hier ist mein Entlassungsschein«, sagte August, ein Papier herausziehend. Der König winkte dem Offizier, der es abnahm und meldete: »Der Schein ist in Ordnung.«

»Kümmert mich nicht weiter«, entschied der König. Einsiedel gab dem Delinquenten das Papier zurück.

»Raucht Ihr Tabak, Leutnant König?« fragte der Monarch.

»Zu Befehl, Eure Majestät.«

»Dann zündet Euch diese Pfeife an. Reich sie ihm«, gebot der Herr seinem Vertrauten, »und sorge für Feuer.«

August setzte erstaunt den Tabak in Brand. »Raucht!« gebot der König unwillig. »Ich habe zu tun.« Er setzte sich auf einen Holzstuhl an den Tisch, nahm einen Anschlag über die Kosten der Entwässerung, welchen der Gutsherr zurechtgelegt hatte, und las darin. August stand still und steif am Eingang des Zeltes und blies stark riechenden Dampf aus der Pfeife. Auch der Adjutant harrte unbeweglich. Der König ergriff ein Papier nach dem anderen und vertiefte sich darein, das dauerte eine Weile. Endlich fragte er über die Schulter: »Wie schmeckt der Tabak?«

»Schlecht, Eure Majestät,« antwortete August, die Arme anziehend, »er fuselt.«

»Das war Sein Glück,« rief Friedrich Wilhelm aufstehend, »ich habe es dem Kottwitz im voraus gesagt. Es ist gut, Leutnant König, Ihr könnt abtreten. Und da Ihr von hier sogleich in Eure frühere Garnison zurückreisen werdet, so mögt Ihr einen anderen Abschied als der ist, den Ihr in Eurer Tasche tragt, für einen Namensvetter von Euch mitnehmen, der auch August König hieß und vor Jahren in meinen Diensten stand. Die Aushändigung ist durch gewisse Umstände verspätet worden. Setze dich, Einsiedel, und schreibe für den gewesenen Freikorporal August König einen richtigen Abschied. Und schreibe darunter das Jahr und den Tag, an welchem der Bewußte die preußische Garnison verlassen hat, damit seine Landsleute ihn nicht für einen verdammten Ausreißer halten. Wißt Ihr, wie lange es her ist?« August nannte das Jahr und den Tag, aber die Worte kamen klanglos aus der Kehle.

Einsiedel schrieb, der König sah wieder in die Rechnungen, bis ihm der Offizier den Abschied zur Unterschrift vorlegte. Der Herr unterzeichnete und winkte, den Schein dem Sachsen zu geben. Aber August verweigerte die Annahme. »Danken Sie Gott und stecken Sie ein«, sagte leise der Offizier. August antwortete ebenso: »Ich kann an meinem Bruder nicht zum Schelm werden.«

 

»Was gibt‘s noch?« grollte der König, sich umsehend.

»Er will den Abschied nicht nehmen, Majestät.« Der König erhob sich, und als er sah, daß August das Knie beugte, rief er zornig: »Donnerwetter, wer in meinen Diensten gewesen ist, soll wissen, daß der Soldat nicht kniet, außer im ersten Gliede beim Feuern.«

»Vergebung, Majestät«, bat der Verabschiedete. »Dem August König, welchem die höchste Gnade heut die Entlassung bewilligte, darf ich den Abschied nicht mitnehmen, wenn ich ihm nicht seinen Bruder zurückbringe, welcher sich als sein Stellvertreter der Gnade Eurer Majestät übergeben hat.«

»Der Deserteur will noch Bedingungen stellen?« rief der Monarch in hellem Zorn. »Er wagt auf meine Nachsicht zu trotzen? Ich will ihm einen strengen Herrn zeigen. Nimm seinen Degen. Fort mit ihm!«

»Er hat keinen Degen, Majestät«, rapportierte der Offizier, und gebot, zu dem Sachsen tretend: »Sie sind verhaftet, folgen Sie mir.« August rückte sich zusammen. Er erkannte, daß er in ungnädige Hand gefallen war, aber er sprach nichts weiter, sondern wendete sich zum Gehen.

Da vernahm der König ein unterdrücktes Schluchzen aus dem Nebenraum des Zeltes. »Oho!« rief er und schlug mit dem Stock auf den Tisch, denn ihm fiel ein, daß er als ehrlicher Mann den älteren Bruder nicht behalten konnte, wenn er den jüngeren im Arrest festsetzte. »Einsiedel!« Der Offizier und sein Gefangener wurden am Eingang sichtbar. »Frage doch den Kerl, ob er in Sachsen eine Braut hat?« Der Offizier wiederholte die Frage, und August antwortete: »Nein!« »Ob er eine gewisse adlige Dorothea Borsdorfin von Person kennt.«

»Ich kenne sie seit meiner Kindheit«, sagte August.

»Frage ihn,« gebot der König weiter, »ob er die Dreistigkeit gehabt hat, sie heiraten zu wollen.«

»Es war zwischen den Eltern vielleicht davon die Rede«, versetzte August. »Ich glaube aber nicht, daß ihr Gemüt mir zugewandt ist.«

»Sie will Ihn durchaus nicht zum Manne«, brach der König gegen den Unglücklichen los. »Sie will Seinen Bruder; daß Er es nur weiß.«

Der König rührte an die Leinwand. »Bringen Sie Ihre Anbefohlenen heraus, Herr von Reck!«

Dorothea trat mit ihrem Vormund heran, hinter ihnen Friedrich in der Montur. »Hier, Fräulein,« sagte der Monarch mit einer unbeholfenen Ritterlichkeit, die ihm doch gut stand, denn man merkte ein ehrliches Wohlwollen, »hier sind zwei Brüder. Einer davon gehört mir, der andere mag gehen, wohin er will. Der, den Sie heiraten wollen, den nehme ich, und ich will mir Mühe geben, die Einwilligung Ihrer Verwandtschaft durchzusetzen.«

Das Fräulein stand zwischen den beiden Brüdern. »Majestät«, flehte sie zitternd.

»Ängstigen Sie sich nicht,« versuchte der König zu trösten, »ich meine es gut, und ich will Ihnen beweisen, daß ich kein Tyrann bin, obgleich dieser hier« – er wies auf Friedrich – »mich dafür ausgeschrien hat.«

Dorothea sah zur Erde, aber die Rechte hob sich leise auf Friedrich zu. Der König ergriff schnell ihre Hand und legte sie in die des Kandidaten, stellte sich vor diesen und berührte ihm mit dem Knopfe des Stockes die Brust. »Dich wollte ich,« sprach er, »und du gehörst zu mir. – Ziehe jetzt meine Montur aus, obwohl ich dich lieber darin sehe als in dem schwarzen Rock. Der Feldprediger von Markgraf Albrecht ist hinfällig, ich setze dich in seine Stelle, damit sollst du bei mir anfangen. Ihr, Herr Leutnant aus Sachsen, steckt jetzt Euren preußischen Abschied in die Tasche. Da Ihr, um Eure brüderliche Pflicht gegen meinen Feldprediger zu erfüllen, aus dem sächsischen Dienst ausgetreten seid, so will ich dafür sorgen, daß Ihr wieder hineinkommt. Kottwitz!« rief er aus dem Zelt. »Den Herren Sachsen schmeckt der Tabak nicht. Laß den Wagen vorfahren.«

9. Schluß

Frau von Borsdorf kam zu Madame König und rang nach der ersten Begrüßung die Hände. »Meine Doris ist mit ihrem Vormund ins Preußische gefahren, um vor dem bösen Könige wegen Entlassung des Monsieur August einen Fußfall zu tun. Die Tante schreibt durch die Botenfrau.«

Frau König ahnte nicht die Größe der Gefahr, aber sie wurde von tiefer Rührung ergriffen, daß Dorchen aus Neigung für den Sohn ein solches Wagnis auf sich genommen; alle anderen Pläne, die sie in der letzten Zeit wegen einer reichen Heirat gehabt hatte, schwanden dahin; sie fiel der Freundin um den Hals und sagte: »So wird durch unsere Kinder selbst offenbar, was lange unser Wunsch war.« Endlich stimmten die Mütter einmütig zusammen. Doch während sie die Zukunft der Kinder besprachen, fuhr ein Wagen vor, und nicht August, sondern Fritz und Dorchen knieten vor den Frauen und baten um den mütterlichen Segen; August aber stand ruhig beiseite und sah zu.

Als der erste Sturm der Überraschung vorüber war, nahm die Mutter den jüngeren Sohn beiseite und fragte in zärtlicher Teilnahme: »Wie wirst du das ertragen, armes Kind?«

»Mit vergnügter Seele«, versetzte August. Die Mutter sah ihn erstaunt an. »Ich war dem Dorchen niemals so gut wie der Bruder.«

Da wurde der Mutter leicht ums Herz: »Mir ist von der Majorin aus deiner Garnison etwas zugetragen worden. Bei euch ist jetzt eine reiche Partie, die angenommene Tochter des Magister Blasius. Der Mann hat früher schlecht an uns gehandelt, aber er soll sich in seinen alten Tagen sehr gebessert haben, auch bei dem Mädchen ist etwas mit der Herkunft nicht in Ordnung, und das wäre ja ein Hindernis. Aber sie hat eine gute Erziehung erhalten und es sind drei Häuser vorhanden. Man sagt, daß dein Hauptmann sich sehr um das Mädchen bewirbt. – Du könntest dann den Soldatendienst aufgeben und dich zur Ruhe setzen.«

»Ich bleibe Soldat, liebe Mutter«, antwortete August. »Wegen der gütigen Worte aber, mit denen Sie die Demoiselle erwähnten, küsse ich Ihnen dankbar die Hände. Morgen führe ich der Frau Mutter die Schwiegertochter zu.«

Neunzehn Jahre waren den Brüdern in ungetrübtem häuslichem Glück vergangen. Zwei Könige, denen sie den Eid geleistet, waren gestorben; der eine, welcher alle hochgewachsenen Männer zwingen wollte, seinem Staate zu dienen, und der andere, der alle Frauen und Töchter, welche ihm gefielen, für sich begehrte. Zwischen den Nachfolgern war der Krieg entbrannt. In dem zweiten Kampfe, den der junge König Friedrich von Preußen um den Besitz Schlesiens führte, hatte sich Kursachsen mit Österreich verbunden, und Fürst Leopold von Dessau zog mit einem preußischen Heere gegen Dresden heran. Bei Kesselsdorf erwarteten die Sachsen und Österreicher seinen Angriff. Das sächsische Leibregiment, welches jetzt »Regiment Königin« hieß, stand auf dem linken Flügel nach Kesselsdorf zu und der Hauptmann König hatte den Platz links von seiner Kompanie nahe den Grenadieren an der Flanke. Zweimal schlug das Regiment den Angriff der Preußen zurück. Als im dritten Angriff neue Reihen aus der schwarzen Wolke von Pulverdampf heraustraten, sah der Sachse die Uniformen des Regiments, welches sein verstorbener Freund, der General Vogt, geführt hatte. Ihm gegenüber trieb ein Major zu Pferde seine Kompanie mit geschwungenem Degen vorwärts. Ein Schuß traf das Pferd, daß es ausbrach, in wilden Sätzen bäumte und wenige Schritte vor der sächsischen Front zusammenbrach. In dem gestürzten Reiter erkannte August den alten Stubennachbar Brösicke, er sprang vor und umfaßte den Jugendfreund, ihn aus dem Gewühl zu retten. Da sank er selbst, in den Rücken geschossen, zu Boden. Als der Preuße sich über den Gefallenen neigte, sah dieser ihn mit freundlichem Blicke an und sagte im Sterben leise: »Es war eine sächsische Kugel!«

Am zweiten Feiertage der Weihnacht standen zahlreiche Relaispferde mit Bereitern und Postillionen vor dem Pfarrhofe eines großen märkischen Dorfes, um den siegreichen König Friedrich zu erwarten, welcher nach geschlossenem Frieden in die Residenz zurückkehrte. Auch die Beamten der Umgegend hatten sich eingefunden. Denn bei dem Pfarrhofe pflegte der Herr jedesmal anzuhalten, sooft er des Weges fuhr. Als der königliche Wagen herankam und der König während des Umspanns mit den Versammelten sprach, trat die Frau Pastorin neben ihren Gatten und bot auf der Tablette eine Erquickung. »Ist jemand gestorben?« fragte der König, dem das Trauerkleid der Frau auffiel, den Geistlichen.

»Mein Bruder blieb bei Kesselsdorf, er stand unter den Sachsen im Regiment Königin.«

»Das Regiment hat sich brav gehalten«, sagte der König. »Sind das alles Eure Kinder?« Er blickte über eine Gruppe von Knaben und Mädchen, welche von der offenen Hoftür mit großen Augen nach ihm hinsahen.

»Meine Kinder und die meiner lieben Schwägerin«, antwortete der Geistliche und wies auf eine Frau im Witwenkleide.

Der König wandte sich zu seinem Begleiter im Wagen: »Kennen Eure Liebden diese hohe Säule unserer Kirche?«

»Es ist der große Feldprediger, der früher im Regiment Markgraf stand.«

»Wissen Sie, wo wir ihn zuerst gesehen haben? – Es war bei dem seligen Könige im Berliner Schloß zur Zeit der Tragödie von Thorn.«

Aus einer kleinen Stadt

1. Im Jahre 1805

Es war eine ansehnliche Kreisstadt im Flachland der schlesischen Oder, in der Mitte ein weiter Marktplatz, der Ring, darauf das Rathaus. Von den Ecken des Marktes liefen vier Hauptstraßen zu den beiden Toren. Seit dem letzten Brande standen die Häuser unter neuem Ziegeldach, schön rosa, blau und gelb getüncht, die meisten hatten freilich nur ein Erdgeschoß, doch viele auch ein Stockwerk darüber, wenige aber zwei Stock, und diese wurden als merkwürdig gezeigt. Das Ganze war von einer Mauer umgeben, über welcher noch die Tortürme ragten; alles hübsch regelmäßig, wie von einem klugen Riesenknaben aus seinem Baukasten aufgesetzt. Außerhalb der Stadt zogen sich Scheunen und Ställe der Vorstädte weit hinein in die Ackerflur, auf der viele Bürger der Stadt schweren Weizen erbauten. Es war eine alte Stadt, einst eine Festung deutscher Kolonisten gegen fremdes Volk, und mancher wilde Kriegssturm hatte um ihre Mauern getobt. Aber das war lange her, die Mauern waren brüchig geworden, in dem trockenen Wallgraben breiteten sich Obstbäume, und die Gänse des Stadtkämmerers weideten darunter, die Bürger aber lebten unbekümmert um ihre alte Kriegsherrlichkeit und wußten auch nichts davon. Ihre Erinnerung an frühere Zustände begann mit dem Schwedenkriege, sogar dieser war undeutlich geworden, denn die Konfessionen der Stadt verkehrten in brüderlicher Eintracht, die Gebildeten meinten, daß aller Glaubenshader abgetan und in ihrer aufgeklärten Zeit unmöglich sei, die Frauen hörten am liebsten, wenn ihre Pfarrer von der christlichen Liebe predigten, und die geistlichen Herren saßen beim Glase Ungarwein gern einander gegenüber. Wenn sich die Stadt einmal von vergangener Zeit erzählte, so begann und endete ihre Geschichte mit dem Alten Fritz, der die Provinz für seinen Staat erobert hatte. Die älteren Leute berühmten sich, daß sie ihn persönlich gekannt hatten, und in den meisten Wohnstuben hing sein Bild.

In den Mauern der Stadt walteten unumschränkt die guten Geister der Ordnung und Stille, nur am Abend des Wochenmarktes schrie zuweilen ein trunkenes Bäuerlein. Jedermann ging am Sonntag früh auf seinen Platz in der Kirche und nachmittags in den neuen Kaffeegarten, um sich dort ebenfalls hinzusetzen, und das Hauptfest im Jahre war das Königschießen. Außerdem erschien zur Freude der Jugend zuweilen ein mürrisches Kamel mit seinem Affen und zwei Bären oder ein Seiltänzer mit kleinen Kunstpferden, sehr selten ein Trupp Komödianten, den die Polizei ungern sah, weil er immer Schulden hinterließ. Die Honoratioren besuchten im Winter die Vorstellung eines fremden Künstlers, der die Flöte blies und deklamierte oder ein Schattenspiel zeigte; doch auch neue musikalische Erfindungen wurden aufgeführt: die Glasharmonika, wobei dem Stadtdirektor seine eigene Frau ohnmächtig wurde, oder eine Äolsharfe, welche der Verfertiger am Stadtwalde in abgestecktem Raume aufhing. Dieser Genuß war sehr ergreifend, nur trug er dem Manne nichts ein, weil die Leute den Geistergesang am liebsten von fern vernehmen wollten. Unleugbar war fast alles in der Stadt mäßig und bescheiden, auch der Wohlstand war nicht übergroß, aber die Bürger gediehen doch und merkten, daß sie vorwärts kamen trotz der Mißernten in den letzten Jahren. Ihr schlesisches Geld, Böhmen und Gröschel, war schwärzlich; es war auch weniger wert als das Kurant, aber die Bürger nahmen es willig und wurden, wenn sie es ausgaben, gern lustig. Jeder wußte so ziemlich, was der andere besaß, und einige Kaufleute und Fabrikanten galten für reich, ja einer von ihnen sollte die Absicht haben, in seiner Fabrik eine Dampfmaschine aufzustellen.

Großer Luxus wurde in der Stadt nur im Winter sichtbar, wenn die adligen Gutsherren des Kreises im Gasthofe ihr Kränzchen abhielten und untereinander einen Ball veranstalteten. Dafür wurde der Fußboden des Saals und die Treppe sorgfältig mit Wasser und Bürste behandelt, was sonst nicht häufig geschah, und alle Öllampen des Kronleuchters wurden angezündet. Die Edelleute kamen in geschlossenen Kutschen, manche mit silbernem Pferdegeschirr, und die vornehmsten hatten Läufer in bunter Tracht mit einer großen geflochtenen Lederpeitsche als Bandelier. Dann tanzten die Herrschaften vergnügt miteinander, die Damen trugen Ballkleider aus der Residenz und die Herren schlüpften in eine Nebenstube, um Pharao zu spielen; und wer von dem kleinen Stadtvolk neugierig war, stand auf der Straße und sah zu den erleuchteten Fenstern auf.

 

Natürlich war ein verständiger Bürger oft unzufrieden mit den königlichen Behörden, welche seine Stadt und das Land regierten, sich in alles mischten und auch da, wo sie das Beste wollten, herrisch und ungeschickt schalteten; noch häufiger ärgerte er sich über die Garnison, über Roheit der Soldaten und Ungezogenheiten der Offiziere, und wenn vor der Hauptwache das Signal zum Gassenlaufen gegeben wurde, verbot er seinen Kindern und Dienstboten zuzusehen. Er wunderte sich auch über den Lauf der Welt, denn er hatte die ganze französische Revolution erlebt, wie man dort vor kurzer Zeit König und Adel in größter Eile umgebracht hatte, und wie jetzt plötzlich ein neuer Kaiser aufgeschossen war. Aber obgleich eine unruhige und kriegerische Zeit gekommen war, in welcher vieles Alte zusammenbrach, das geschah weit draußen und man unterhielt sich gleichmütig davon, wie von fremden Dingen; denn die Provinz lag abseits in Sicherheit, und das polnische Wesen in der Nähe war zwar übel beleumdet, jedoch nicht mehr zu fürchten.

Und wenn einer von den Bürgern auf rauhen Wegen in seiner alten Kalesche oder in dem unförmlichen Holzwagen der Post nach der Hauptstadt der Provinz fuhr, so fand er dort alles in größerem Maßstab und reichlicher als daheim, doch im Grunde war es nur ein Unterschied in der Größe; er besuchte ebenfalls als Hauptvergnügen den Kaffeegarten, welcher am Abend durch viele bunte Lampen illuminiert wurde, er saß in dem gewölbten Ratskeller und stand im Parterre des Theaters, und erzählte nach überstandener Reise vergnügt, daß es in der großen Stadt immer etwas Neues gebe: eine Menagerie, einen Luftballon. Aber im übrigen lebte die Hauptstadt fast ebenso still dahin, wie das ganze Land, höchstens, daß die Schneidergesellen einmal Revolte machten, weil die hohe Obrigkeit sich gar zu einfältig gegen sie benahm.

Heute war Sonntag. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel warm in die reingefegten Gassen, und von beiden Pfarrtürmen läuteten die Glocken. Die Stadt aber befand sich in einem Zustande stiller Aufmerksamkeit und Beobachtung. Denn der neue Arzt war angekommen. »Ein junger, angenehmer Mann,« sagte die Gastwirtin zu ihrer Nachbarin, der Bäckersfrau, »lang von Gestalt und von ernsthaftem Wesen, sein Name steht im Fremdenbuch als Doktor Ernst König. Er hat schöne Wäsche, so stickt hier niemand die Hemden.« Die Bäckerin deutete dasselbe ihren Kunden an, und die Milchfrau trug es weiter; bis endlich der Friseur den Fremden beobachtete und die Neuigkeit zu allgemeiner Kenntnis brachte. Ja, es war nicht zu leugnen, der Doktor sah ansehnlich aus in rundem Biberhut und zierlichen Stulpstiefeln, auch trug er keinen Zopf mehr, sondern das helle Haar halblang, und das Gekräusel dabei war ein natürliches. Das wußte der Friseur genau, denn er traf den Fremden bei seinem besten Kunden, dem königlichen Zoll- und Akziseeinnehmer Köhler, als er diesem den Zopf flocht. Und er sah den beiden Herren bekümmert nach, wie sich diese zu ungewöhnlicher Zeit promenierend nach dem Stadttor bewegten.

»Dort liegt das Riesengebirge«, erklärte der Einnehmer seinem Gast und wies zwischen den Linden des Stadtwalles auf die blauen Berge in der Ferne. »Aber Riesen wohnen nicht mehr in den Tälern, sondern arme Weber, welche wenig zu tun haben, seit der französische Kriegstrubel den Kaufleuten die Wege unsicher macht. Und was Sie in der Mitte sehen, ist die Schneekoppe.«

Der Doktor wandte sich freudig der Richtung zu: »Ich habe vor Jahren dort oben gestanden und den Sonnenaufgang erlebt. Er war unbeschreiblich schön und erhob mir die Seele. Als über den Nebeln der Erde das goldene Tagesgestirn heraufstieg, kam es mir vor wie die Gottheit selbst, welche in dem Chaos unter ihr blühendes Leben schafft. Glücklich ist der Mensch, welchem Gelegenheit wurde, ein Bild solcher erhabener Größe in seiner Seele zu bewahren.«

Der Einnehmer drückte seinem Gaste die Hand. »Ich freue mich, daß Ihr Gemüt offen ist für die Reize der Natur, darin gleichen Sie ganz dem seligen Kriegsrat, Ihrem lieben Vater. Sind Sie auch auf unseren alten Burgen herumgeklettert?

»Dort, wo wildverschlungene Ranken sich

Über Uhunester schwarz verbreiten«,

wie Matthison so schön sagt, obgleich mir wahrscheinlich ist, daß er sich bei den Nestern nicht den eigentlichen Uhu, sondern vielmehr die Fledermaus gedacht hat.« Er unterbrach sich selbst. »Von dieser Seite sehen Sie durch das Stadttor bis auf den Markt.«

»Ich habe mich über das gute und saubere Steinpflaster gefreut.«

»An Steinen fehlt es unserer Gegend nicht,« versetzte der Einnehmer, »auch nicht an Besenbindern, welche ihren Edelleuten die Birkenreiser aus dem Walde stehlen. Nun, Sie werden unsere Herren und das Landvolk zur Genüge kennenlernen.«

»Ich bin ja selbst ein Landeskind,« sagte der junge Arzt, »und mein Beruf macht es mir leicht, mit Vornehm und Gering fertig zu werden. Jetzt freilich, da ich aus der Fremde heimgekommen bin, sehe ich, daß man hier in manchem zurückgeblieben ist.«

»Still!« warnte der Einnehmer, »wir sind in starkem Fortschritt, und wer uns das leugnet, mag sich hüten. Es gibt hier und da Leute, welche Bücher über uns schreiben; diese sind uns durchaus verhaßt, ich hoffe, Sie gehören nicht zu der Zunft.« Der Gast verneinte. »Im Vertrauen, wir fühlen uns in unserer Haut gar nicht wohl, aber wir können nicht leiden, daß andere uns das zu verstehen geben. Wenn Sie einmal unzufrieden mit dem hiesigen Wesen sind, so schelten Sie nur immer gegen mich, man wird Ihnen sagen, daß an mir nichts zu verderben ist, und ich hoffe, Ihr lieber Vater hat Ihnen auch gesagt, daß ich ein zuverlässiger Freund bin.« Er schüttelte dem Doktor die Hand. »Dennoch wundert mich, daß Sie, dem ich über sein gutes Aussehen keine Artigkeit sagen will, an diesem kleinen Ort niedersitzen.«

»Ich folge dem Wunsche meines Vaters, und mir selbst liegt daran, sobald als möglich eine feste Tätigkeit zu erhalten.«

»Sie waren längere Zeit in der Fremde?«

»Ich wurde als junger Arzt von meinem Professor dem kranken Prinzen Georg zum Begleiter empfohlen und lebte einige Jahre mit ihm auf Reisen, zuletzt in Paris, wo ich Zutritt zu den Hospitälern gewann.«

Der Einnehmer stand erstaunt still: »In Paris?« rief er, »Sie sind ein Wundermann, und es kann Ihnen gar nicht fehlen. In Paris! Eine lebhafte Stadt, etwas unbändig. Die Straßen sind dort ja wohl mit Köpfen gepflastert, welche die Kleinen den Großen abgeschlagen haben.«

»Jetzt ist gute Ordnung dort,« antwortete der Gast, »und die Polizei strenger als bei uns.« »Natürlich,« versetzte Herr Köhler, »der große Musikus dort versteht es, alle Welt nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Ich sage Ihnen, Ihr Glück unter uns ist gemacht, jedermann schüttelt sich, wenn von Paris die Rede ist, aber jedermann will davon hören.«

Er zog seine silberne Uhr heraus. »Kommen Sie, der Gottesdienst ist zu Ende, wir treffen die Honoratioren jetzt in der Frühstücksstube beieinander; dort werde ich Sie einführen. Auch der Wein ist gut.«

Sie traten in die Weinstube, dort fanden sie die Vornehmen der Stadt an drei runden Tischen versammelt, an dem einen die Offiziere der Garnison, bei ihnen den adligen Stadtdirektor und mehrere Herren vom Landadel, am zweiten die königlichen Offizianten, am dritten Kaufleute und Fabrikanten, den Kämmerer und Apotheker. Herr Köhler stellte den Gast vor und führte zum zweiten Tisch. Alle Augen beobachteten die neue Erscheinung. Der Einnehmer aber deutete leise seinen Vertrauten an, wie es um den Gast stehe, daß er von Paris komme und mit dem Kaiser Napoleon auf der Straße vielfach zusammengetroffen sei. So wurde der Doktor bald Mittelpunkt einer lebhaften Unterhaltung, nur die Offiziere am Herrentisch zeigten eine gesuchte Nichtachtung, sprachen laut und verächtlich von dem revolutionären Wesen und von einem Abenteurer, der durch unerhörtes Glück heraufgekommen sei.