Als DDR-Auslandskader in Mosambik (1979 – 1982)

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

MEINE DIENSTREISE IN DIE VR ANGOLA
VOM 28. MÄRZ – 16. APRIL 1979

Die Il-62 der Interflug schwebt hoch über den Wolken, auf Südkurs, in Richtung Luanda. In den späten Abendstunden begann der Flug mit einem bedrückenden Gefühl. Es war die Nachricht im Radio, eine Interflugmaschine vom Typ IL-18, mit Hilfsgütern nach Angola, ist am Flughafen in Luanda verunglückt. Ich sitze an der Fensterseite, schaue nach draußen und beobachte die Lichter am rechten Flügel der Maschine. Unter den Passagieren sind alte und junge Afrikaner, vermutlich Angolaner, Studenten, Facharbeiter, Dienstreisende, aber auch eine Vielzahl Europäer – scheinbar DDR-Bürger, Diplomaten, Spezialisten, Außenhändler. Die Maschine ist nicht ausgebucht. Die freien Plätze sind vielleicht für neue Passagiere in Algier oder Lagos. Die Stewardessen versorgen uns sehr gut, sie sind sehr freundlich, aber bestimmend in der Sache.

Wenige Tage vor der Dienstreise las ich in Nachschlagwerken über Angola und bekam folgendes Bild über dieses Land: Am 11. November 1975 wurde die Unabhängigkeit der Volksrepublik Angola proklamiert. Bis zu diesem Zeitpunkt war Angola portugiesische Kolonie, eine sogenannte überseeische Provinz, an der südwestlichen Küste Afrikas. Nach der Unabhängigkeit von Portugal entbrannt ein Konflikt mit der Rebellengruppierung UNITA, die von Jonas Savimbi geführt wird, dieser Konflikt dauert noch an und nimmt an Schärfe zu. Die USA und Südafrika unterstützen die prowestliche UNITA-Rebellen, wiederum die Sowjetunion und Kuba die MPLA, aber auch andere sozialistische Länder – darunter die DDR – solidarisieren sich mit der VR Angola im Kampf gegen die UNITA-Rebellen.

Daraus kann geschlussfolgert werden, die junge Volksrepublik Angola ist noch ein instabiles Land.

Unsere Delegation, auch Arbeitsgruppe genannt, besteht aus acht Mitgliedern: Harri Peters als Delegationsleiter, Renate Petrahn als Dolmetscherin. Von der angolanischen Seite, dem Ministerium für Binnenhandel, wurde an die DDR das Ersuchen herangetragen, sie bei der Organisierung und Realisierung der Inbetriebnahme einschließlich Renovierung einer Reihe von Hotels in Luanda zu unterstützen.

Unter vorgehaltener Hand wird gesagt, während des Partei- und Staatsbesuches in Angola wurde diese Bitte an Dr. Günter Mittag, Politbüromitglied und zuständig für Wirtschaft, herangetragen. Mittag gab den Auftrag weiter, den Umfang der Leistungen zu untersuchen. In Vorbereitung dieser Reise wurde mir folgendes Aufgabengebiet übertragen:

 Beratung des Delegationsleiters zu allen Fragen, die das Bauwesen betreffen;

 Erfassung der erforderlichen Bauleistungen zur Inbetriebnahme der besichtigten Hotels;

 Einschätzung der erforderlichen Baukapazitäten nach Mengen und Währungseinheiten, Arbeitszeit- und Bauzeitaufwand sowie erforderliche Maschinen, Geräte und Kleinmechanisierung;

 Wünsche der angolanischen Seite entgegenzunehmen und Lieferungen und Leistungen des Bauwesens der DDR hinsichtlich der Fertigungsstellung der Hotels zu prüfen.

Die Nacht wird vom Tag abgelöst. Über uns ein herrlicher blauer Himmel. Unter uns ein lang gestrecktes Wolkenfeld. Wir fliegen in 10.000 m Höhe. Unsere IL-62 fliegt immer tiefer in den Süden Afrikas. Wir überqueren den Äquator, unter uns ist der Atlantische Ozean. Eine Stewardess überreicht jedem Fluggast, der zum ersten Mal den Äquator überquert, eine bunte Urkunde der Interflug, auf meiner mit dem Vermerk: „Die Äquatortaufe am 28. 3. 1979, 13:40 MEZ wird dem Kollegen Günter Mosler bescheinigt. Er kam mühelos über das Zentrum der Erdkugel. Es soll ihm gelingen, weitere Male diese Schwelle zu überfliegen.“

Plötzlich wird die Stille von der Ansage zur bevorstehenden Landung in Luanda unterbrochen. Luanda, die Hauptstadt Angolas, hat ca. 450.000 Einwohner, einen Hafen, eine Erdölraffinerie und eine traurige Vergangenheit. Von hier aus wurde der Sklavenhandel hauptsächlich nach Brasilien getrieben.

Wir landen mit leichtem Aufschlag auf dem Rollfeld des Flughafens Luanda. Objekte auf dem Boden gleiten an uns vorbei, die Geschwindigkeit lässt nach und unsere Il-62 kommt zum Stehen. Beim Betreten der Gangway spüren wir das tropische Klima Angolas. Die meisten meiner mitreisenden Kollegen der Arbeitsgruppe sind zum ersten Mal in einer tropischen Klimazone. Es ist schwülwarm, Erinnerungen an Vietnam werden in mir wach. Das Schwitzen und Stöhnen nimmt seinen Lauf. Nach der Pass- und Zollabfertigung, beides verläuft zügig, werden wir vom Camarada Fernando Continho, Abteilungsleiter Tourismus im Ministerium für Bienenhandel der VR Angola, begrüßt. Hier bietet sich die Gelegenheit, meine portugiesischen Sprachkenntnisse auf den Prüfstand zu stellen. Ich spitze meine Ohren und vergleiche mein Verstehen mit der Übersetzung unserer Dolmetscherin Renate. Oje, ich verstehe kaum was, unser Gastgeber spricht stark nasal und sehr schnell.

Wir werden im neusten Hotel „Presidente“ in der Palmenallee, die entlang des Atlantischen Ozeans führt, untergebracht. Ein gewaltiges mehrstöckiges Scheiben-Bauwerk, das von Portugiesen im Jahr 1975, kurz vor der Unabhängigkeit, fertiggestellt wurde. Nachdem wir unsere Zimmer belegt haben, beginnt das Einführungsgespräch zwischen unserem Delegationsleiter und dem Minister für Binnenhandel der VR Angola Camarada Van Dumen.


Blick vom Hotel „Presidente“ auf den Ozean

In Luanda sind alle Hotels mit ca. 85% ausländischen Spezialisten belegt, die restlichen 15% stehen zur Unterbringung von Gästen zur Verfügung. Eine Reihe von Hotels kann nicht vollständig belegt werden, denn der technische Zustand ist mangelhaft. Der Bedarf an Hotelplätzen ist sehr groß und wächst zunehmend weiter, informierte der Minister.

Wir registrieren uns in der DDR-Botschaft und erhalten ein Aufenthaltsvisum für die VR Angola. Hier werden wir über die besorgniserregende Wirtschaftslage des Landes, über die unzureichende Ernährungs- und Gesundheitssituation der angolanischen Bevölkerung und über die unzureichende reine Trinkwasserversorgung besonders im Landesinneren informiert. Jährlich sterben Tausende Menschen an leicht heilbaren Krankheiten wie Malaria, Durchfallerkrankungen und Atemwegentzündungen. Meningitis, Tuberkulose und Erkrankungen durch Wurmbefall sind an der Tagesordnung. Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren ist sehr hoch. Angola braucht allseitige Unterstützung von außen. Wir werden über Aktivitäten der konterrevolutionären Banden informiert, die auch in Luanda operieren und zu hoher Wachsamkeit in der Stadt und außerhalb angehalten. Die Genossen der Botschaft belehren uns über Verhaltensweisen der angolanischen Gesprächspartner bei Verhandlungen, Entscheidungsfindung und Terminen. Sie empfehlen, viel Geduld beim Partner aufzubringen.

In der Stadt sind mehrere DDR-Bürger, darunter FDJler, Spezialisten verschiedener Branchen und Berater, zu denen wir schnell Kontakt finden. Unter vorgehaltener Hand erfahren wir, dass Kubaner in Angola besonders gefährdet sind. Man erzählt, dass ein Angolaner der einen Kubaner tötet und der als Beweis seiner Tat die Zunge oder beide Ohren seines Opfers vorführt, von konterrevolutionären Banden 500 Dollar für einen Toten erhält. Die meisten Kubaner, auch Zivilisten, sind bewaffnet.

An den folgenden Tagen suchen wir Kontakt zum angolanischen Partner, der uns Objekte zur Besichtigung benennen soll. Die verantwortlichen angolanischen Camaradas sind nicht aufzufinden, nicht kompetent für Aussagen oder es mangelt ihnen an Zeit für uns.

Es folgt das erste Wochenende. Wir spazieren in der Stadt und auch außerhalb. Es ist schwülwarm, ein typisches Tropenwetter. Das Angebot in den Geschäften erinnert an Vietnam, wobei das Angebot dort noch besser war.


Luanda

Die Hauptstraßen sind breit, die Fahrbahndecken asphaltiert, der Verkehr mäßig, es gibt Kraftfahrzeuge westlicher oder japanischer Produktion, sehr viele Häuser sind renovierungsbedürftig. Wir gehen an einer gepflegten katholischen Kirche mit architektonischen Elementen verschiedener Epochen vorbei. Es scheint Gottesdienst gewesen sein, denn die Menschen bewegen sich im Kirchhof. Das Gotteshaus hat einen weißen Anstrich – im Innenhof Palmen, Gräber mit großen Marmorgrabsteinen, dazwischen Rasen. Ganze Straßenabschnitte sind menschenleer. Mag sein, dass die Hitze oder Mittagszeit unpassend für Ausgänge sind. Die Neugier treibt uns, Luanda zu erkunden, der angolanische Partner lässt uns allein. Vom tropischen Klima lassen wir uns nicht, noch nicht abschrecken. Schweiß trieft vom Körper, wir nähern uns der Uferallee. Seitwärts des Uferstrandes verkaufen Frischfischhändler ihre Ware. Darunter Schwertfische und sehr lange silberfarbige Seeaale. Der Fischgeruch breitet sich aus. Die Käufer umringen die Händler, feilschen Preise, erzählen und lachen viel dabei.

Mittlerweile ist Nachmittag geworden. Hungrig, müde und verschwitzt gehen wir zurück ins Hotel, um eine Ruhepause einzulegen.

Die Unterkünfte im Hotel „Presidente“ sind gut ausgestattet. Wir haben einen herrlichen Ausblick auf den Atlantischen Ozean. Die Verpflegung im Hotelrestaurant ist gut, aber insgesamt für uns kleine DDR-Dienstreisende mit beschränkter finanzieller Ausstattung viel zu teuer.

Wir sind uns einig mit unseren Dollars sorgsam umzugehen, damit am Ende der Dienstreise für jeden vom Taschengeld was übrig bleibt.

Im Intershop einkaufen, mit Familie, wird uns gut tun. Wir entscheiden uns für einen Hotelwechsel in das Hotel „Panorama“ auch mit herrlichem Blick zum Atlantischen Ozean. Scherzhaft gesagt mit Blick nach Brasilien.

 

Endlich, am Mittwoch den 4. April 1979 kommt es im Hotel „Panorama“, auf Drängen des Delegationsleiters Harri Peter, zum ersten Gespräch zur Durchführung der gemeinsamen Aufgabe. An diesem Gespräch nehmen teil:

Camarada Continho, andere Abteilungsleiter sowie unsere gesamte Delegation.


Kinder auf dem Weg zur Schule

Die angolanische Seite benennt sieben Hotels, Restaurants, Kaufhallen und Produktionsbetriebe für das Gaststättenwesen, die zu besichtigen wären. Camarada Continho wird uns begleiten und zur Seite stehen.

Wir besichtigten:

 Das Hotel „Costa do Sol“ mit 78 Betten liegt am Stadtrand von Luanda, direkt am Atlantischen Ozean. Es wurde Anfang der 60-er Jahre erbaut.

 Das Hotel „Continental“ mit 121 Betten es liegt im Stadtinneren von Luanda.

 Das Hotel „Kate Karo“ – Residencial mit 82 Betten ist im Stadtinneren, es wurde in den 40-er Jahren erbaut.

 Das Hotel „Satelite“ mit 108 Betten, im Ort Viana, ist etwa 20 km von Luanda entfernt.

 Das Hotel „Ocapi“, früher Don Joao II, mit 150 Betten, liegt im Stadtinneren von Luanda.

Am Sonnabend, dem 7. April am Vormittag, kommt es im Ministerium für Binnenhandel zu einem Gespräch zwischen dem Camarada Versimo, dem Direktor für Tourismus, Gaststätten und Hotels und unserem Delegationsleiter Harri Peters. Für dieses Gespräch wurden für den Bereich Bauwesen folgende Gesprächsgrundlagen ausgearbeitet:

 Bei der bautechnischen Instandsetzung der zu besichtigenden Hotels wird vorgeschlagen, die angolanischen Camaradas mit einem Bauingenieur/Bau-leiter zur fachlichen und organisatorischen Anleitung zu unterstützen.

 Die Hauptaufgabe für diesen Bauingenieur/Bauleiter wäre der Ausbau des Objektes Hotel „Satelite“ und parallel die Instandsetzung der bestehenden Hotels in der von angolanischen Genossen genannten Reihefolge.

 Die angolanische Seite müsste dazu bereitstellen: komplettes Projekt für das Objekt „Satelite“, wenn vorhanden dann auch Projekte der bestehenden Hotels, Leistungsverzeichnisse für Bauleistungen in den bestehenden Hotels, Baukapazitäten, Baumaterial, Baumaschinen und Geräte.

 Falls die angolanische Camaradas Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Baumaterialien sowie Baumaschinen und Geräte für die Instandsetzung der Hotels haben, müssten sie uns die Wünsche vortragen.

Am Nachmittag können wir keine weiteren Objektbesichtigungen vornehmen. Genosse Continho hat wichtige Termine, verspricht uns am Sonntag zum Sklavenmuseum zu begleiten. Wir sind in Eile. Unser Rückflug ist für den 11. April geplant und ohne Begleitung besteht keine Objektbesichtigung.

Jeden Morgen beobachten wir vom Balkon unseres Hotels ein interessantes und seltenes Schauspiel auf der Oberfläche des Atlantischen Ozeans. Ein Schwarm von Delfinen springt im langen Bogen aus dem Wasser und zieht vom Süden in Richtung Norden.

Den Sonnabend verbringen wir beim Baden und Sonnen am Strand außerhalb von Luanda. Wir sehen afrikanische Rundhütten, beobachten Flora und Fauna. Alles ist interessant, wer kommt schon als DDR-Bürger nach Afrika?

Am Sonntag, wie versprochen, werden wir zur Besichtigung des Sklavenhandelmuseums abgeholt. Unser Kleinbus steuert aus Luanda heraus, hält vor einer Anhöhe, auf der ein weiß getünchtes einstöckiges Haus steht: das Sklavenhandelmuseum.


Menschenhandel-Museum in Luanda; ehemalige Anlegestelle zum Verschiffen der Sklaven

Um dahin zu gelangen, müssen wir viele Stufen hinaufsteigen. Es ist schwülwarm, der Himmel von Wolken überzogen. Langsamen Schrittes erreichen wir das Gebäude und werden vom Mitarbeiter des Museums begrüßt. Die Räume sind klein, an den Wänden präsentiert man erschreckende Zeichnungen und Bilder. Gefesselte Afrikaner auf dem Weg zum Verschiffen, getrieben und geprügelt von Bewachern, Exekutionen von Afrikanern, afrikanische Männer an einer Holzstange vorn und hinten gefesselt, Leichen von Afrikanern auf dem Boden, daneben hochnäsige schwarze und weiße Bewacher, überfüllte Schiffe mit afrikanischen Frauen, Kindern und Männern und verstorbene Afrikaner, die während der Überfahrt in den Ozean geworfen wurden. Wir sehen Werkzeuge, die zum Quälen gefangener Afrikaner dienten. Das Museumsgebäude befindet sich an einer ehemaligen Anlegestelle. Von hier aus wurden zusammengetriebene Afrikaner auf Segelschiffe verladen und über den Atlantischen Ozean, vorwiegend nach Brasilien, transportiert. Aus Übersetzung der Schriften und des Vortrages über den Sklavenhandel kann ich entnehmen, dass die Sklaven einfache Beute waren, sie wurden auf dem Weg oder in ihrer Hütte gefangen genommen und verschleppt, sie waren nicht ausreichend bewaffnet. Oder es waren einfache Menschen die in ethnischen Konflikten oder Kriegen gefangen und an Menschenhändler veräußert wurden.

Die meisten Schiffe, die für den Sklavenhandel genutzt wurden, befanden sich im Besitz von Europäern, sie wurden von Menschenhändlern gekauft oder gemietet. Ein einziges Schiff konnte bis zu 1000 Gefangene aufnehmen, ein großer Teil, nicht selten die Hälfte, verstarb unterwegs.

Im Jahr 1807 wurde zu nächst der Sklavenhandel in den englischen Kolonien verboten. Im Jahr 1833 verkündete England, 1848 Frankreich, die völlige Aufhebung der Sklaverei.

Wir bedanken uns beim Vortragenden, aber auch bei unserer Dolmetscherin Renate Petrahn für das fast einstündige simultane Dolmetschen.

Den Rest des Sonntages verbringen wir am Strand beim Baden und Sonnen. Dann geht’s zum Abendessen.

Am Montag, dem 9. April, besichtigen wir das Hotel „Globo“, das mit 94 Betten im Stadtinneren von Luanda steht. Es wurde im Jahr 1951 in traditioneller Bauweise erbaut. Das Objekt verfügt über drei Geschosse und insgesamt 47 Zimmer. Am Nachmittag besichtigen wir mehrere Restaurants, Produktionsbetriebe für das Gaststättenwesen, das Hotel „Tropico“ und eine Kaufhalle, die für das Bauwesen nicht relevant sind.

Zum ersten Mal sehe ich eine riesige Kaufhalle mit vielen Kassen, eigenem Stromaggregat, der sich bei Stromausfall automatisch einschaltet, um Diebstahl zu verhindern. Die Kaufhalle, für das Publikum geschlossen, ist mit „Intershop“-Waren versorgt – für die Nomenklatur.

Am Dienstag, dem 10. April, liegt für den Rückflug am nächsten Tag noch keine Okay-Buchung bei Interflug vor. Wir erfahren, dass wir erst am 16. April 1979 mit der Balkan-Airline nach Sofia und von dort weiter nach Berlin-Schönefeld fliegen werden.


Kinder vor der Kamera

Dieser verspätete Rückflug hat auch Vorteile für uns. Wir haben Anspruch auf Tagegelder. Damit können DDR-Bürger auf Dienstreise sparsam umgehen. Ein Einkauf mit Familie im Intershop ist somit sicher. Also sind wir nicht verärgert.

Wir nutzen die Zeit zur Ausarbeitung des Abschlussberichtes für unser Ministerium für Handel und Versorgung und untebreiten Entscheidungsvorschläge:


Westafrikanische Rundhütten

„In der VR Angola gibt es auf allen wirtschaftlichen Gebieten nur wenig ausgebildete Fachkräfte. Die Produktionsleistungen aus dem Jahre 1973 sind noch nicht erreicht. In vielen Einrichtungen stehen hochmoderne Produktionsmittel zur Verfügung, die jedoch aufgrund fehlender Fachkräfte nicht oder nur im geringen Umfang genutzt werden können. Es ist dringend notwendig, all diese Objekte funktionsfähig zu machen und ihrer Bestimmung zu übergeben. Das ist umso mehr notwendig, da die VR Angola für ihre weitere Entwicklung viele Spezialisten benötigt, aber die Unterbringung Schwierigkeiten bereitet, weil kein ausreichender Wohnraum oder Hotels zur Verfügung stehen.“

Die Zeit verbringen wir am Strand. Zu Hause ist es noch kalt.

Sonntag, der 15. April 1979, der letzte Tag in Luanda. Wir sitzen im Hotelrestaurant speisen und trinken Bier. Schräg gegenüber erkennt Harri Peters einen jugoslawischen Staatsbürger aus einer beruflichen Begegnung in der DDR. Im Laufe des Abends kommt es zwischen beiden zum Gespräch, dabei zeigt sich, dass auch dieser jugoslawische Staatsbürger in Luanda eine Arbeitsgruppe leitet, die die gleiche Arbeit verrichtet wie wir, in den gleichen Hotels. Aus dem Gespräch geht hervor, dass noch weitere ausländische Arbeitsgruppen diese Hotels besichtigten oder noch besichtigen werden.

Unsere Aufgabe haben wir erfüllt und sind auch mit unserem Dollar-Taschen-geld sehr zufrieden. Vielleicht kann unsere Dienstreise in einem Satz zusammenfasst werden: Außer Spesen nichts gewesen.

VOR DER AUSREISE

Die Dienstreise nach Angola hat sich gelohnt, 120 Dollar pro Person war das Ergebnis unserer Einsparung. Der Dollar Kurs ist derzeit sehr hoch und beträgt über 1: 4. So viel D-Mark in Forumschecks hatten wir noch nie in der Hand. Auch meiner Helene konnte ich gute Nachrichten überbringen, in der Interflugmaschine kann Buffy mitgeführt werden.

Während des Fluges nach Luanda konsultierte ich die Chefstewardesse und den Flugkapitän: „… es kommt vor, dass Fluggäste kleine Vierbeiner mitführen. Das Mitführen von Tieren in der Passagierkabine ist abhängig von ihrer Größe. Genaue Informationen darüber sollte man bei der Interflugdirektion einholen. Wichtig ist ein Veterinär-Impfausweis mit gültigen Impfungen, z. B. gegen Staupe, Tollwut. Pass- und Zollorgane im jeweiligen Land könnten dieses Dokument bei der Ein- und Ausreise anfordern“, sagte die Chefstewardess.

Die Zeit während der Bahn- und Arbeitszeit nutze ich zum Festigen meiner portugiesischen Sprachkenntnisse. Jetzt paukte auch schon Helene portugiesische Vokabeln und zusammenhängende Sätze; am Abend übten wir beide laut die Aussprache.

Es ist Ende Mai. Ich erhalte einen Dienstreiseauftrag zur Schwarze Pumpe zum Vorstellungsgespräch beim Delegationsleiter von Moatize. Dr. Thomas Klemm weilt zurzeit in der Abteilung „M“. Dr. Klemm – schlank, blond um die 40 – kommt lächelnd auf mich zu. Es ist ein offenes Gespräch in Beisein zweier Mitarbeiter der Abteilung „M“, keine Schönfärberei zur tatsächlichen Lage der Arbeits- und Lebensbedingungen in Moatize, was mit Aussagen von Kollegen in Oppach übereinstimmt. Mein Gesprächspartner ist informiert, dass ich in der Vergangenheit im oberschlesischen Bergbaurevier als Bauleiter im Wohnungs-, Sozial- und Industriebau tätig war. Es fällt kaum der Begriff Mosambik, nur Moatize, Moatize, Tete, Tete. Dr. Klemm bereitet mich auf meine zukünftige Aufgabe vor: Meine allererste Aufgabe wird sein, eine Dieselelektroanlage vor Ort bauen zu lassen. Gegenwärtig werden die Gruben provisorisch mit fahrbaren Stromaggregaten auf Dieselbasis versorgt. Bei langer Laufzeit sind die Aggregate sehr störanfällig, ein Hemmnis für die zügige Aufrechterhaltung der Kohleförderung in Steinkohlegruben. Mein Gesprächspartner nennt die Steinkohlengruben Chipangas. Weitere Aufgaben werden genannt: Übertagebauten für neue Gruben, Instandhaltung von Wohnungs-, Sozial- und Industriebauobjekten. Geplant sind auch weitere Bauinvestitionen. Die Ursachen der unzureichenden Stromversorgung begründet mein Gesprächspartner ganz offen mit konterrevolutionären Sabotageakten an Hochspannungsleitungen von Cahora Bassa in das Landesinnere. Auch das deckt sich mit Aussagen in Oppach.

Dr. Klemm, mein zukünftiger Chef in Moatize, wird dringend zu einer Beratung gerufen. Wir verabschieden uns, werde abschließend gebeten, das Projekt der Dieselelektroanlage vor meiner Ausreise, die voraussichtlich Ende Juni erfolgt, mit der Abteilung „M“ technologisch aufzuarbeiten. Er machte auf mich einen sehr guten Eindruck, war gut vorbereitet, freundlich und verbindlich im Ton, glaubwürdig in der Sache. Auf die Zusammenarbeit mit ihm freue ich mich.

Zur Mitnahme von Buffy gab es keinen Widerspruch. „Manche nehmen Kleinkinder mit, du eben einen Zwergpudel“, war die Antwort von Mitarbeitern der Abteilung „M“. Dr. Klemm, mit seinem auffallend angenehmen Lächeln, gab die Zustimmung, einen Zwergpudel in der Delegation in Moatize zu haben.

 

Ich halte mich in der Abteilung „M“ auf, nehme Einblick in die Projektunterlagen der Dieselelektroanlage, erhalte auch den Auftrag, Stahlbewehrungselemente für Fundamente der Dieselaggregate und Stützenfundamente im VEB Bau- und Montagekombinat Halle anfertigen zu lassen. Darüber hinaus wird mir empfohlen, eine fertig gestellte Dieselelektroanlage in Hettstedt anzuschauen.

Über die Volksrepublik Mosambik weiß ich nur wenige Dinge: Dieser südostafrikanische Staat am Indischen Ozean war über Jahrhunderte eine portugiesische Kolonie. Am 25. Juni 1975 erlangte Mosambik die Unabhängigkeit und schon am 16. September erfolgt die Aufnahme in die UNO. Mosambik grenzt im Norden an die Vereinigte Republik Tan¬sania, im Westen an die Republiken Malawi, Sambia, Rhodesien, die Südafrikanische Republik und das Königreich Swasiland sowie im Süden erneut an die Südafrikanische Republik. Es hat eine Fläche von 800.000 km², davon sind 13.000 km² Binnengewässer und 11 bis 12 Millionen Einwohner, die aus Bantu, Arabern, Indern, Europäern, hauptsächlich Portugiesen, bestehen. Die Hauptstadt, früher Lourenco Marques, wurde am 3. Februar 1976 nach dem gleichnamigen Fluss Maputo umbenannt. Die niederschlagsrei¬chen und heißen Monate sind Oktober bis März, die übrigen sind relativ kühl und meist trocken. Die Jahrestemperatur schwankt hier zwischen +18 und +40 °C. In Maputo beträgt die Jahresdurchschnittstemperatur +22 °C. Noch gut erhalten ist in der Volksrepublik Mosambik die afrikanische Tierwelt. Vertreten sind Antilope, Gazelle, Nashorn, Elefant, Giraffe, Löwe, Leopard, Gepard, Hyäne, Flusspferd, Krokodil und viele Vogelarten. Mosambik verfügt über große Bodenschätze, darunter Steinkohle, Pegmatit (mit den wirtschaftlich wichtigen Mineralien Tantalit und Mikrolith), Kupfererz, Nickelerz, Asbest, Glimmer, Edel , Halbedel und Schmucksteine. Weiterhin gibt es in Mosambik-Erdgas, Fluorite, Eisen , Mangan , Titan und Uranerz, Gold, Grafit und Bauxit.

Aber das interessiert mich nur am Rande des Geschehens. Ich fahre weiterhin täglich mit dem Bus nach Leuna und lerne dabei Portugiesisch. Im Büro wälze ich Zeichnungen, nehme an Beratungen teil oder habe einen Auftrag in einer Oberbauleitung zu erledigen.

Die Arbeitskollegen interessieren sich für Mosambik. Oft werde ich mit Standardfragen bombardiert: „Wann geht es los?“ – „Was wirst du dort machen?“ –„Bekommst du dort Dollar oder Rubel? Darf deine Frau mitreisen?“

Mein Parteisekretär bedauert sehr, mich nicht zur Parteischulung delegieren zu können. Allerdings erhalte ich „gute“ Hinweise von meinem Parteisekretär, das „Kapital“ von Karl Marx und „Was tun“ von Lenin zu studieren und vor der Abreise nach Mosambik soll ich mir in der Parteileitung politische Literatur und Agitationsmaterial abholen.

Unser Parteigruppenorganisator hat verlauten lassen, es gibt wieder Schwierigkeiten, Willige für den nächsten Parteilehrgang zu finden. Jeder Angesprochene zählt Argumente auf, die ihn vom anstehenden Lehrgang befreien. Einige Genossen Bauarbeiter sagen direkt: „Jetzt nicht, vielleicht beim nächsten Lehrgang, dann nur im Winter und nicht im Sommer, wenn Gartenarbeit ansteht.“ Oder „Er hat einen Vogel, mich zum Parteilehrgang zu schicken.“ Der arme, gestresste Parteisekretär ist zu bedauern. Seine Schäfchen, die Genossen, spuren nicht, haben nicht das Bewusstsein, wie es in Medien dargestellt wird. Die berichten ständig von heroischen Leistungen im sozialistischen Wettbewerb. Neue sozialistische Brigaden entstehen, mit Namen wie: „Walentina Tereschkowa“, „Ho Chi Minh“, „Karl Liebknecht“ und „Patrice Lumumba“. Erwähnt werden Heldentaten im sozialistischen Wettbewerb an der Erdgastrasse in der UdSSR und der Aufruf: „Nehmt Beispiel von den Trassenbauern …“

Unser Parteisekretär möchte auch glänzen, aber der Glanz kommt nicht, seine Genossen, auch die standfesten, denken in Privatdimensionen, was der Parteilinie nicht entspricht. Ob Genosse oder Nichtgenosse, ob Gläubiger oder Nichtgläubiger, ob Politiker oder Nichtpolitiker, jeder Mensch ist vom Wesen aus ein Materialist und wird sich wehren, Vorteile preiszugeben.

2. Juli 1979, in der Abteilung „M“ des VEB Steinkohlenkokereien August Bebel Zwickau erhalte ich meinen Arbeitsvertrag für Mosambik. Ich werde in die HF4 mit 1.500,00 Mark im Monat und 33 Urlaubstage im Jahr eingestuft. Darüber hinaus bekomme ich eine Überstundenpauschale von max. 50 Stunden, die nachgewiesen werden müssen, einen Klimazuschlag von 100,00 Mark im Monat, zusätzlich einen jährlichen Betrag von 350,00 Mark und Helene 200,00 Mark für die Tropenbekleidung. Im Arbeitsvertrag steht weiter: „… Aufgrund der besonderen Bedingungen des Einsatzes in der Steinkohle in der VR Mosambik wird ein Feldzuschlag von 10,00 Mark/Tag gezahlt, wenn 50 % Untertagetätigkeit vorliegen … Für die Dauer der Tätigkeit in der VR Mosambik erhält der Spezialist Valutabeträge in der Landeswährung gemäß der Vereinbarung zur arbeitsrechtlichen Regelung vom 18.10.1977 …“ Mit dem Arbeitsvertrag, der ab 3. Juli 1979 seine Gültigkeit hat, bin ich sehr zufrieden, werde schönes Geld verdienen und auch meiner Frau wurde eine Beschäftigung in der Versorgung vor Ort zugesprochen.

Die Bewehrungseisen für die Fundamente der Dieselaggregate werden in der Eisenbiegeanlage des VEB Bau- und Montagekombinates „Chemie“ Halle nach gelieferten Zeichnungen angefertigt und zum Versand nach Mosambik zum Hafen Beira am Indischen Ozean gebracht.

Heute ist ein herrlicher Julitag, meine Dienstreise zur „Schwarzen Pumpe“ verbinde ich mit einem Familienausflug hinter die Grenze nach Polen. Halina hat Ferien und Helene einen freien Arbeitstag. Unser Wartburg ist vollgetankt, wir fahren mit der maximal zulässigen Geschwindigkeit. Ich darf mir kein Vergehen erlauben, es könnte für mich Folgen haben. Wir liegen gut in der Zeit, um einen Termin um 10.00 Uhr in der Abteilung „M“ wahrzunehmen.

Helene und Halina verbringen die Zeit meiner Abwesenheit im Freien, der heiße Sommertag lockt ins Grüne.

Um 12.00 Uhr sind wir wieder beisammen. Meine Aktentasche mit Zeichnungen der Dieselelektroanlage bewahre ich im Gepäckraum auf und fahre in Richtung Cottbus und weiter zum Grenzübergang in Guben. Ich wähle mit Absicht Guben. Der polnische Teil dieser Stadt heißt Gubin. Dort habe ich von November 1954 bis November 1956 meinen harten Wehrdienst absolviert. Zu dieser Zeit war der Marschall der Sowjetunion Konstantin Rokossowski von 1949 – 1956 Verteidigungsminister der VR Polen. Viele sowjetische Generäle und hohe Offiziere waren in Etagen des Verteidigungsministeriums der VR Polen tätig.

Jetzt bietet sich die Gelegenheit, die Stadt und den großen Kasernenkomplex in Walowice Halina und Helene zu zeigen. Als Ausländer bin ich vorsichtig, will schnell am Kasernenbereich vorbeizufahren, um nicht den Verdacht einer Spionage zu geben. In der DDR, in Polen und in der CSSR sind Kasernenbereiche sensible Bereiche. Die Pass- und Zollkontrolle verläuft reibungslos, wir werden nicht aufgefordert, die Dokumente zu zeigen. Mit einem Lächeln wird uns gute Fahrt gewünscht. Auf der polnischen Seite wünschen die Pass- und Zollkontrolleure einen angenehmen Aufenthalt in der VR Polen.

Wir fahren durch die Stadt, die nicht wiederzuerkennen ist. Anstelle der im II. Weltkrieg zerstörten Häuser sind neue entstanden – alles räumlich sauber, gepflegte Gehwege und Straßen mit Asphaltbelag, Geschäfte, Cafés, Restaurants, Kino und gut gekleidete Frauen, Männer und Kinder auf den Straßen. In den 50er Jahren war Gubin eine Ruine, Berge von Schutt und Asche. Bei Aufräumarbeiten fand man menschliche Überreste, Straßen und Fußwege waren kaum passierbar, eine Geisterstadt.

Wir halten vor einer Gaststätte. Legen eine Mittagspause ein. Bestellen Mittagessen, werden sehr freundlich bedient, man erkennt nicht, dass wir DDR-Bürger sind, wir kommunizieren in perfekter polnischer Sprache.

Es ist nach 14.00 Uhr geworden. Brechen auf zur Weiterfahrt. Meine Orientierung ist verblasst - alles neu. Den Weg zum Offizierskasino finde ich nicht und danach fragen möchte ich nicht, nichts erinnert an alte Zeiten.

An einer Kreuzung steht ein Wegweiser mit Aufschrift Walowice. Dort ist der Standort der Kaserne, in dem unsere mechanisierte Einheit stand.

Dorthin fahren wir, es sind nur fünf Kilometer, also sehr nah. Eine riskante Fahrt für mich. Beim Vorbeifahren erkenne ich den Kasernenkomplex mit vielen Blöcken auf der rechten Straßenseite, in denen ich 24 Monate gedient habe.