Interstellare Bräute® Programm Sammelband

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„Du hast mich verstanden, Liebes.”

Sie schüttelte mit dem Kopf. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.”

Ich zuckte mit den Achseln. „Möchtest du nochmal eine Runde den Arsch versohlt bekommen?”

„Nein!” Ihr Einspruch war entschlossen und unverzüglich.

„Lügen, Amanda. Schluss mit den Lügen. Was hast du deinem werten Geheimdienst alles geschickt?”

Ihre Schultern erbebten und ich wollte triumphierend meine Faust ballen, als ich spürte, dass sie endlich reden würde. „Nichts.”

„Warum bist du hier?”

„Diese ganze Sache mit der Interstellaren Koalition ist vollkommen neu für uns. Wir haben keine Beweise für einen Angriff der Hive gesehen. Verdammt, wir haben noch nicht einmal einen Beweis für die Existenz der Hive zu Gesicht bekommen. Ihr kommt zur Erde und verlangt von uns Frauen und Soldaten als Gegenleistung für euren Schutz.” Sie hob ihre Hände und ihre ersten zwei Finger machten jeweils eine eigenartige, runde Geste, als sie sprach. „Es ist alles zu weit hergeholt und die Abmachungen kommen den Koalitionstruppen zu Gute. Es ist wie eine Schutzgelderpressung der Mafia.”

Ich hatte keine Ahnung, was die Hälfte ihrer Worte bedeuteten, aber ich verstand, was sie damit sagen wollte. Die Erde glaubte uns nicht. „Die Hive existieren wirklich, Amanda. Fast mein gesamtes Leben lang habe ich sie bekämpft.”

Sie zog ihre Knie an ihr Kinn und legte ihre angewinkelten Arme obendrauf. Ihre Wange ruhte auf ihren Armen, als sie den Kopf zur Seite neigte und mich beobachtete. „Das mag sein, Grigg. Aber wenn die Bedrohung echt ist, warum gebt ihr der Erde dann keine Waffen, um sich selber zu verteidigen? Wenigstens könntet ihr eure medizinischen Technologien mit uns teilen. Die ReGen-Technologie könnte Millionen von Leben retten.”

Amandas dunkle Augen waren so ernsthaft und nachdenklich. Mir wurde bewusst, dass ich diese Seite an ihr genauso mochte, wie die wilde Verführerin, die sich meinen sexuellen Wünschen so anmutig unterwarf. Ich sah die Anführerin, die ich für meine Leute brauchte, die wahre Lady Zakar, von der ich befürchtet hatte, dass sie diese Person niemals sein würde.

Meine Hand zitterte, als ich meine Finger hob und die zarte Wölbung ihrer Wangenknochen streichelte und ihr feines Gesicht nachzeichnete. Sie wies mich nicht zurück, sondern blickte mich einfach mit stiller Klugheit an, mit einem Ausdruck, den ich erwartet hatte und zugleich bewunderte.

„Unsere Regenerationstechnologie könnte Millionen von Leben retten, Schatz, aber man könnte damit auch Millionen umbringen. Deswegen glauben wir nicht, dass es klug wäre, unsere Technologien mit den Anführern deiner Welt zu teilen. Sie streiten um Land und Religionen, führen Kriege und töten zehntausende, obwohl sie in der Lage wären, die Hungernden zu ernähren, die Kranken zu heilen und alle Bewohner der Erde zu versorgen. Sie respektieren sich nicht als Gleichgestellte, sie bilden ihre Leute nicht aus und sie ehren und beschützen nicht ihre Frauen. Es wäre töricht von uns, diese mächtige Waffe an so primitive Wesen weiterzugeben.”

Ich beobachtete, wie sie meine Worte abwägte und die Wahrheit darin akzeptierte. Ich hatte nicht gelogen und unsere Halsbänder teilten ihr meine Aufrichtigkeit so deutlich mit, wie ich ihre Zweifel vernahm.

„Und die Hive?”

Mein Daumen wanderte an ihre Unterlippe und spielte mit ihrer vollen Geschmeidigkeit, bis sie ihren Mund leicht öffnete und mich gerade genug hereinließ, um mit ihren Zähnen an mir zu knabbern. „Ich möchte dich nicht in der Nähe dieser gemeinen Biester sehen, aber wenn du Beweise willst, nehme ich dich morgen mit auf die Kommandobrücke. Unsere Krieger werden eine ihrer Integrationseinheiten zerstören. Ich werde dir zeigen, was du sehen willst, Amanda, aber du wirst nicht das finden, wonach du suchst.”

„Und was ist das?”

„Eine Bestätigung dafür, dass die Bedrohung für die Erde nur erfunden ist. Die Hive sind gefährlich und furchteinflößend. Unsere Krieger nehmen lieber den Tod in Kauf, als gefangen genommen zu werden. Sie verschlingen all das Leben, das ihnen begegnet, mit einer Kaltblütigkeit, wie sie nur von einer Maschine ausgehen kann. Heute noch bist du misstrauisch, Schatz, aber morgen wirst du zu Tode verängstigt sein.”

Sie hob ihr Kinn und meine Finger blieben zurück. „Wenigstens werde ich die Wahrheit erfahren.”

Ich schüttelte den Kopf und zog sie zurück in meine Arme, wo sie hingehörte. „Nein. Du kennst die Wahrheit bereits. Alles, was ich dir sage, ist wahr. Die Welt, von der du gekommen bist und die Leute, für die du gearbeitet hast – und die glauben, dass du immer noch für sie arbeitest – gehören nicht länger zu dir. Du bist jetzt eine Prillonin. Du bist eine Kriegerbraut von Prillon Prime, du bist Lady Zakar. Ich sage die Wahrheit. Wir verkörpern die Wahrheit. Du lebst die Wahrheit hier, jetzt und mit uns. Du willst es einfach nicht akzeptieren.”

Sie antwortete mir nicht. Was sollte sie auch sagen? Sie konnte nichts dagegen einwenden, denn ihre Perspektive war zu einseitig. Morgen, sobald ich sie zur Kommandobrücke bringen würde und sie alle Informationen bekommen würde, die sie benötigte, um eine kompetente Entscheidung zu treffen, könnten wir weiter darüber diskutieren.

Amanda schlief in meinen Armen ein und ich starrte an die Decke, bis Rav von seiner Schicht zurückkehrte. Er warf uns einen Blick zu, dann sah er die zurückgelassenen Spielzeuge auf dem Boden liegen und kicherte: „Hast du sie erschöpft?”

„Sie hat mir alles erzählt”, antwortete ich leise, um sie nicht aufzuwecken.

Rav wurde hellhörig. „Hat sie zugegeben, dass sie eine Spionin ist?”

„Ja. Morgen nehme ich sie mit auf die Kommandobrücke, damit sie zusehen kann, wenn die Kampfeinheiten ihre nächste Integrationseinheit zerstören.”

Rav verzog das Gesicht und legte seine Kleidung ab. „Ihr wird schlecht werden, letzte Woche haben wir ein komplettes Geschwader verloren.”

Ich spürte Ravs Zorn durch das Halsband und Amanda rührte sich im Schlaf. Vielleicht konnte sie es auch spüren, obwohl sie schlief.

„Ich weiß. Aber unsere menschliche Partnerin möchte die Wahrheit wissen. Ich habe es ihr versprochen. Je eher sie es mit eigenen Augen sieht, desto eher wird sie ganz uns gehören, vollständig uns.”

Rav kroch nackt hinter Amanda ins Bett und streichelte ihre Hüfte mit seiner Hand, als er die Augen schloss, spürte ich die Schwere seiner Erschöpfung. „Sie glaubt, dass sie alles wissen will. Es wird sie zu Tode erschrecken, Grigg. Es ist zu viel. Wir könnten sie verlieren.”

„Wir verlieren sie, wenn wir sie die Wahrheit nicht mit eigenen Augen sehen lassen.”

Rav gab schließlich nach, denn wir beide wussten, wie starrsinnig unsere hübsche Partnerin sein konnte. „Ich hoffe, du weißt, was du tust, Grigg.”

„Das hoffe ich auch.”

12


Amanda

Die Kommandobrücke vom Schlachtschiff Zakar wer nicht genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich hatte mehr als nur einmal Star Trek geschaut und erwartete ein paar Stühle vor einem großen Bildschirm mit dem Kommandanten, der wie ein König in der Mitte saß.

Was für ein Reinfall.

Die Kommandobrücke war ein runder Raum mit einem Gang und mehreren Bildschirmen, die in der Mitte von der Decke herabhingen. Das obere Drittel der Wände war mit zusätzlichen Bildschirmen bestückt. Der Raum war fast so groß wie ein kleines Café und sehr viel geschäftiger, als ich es mir ausgemalt hatte. Die Bildschirme zeigten Planeten und interne Systeme des Raumschiffs, Kommunikationen und Flugpläne, schematische Darstellungen und Daten, die ich nicht verstand und die vollkommen fremdartig waren. Die abgebildeten Objekte wurden anscheinend von mehreren Offizieren kontrolliert, die sich im äußeren Gang des Raumes aufhielten. Fast dreißig Offiziere unterschiedlicher Ränge bedienten die Arbeitsstationen oder huschten wild umher. Die Kommunikationen waren präzise und systematisch und die Krieger funktionierten wie eine ausgeklügelte Maschine.

Einige trugen die schwarze Panzeruniform kampferprobter Krieger, einige trugen blaue Ingenieursuniformen und einige trugen die rote Uniform des Waffenarsenals. Drei Krieger trugen weiße Uniformen. Ich hatte keine Ahnung, wofür sie zuständig waren und ich wollte nicht dazwischenreden, um zu fragen. Spannung lag in der Luft und diese Stimmung ging von meinem Partner auch auf mich über, als er sich bereitmachte, seine Krieger in den Kampf zu entsenden.

Die Vorschule einige Stockwerke tiefer war das krasse Gegenteil von der Kommandobrücke. Dort unten spielte sich das Leben ab. Hier … ging es um Leben und Tod.

Für die Krieger war es nicht die erste Schlacht, aber für mich schon. Meine Handflächen wurden feucht und ich wischte sie an dem blauen Stoff meiner Tunika ab, während ich Grigg wie ein Küken durch den Raum folgte. Ich hörte ihm zu und nahm so viel wie möglich in mich auf. Diejenigen, die den Blick von ihren Bildschirmen abwendeten, nickten mir respektvoll zu, aber dieser Respekt kam mir wie eine Ablenkung vor. Ich kam mir vor wie eine Ablenkung für die Leute im Raum, für Grigg. Aber er wollte, dass ich dabei war. Ich musste dabei sein.

Ich sah Kampfmittelanzeigen, Verfolgungssysteme, Navigationsaufgebote, welche die Astrophysiker und Ingenieure der NASA vor Neid und Unglauben erbleichen lassen würden. Alles war hier und Grigg verheimlichte mir nichts. Nichts.

„Kommandant, das achte Kampfgeschwader ist in Position. Das Transportshuttle ist auch bereit.”

 

Grigg nickte. Er erklärte mir, dass die Kampfgeschwader jeglichen Widerstand ausmerzen würden, während das Shuttle landen würde, um die eventuellen Gefangenen der Hive zu befreien. Sie waren der Schutzschild des hilflosen Shuttles. Sobald die Gefangenen befreit sein würden, würden die Fighter den kleinen Außenposten der Hive zerstören. Mein Partner ging zu dem einzigen Sitz im Raum, der noch frei war. Er setzte sich zwischen die rote Waffenkontrolleinheit und den blauen Ingenieursposten und winkte mich zu ihm, damit ich mich neben ihn setzte.

„Das vierte?” fragte er.

„Fertig, Sir.”

„Erstellen Sie eine Verbindung zu Captain Wyle.”

„Ja, Sir.” Wenige Sekunden später zeigte der Bildschirm direkt vor mir das Gesicht eines Prillon-Kriegers mit goldenen Augen, dessen Gesicht durch seinen Helm leicht verdunkelt wurde.

„Kommandant?”

Grigg erhob sich und ging auf und ab. „Wyle, wie ist Ihr Status?”

Die Augen des Captains musterten Daten und Systeme, die wir nicht sehen konnten. „Wir sind bereit, Kommandant. Ich erfasse nur drei Aufklärungsschiffe, keine Soldaten. Es sollte eine einfache Aufräumaktion werden, Sir.”

Grigg nickte. „In Ordnung, Captain. Sie haben die Führung. Wir behalten Sie von hier aus im Auge. Sie können loslegen.”

„Verstanden.” Das Gesicht des Captains verschwand wieder vom Bildschirm, aber Grigg lief immer aufgeregter hin und her, als er etwas vor sich her murmelte.

„Irgendetwas stimmt hier nicht. Es ist verdammt nochmal zu einfach.”

Ein riesiger Krieger mit goldenen Armbändern, ein Kriegsfürst der Atlanen, wendete sich Grigg von der Waffeneinheit aus zu. „Soll ich sie zurückrufen?”

Grigg schüttelte mit dem Kopf. „Nein, Captain Wyle hat jetzt die Führung übernommen.”

„Es sieht gut aus, Sir. Unsere Aufklärungspatrouillen haben keine zusätzliche Präsenz der Hive auf dem Mond festgestellt. Da sind nur die Integrationseinheiten.” Der Riese hatte dunkelbraunes Haar, seine Haut sah menschlicher aus als bei allen anderen Leuten, die ich bisher auf dem Raumschiff gesehen hatte. Er trug eine schwarze Panzeruniform und keine rote und an den verspannten Linien um seine Augen und um seinen Mund konnte ich erkennen, dass er genau wie Grigg nicht erfreut darüber war, während dieser Operation auf der Kommandobrücke festzusitzen.

„Ich weiß.” Grigg funkelte mich an und mir war klar, dass ich einer der Gründe war, warum er so ängstlich und nervös war. Durch das Halsband konnte ich es deutlich spüren, aber es lag einfach in der Luft. Der Druck, die Intensität dessen, was als Nächstes passieren würde. Ich wollte ihm deutlich machen, dass bei mir alles in Ordnung war. Ich hatte sehr viel beunruhigendere Situationen als diese erlebt. Ich war kein zartes Mauerblümchen, das man abschirmen und beschützen musste. Ich wollte erfahren, was da draußen los war. Ich musste es wissen.

„Es geht los.” Ein junger, weiß gekleideter Krieger sprach und alle wendeten sich fieberhaft ihren Monitoren zu. Innerhalb von Sekunden leuchteten auf mehreren Bildschirmen Schüsse auf. Explosionen und die gedämpften Kampfgeräusche erfüllten den Raum. Es war, als würde man Weltraumkrieger mit Live-Kameras in ihren Cockpits beobachten. Ein dutzend verschiedener Bildschirme folgte den Piloten, während sie die Schiffe der Hive angriffen. Die Explosionen waren für uns kaum hörbar, ebenso wie die rasanten Kommunikationen, die Stimmen der Piloten waren ein anhaltendes Gerede, das ich nicht verstehen oder einordnen konnte.

„Da sind noch zwei an deinem Heck.”

„Feuer! Feuer! Feuer! Da kommen drei von der Rückseite des Monds.”

„Ich kann sie sehen.”

„Woher kommen die? Verdammt, ich kann sie nicht sehen.”

„Wyle, ich wurde getroffen!”

„Steig aus, Brax! Sofort!”

Grigg knurrte und einer der Männer in Weiß betätigte sich hektisch an seinem Posten, er sprach mit jemanden, den ich nicht sehen konnte. Was auch immer er tat, es musste erwartet worden sein, denn Grigg wendete sich ihm sofort zu.

„Das Shuttle?”

„Nein, sie sind schon gelandet. Wir können sie frühestens in drei Minuten abholen.”

„Verdammt. Das ist nicht schnell genug.” Griggs Kiefer verkrampfte sich und ich wusste, dass er glaubte, die Krieger seien verloren.

Grigg hatte Recht. Ich beobachtete einen grellen, hellen Lichtstrahl, der sich dem Piloten im Weltraum näherte. Ich hielt den Atem an, als die Lichtkugel ihn einverleibte und seine verzweifelten Schreie den kleinen Raum erfüllten, während die Krieger in den anderen Schiffen sich daran begab, das Hive-Schiff, das auf ihn gefeuert hatte, zu zerstören.

„Bring den Bastard um!”

„Brax! Verdammt!”

„Haut ab, viertes Geschwader. Von der Oberfläche kommen noch mehr.”

„Verdammt. Wie viele sind es? Ich sehe sie nicht.”

„Ich sehe sie nicht—warte. Verdammt. Zehn. Nein, zwölf. Kann irgendjemand bestätigen, dass es jetzt zwölf sind?”

„Hier kommen noch drei. Abbrechen. Es sind zu viele.” Ich erkannte Captain Wyles Stimme. „Shuttlebesatzung, ihr müsst verschwinden. Sofort. Alle Fighter in Verteidigungsposition. Wir müssen hier verdammt nochmal weg. Kommandant Zakar? Hier ist Wyle.”

„Ich bin hier.”

„Wir stecken in Schwierigkeiten. Keines unserer Systeme hat sie erfasst, aber wir sehen fünfzehn feindliche Fighter und sie greifen an.”

„Verstanden. Einen Moment, wir kommen.”

„Schneller, Kommandant, oder wir sind alle tot.”

Grigg drehte sich zu einem der roten Krieger. „Mach das siebte und neunte bereit. Sofort. Alle Piloten. Ich will sie in sechzig Sekunden in der Luft sehen.”

Der Krieger antwortete nicht, sondern wendete sich nur seinem Posten zu und redete mit jemandem, als helle Lichter und Warngeräusche an seinem Arbeitsposten ansprangen.

Das Senken und Einzoomen, die Hochgeschwindigkeitsbewegungen auf den Bildschirmen ließen mich schwanken. Ich war dankbar für den Stuhl, an dem ich mich festhalten konnte, als mir fast übel wurde. Ich war entschlossen, nicht wegzuschauen und versuchte, die schnelllebigen Bilder, die mich benommen machten, zu verfolgen und zu verstehen. Ich war hilflos, schwach und nutzlos. Ich konnte mir nur vorstellen, wie Grigg sich fühlen musste, als seine Männer da draußen unter Beschuss lagen und starben.

Wir waren umgeben vom Kampfgeschwätz der Piloten, die miteinander sprachen und ihre Verfolger abhängten. Man hörte einen gedämpften Jubel, als die Verstärkung eintraf und die Hive-Fighter ihre Verfolgungsjagd abbrachen, kehrtmachten und in die entgegengesetzte Richtung flohen, zurück dorthin, von wo zur Hölle sie hergekommen waren.

Captain Wyles Stimme war laut und deutlich zu hören. „Sie fliehen, Sir. Sollen wir sie verfolgen?”

„Negativ. Aber ich möchte herausfinden, wie wir von einer ganzen Schwadron verdammter Hive-Aufklärer überrascht werden konnten.”

„Verstanden, Sir.”

Die Stimmung im Raum beruhigte sich wieder und wandelte sich zu einem geschäftigen Treiben wie in der Erholungsphase nach einer Explosion und ich lehnte mich im Stuhl zurück. Mein Puls hämmerte und mein Verstand raste, als die Piloten sich zurückmeldeten. Der Kampf war echt und der arme Brax war tot. Meine Neugierde aber war noch nicht gestillt. Ich wollte das Angesicht des Feindes sehen. Ich wollte wissen, mit was wir es zu tun hatten.

Ich war so angespannt, dass ich dachte, ich müsste mich übergeben. Ein Teil der Anspannung gehörte mir, aber ein nicht geringer Teil davon kam von Grigg. Ein Gefühl von Wut strömte durch ihn wie eine Flutwelle blanken Hasses, der so intensiv war, dass ich es kaum nachvollziehen konnte. Grigg hasste die Hive mit einer Vehemenz, die meinen Eingeweiden einen Tritt verpasste. Und ich hatte an diesem Krieg gezweifelt. Ich hatte an ihm gezweifelt.

An der Oberfläche aber war das Gesicht meines Partners kühl, besonnen wie Granit und ich bewunderte seine Fassade, die eiserne Kontrolle, mit der er den Sturm in seinem Inneren regierte. Ich bewunderte ihn noch mehr, als er die Crew mit ruhiger Stimme und selbstbewussten Schritten beruhigte. Seine Macht hatte das Chaos im Griff, seine Befehle allein entschieden über Leben und Tod von so vielen, hier auf dem Schiff und da draußen im Weltall, wenn sie um ihr Leben kämpften.

Der weiß gekleidete Krieger wendete sich zu Grigg. „Das Shuttle meldet zwei Überlebende in der Hive-Station, die an Bord genommen wurden, Sir.”

Griggs Schultern verkrampften sich und ein alter, tiefer Schmerz überflutete mich durch das Halsband, wie ein Knochenbruch, der nicht heilen wollte. An der Oberfläche aber war nichts zu sehen, nicht einmal ein zuckendes Augenlid oder ein winziges Stirnrunzeln. Ich wollte ihn trösten, umarmen, ihm etwas von seinem Schmerz abnehmen. „Ein medizinischer Notfall.”

„Ja, Sir.”

Grigg drehte sich zu mir und reichte mir die Hand. Sein Unterkiefer war verkrampft. Jede Linie seines Körpers war verkrampft. „Du willst das Gesicht unseres Feindes sehen, ihn verstehen?”

„Ja.” Ich legte meine Hand auf die seine und stand auf, als er mich sanft nach oben zog.

Er seufzte, seine Lippen waren zu einer dünnen Linie gepresst und ich erkannte seinen Ausdruck: Es war pures Entsetzen. „In Ordnung, Amanda. Der Kampf war schlimm genug. Komm mit mir, aber sag nachher bitte nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.” Ich lief neben ihm her, als er mit einem großen Krieger auf der anderen Seite des Raumes sprach. „Trist, die Kommandobrücke gehört ihnen.”

„Ja, Sir. Lady Zakar, es war mir eine Ehre.”

„Vielen Dank.”

Der gigantische Krieger verbeugte sich, als wir an ihm vorbeiliefen. Grigg führte mich hinaus auf den Gang, sein warmer Griff umfasste sicher meine Hand. Allein durch den Körperkontakt fühlte ich mich in Sicherheit. Ich hoffte, dass meine Anwesenheit ihn wenigstens beruhigte. „Wohin gehen wir?”

„In die Krankenstation.”


Conrav, Krankenstation Nummer Eins

Ich zitterte, als die zwei kontaminierten Krieger, die die Zeit im Lager der Hive überlebt hatten, auf Tragen aus dem Shuttle herbeigeeilt wurden.

Wir würden versuchen, sie zu retten. Wir versuchten es immer.

„Doktor Rhome?”

„Ich bin da.” Der besonnene Doktor hatte sich hierher versetzen lassen, nachdem sein einziger Sohn bei einem Kampf im Sektor 453 ums Leben gekommen war. Er war zwanzig Jahre älter als ich und er hatte mehr Übernahmen durch die Hive gesehen, als ich mir ausmalen mochte. Eines meiner Prinzipien war, keine Vergleiche anzustellen und dasselbe galt auch für Grigg.

Die beiden Körper zuckten und wehrten sich gegen die Fesseln, die sie auf den Untersuchungstischen festgeschnallt hielten. Vor zwei Tagen noch waren das zwei junge Prillon-Krieger in der Blüte ihrer Jugend, die auf einer Aufklärungspatrouille verloren gegangen waren. Und jetzt?

Sie waren immer noch Krieger, aber sie hatten keinerlei Erinnerungen mehr an ihre Vergangenheit. Ihre Identität wurde weggewischt von etwas, das mir als ein immerwährendes Summen im Kopf beschrieben worden war. Wie alle Krieger waren sie groß und mit ihren neuen Hive-Implantaten wären sie noch stärker als unsere Atlan-Krieger im Berserkermodus, die mikroskopisch kleinen Bio-Implantate verschmolzen mit ihren Muskeln und ihrem Nervensystem und machten diese Krieger stärker, schneller und unbesiegbarer, als unsere minderwertigen, biologischen Krieger es je sein würden.

Diese verdammten Hive.

„Welchen willst du übernehmen?”

Doktor Rhome zuckte mit den Achseln. „Ich nehme den Rechten.”

Ich nickte und er trat nach vorne, um das Team anzuweisen, den Patienten in die Chirurgie zu schaffen. Ich ging mit meinem eigenen Team auf die linke Seite, zu dem Krieger, der noch das dunkel-orange Halsband eines Myntar-Partners um den Hals trug.

Verdammt. Ich kannte ihn.

Die Tür der Krankenstation öffnete sich und ich wusste, wer auf der anderen Seite stand, noch bevor Grigg und Amanda in den Raum traten. Ich beauftragte mein Operationsteam damit, ohne mich anzufangen und den Krieger fertig zu machen. Ich funkelte Grigg an: „Sie hat hier nichts zu suchen. Hast du den Verstand verloren?”

Sie war kein Krieger und sie war auch keine Ärztin. Sie durfte diesen Schmerz, diese verstörende Seite des Krieges nicht zu Gesicht bekommen.

Grigg blickte kalt, verhärtet und vollkommen unnachgiebig. „Sie muss sehen, was mit uns geschieht, was mit der Erde geschehen wird.”

 

„Nein.” Ich wendete mich unserer Partnerin zu, blickte in ihre weichen, braunen Augen, die so unschuldig und so verdammt stur waren. „Nein, Amanda. Ich werde das nicht zulassen. Du darfst das nicht sehen. Ich bin dein Zweitpartner, mein einziger Wunsch ist, dich zu schützen, dich vor all dem fernzuhalten.”

Der kontaminierte Krieger zu meiner Rechten schnaubte und wütete, als das Operationsteam versuchte, ihn zu betäuben und ihn auf die Extraktion des Prozessorstücks, das die Hive ihm eingesetzt hatten, vorzubereiten. Amanda zuckte bei dem Geräusch zusammen und ich schüttelte nur den Kopf. Falls der Krieger überleben sollte, würde man ihn in die Kolonie senden, um dort für den Rest seines Lebens in Frieden zu leben.

Die meisten schafften es nicht.

Ich konnte nicht zulassen, dass sie diese traurige Misere mit ansah, dass der Abschaum der Hive sie beschmutzte. „Nein, Amanda.”

„Bitte, Rav?” Sie blickte bestimmt. Sie war entschieden, nicht um zu sehen, was die Hive uns antaten, sondern entschieden, die Wahrheit zu kennen. „Ich muss es mit eigenen Augen sehen.”

„Nein.” wiederholte ich. Es war mein Instinkt, meine Partnerin zu beschützen und es war verdammt nochmal ausgeschlossen, dass sie dabei zusah, wie einer der beiden Krieger hier auf dem Tisch verrecken würde.

Grigg knurrte und ich wusste, dass ich seine nächsten Worte verabscheuen würde. Ich lag nicht daneben. „Zeig es ihr, Rav. Das ist ein Befehl.”

„Verdammt!” Ich schüttelte den Kopf. „Ich hasse dich dafür.”

„Ich weiß.”

Ich konnte ihn nicht länger ansehen und wendete mich meinem Team zu. Ich ignorierte Amanda ebenfalls. Sie und Grigg folgten mir wie zwei Schatten.

Der Krieger war mit speziellen Fesseln, die wir extra zu diesem Zweck entworfen hatten, an den Operationstisch gekettet. Die Implantate der Hive waren so verdammt wirksam, dass wir ein spezielles Material entwickeln mussten, um sie in Schach zu halten.

Doktor Rhome hatte seinen Platz eingenommen und ich wusste, dass das Schicksal des Kriegers in den nächsten Minuten besiegelt sein würde. Ich zwang mich, nicht länger über ihn nachzudenken. Der Krieger befand sich jetzt ganz in den Händen von Doktor Rhome. Ich musste mich um meinen eigenen Patienten kümmern.

Der Krieger auf dem Tisch vor mir war von seinem Hals bis zu den Schläfen mit einer silbernen Haut bedeckt. Aus irgendeinem Grund aber hatten die Hive seine Stirn und sein Haar ausgelassen. Sein linker Arm war komplett mechanisiert worden, die roboterartigen Fächer öffneten und schlossen sich, als die kleinen Geräte und Waffen nach einem Ziel suchten. Seine Beine sahen normal aus, aber wir konnten uns dessen nicht sicher sein, bis wir ihn ausgezogen und vollständig untersucht hatten.

Wir würden uns darum kümmern, sobald er die nächsten fünf Minuten überlebt hätte.

„Stellt ihn sofort ruhig.”

„Ja, Doktor.”

Amanda stand bei seinen Füßen und ich konnte sie nicht anblicken, als mein Patient sich verkrampfte und ein Wirrwarr aus unverständlichen Worten hervor schrie. Er wurde still und die Bio-Monitoren an der Wand zeigten an, dass er das Bewusstsein verloren hatte.

„Dreht ihn um.” Vier Helfer beeilten sich, um ihn umzudrehen. Ich kannte alle ihre Gesichter und vertraute ihnen, wir hatten diese Hölle zuvor immer wieder gemeinsam durchlebt.

Ich blickte über meine Schulter und forderte ein freies Teammitglied dazu auf, uns zu helfen. Die junge Frau war vor Kurzem verpartnert worden und war mit den Grauen des Krieges noch nicht vertraut. Sie eilte heran. „Ja, Doktor?”

„Bitte informieren sie Captain Myntar persönlich darüber, dass sein Gefährte aus der Integrationseinheit der Hive befreit wurde und auf die Krankenstation Nummer Eins verlegt wurde.” Captain Myntar würde zwischen den Zeilen lesen können und, wenn er gescheit war, seine Partnerin Mara in der nächsten Zeit davon abhalten, hierher zu kommen.

„Er ist auf der Kommandobrücke”, fügte Grigg hinzu. „Scheiß drauf.”

Sie beeilte sich, um die Nachricht unserem dritten Kommandanten zu übermitteln. Amanda legte eine Hand auf ihren Mund. „Myntar?”

„Ja.”

Amanda war außer sich, als ich mich zu ihr umdrehte.

„Alles in Ordnung?”

„Ja, aber – Mara. Ich kenne sie. Sie ist die … das ist Maras Partner?”

Ich schaute hoch zu Grigg und er nickte bestätigend. Wir hatten keine Zeit mehr für Halbwahrheiten. Ich dämpfte meine Stimme, als ich ihr antwortete. „Ja, Liebes. Das ist Maras Zweitpartner.”

„Oh Gott.”

Grigg ging mit ihr an den Rand des Operationsbereichs, er legte den Arm um ihre Taille, während ich mich dem Krieger zuwandte, dessen Leben an einem seidenen Faden hing. Er lag jetzt auf der Seite und mein Team hatte die Rüstung entfernt, die seine Wirbelsäule bedeckte. Die Narbe war deutlich sichtbar, sie verlief etwa 12 Zentimeter an der linken Seite seiner Wirbelsäule entlang, nicht weit von seinem Herzen entfernt.

„Das Bio-Integritätsfeld?” fragte ich und ging an seiner Rückseite in Position.

„Ist aktiviert und voll funktionsfähig, Doktor.”

Das Energiefeld um seinen Körper würde eine Infektion und eine Kreuzkontamination verhindern, während wir ihn öffnen würden. Ich zog meine Schultern leicht nach hinten, um die Anspannung zu lindern, die sich wie kleine Schrauben in mich bohrte. An manchen Tagen hasste ich diesen verdammten Job. Es ging hier nicht darum, Mediziner zu sein und Kranke zu heilen, sondern ich wurde jetzt eher zu einem Fleischermeister und nicht selten einem Mörder.

Ich ballerte keine Hive-Aufklärer aus der Luft und ich zerriss sie auch nicht mit bloßen Händen auf dem Schlachtfeld, aber ich tötete mehr, als mir lieb war, und zwar hier im Behandlungsraum. Und das Verwirrendste daran war, das jeder Einzelne von ihnen mir wahrscheinlich dafür danken würde, wenn er nur könnte.

Jemand überreichte mir ein Paar OP-Handschuhe und ich schlüpfte in sie hinein, während ein weiterer Helfer die Ionenklinge auf einem hüfthohen Tablett neben mir platzierte. Sie aufzuschneiden war barbarisch, mehr als grausam und der einzige Weg, um die Fremdkörper zu entfernen, die die Hive in unsere Krieger, Frauen und unsere verdammten Kinder einpflanzten.

„Okay, dann holen wir das verdammte Ding aus ihm heraus.”

„Er ist stabil.”

Ich nickte und griff nach der Ionenklinge. Ich hob das Gerät an Myntars Rücken und schnitt ihn langsam Stück für Stück auf, bis die Knochen seiner Wirbelsäule frei lagen. Aber ich wusste, dass das nicht ausreichen würde. Ich entfernte mehr und mehr Knochengewebe, bis ich fand, wonach ich suchte: Die silberne Kugel, die an seinem Rückenmark befestigt war und die unzähligen, mikroskopisch kleinen Tentakel, die sich in seinen Nervenbahnen ausbreiteten und sich mit ihm verflochten. Sie übernahmen die Kontrolle über seinen Körper.

Wir nannten das eigenartige Gerät den Kernprozessor, denn jeder Hive, vom untersten Aufklärer bis zur obersten Soldatenklasse, konnte ohne dieses Ding nicht mehr funktionieren. Sobald man den Kernprozessor entfernte, konnten die Individuen nicht weiter selbstständig denken und das konstante, summende Gemauschel, unter dem sie als ein Teil des Kollektivs litten, verstummte.

Es war nicht leicht, das Ding zu entfernen. Über die Jahrhunderte hinweg hatten wir alles versucht. Herausschneiden. Herausreißen. Das Metall einschmelzen. Egal, wie schonend oder gnadenlos unsere Methode auch war, das Ergebnis war immer dasselbe.

Das Opfer überlebte oder er verstarb innerhalb von wenigen Minuten, denn in den verbleibenden Implantaten, die sich im restlichen Körper des Opfers befanden, aktivierte sich ein Selbstzerstörungsmechanismus. Es war weder schön anzusehen noch für das Opfer schmerzfrei.

„Ich sehe es, Doktor.”

„Ja.” Ich legte die Klinge weg und grub meine Finger tief in das offene Fleisch des Kriegers, ich umfasste die Metallkugel mit meinen Fingern. Sie war in etwa ein Viertel so groß wie meine Faust. „Sind alle bereit?”

Als alle Helfer um mich herum meine Frage bejahten, biss ich die Zähne zusammen und zog. Ich zog kräftig.

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