Im Paarungsfieber

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Sie wirkten nicht nur sonderbar, sondern sie feuerten auch nicht auf den Erdling, nein, sie … stellten ihm nach—

“Kommt schon!” Der Erdling brüllte ihnen zu, verspottete sie und die Ansage kam eindeutig von einer Frauenstimme. Die Bestie in mir erstarrte, als die Stimme durch meinen Körper drang und direkt in meinen Schwanz wanderte.

Mir!

Die Bestie brüllte nicht, sondern flüsterte das Wort, sie rollte es über meine Zunge, als würden wir einen edlen Atlanischen Wein kosten. Sie fragte mich nicht und sie bat mich auch nicht um Erlaubnis oder Zustimmung. Sie informierte mich einfach nur über den Sachverhalt.

Ich ignorierte sie, für den Moment. Jahrelang hatte ich von einer sanften, willigen Frau geträumt, um sie für mich zu beanspruchen. Das Fieber beeinträchtige eindeutig mein Urteilsvermögen, aber jetzt war nicht der passende Zeitpunkt, um sich mit der Bestie anzulegen.

Ich war zu weit entfernt, um ihre Stimme erkennen zu können. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war, aber meine Bestie wusste es scheinbar sehr wohl. Das Ungetüm wollte sie und das Paarungsfieber brodelte mit wiedererwachter Stärke in mir auf, während mein Schwanz unter meiner Panzerung unbequem ersteifte.

Und sie verhöhnte sie, lockte einen von ihnen zu sich hoch. Warum? War sie auf den Kopf gefallen? Wahnvorstellungen? Halluzinierte sie? Oder war sie einfach nur geisteskrank?

Der seltsame Hive näherte sich der Felswand an—aber ja doch—und die Bestie folgte ihm lautlos, wie ein Raubtier schlich sie dem hinteren der Drei hinterher. Ich zwang mich dazu, nachzudenken und den ungestümen Schutzinstinkt meiner Bestie zu bändigen. Nie zuvor hatte ich auf dem Schlachtfeld derartige Lust, einen derartigen Beschützerinstinkt erlebt. Sicher, ich wollte meine Einheit und diejenigen, die wir beschützen sollten in Sicherheit wissen, aber das hier war etwas anderes. Ich verspürte eine glühende Wut, die wie siedendes Teer in meinen Adern brodelte. Es war das Aufbegehren der Bestie, die ihre Partnerin beschützen wollte.

Sie gehörte mir.

Ein bedrohliches, abgrundtiefes und überraschend heftiges Gefühl legte sich über mich wie ein Panzer aus solidem Eis. Zorn und Getobe waren stumpfsinnige Emotionen. Dieses Bedürfnis, die Hive vor mir zu töten war aber nicht stumpfsinnig, es war kalt, berechnend und wohldurchdacht. Sie mussten sterben. Sie wollten sie und ich würde nicht zulassen, dass sie sie anrührten. Sie gehörte mir. Sie war von Kopf bis Fuß in ihren Panzeranzug gehüllt und klammerte sich wie ein Insekt an den Abgrund. Stark. Mutig. Aggressiv. Mir. Sie gehörte immer noch mir.

Die Erdenfrau über mir hatte fast die Höhle erreicht, fast war sie außer Schussweite der Hive. Die allerdings starrten einfach nur zu ihr herauf, als wäre sie ein Kuriosum. Sie feuerten nicht und ich konnte mir nicht erklären, warum sie diesen Erdling verschonten. Warum nahmen sie den Feind nicht unter Beschuss, damit er herunterfiel? Sie waren in der Lage, fast alle Arten von Verletzungen bei ihren Gefangenen zu heilen. Zweifelsohne konnten sie Sturzverletzungen behandeln, selbst aus dieser Höhe und auf hartes Felsgestein. Sie müssten sie nur zu einem ReGen-Tank transportieren und ihren zerbrechlichen, menschlichen Leib wiederherstellen, bevor es mit der Integration losgehen konnte. Warum also ließen sie diesen Erdling davonkommen? Warum stellten sie ihr nach, als ob sie sie lebend und unversehrt in die Finger bekommen wollten?

Den Hive war nur von Bedeutung, dass ihre Gefangenen überlebten.

Während ich mich anschlich, musterte ich den Hive vor mir und mit jedem lautlosen Schritt wuchs meine Neugierde. Sie waren zu dritt, wie immer, aber nie hatte ich drei Exemplare wie diese hier zu Gesicht bekommen.

In der Mitte stand ihr Anführer, er war einen halben Meter größer als seine Gefährten und fast so groß wie ich. Alle drei trugen eine merkwürdige, silber- und grafitfarbene Panzerung, die ich nie zuvor gesehen hatte. Das Trio blickte in die andere Richtung, also konnte ich nicht ausmachen, ob ihre Augen silbrig waren, aber ihre Haut war extrem glatt und hatte eine satte, dunkelblaue Farbe. Jeder von ihnen trug einen sonderbaren Helm auf dem Kopf mit einem geometrischen Design, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. Aber das kurioseste überhaupt waren die absonderlichen Apparate, die aus ihrer Rückseite nahe ihrem Schädelknochen herausragten. Die gebogenen Geräte sahen aus wie—nein.

Das war unmöglich.

Der Anführer machte einen Sprung, sein Körper legte mit einem Satz den halben Weg bis zur Höhle zurück und seine Hände und Füße fanden an der Felswand Halt. Er begann nach oben zu klettern.

Die Frau verschwand in der Höhle und der Anführer kletterte ihr mit neuem Elan hinterher, als befürchtete er, dass sie entkommen könnte.

Als der zweite blauhäutige Hive ebenfalls hochsprang, konnte ich mich nicht länger zurückhalten.

Ich preschte vorwärts und meine Bestie tobte, als ich ihm den Kopf von den Schultern riss. Sein Blut bedeckte meine Hände, es war ein dickflüssiger, klebriger schwarzer Schlamm, den ich nie zuvor gesehen hatte.

Die Hive bestanden überwiegend aus integrierten biologischen Lebewesen von den uns bekannten Planeten. Prillon Prime. Everis. Trion und hunderten anderer Welten.

Keine von denen hatten schwarzes Blut.

Als der erste Hive zu Boden sackte hielt der zweite inne, um auf mich herabzublicken. Irgendeine merkwürdige Verbindung zwischen ihnen hatte ihn alarmiert.

Der Anführer stoppte ebenfalls und sie tauschten einen Blick miteinander aus, bis der Anführer kurz nickte, als würde er einen Befehl—oder eine Erlaubnis—erteilen und der untere Hive sprang wieder zu Boden, um es mit mir aufzunehmen.

Noch eine bizarre Erscheinung. Bei den Hive gab es keine Kommandos dieser Art und keiner von ihnen hatte je die Befehlsmacht. Ihre Befehle kamen von einer zentralen Strategie- und Kommandozentrale und diese wurde nie auf dem Schlachtfeld riskiert.

Auf leichtem Fuße landete er direkt vor mir und richtete sich auf. “Lassen sie uns allein, Kriegsfürst.”

Was zum Teufel war hier los? Seine Stimme klang … normal. Wie bei jeden anderem Mann auch. Kein gekünsteltes Gerede. Kein komischer Rhythmus oder computerbasierter Gleichklang. Er hörte sich … einzigartig an. Wie ein Individuum.

Und das entsprach nicht den Hive.

Als der Anführer weiter kletterte und sich Stück für Stück dem Höhleneingang und der Frau, auf die er es abgesehen hatte, näherte, war es meiner Bestie scheißegal, was dieser blaue Typ in seiner Silberrüstung war und was nicht. Die Bestie wollte ihn in Stücke reißen und weiterziehen.

Aber der Mann in mir hatte immer noch das Sagen, gerade so jedenfalls, und ich erkannte, dass das hier etwas extrem Seltenes und Seltsames war. Kommandant Karter würde wissen müssen, was hier vor sich ging, was es mit diesen Kreaturen auf sich hatte.

“Was bist du?” Meine Bestienstimme war kaum mehr als ein Knurren, aber der Hive verstand mich.

“Wir sind Nexus 9.”

Was verflucht nochmal war ein Nexus? Und warum hatte er mir geantwortet? Meine Frage war nur rhetorisch gewesen, denn sie brauchten keine Antwort zu geben. Sie gingen davon aus, zu unterwerfen und dann zu integrieren. Oder er hatte geantwortet, weil er nicht davon ausging, dass ich lange genug überleben würde, um etwas mit seiner Antwort anzufangen.

Von oben ertönte ein Schuss, aus dem Inneren der Höhle, und der Bestie riss der Geduldsfaden.

Wie benebelt holte ich aus, packte ich den merkwürdigen Hive und verdrehte ich ihm das Genick, bis er unter meinem Griff erschlaffte, zuvor aber feuerte er noch einen Schuss. Unachtsam warf ich die tote Masse auf die Felsen. Der Schuss seiner Ionenwaffe musste meine Panzerung erwischt haben. Wieder einmal brannte es, diesmal spürte ich es an der Hüfte, aber der Schmerz war nichts weiter als ein schwaches Stechen.

Nur selten schöpfte ich die ganze Stärke meiner Bestie aus, als ich aber kauernd zum Sprung ansetzte, strömte die Kraft nur so durch mich hindurch, die ungebändigte Kraft der Bestie und ausnahmsweise war ich froh darüber. Mit einem kraftvollen Satz sprangen wir zum Schlund der Höhle hinauf, bereit, sie zu verteidigen.

4


Megan

Der Anführer der Nexus-Einheit kam drei Schritte in die Höhle hineingelaufen, bevor er seinen Irrtum erkannte.

Ich stand nahe am Eingang, versteckt hinter einem Felsvorsprung aus Magnetit, der die Hive-Sensoren und alle Kommunikationen mit dem Rest der Welt—oder, in diesem Fall—dem Rest des Universums abschnitt. Mit seiner Heimatwelt. Der Zentrale der Hive.

Die gesamte Höhle war mit magnetischen geladenen Metallen ausgekleidet und dieser Canyon war eine extreme Ausnahmeerscheinung, in die unsere Einheit entsendet worden war, um diese Bastarde hineinzuködern.

Jetzt musste ich ihn nur noch abmurksen und die Technologie stehlen, die sein Rückenmark mit seinem Helm verband, der wiederum mit der Hive-Zentrale auf ihrem Heimatplaneten kommunizierte.

Dieser blaue Bastard war eine Seltenheit, seine Existenz nicht mehr als ein Gerücht unter den Geheimdiensteinheiten der Koalitionsflotte … bis jetzt.

Draußen hörte ich eine Atlanische Bestie toben, offensichtlich war sie mir gefolgt. Sekunden später zuckte der Nexus vor mir zusammen, dann verlor er den Halt, als ob ihm eine Gliedmaße vom Körper gerissen wurde—oder von einem seiner Kumpels.

 

Seine Freunde mussten noch nahe genug sein, um mit ihm in Verbindung zu bleiben.

Diese Scheißkerle waren alle miteinander vernetzt. Wir—also die vom Geheimdienst—wussten das bereits, was wir nicht verstanden war das wie. Nicht, dass das noch lange von Bedeutung sein würde. Die Bestie draußen würde die beiden Freunde des Nexus-Anführers bald erledigt haben, daran hatte ich keinen Zweifel. Die Atlanen waren nicht gerade die zivilisiertesten unter den Kriegern, aber die Hive waren das ebenso wenig. Besonders diese hier. Dieses Trio.

Die Atlanische Bestie würde den beiden anderen mühelos den Kopf abreißen. Ohne Zweifel. Und dann würde nur noch der blaue Mistkerl in dieser Höhle übrig bleiben … und ich.

Diese Kreatur war der Schlüssel, um die zentralisierte Denkweise der Hive zu verstehen, um herauszufinden, wie die mentale Kontrolle über ihre Aufklärer und Soldaten gebrochen werden konnte und um jene Veteranen zu retten, die immer noch ihre Technologie im Körper trugen. Diese Soldaten verbrachten den Rest ihres Lebens in der Kolonie, denn man fürchtete, sie könnten auf ihrer Heimatwelt zur Bedrohung werden, sollten sie je zurückkehren.

Der Nexus stolperte nach vorne, tiefer in die Höhle hinein und mir wurde klar, dass mir nur wenige Sekunden blieben, bevor die enorme, klobige Bestie hier auftauchen und alles zunichtemachen würde.

Ich feuerte den Neuronenphaser, den Doktor Helion, der Leiter des Geheimdiensts, mir mitgegeben hatte und seufzte erleichtert, als das gigantische Nexus-Wesen auf die Knie fiel. Er hob instinktiv die Arme an den Kopf, um die Schmerzen zu lindern—was auch immer diese Dinge wahrnahmen—und ich trat mit gezückter Waffe und Finger am Abzug aus meinem Versteck heraus.

Er—nein, es—nahm seinen Helm ab und wandte mir den Kopf zu, obwohl ich mich absolut geräuschlos fortbewegte.

“Wer bist du?” Seine Stimme klang ruhig, keine Spur von nervösem Draufgängertum oder Furcht, als wären wir zwei Freunde, die sich zum Mittagessen im Park verabredet hatten. Und die Stimme klang ganz nach ihm. Ich hatte andere Hive sprechen gehört, ihre Worte klangen merkwürdig, künstlich, sie bezeichneten sich selbst als “Wir”, nie verwendeten sie “Ich”. “Sag mir deinen Namen. Du bist nicht eine von uns, aber ich kann dich spüren. Ich spüre deine Güte in mir.”

Das Wesen starrte mich an, als wäre ich ein Wunder, als ob er—nicht es—mich attraktiv fand. Seine Züge waren symmetrisch und bis auf die ungewöhnliche Farbe ganz klar menschenähnlich. Seine Haut war dunkelblau, dunkler, als bei den Kriegern vom Planeten Xerima und wenn er nicht gerade ein Hive gewesen wäre, dann hätte ich gesagt, dass er sogar gutaussehend war. Was gruselig war. Und falsch. So falsch.

Und was zum Teufel meinte er damit? Ich spüre deine Güte in mir. Das war einfach nur verdammt unheimlich.

“Was bist du?” Wie ein neugieriger Hundewelpe neigte er den Kopf zur Seite und ich musste den Kopf schütteln und mich daran entsinnen, dass er ein brutaler, effizienter Killer war. Ein Massenmörder. Ein Anführer jener Kreaturen, die Millionen und Milliarden Leben im gesamten Universum verfolgten und töteten. Er blinzelte langsam und betrachtete mein Gesicht. “Du siehst aus wie ein Erdling oder vielleicht ein Trione?”

Er setzte sich auf die Knie und wartete geduldig auf meine Antwort. Die Haut der Kreatur war dunkelblau, wie der Himmel in einer Vollmondnacht. Seine Augen waren tiefe, lichtlose, schwarze Scheiben. Seine Haut war makellos, glatter als das polierte Metall seiner silbergrauen Uniform, die so glatt gebürstet war, dass ich in dem gewölbten Schulterstück deutlich mein Spiegelbild sehen konnte.

“Was bist du?” legte ich nach. Nie hatte ich etwas wie ihn zu Gesicht bekommen. Niemand hatte das, soweit ich wusste.

“Ich bin Nexus 9.”

Ich schüttelte den Kopf, meine Neuronenwaffe zielte auf sein Gesicht. “Nein. Was warst du davor?” Ohne wirklich zu überlegen stellte ich ihm die Frage. Ich wollte es wissen. Sicher, Neugier war der Katze Tod, und so weiter, aber diese Kreatur faszinierte mich auf finstere Weise. Verstörend. Wie ein demolierter Körper neben einem Autowrack. Ich konnte meinen Blick nicht mehr von ihm wenden.

“Ich bin immer das gewesen, was ich bin. Du aber nicht.” Er blinzelte, seine dunkelblauen Augenlider bedeckten die hypnotisierende Tiefe seiner Augen gerade lange genug, damit ich wieder etwas zur Vernunft kam. Ich trat zurück und in genau diesem Moment sah ich, wie ein greller Lichtblitz durch die Neuronenfasern an seiner Schädelbasis zuckte.

“Nein, war ich nicht.” Das Summen in meinem Kopf verstärkte sich, als würde es auf die unmittelbare Nähe zu dieser Kreatur ansprechen. Nein, ich war nicht wie er. Neugierig trat ich wieder näher. Die Neuronenverbindung, die Doktor Helion mir in den Schädel eingepflanzt hatte, summte mit einem eigenartigen, hypnotisierenden Ton, als ich in seine schwarzen Augen blickte. Gehirne konnten weder hören noch sehen und ich hatte keine Ahnung, was zum Teufel mit mir los war, aber ich ging noch einen Schritt weiter, fühlte mich wie betrunken. Verhext.

“Du hast mich hier hergerufen.” Er—es—lächelte daraufhin und ich machte noch einen Schritt vorwärts, meine Hand fasste nach seiner Wange. Ich wollte ihn anfassen, das Blau seiner Haut wirkte so geschmeidig, so perfekt. Ich wollte ihn berühren, nur einmal. Dann würde ich ihn töten und seinen Helm und sein Neuronenimplantat zu Helion bringen.

Seine Augen. Sie waren so dunkel, ohne jede Färbung oder Tiefe. Sie waren wie ein Abgrund, sie reflektierten keinerlei Licht. Die anderen beiden, die Schwächlinge außerhalb der Höhle hatten silberne Augen. Widerwärtig.

Warum ging mir dieser Gedanke durch den Kopf? Irgendwie vermischten sich meine eigenen Gedanken mit denen des Nexus und es fiel mir schwer, zwischen den beiden zu unterscheiden.

Die Bestie draußen machte ordentlich Krach, sie tötete einen weiteren der Hive und diesmal begann der Nexus vor mir, vor Schmerz zu zucken. Ich spürte es ebenfalls.

Verlust. Agonie. Verzweiflung. Als ob mir ein Bein abgenommen wurde.

Ich ging auf die Knie, als mein Körper vom Schmerz überwältigt wurde. Die Nexus-Kreatur vor mir stellte sich auf und kam auf mich zu.

Er war riesig, fast so groß wie die Bestie draußen, aber er kam vor mir zum Stehen und seine Anwesenheit wirkte beruhigend. Meine Schmerzen verschwanden, sie wurden von einem Summen in meinem Kopf ersetzt, das alle Gedanken, alle Gefühle verdrängte. Nur noch meine Verbindung zu dieser Kreatur existierte, eine Verbindung, die er mir anbot. Ich würde nie wieder allein sein. Nie mehr Angst haben. Ich würde … zu ihm gehören.

Eine dunkelblaue Hand griff nach meiner Wange und ich ließ meine Augen zufallen, ich war nicht in der Lage, mich seiner Berührung zu entziehen.

Ich wollte von ihm berührt werden, wusste, dass ich mich sonst … leer fühlen würde. Allein. Gott, ich war so allein in meinem Verstand. Wie eine Kluft brach das Gefühl der Einsamkeit in mir auf und ich musste schluchzen, ich erstickte vor Qual. Gleich einem Gott wollte seine Psyche zur Meinen eine Brücke schlagen, er wollte mir Trost spenden, Geborgenheit, ein Gefühl von Zugehörigkeit …

Nein. Nein. Nein.

Ich schüttelte den Kopf, wollte es verhindern, als seine Finger mein Fleisch berührten und elektrische Funken durch meinen Körper blitzten. Die merkwürdige Empfindung ließ mich nach Luft schnappen, es war, als hätte er es irgendwie fertiggebracht, mit den Fingern in meinen Verstand einzudringen, als würde er in Wirklichkeit meine Seele streicheln.

Es war nicht unangenehm. Ehrlich gesagt gefiel es mir. Ich begann, mich mehr und mehr danach zu sehnen.

Tosender Lärm war vom Höhleneingang zu hören. Noch bevor ich den Kopf wenden konnte, war die Kreatur verschwunden und unter einer wütenden Atlanischen Bestie begraben.

Mein Verstand setzte wieder ein und voller Horror wurde mir klar, was ich eben getan hatte, was für Gedanken mir durch den Kopf gegangen waren und ich kam mir erbärmlich vor, als ob ein böser Zauber gebrochen wurde. Ich war kurz davor gewesen, mich wie ein Hündchen auf den Rücken zu rollen und dem Nexus meine Unterseite zu zeigen. Am liebsten wollte ich mich auf dem kalten Höhlenflur zusammenknäulen und … vom Erdboden verschwinden.

Wie konnte ich nur? Ich war dabei, mich von diesem Ding streicheln zu lassen. Ich wollte sogar, dass es mich anfasst. Ich fand es gut.

Oh. Mein. Gott.

Ich musste weg von hier. Helion und der Geheimdienst würden nächstes Mal jemand anders beauftragen müssen, um einen dieser Mistkerle aus dem Versteck zu locken. Ich würde das nicht noch einmal machen. Auf keinen Fall. Mein Kopf schmerzte dermaßen, es fühlte sich an wie eine Kettensäge, die in meinem Hirn ratterte und ich konnte sie nicht abstellen. Er hatte mich berührt, nicht nur an der Wange, sondern in meinem Innersten. Ich fühlte mich schmutzig, widerwärtig. Missbraucht.

Und allein. So allein. Und es war nicht die gewöhnliche Einsamkeit, die wie Gift durch mein Innerstes kroch, das hier war viel intensiver. Es war, als würde ich zugrunde gehen, sollte das Wesen nicht wieder aufstehen und mich trösten, als würde ich verschwinden, mich in Dunst auflösen und vom Winde verweht werden. Ich kam mir unwirklich vor. Mein Körper war unwirklich. Als ob ich nicht wirklich da war …

Hatte die Kreatur etwas mit mir angestellt? Etwas mit dem Implantat gemacht, das Helion mir in den Kopf gesetzt hatte?

Verdammt. Ich rieb mir den Hinterkopf, wo der kleine Knubbel des Implantats hart und unnachgiebig an meiner Schädelbasis saß, als ich ihn mit den Fingern abtastete. Ich musste hier weg, zurück zur Krankenstation und zu Doktor Helion. Er musste das Implantat entfernen. Sofort. Jetzt gleich.

Torkelnd begab ich mich Richtung Eingang, Richtung Tageslicht, weg von dem Gerangel der zwei riesigen, kräftigen Kreaturen, die dabei waren aufeinander einzuprügeln. Die Bestie rang um unser beider Leben und schaffte es irgendwie noch, mich gleichzeitig im Auge zu behalten. Als ich mich der Höhlenöffnung näherte, brüllte sie. “Bleib! Hive! Zu viele.”

Ich hatte zuvor an der Seite Atlanischer Kriegsfürsten gekämpft und war mit ihrer primitiven, einsilbigen Art vertraut. Ich hatte verstanden. Draußen waren mehr Hive und nicht nur das Nexus-Trio. Wenn eine Atlanische Bestie meinte, dass es zu viele wären, dann musste es vor ihnen nur so wimmeln.

Keine Frage, wir steckten in Schwierigkeiten. Ich war mit meinem Team da draußen gewesen, bevor die Nexus-Gruppe Kontakt mit uns aufgenommen hatte. Die anderen Koalitionskämpfer, eine Gruppe Freiwilliger aus allen Ecken des Universums, hatte ich nicht lange kennengelernt. Wir hatten nur ein paar Tage zusammen trainiert. Trotzdem, sie alle leblos auf dem Boden liegen zu sehen war hart. Wie kam es, dass ich als Einzige überlebt hatte? Wollte der Nexus-Anführer wirklich mit dem Implantat in meinem Schädel eine Verbindung herstellen, meine Gedanken und Gefühle steuern, mich verschlingen? War das Ding in meinem Kopf von so großer Bedeutung? Mit anzusehen, wie die Hive ausschwärmten und die gesamten Koalitionsstreitkräfte umzingelten, war so verdammt hart gewesen. Wir waren dabei, diesen Planeten zu verlieren. Zumindest für den Moment.

Ich hatte allerdings eine Sondermission und aus diesem Grund saß ich jetzt hinter feindlichen Linien fest. Die Bestie, die so viel Platz in dieser Höhle in Anspruch nahm, war mit mir gefangen.

Als ich wieder einigermaßen klar denken konnte, wandte ich mich um und die Bestie war immer noch dabei mit der Nexus-Kreatur zu raufen. Das Wesen war nicht so groß oder muskulös wie die Bestie, aber die Hive verwendeten mikroskopisch kleine Implantate, um ihre Körperkraft und Schnelligkeit auf übermenschliches Niveau zu bringen. Und dieser hier war etwas Besonderes. Etwas sehr, sehr Besonderes.

Ich war nicht sicher, ob die Bestie ihn besiegen würde. Beide kämpften verbissen, die Muskeln der Bestie traten hervor, wie ich es nie zuvor beobachtet hatte, aber sie schaffte es einfach nicht, die Oberhand zu gewinnen. Und auf gar keinen Fall würde ich mich noch einmal mit dieser Kreatur allein in dieser Höhle wiederfinden. Mein Hirn würde zu summen anfangen und ich wäre erledigt, vollkommen im Bann des Monsters.

Ich zog meine Ionenpistole aus dem Halfter und schrie der Bestie zu: “Schleuder ihn an die Wand. Ich werde ihn abknallen!”

Ich kannte seinen Namen nicht, hatte keine Ahnung, welcher Atlane er unter seinem Helm war. In meiner Kampfgruppe gab es mehrere hundert Atlanen und nicht alle davon erkannte ich wieder, wenn sie im Bestienmodus waren. Außerdem wurden seine Züge von der Panzerung verschleiert, aber egal. Er war auf meiner Seite und er musste diesen blauen Mistkerl ausschalten. Ohne Zweifel war er ein rechthaberischer, arroganter Macho, wie der Rest von denen. Aber entweder wir arbeiteten zusammen oder wir würden sterben.

 

Er verstand mich. Eine Sekunde später hob er den Nexus buchstäblich vom Boden und schmetterte ihn gegen die Höhlenwand.

Der Nexus in seiner Silberrüstung schlug mit einem lauten Krachen auf, fiel aber nicht zu Boden. Nicht so, wie ich es erhofft hatte. Mitten in der Luft wirbelte er herum, um sicher auf den Füßen zu landen, wie eine verflixte Katze.

Er glotzte mich an und das seltsame Gesumme in meinem Kopf ging wieder los.

“Nein, das wirst du nicht.” Ich zielte und drückte ab und bevor ich mich versah, traf ich ihn genau in die Brust.

Der Schuss beeindruckte ihn kaum, aber ich ließ nicht locker und ballerte immer wieder auf seinen Brustkorb. Es brachte nicht viel, außer dass es ihn davon abhielt die Bestie anzugreifen.

Der Nexus kam einen Schritt auf mich zu, von der Seite aber traf ihn ein kräftigerer Schuss, genau in den Kopf.

Er fiel auf die Knie und das Adrenalin strömte nur so durch mich hindurch, als ich erneut auf ihn feuerte. Die Waffe des Ungetüms zielte weiterhin auf den Nexus, als er näher herantrat und wir beide ununterbrochen den Abzug drückten. Flüchtig dachte ich an die Technologie, die in seinen Schädel verpflanzt war, aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Die Technik würde vollkommen wertlos sein, wenn wir es nicht lebend aus dieser Höhle schafften. Helion würde sich mit ein paar frittierten Schaltkreisen begnügen müssen.

Einige Schüsse später blickte der Nexus mit einem unheimlichen, flehenden Ausdruck im Gesicht zu mir auf, während die bodenlose Schwärze seiner Augen sich zu füllen schien.

Ihn sterben zu sehen war das Befremdlichste, was ich je beobachtet hatte. Ich ignorierte die Bestie, die weiterhin abdrückte und beobachtete mit einer makaberen Faszination, wie die Leere in seinen Augen sich wandelte und etwas darin sichtbar wurde. Es war dunkelgrau und matt, solide, echt. Die glanzlose Farbe erinnerte mich an eine mit Kreide verschmierte Schiefertafel.

Ich sackte auf dem harten Boden zusammen.

Als seine Atmung stoppte und das Summen in meinem Kopf verstummte, kauerte ich mich neben ihn. Die Bestie kam herangeschlichen, aber ich streckte die Hand aus, um sie zu stoppen. Ich wollte vermeiden, dass sie der Kreatur den Kopf abriss. Ich brauchte ihn intakt. Nein, nicht ich. Helion brauchte ihn intakt oder zumindest einen Teil davon. Die neurale Übertragungsstelle. Den gebogenen Fortsatz, der aus seiner Schädelbasis ragte. Ich wollte einfach nur diese höllische Mission zu Ende bringen und von diesem Planeten und aus diesem Krieg verschwinden. Wenn ich anschließend einen Mann finden würde, mit dem ich den Rest meines Lebens heißen, geilen Affensex haben könnte, dann wäre das ein Sahnehäubchen oben drauf. Das war nicht zu viel verlangt, oder? Und laut Doktor Moor würde, sobald ich hier fertig wäre, mein Partner auf mich warten.

Ich war am Ende. Gott, ich war dermaßen am Ende. Hoffentlich hatte die Doktorin einen Mann für mich gefunden, denn die Tage des Kämpfens und des Spionierens waren für mich vorbei. Ich konnte nicht so weitermachen. Es fühlte sich an, als würde mein Verstand gleich in tausend Stücke zerspringen, die ich nie wieder zusammensetzen könnte.

Hatte ich PTBS? Mein ältester Bruder war damit diagnostiziert worden, kurz bevor ich vor zwei Jahren aufgebrochen war. Er war ein SEAL, ein Elitemitglied der Navy, genau wie mein anderer Bruder und mein Vater vor ihnen. Mein Vater starb, als ich neun war, aber das konnte meine Brüder nicht davon abhalten. In meiner Familie war man nichts wert, wenn man nicht in der Navy war und meine Mutter hatte mir die Tatsache, dass ich als Mädchen geboren wurde niemals verziehen. Also ging ich stattdessen zur Air Force und landete beim Armeegeheimdienst. Und weil das nicht gut genug war, musste ich verschwinden, um mich zu beweisen.

Also übertrumpfte ich all die Arschlöcher mit einem Schwanz in der Hose in meiner Familie und trat der Koalitionsflotte bei. Meine einzigartigen Fähigkeiten und Kenntnisse fielen ihrem Geheimdienst ins Auge, zusammen mit meiner Erfahrung mit elektronischen Waffensystemen und ich ergriff die Gelegenheit, um wirklich etwas Besonderes zu machen. Weswegen ich hier in dieser Höhle war. Gefangen. Lichtjahre entfernt von jedem SEAL. Aber einen Meter entfernt von einer Atlanischen Bestie.

Der blauhäutige Mistkerl auf dem Boden war meine ultimative Belohnung, der verfickte heilige Gral in diesem Krieg und das würde ich jetzt nicht in den Sand setzen. Bestie hin oder her.

Auf den Knien kauernd versuchte ich den Nexus auf die Seite zu rollen um an seine Wirbelsäule heranzukommen, aber er musste um die vierhundert Pfund schwer sein. Nicht einmal seine Beine konnte ich vom Fleck rühren. Scheiß-Implantate.

“Hilf mir. Ich muss ihn auf die Seite bekommen.” Ich blickte zum Atlanen hoch und fast stand mein Atem still. In seinen Augen war keinerlei Anzeichen seines nicht-bestialischen Gegenstücks erkennbar. Er war durch und durch ein wildes Tier und seine Aufmerksamkeit galt nicht der Kreatur, die er eben getötet hatte.

Sie galt mir.

Paarungsfieber.

Ich hatte es schon früher mitangesehen und mein verräterischer Körper, der immer noch ganz high war vor lauter Adrenalin und Todesangst, kanalisierte die vergangenen Stunden der Aggressionen und des Terrors in den einen Bereich, dem ich in nächster Zukunft sehr viel mehr Aufmerksamkeit widmen wollte … Lust.

In nächster Zukunft bedeutete nicht in den nächsten Minuten. Damit meinte ich nach meiner Entlassung und der Verpartnerung mit einem Mann aus dem Bräute-Programm.

Mein verräterischer Körper schien aber nicht damit einverstanden zu sein. Ich war nicht sicher, ob Atlanen so wie Menschen Pheromone versprühten, aber irgendetwas trat in Wogen aus ihm heraus und ich saugte es nur so auf, selbst durch meine Panzerung.

Durch das Helmvisier konnte ich seine extrem hellen Augen sehen und meine Muschi zog sich vor lauter Verlangen zusammen, wurde augenblicklich feucht. Intensive, eisblaue Augen.

Oh verdammt, ja. Ich leckte mir die Lippen, als ich seine enorme Größe in mich aufnahm. Seine schwere Atmung, die Art, wie sein Puls in seinen Halsschlagadern pochte. Seine Hände waren so groß wie Essteller. Ich musste mich fragen, was an seinem Körper sonst noch groß war.

Ich wollte mehr spüren als nur seine Aufmerksamkeit. Ich wollte von seinem Körper an die Wand genagelt und durchgefickt werden, als gäbe es kein morgen mehr.

Aber nicht jetzt. Ich wollte mich nicht direkt neben einer Leiche nackig machen, auch wenn es sich um einen Nexus handelte. Weil, —nun—igitt! Einfach eklig.

Ich wollte ihn im Bestienmodus nicht reizen, also sprach ich leise und sachlich. Besonnen. “Kriegsfürst, ich brauche deine Hilfe. Wir müssen ihm das Wirbelsäulenimplantat entfernen und es zusammen mit dem Helm zur Flotte überführen. Bitte hilf mir dabei, den Körper auf die Seite zu wenden.”

Die Bestie wusste nicht, dass das hier ein spezieller Hive war, dass es sich um einen Nexus handelte. Sie wusste nur, dass diese Kreatur eliminiert werden musste und hatte den Job ganz gut erledigt.

Mit einem Schaudern kniete die Bestie neben mir zu Boden und drehte den Nexus mit etwa derselben Mühe auf die Seite, wie ich eine Cola-Dose herumrollte … und zwar bergab.

Egal. Ich war ein Mensch, ich war eine Frau. Hier draußen im Weltall war ich es gewohnt, in der physikalischen Hackordnung ganz unten zu stehen. Was bedeutete, dass ich einfach nur schlauer sein musste als der Rest. Was mir bisher ganz gut gelungen war. Außer dass ich jetzt in einer verfluchten Höhle festsaß, also war das Ganze doch noch fraglich.

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