Im Paarungsfieber

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Megan

Mein tiefstes, dunkelstes Verlangen war also der Wunsch nach einem dominanten, fordernden Liebhaber. Schön. Aber abgesehen davon? Die Atlanen konnten von mir aus mit ihrer herrischen, überheblichen Art auf diesem Raumschiff herumstapfen, sollten sich ihr Getue aber für jemanden aufheben, der an die Decke sprang, sobald sie murrten. In anderen Worten, nicht mit mir.

Einer insbesondere erweckte in mir den Wunsch nach Atlanischer Körperkraft, weil ich ihm den Kopf abreißen wollte. Kriegsfürst Nyko. Sollte Doktor Moors Partner auch nur annähernd wie dieser nervtötende Krieger, der mich jedes Mal auf die Palme brachte gestrickt sein, dann war es ein Wunder, dass sie ihn nicht im Schlaf getötet hatte. Vielleicht hatte sie das ja getan und das war der Grund, warum sie lächelte und immer so freundlich war.

Ich saß auf dem Untersuchungsstuhl und trug meine komplette Panzeruniform. Zum Glück versteckte die schwere Panzerung meine aufgestellten Nippel. Wie ich gehört hatte, mussten die Frauen auf der Erde einen Krankenhauskittel anziehen. Als ob ich sowas mit mir machen lassen würde.

Sobald ich hier fertig war, müsste ich in meine Koje gehen und meinen Schlüpfer wechseln. Er war klatschnass. Wegen eines imaginären Partners, der gerne das Sagen hatte. Warum hatte mich das dermaßen heiß gemacht? Warum war ich davon gekommen? Meine Muschi flimmerte immer noch, obwohl es nur ein Traum gewesen war.

Ich konnte Doktor Moor nichts vormachen. Sie wusste, was Sache war. Sie hatte mitgehört. Außerdem war sie eine Frau und von Zeit zu Zeit tat es mir gut, mit einer zu reden. Keine Männer. Kein Testosteron.

“Es war ein Traum und es war … geil.” Ich atmete tief durch und ließ es raus. Dann setzte ich mich auf und klatschte die Handflächen auf die Armlehnen des Stuhls. “War's das? Bin ich fertig?”

Ihr dunkles Haar wirkte geschmeidig, es leuchtete im grellen Licht der Krankenstation und ihre grüne Uniform betonte ihre olivfarbene Haut. “Ich habe ihnen gesagt, dass es schmerzfrei und einfach ablaufen würde. Ein kurzes Nickerchen, ein heißer Traum und sie sind verpartnert.” Der Plan schien sie zufrieden zu stellen und am Ende schnippte sie sogar mit den Fingern. “Mir macht es auch Spaß.” Sie zwinkerte mir zu und ich musste zurückgrinsen. “Das Testen gibt mir eine Gnadenfrist, bevor ich wieder in die Notaufnahme muss, um die Verletzten auszusortieren.”

Ich wusste, welches Grauen sie damit meinte, denn ich hatte es zwei Jahre lang mit eigenen Augen gesehen.

“Sie müssen nur noch zwei Tage durchhalten,” fügte sie aufgemuntert hinzu. Offensichtlich wollte sie nicht erwähnen, was mir alles zustoßen könnte, wenn ich wieder in den Kampf ziehen würde. Die Kampfeinsätze wurden nicht zurückgefahren, obwohl ich so nahe am Ende meiner Dienstzeit war, dass ich es förmlich riechen konnte.

Zwei Tage. Noch eine Mission. Ich musste nur die nächsten achtundvierzig Stunden überleben und dann würde mein Dienst vorüber sein. Ich würde in die Kommandozentrale gehen, dieses Ding aus meinem Kopf entfernen lassen und verschwinden. Seit meinem allerersten Kampfeinsatz hatte ich mir das Ende herbeigesehnt, hatte ich die Monate, Wochen, Tage gezählt, bis ich fertig sein würde. Eine Veteranin und frei, wieder nach Hause zu gehen. Aber als der Tag meiner Entlassung näher rückte, erschien mir Boston immer weniger verlockend. Meine Mutter würde mich immerzu daran erinnern, dass ich weder achtbar noch männlich war. Genau, ich würde in Pension sein, würde meinen Dienst absolviert haben und das schneller als die meisten, denn die Verpflichtung bei der Koalition belief sich nur auf zwei Jahre. Ich hätte lebenslange Zuschüsse und ein nettes Gehalt bekommen. Trotzdem, ich würde es mit meiner Mutter aushalten müssen und einem Planeten voller Leute, die keine Ahnung hatten, was hier draußen im Weltall wirklich abging.

Verdammt, ich musste überhaupt nicht nach Hause gehen und mir das Gemecker meiner Mutter anhören. Ein paarmal im Jahr redete ich mit meinem Bruder und jedes Mal erwähnte er sie und ließ mich wissen, was sie so machte. Aber wann immer ich mit ihr in Verbindung trat, wirkte ihr überdimensioniertes Gesicht auf dem Bildschirm enttäuscht und hinter jeder ihrer subtilen Beleidigungen konnte ich den Whisky sprechen hören.

An den meisten Tagen fragte ich mich, warum ich mir überhaupt noch die Mühe machte, ihr zu gefallen. Und das war ein endloses, trostloses Thema, in das ich mich jetzt nicht hineinbegeben wollte.

Nein. Zur Erde zurückzukehren war nicht besonders verlockend. Mein Vater war immer noch tot. Meine Brüder waren in der Armee, immer noch damit beschäftigt, die Welt zu retten. Aber nichts was ich tat, schien meine Mutter zu jucken. Niemals war ich so gut wie ihre Jungs.

Ich rettete das gesamte Universum, aber das war egal.

Was sollte ich zu Hause auch anfangen? Als Veteranin würde ich gewisse Vorteile genießen, aber wozu? Sie hatten uns gewarnt und uns eingebläut, dass wir nichts von dem, was wir gesehen und gemacht hatten, den Leuten auf der Erde preisgeben durften, verängstigten, panischen Menschen, die von alldem nichts verstehen würden. Also konnte ich noch nicht einmal darüber reden, was hier draußen alles passierte. Meine Mutter würde es sowieso nicht interessieren. Und welcher Mann auf der Erde würde eine Koalitionsveteranin zur Braut haben wollen? Verdammt, auch nur zur Freundin? Welchen Beitrag zur Gesellschaft würde ich wohl leisten können, in Podunk, Texas? Nix.

Zumindest hatte ich im Kampf einen kühlen Kopf bewahrt, ich war am Leben geblieben und hatte sogar einige Kameraden gerettet. Ich mochte nur ein Zahnrad in einem großen Getriebe sein, aber ich wurde gebraucht. Nun, sie brauchten Wahnwitzige wie mich. Nicht jeder war bereit, sich Hive-Technologie ins Gehirn einpflanzen zu lassen.

Beknackt? Wohl wahr. Aber gerade eben hatte ich zugesehen, wie eine ganze Einheit menschlicher Krieger ausgelöscht wurde, und zwar bei einem Manöver, das die Hive gar nicht hätten auf die Beine stellen dürfen. Und auf dem Hügel hatte ich diesen blauen Mistkerl zusammen mit seinen blauhäutigen Freunden gesehen. Ich war eine der wenigen, die je einen Nexus in Aktion zu Gesicht bekommen hatte. Ich war nahe an ihn herangekommen, ausreichend nahe, um einen tödlichen Schuss abzufeuern. Ich hatte ihn getroffen, dabei aber die eine Sache pulverisiert, die der Geheimdienst haben wollte, die er brauchte, um diesen Krieg zu gewinnen. Diese Nexus-Soldaten hatten eine Art Rechnereinheit, die direkt mit der Kommandozentrale der Hive verlinkt war und die den restlichen Hive in der Umgebung Befehle übermittelte. Sie waren wie Sendeantennen, Kommandanten, sollten die Hive über solche Ränge verfügen. Und die Koalitionsflotte brauchte eine dieser Rechnereinheiten, damit sie den Code knacken, die Transmissionen stören und feindliche Kommunikationen abhören konnte.

Wir brauchten eine davon und ich würde sie holen. Morgen. Und anschließend würde ich meinen Lohn erhalten … einen heißen Brummer von einem Alien, der mich im Stehen durchficken würde und mich jeden verdammten Kampf, den ich je gekämpft hatte, vergessen lassen würde, jeden Freund, dem ich beim Sterben zugesehen hatte. Verdammt, ich würde mir endlich etwas Glück gönnen.

Würde ich also zur Erde zurückkehren? Nie und nimmer. Hier draußen aber, in der Koalition, könnte ich einen Partner finden. Als Krieger im Dienste der Flotte konnte ich als interstellare Braut abgefertigt werden. Auf dem Schlachtschiff hatte ich Frauen mit ihren Partnern gesehen, sie um ihre offenkundige Verbindung beneidet. Sie alle waren, ob Atlane oder Prillone, auf eine kaum vorstellbare Weise miteinander verbunden. Verpartnerte Männer gingen niemals fremd. Zum Teufel, sie schauten sich nicht einmal um.

Genau das wollte ich. Ich brauchte es, eine Bindung. Wurzeln. Etwas. Also hatte ich dem Testvorgang zugestimmt—einem Vorzug, den alle Krieger genossen, wenn sie ihre Dienstzeit absolviert hatten. Aber dieser Traum? Ich musste mich fragen, ob ich den Test überhaupt bestanden hatte. Vielleicht war das alles ein gewaltiger Fehler. Ich hatte keine besondere Vorliebe für die dominanten Atlanen. Also, vielleicht hatte seine dominante Art mich während des Traums angetörnt. Verdammt, das hatte sie. Aber sonst? Nein. Auf dem Schlachtfeld waren sie top, riesige, klotzige Bestien, die durch die Hive-Formationen hindurchbrachen, als wären die aus Pappe. Aber, mit einem von denen reden? Den Rest meines Lebens mit einem zusammenleben? Nee. Das waren arrogante, herrschsüchtige …

“Megan?”

Die Doktorin starrte mich an und mir dämmerte, dass sie mit mir sprach. Ich hatte kein Wort gehört. “Tut mir leid. Was haben sie gesagt?”

“Ich sagte sie haben nur noch zwei Tage übrig. Sie haben zwar den Test absolviert, weil sie aber immer noch im Dienst stehen, kann ich sie noch nicht verpartnern. Dem Protokoll nach darf ich sie erst verpartnern, wenn sie entweder einwilligen oder ihren Dienst als Koalitionskrieger beendet haben.”

Ich verstand, was sie mir da so diplomatisch vermitteln wollte. Sollte ich verpartnert werden und im Kampf ums Leben kommen, dann wäre das meinem Partner gegenüber äußerst unfair. Wer würde schon verpartnert werden und sein Match noch vor dem ersten Kennenlernen im Kampfe verlieren wollen?

Bei der Vorstellung runzelte ich die Stirn. “Also bin ich noch nicht verpartnert.”

Sie schüttelte den Kopf. “Noch nicht. Es sei denn, sie wollen ihren Dienst als Krieger jetzt schon beenden. Die Möglichkeit besteht.”

 

Ich hielt die Hand hoch. “Nein. Jetzt nicht. Ich muss noch ein paar Tage in einem Stück überstehen, wachsam bleiben und mich nicht von den Hive schnappen lassen.” Und wenn ich erfahren würde, wer er war, dann würde ich nicht länger an meine Mission denken. Ich würde nur an ihn denken. An seinen Körper. Seinen Mund. Seine Hände. Gott, seinen Schwanz …

Sie neigte den Kopf zur Seite und kaute auf ihrer Lippe. “Wie gesagt, sie können der Verpartnerung jetzt schon zustimmen. Ein Knopfdruck genügt. Sie akzeptieren das Match und scheiden aus dem aktiven Dienst aus. Bräute werden nicht in den Kampf geschickt. Sie müssten nicht mehr in Deckung gehen oder sich Sorgen machen, von einer Ionenkanone getroffen zu werden und an einem Stück zu bleiben. Keine Gefechte mehr, Megan. Keine Hive.”

Jede Koalitionskämpferin die verpartnert wurde und das Ergebnis des Bräute-Tests akzeptierte, wurde automatisch aus dem Dienst genommen und ins Programm für interstellare Bräute transferiert. Ich sah ihre Hand auf dem Tablet, wahrscheinlich kreiste er über der Schaltfläche mit der Aufschrift Einwilligen.

Obwohl die Vorstellung verlockend war, schüttelte ich den Kopf. Ich konnte meine Einheit jetzt nicht im Stich lassen. Ich hatte mich entschieden—mein andauernder, pulsierender Kopfschmerz war der Beweis dafür. Eine letzte Mission hatte ich vor mir, einen blauen Mistkerl, den ich ausschalten musste. Milliarden Leben auf hunderten Planeten waren eventuell von mir abhängig. Müsste meine Mutter diesbezüglich nicht einen verdammten Hirnschlag bekommen?

Ich blickte zu ihr auf und legte meine Hand auf ihr Handgelenk, damit sie innehielt. “Das kann ich meinem Team nicht antun. Ich kann ein paar Tage lang warten. Wie sie gesagt haben, niemand wartet gerade auf mich.”

Dann stand ich auf, ergriff meine Ionenpistole und steckte sie mir ins Holster am Oberschenkel. Ich mochte gerade einen der besten Orgasmen meines gesamten Lebens gehabt haben, aber ich war immer noch ein Koalitionskämpfer, blieb immer noch ein Mitglied des Geheimdienstes. Mein Partner würde einsehen müssen, dass meine Pflicht zuerst kam. Zum Teufel, wenn es wirklich das perfekte Match war, dann würde er es auch verstehen.

Sie lächelte bedrückt. “Gut. Ich werde in ihrer Akte vermerken, dass sie eine umgehende Verpartnerung abgelehnt haben—”

Daraufhin wollte ich protestieren. Nein, verdammt. Ich wollte das Match. Nur nicht—

“Für den Moment, Megan. Nur für den Moment. Tun sie, was sie tun müssen. Sie werden nicht vor ihrer Rückkehr verpartnert werden. Sie gehen keinerlei Verpflichtungen ein, müssen sich um keinen Partner sorgen.”

“Ich bin immer noch Single,” brachte ich es auf den Punkt.

Sie lächelte. “So könnte man es sagen. Ja, sie sind Single. Unbekümmert. Außer, was die Hive und ihre Mission anbelangt. Passen sie gut auf sich auf und wir sehen uns in zwei Tagen wieder, wenn ihre Dienstzeit vorüber ist.”

3


Kriegsfürst Nyko von Atlan, Sektor 437, Kampfgruppe Karter, Infanterie, Planet Latiri 4

Kleinere, feindliche Aufklärer wuselten in Schwärmen über die Hügel von Latiri 4, wie sie es schon seit über zwei Stunden getan hatten. Egal, wie viele der Bastarde wir auch in Stücke rissen, es kamen immer mehr.

Immer wurden es mehr.

“Rückzug!” Die Stimme des Kriegsfürsten Wulf, unseres Kommandanten, tönte wie ein Kanonenfeuer übers Schlachtfeld; das tiefe Grollen einer vollendeten Bestie. Er war über zwei Meter fünfzig groß, seine Schultern und Arme waren weiter als der Felsbrocken an seiner Seite. Unsere speziell angefertigten Panzeranzüge passten sich unserer Figur, unserem Kampfstil und der Verwandlung, die der Übergang in den Bestienmodus mit sich brachte, mühelos an.

Wie Hammerschläge auf Felsgestein stießen meine Kampfstiefel auf den harten, steinigen Untergrund, als unsere Truppe Atlanischer Bestien auf die letzte intakte Transportplattform zustürmte, um hier verdammt nochmal raus zu kommen.

Wir wurden überrannt und waren zahlenmäßig unterlegen. Der Planet hatte ein Netzwerk aus magnetischen Felsschluchten und Gesteinsbrocken, die unsere Scanner und unser Kommunikationssystem störten. Die Aufklärungsdrohnen hatten die Anzahl der Hive-Kämpfer mindestens um ein Zehnfaches unterschätzt, oder sie hatten Nachschub hineintransportiert, nachdem wir unseren Angriff gestartet hatten. Dass wir im Bestienmodus waren, tat dabei nichts zur Sache. Dass wir jedem Hive, der uns in die Quere kam, den Kopf abreißen konnten—und würden—tat nichts zur Sache. Es waren zu viele. Während die Bestien sich blind in den Kampf stürzten, so benutzten die Atlanen dahinter weiterhin ihren Verstand. Diese Mischung hielt uns am Leben, damit wir einen weiteren Tag kämpfen konnten. Und heute mussten wir uns zurückziehen, uns umorganisieren und mit mehr Waffen, mehr Kämpfern und mehr Panzerung zurückkehren. Sehr viel mehr war nötig.

Wir alle würden sterben, wenn wir hier unten bleiben würden. Ich hatte das schon viele Male erlebt. Wir würden abhauen, neue Pläne schmieden und binnen Stunden wieder auftauchen. Dieser Planet musste wieder von der Koalitionsflotte kontrolliert werden, damit die Hive ihn nicht länger als Ausgangspunkt für Überfälle und Sammelmissionen auf geschützte Planeten in den umliegenden Sonnensystemen missbrauchen konnten.

Die Integrationseinheiten der Hive, also die speziell ausgerüsteten Feinde, die die Gefangenen folterten und ihnen Hive-Technologie injizierten, um ihren Willen zu brechen, würden auf einen anderen Planeten weiterziehen. In ein anderes Sonnensystem. Zur nächsten unterentwickelten oder hilflosen Zivilisation, die bereit war, geerntet zu werden.

Und wir würden ihnen folgen. Wir würden ihnen hinterherjagen, genau wie Karter, jener Prillonische Kommandant, der diese Kampfgruppe anführte. Alle Krieger der Flotte waren aus demselben Grund hier; um ihren Heimatplaneten und ihre Lieben zu beschützen. Um alle Planeten vor den Hive zu beschützen. Die Hive-Zivilisation eroberte nicht, sondern sie verschlang. Sie fraßen alles und jeden, bis nichts mehr übrig blieb. Nicht einmal mehr der Verstand eines Mannes.

Die Kriegsfürsten an meiner Seite, meine Freunde, dienten allesamt einem bedeutsamen, noblen Anliegen. Ich diente, weil mein Ehrgefühl es verlangte und einem Hive-Aufklärer die Arme oder den Kopf auszureißen, schenkte mir eine Art makaberes Vergnügen, gab meinem ansonsten trostlosen Leben eine Art Sinn.

Andere Atlanische Krieger hatten Familie, hatten eine Partnerin, die zu Hause auf Atlan auf sie wartete, um ein neues Leben zu beginnen. Sie hatten Brüder und Schwestern, Eltern und Cousins. Ich hatte nichts, keine Familie, keine Partnerin, keinen Grund weiter zu kämpfen, außer jener Bestien, die an meiner Seite kämpften. Diese Einheit war meine Familie, sie war es seit vier Jahren und ich hatte nicht das geringste Interesse, zu gehen.

Aber mein Körper würde mir einen Strich durch die Rechnung machen. Selbst jetzt, als die Hive ausschwärmten und uns nachstellten, tobte die Bestie in mir. Mit jedem Tag wurde sie stärker. Sie wollte eine Partnerin. Bei mir brach das Fieber aus und schon bald würde ich eine echte Partnerin finden müssen. Oder ich würde sterben.

Schon bald würde sich die Bestie mit ihren Trieben gegen mich wenden und ich würde alles und jeden töten, der mir in die Quere kam, egal ob Freund oder Feind. Das Paarungsfieber brodelte, es vergiftete mein Blut und weder bloße Willenskraft noch eigensinniger Stolz konnten die Bestie bezwingen, die wie ein Monster in meinem Inneren lauerte. Sie kannte nur ihren Paarungstrieb, sonst nichts. Für das Schlachtfeld war sie perfekt, aber zurück auf dem Raumschiff würde sie eine Bedrohung darstellen.

“Hive!” Mein Kumpel Angher rempelte mich mit der Schulter an, als er an mir vorbeirannte, um drei Hive-Soldaten anzugreifen, die neben einem Felsklotz aufgetaucht waren und uns den Weg abschneiden wollten, oder uns von hinten aufgabeln wollten. Sie waren größer und kräftiger als die Aufklärer, die wir die letzten Stunden über zerfetzt hatten.

Es war so viel schwerer, sie totzukriegen.

Meine Bestie brüllte angriffslustig, als ich Ang hinterhereilte; zwei riesige Atlanische Kriegsfürsten am Abgrund, im Blutrausch. Sein prekärer—und unberechenbarer—Zustand war der Grund, warum er vor wenigen Wochen das Testprotokoll fürs interstellare Bräute-Programm durchlaufen hatte. Ich hätte es ihm gleichtun sollen, aber das Fieber hatte mich damals noch nicht so stark im Griff wie heute.

Das Paarungsfieber war jetzt heftiger denn je und ich fürchtete, dass meine Braut mich nicht mehr retten konnte. Wer auch immer sie war. Wo auch immer sie war. Und der tödlichen Rage nach zu urteilen, die mein Kumpel Ang versprühte, würde er vielleicht dasselbe Schicksal erleiden. Man würde ihm eine Braut zuteilen und ihn zügig verpartnern, damit das Fieber vollständig abklingen konnte. Was mich betraf, so würde ich in Gewahrsam genommen und hingerichtet werden, sollte ich nicht bald eine Partnerin finden; ich wäre eine Gefahr für mich selbst und jeden, der sich in meine Nähe wagen sollte.

Nur der Tod konnte eine Atlanische Bestie im Paarungsfieber stoppen.

Der Tod, oder eine Partnerin. Und unverpartnerte Frauen waren innerhalb der Flotte eine Seltenheit, diejenigen, die auf den Raumschiffen lebten, waren entweder verpartnert oder es handelte sich um Soldatinnen, die so verdammt widerspenstig waren, dass ich jedenfalls nichts mit ihnen zu tun haben wollte. Eine insbesondere hatte mir schon mehr als eine schlaflose Nacht beschert, weil ich dermaßen wütend auf sie war.

Megan Simmons. Sie war ein Mensch und seit zwei Jahren als Koalitionssoldatin in der Kampfgruppe. Vom Rang her war sie ein Captain, aber sie wechselte ständig von Einheit zu Einheit, immer auf dem Sprung. Sie war aufsässig und labil und schien ziemlich geheimniskrämerisch. Zuletzt war sie zusammen mit Captain Seth Mills in der ReCon-Einheit 3 unterwegs. In den letzten Monaten haben wir sie mehr als einmal eskortiert und beschützt. Jedes Mal hatte es den Anschein, als wollte sie absichtlich meine Geduld auf die Probe stellen. Selbst Seth, ein Mensch, den ich schätzte und respektierte und dessen Schwester mit einem meiner Atlanischen Brüder verpartnert war, konnte sie nicht im Zaum halten. Er würde ein böses Gesicht machen oder grinsen, sie aber nicht davon abhalten, mir oder sonst wem an Bord des Schiffs frech zu kommen.

Viele Male schon wollte ich dieser kleinen Frau den Hintern versohlen, um ihr ein bisschen Vernunft beizubringen, aber sie gehörte nicht mir und würde es auch nie. Den Göttern sei Dank. Diese Frau bedeutete nichts als Ärger. Sie und ihre Einheit waren jetzt ohne Zweifel auch hier irgendwo unterwegs, sie durchkämmten die Felsschluchten, um versteckte Feinde aus ihrem Hinterhalt zu scheuchen.

Letzte Woche war sie sogar über ein Hive-Trio gestolpert und hatte versucht es eigenhändig zu töten. Ohne die Hilfe eines Atlanen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie und ihre Einheit waren kaum mehr als ein Selbstmordkommando und keiner dieser starrsinnigen Erdlinge schien diese Tatsache einsehen zu wollen. Scheißegal, wenn sie drauf gingen. Insbesondere diese Megan Simmons.

Trotzdem wurde ich ganz wild vor Verlangen danach, sie übers Knie zu legen und ihr deutlich zu machen, dass sie sich umbringen wird. Keine Ahnung, warum ihre Fahrlässigkeit mich dermaßen anpisste. Keine Ahnung, warum ich mehr auf sie achtete, als auf jeden anderen Koalitionskämpfer, egal, ob männlich oder weiblich. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet ihr für ihre Waghalsigkeit den Arsch versohlen wollte.

Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Meine Bestie war dabei mich um den Verstand zu bringen, insbesondere, wenn es um Megan Simmons ging. An manchen Nächten würde ich zur Decke starren und an ihre dunkle Haut und ihr schwarzes Haar denken, an die üppige, ausgereifte Rundung ihres Arsches. Sie war groß und muskulös. Kraftvoll für eine Frau.

Schon immer wollte ich eine Partnerin, die sich mir unterwirft, eine sanftmütige, liebevolle Frau, deren Berührungen meinen Körper und Geist besänftigen würden.

Megan Simmons stellte alles und jeden, der ihr über den Weg lief, infrage, egal, ob Atlane, Prillone oder Erdling. Nie konnte sie die Klappe halten und sie war vollkommen furchtlos. Leichtsinnig. Verrückt.

Und dieser Gedanke ließ meinen Schwanz hart wie Stein werden, selbst als ich mich gegen die Vorstellung zur Wehr setzte. Atlanische Frauen zogen nicht ins Gefecht. Sie legten sich weder mit Vorgesetzten an, noch gingen sie zum Angriff über. Sie waren da, um die Bestien in ihren Partnern zu besänftigen, um uns vor dem Durchdrehen zu bewahren, wenn unser Verstand nur noch töten oder ficken wollte.

 

“Nyko?” Kommandant Wulfs Aufschrei ließ mich kurz halt machen. Fast hatte ich die Hive vor mir erreicht, Ang war mir einen Schritt voraus.

“Los!” Meine tiefe Stimme dröhnte über den Rest unserer Einheit hinweg und Wulf lächelte mir zu, seine Bestie gierte offensichtlich nach mehr Chaos und Zerstörung, als die Männer uns beiden die drei feindlichen Soldaten überließen. Unsere restliche Einheit zog weiter und näherte sich der letzten Transportplattform. Wir mussten von diesem verdammten Planeten runter. Sofort.

Ich wandte mich wieder den Hive-Soldaten zu und ihre verschreckten, silbrigen Augen blickten zu uns auf, als Ang einen von ihnen am Nacken packte und ihn einhändig vom Boden hob. Angs andere Hand fand seinen Hinterkopf und in wenigen Sekunden würde er enthauptet sein. Ang war geübt darin, ihre Körper in Stücke zu reißen. Er hatte letztes Jahr seinen Bruder an die Hive verloren und sein Hass befeuerte die Raserei seiner Bestie, eine Wut, die auch so schon extrem schwer zu kontrollieren war.

Mein Angriffsziel zückte seine Waffe und feuerte wutentbrannt, als ich näher kam. Der Schuss versengte meine Brust und ich spürte atemberaubende Hitze, als ich ihn endlich erreichte.

Für Angs Spielchen blieb mir keine Zeit, denn der dritte Soldat zückte seine Waffe und feuerte ebenfalls auf mich.

Meine linke Schulter schmerzte und ich wusste, dass ich den ReGen-Stab in meinem Kampfrucksack benötigen würde, um wieder voll einsatzfähig zu sein. Aber meine Verletzungen konnten warten. Ich hatte Schlimmeres erlebt. Sehr viel Schlimmeres.

Ich packte den nächststehenden Hive am Kopf und schleuderte ihn gegen den Felsen. Das Knirschen seiner zusammenkrachenden Knochen befriedigte mich und ich ließ den reglosen Körper zu Boden fallen und stürmte auf den dritten Soldaten zu.

Diese verfluchten Hive. Immer kamen sie zu dritt. Drei Aufklärer. Drei Soldaten. Drei. Drei. Drei.

Alleine waren sie zu nichts fähig. Sie redeten noch nicht einmal wie echte Leute. Alles was sie von sich gaben, begann mit dem Wort “Wir”.

Ich erreichte den dritten Soldaten, hob ihn von den Füßen und schleuderte ihn nach oben, bis sein Rücken parallel zum Boden lag. Er zappelte wehrhaft, wollte mich packen und mich dazu bringen, ihn loszulassen. Jeder einzelne Hive unterschätzte die Atlanische Bestie. Vielleicht hatten sich unsere Stärke und Übermacht nicht herumgesprochen, weil jeder Hive, der uns über den Weg lief, ausgeschaltet wurde. Dieser hier schien ebenfalls zu glauben, dass er es mit mir aufnehmen konnte.

Richtig.

Stattdessen aber rammte ich seinen Rücken auf den steinigen Boden und verdrehte ihm den Schädel fest genug, um das knack-knack-knack seiner Knochen zu hören, als seine Wirbelsäule und metallischen Implantate zerbarsten und sein Körper im Todeskampf zuckte und buckelte.

Als ich aufblickte, war Ang bereits dabei, unserer Einheit in Richtung Transportplattform hinterher zu eilen.

Ich stand auf und wollte mich ebenfalls auf den Weg machen, als ich einen Schrei hörte.

Ein Mensch. Ich kannte dieses Geräusch. Jemand war in Schwierigkeiten.

Der Laut kam aus einer engen Schlucht hinter dem Felsbrocken, aus derselben Richtung, aus der die jetzt toten Hive-Soldaten gekommen sein mussten, bevor sie uns in die Hände gefallen waren.

Ein kurzer Blick auf meine Einheit zeigte, dass sie mir ein gutes Stück voraus waren. Kommandant Wulf stand jetzt auf einem Hügel, die Transportplattform befand sich dahinter und gleich einem Rammbock, der in eine Puppenstube krachte, war er dabei, mit Hive-Aufklärern und Soldaten nur so um sich zu schmeißen. Körper flogen ihm zu Füßen und die restlichen Kriegsfürsten, fast allesamt im Bestienmodus, hatten die Transportplattform beinahe erreicht. Unsere Krieger stürmten ihnen hinterher, Prillonen und Erdlinge, Trionen und Krieger jeder anderen Rasse oder Spezies, die Teil der Flotte waren, während die Atlanen den Weg freiräumten, damit alle anderen zurück auf das Schlachtschiff transportieren konnten.

“Schnell.” Ich sprach zu niemanden, aber meine Bestie war aufgebracht. Wir wurden Zeuge, wie hunderte Hive-Kämpfer die schmalen Breschen auf weniger als einer Meile vor der Transportplattform überrannten. Sollten sie die Plattform erreichen, bevor unsere Krieger den Planeten verlassen hatten, dann würde es für die Zurückgebliebenen keine Rettung mehr geben.

Wir waren dabei, die Schlacht zu verlieren, denn die Hive schwärmten in sehr viel größeren Zahlen als angenommen aus. Kommandant Karter war kein Dummkopf. Er würde seine Leute zurückrufen, sie umorganisieren und in ein paar Tagen erneut zuschlagen.

Ich konnte entweder meiner Einheit folgen und von diesem blutigen Felsbrocken herunter transportieren, oder ich konnte versuchen, dem Erdling in der Schlucht zur Hilfe zu kommen und bis morgen ausharren. Die Extraktionskoordinaten lagen nicht weit entfernt. Ich konnte mich nachts über versteckt halten und morgen einen Transport anmelden, mit einem verängstigten, kleinen Menschen im Schlepptau. Die Hive konnten genauso wenig wie wir die metallischen Felsformationen mit ihren Sensoren überwachen. Mit den Felsen und Spalten als Versteck würden sie uns niemals aufspüren und ausschalten können. Sie würden nur angreifen, wenn sie uns gesehen hätten. Wenn wir ihnen also nicht in die Quere kämen, dann würden wir ziemlich sicher sein.

Noch ein Schrei aus Richtung Schlucht, diesmal vor Zorn, und ich hatte mich entschieden. Oder besser gesagt, die Bestie hatte entschieden und ich war nicht gewillt, mit ihr zu verhandeln. Ich konnte es nicht. Ich war viel zu außer mir.

Ich stürmte um den Felsen herum und preschte in die Schlucht, dunkelgraue und schwarze Felsformationen bildeten einen langen, engen Korridor, der sich etwa über eine Meile erstreckte. Ich konnte den Ausgang am anderen Ende sehen, als ob der Boden sich dort geöffnet hatte, nur ein bisschen, und nur dort.

Hinter mir und überall sonst auf diesem gottverlassenen Planeten waren die Felsen rot oder braun; so weit das Auge reichte ein Meer aus monochromen Farben, eine Wüste aus Stein.

Hier aber war das Gestein schwarz, grau und silbern, das Innere des Planeten war sichtbar geworden, wie Muskeln unter der Hautschicht bei einem tiefen Schnitt. Als ob der Planet aufgeplatzt und seine Innereien hervorgequollen waren.

Vor mir standen drei Hive. Auf halber Höhe der Schlucht hatten sie jemanden in die Falle gejagt. Ich erkannte den zaghaften Körper und die Panzerung eines Menschen, der die Felswand hochkletterte, um ihnen zu entkommen. Er trug die Uniform der menschlichen ReCon-Einheiten. Auf dem Boden verteilt lagen die Leichen von mindestens einem Dutzend Hive-Soldaten und vier weiteren Erdlingen.

Keiner regte sich.

Der Mensch kraxelte an der Felsklippe hoch und klammerte sich insektenhaft an die unebenen Felsvorsprünge. In der Felswand war die Öffnung einer Höhle erkennbar, der Eingang funkelte wie eine Diamanthalskette auf einem weiblichen Dekolleté, wenn das Licht auf ihn fiel. Der Erdling war offensichtlich zur Höhle unterwegs. Ein cleverer Zug, denn die Höhle bot Schutz, zumindest zeitweise. Und sie bot Überblick. Vielleicht wollte der Erdling dort den letzten erbitterten Widerstand leisten.

Warum aber knallten die Hive den Erdling nicht einfach von der Felswand runter? Warum kletterten sie hoch? Warum nicht …

Ich kniff die Augen zusammen und die Bestie sendete ein leises Fauchen durch meinen Brustkorb. Was war hier los? Ich pirschte mich näher heran, diesmal ohne anzugreifen. Selbst meine Bestie hielt sich zurück. Nie zuvor hatte ich so etwas wie diese Hive hier gesehen und ich hatte fast ein Jahrzehnt lang im Kampf zugebracht. Es waren keine Aufklärer oder Soldaten. Es handelte sich um etwas gänzlich anderes.