Heiße Colts und wilde Girls: Alfred Bekker präsentiert 8 Western

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

11

Matt Wister blieb draußen auf dem Stepwalk stehen, lehnte seine Schultern gegen einen Pfeiler und blickte zu Sheriff Riley hinüber, der vor seinem Haus stand, die Hände auf die Brüstung gestemmt.

Andere Männer standen an den Rändern der Fahrbahn. Alle blickten die Straße hinauf. Sie warteten!

Die Sonne stand hinter den Häusern im Westen. In einer Viertelstunde würde sie untergehen. Dann würde eine kurze Zeit der Dämmerung kommen, und dann würde es dunkel sein.

Matt stieg die beiden ausgetretenen Stufen hinunter und überquerte mit knirschenden Schritten die Fahrbahn. Er war selbst gespannt, was passieren würde. Als er stehenblieb und sich umwandte, zogen sich die Männer von den Gehsteigkanten zurück und verschwanden im Schatten der vorspringenden Dächer, die weit nach unten gezogen waren.

Sie wollten nicht gesehen werden; wollten mit dieser Sache nichts zu tun haben.

Auch Sheriff Riley bog den Oberkörper zurück. Er hatte Matt einen Rat gegeben. Mehr wollte er nicht tun.

Mehr stand auch nicht in seiner Macht. Matt fragte sich, ob er wirklich ein Narr war. Er schüttelte den Kopf. Er wusste, dass es Zufall war, dass er sich mit Garetts Cowboys anlegte. Auch der Rancher würde das erkennen müssen.

Er merkte, wie er gespannt auf den Mann wurde, vor dem hier augenscheinlich alles in den Staub kroch, genau wie man es vor Troger machte.

Eine seltsame Stadt. Eine Stadt, die zwei Männern gleich gut dienen wollte.

Als er den Mietstall betrat, erhob sich der Pferdebursche aus dem Heu. Er rieb sich über die geröteten Augen.

„Reiten Sie fort?“, fragte er.

„Ja.“

„Ich hatte gedacht, Sie seien ein Mann, der vor nichts Angst hat.“

„Du hast dich wohl getäuscht.“

„Ja, es scheint so. Schade, Mister. Hier oben gibt es keine richtigen Männer. Alle haben Angst. Sind Sie wirklich Texaner?“

„Ja.“

„Ich habe mir Texaner immer anders vorgestellt.“

„Wie denn?“

„Nun, stark, schnell, mutig.“

„Ach so.“

„Sind Sie bestimmt aus Texas?“

„Vielleicht bilde ich es mir nur ein. Sattelst du jetzt mein Pferd?“

Der Junge wandte sich mürrisch ab und zog den Rappwallach aus der Box. Er legte ihm den schweren McClellan-Sattel auf und zog den Bauchgurt unter dem Leib des Tieres fest. Sein Blick hing für einen Moment bewundernd an der Winchester 73, dann brummte er etwas Unverständliches, das sicher kein Lob sein sollte.

Matt führte das Pferd wortlos hinaus. Als er auf der Fahrbahn in den Sattel stieg, kamen die Männer aus den Nischen an den Rand des Stepwalks und blickten gespannt auf ihn.

Sheriff Riley kam auf die Fahrbahn und Matt entgegen.

„Es ist gut, dass Sie es sich überlegt haben“, sagte er brummig. „Aber nun sollten Sie schnell reiten. Garett muss jeden Moment kommen. – Sie schaffen es bestimmt, Wister!“

„Sicher, Sheriff“, sagte Matt und schnalzte mit der Zunge.

Sein Pferd setzte sich in Bewegung. Es lief nach Norden.

„He, Wister!“, schrie der Sheriff.

Matt zügelte das Pferd und blickte über die Schulter.

„Was ist denn?“, fragte er forschend zurück.

„Das ist die verkehrte Richtung! Von dort wird er kommen! Sie müssen nach Süden! Los, drehen Sie um!“

Matt lächelte ein klein wenig, und dieses Lächeln war jetzt hart und bitter.

„Ich will aber nach Norden“, sagte er. „Dann reite ich eben in die verkehrte Richtung. Was macht das schon.“

„Aber Sie werden ihm direkt in die Arme reiten!“, brüllte der Sheriff außer sich.

„Die Stadt wird ihre Ruhe haben. Das ist doch wichtig, nicht wahr?“ Matt schnalzte mit der Zunge und ritt weiter.

Sheriff Riley stand mitten auf der Straße, dicht neben einer ausgefahrenen Rinne. Er schüttelte den Kopf, als könnte er das nicht begreifen. Er sah, wie Matt Wister am Ende der Stadt anhielt. Er stand dort, wie ein Standbild, und auch das große nachtschwarze Pferd verhielt völlig reglos.

Minuten tropften langsam dahin. Nichts geschah. Der Reiter regte sich nicht. Er stand dort wie eine stumme Mahnung an die seltsame Stadt.

Dann waren ferne Geräusche zu hören, die der Wind herantrug. Sie wurden lauter und deutlicher. Es waren die Geräusche, auf die alle gewartet hatten. Hufschlag! Hufschlag, der rasch näher kam und zu einem dröhnenden Orkan anwuchs.

12

Sie kamen, als die Sonne gerade untergegangen war. Rote Strahlenbündel waren weit im Westen hinter den Hügeln noch zu sehen. Sie stachen zum Himmel hinauf, der sich langsam dunkler färbte.

Der Hufschlag ihrer Pferde schallte weit über das Land. Hinter ihnen stand eine Staubwolke in der aufkommenden Dämmerung. Sie waren sechs Mann. In der Mitte ritt ein großer, klotziger Mann, der auf einem löwengelben Pferd saß.

Matt Wister hielt immer noch neben der letzten, windschiefen, verlassenen Hütte am Rande der Stadt. Er wartete. Er wartete mit der Ruhe eines Mannes, der wusste, dass diese Begegnung stattfinden musste, wenn er jemals am Ziel seines langen Ritts ankommen wollte. Es war Pech gewesen mit Vane, verdammtes Pech.

Seine Hand tastete zur Seite, und die Fingerspitzen berührten den Kolben des Revolvers. Er fühlte sich kalt an, dieser Kolben.

Auch Matt war es kalt. Sein Herzschlag ging normal, fast etwas zu langsam. Die Kälte saß in den Fingerspitzen. Er wusste, dass es immer so war, wenn eine Gefahr langsam und deutlich auf ihn zukam. Und er wusste, dass es die Ruhe war, die ihm oft das Leben rettete.

Sie kamen schnell näher, mussten ihn nun auch erkennen und ritten zu einer breiten Kette auseinander. Neben dem Mann mit dem löwengelben Pferd war Hal Spears auf einem struppigen Pinto zu erkennen. Hal zeigte mit der Hand nach vorn. Er redete eifrig auf den Mann mit dem hellen Pferd ein.

Der nickte. Seine klobige Gestalt reckte sich in die Länge, und die Schultern hoben sich.

Dann waren sie heran. Sie hielten in der Anordnung, in der sie die letzten hundert Yard zurückgelegt hatten. Sie hatten die Hände an den Waffen, und ihre Gesichter sahen finster und entschlossen aus.

Der Mann auf dem löwengelben Pferd hatte ein raues vernarbtes Gesicht. Es sah aus, als wäre er etwa fünfzig Jahre alt. Dreißig Jahre harter Kämpfe und wilder Stürme mussten hinter ihm liegen. Er trug einfache Weidekleidung. Er war überhaupt ganz anders als Troger, alias Maron. Er war von harter, unduldsamer Art, und diese Art stand deutlich in sein Gesicht geschrieben.

Vielleicht war Troger genauso, oder vielleicht versuchte er auch nur, so zu sein. Aber von ihm ging Hinterlist und Tücke aus. Von diesem Mann Härte. Im Grunde genommen könnten beide trotzdem gleich sein, denn hier draußen waren die Mittel, mit denen sie sich bekämpfen konnten, begrenzt.

„Das ist also Wister?“, fragte der Mann auf dem auffälligen Pferd und wandte den Kopf leicht zu Spears hin.

Der nickte. „Das ist er.“

„Und ihr zwei seid nicht mit ihm fertig geworden?“

„Er muss den Teufel in der Brust wohnen haben. Es würde mich nicht wundern, wenn er drei von uns auf den Boden fegt, ehe der Rest ihn überrumpelt hat.“

Der Rancher wandte den Kopf und blickte Matt einen Moment an.

„Warum hast du dich in eine Sache gemischt, die dich nichts angeht?“, fragte er schleppend.

„Ich konnte nicht wissen, dass es mich nichts angeht“, erwiderte Matt.

„Wieso nicht?“

„Ich war fremd. Ich kannte weder die Stadt, noch die beiden Burschen, noch das Mädchen.“

„Und wenn du alle gekannt hättest?“

„Ich weiß nicht, ob das etwas geändert hätte. Ich komme aus einer Gegend, in der die Streitigkeiten der Männer nicht von Frauen ausgebadet werden müssen.“

„So, aus so einer Gegend also“, meinte der Rancher und blickte seine Reiter an, die keine Miene verzogen. „Ric, du siehst nach, wie es mit Les steht!“

„Ja“, sagte einer der Männer an der linken Flanke und wandte sein Pferd um. Er ritt in die Stadt hinein.

Der Rancher hatte sich wieder Matt zugewandt.

„Wir werden jetzt alle deine Vorstellungen ins Gegenteil verkehren“, sagte er. „Du wirst sehen, dass das schnell geht. Danach reden wir weiter. Ist das klar?“

Matt blickte sie der Reihe nach an. Sie waren jetzt noch fünf mit dem Rancher. Er würde sicher im Hintergrund bleiben, wenn seine Leute das allein schafften. Aber nur, wenn sie es schafften.

„Es ist gut“, sagte er leise. „Wenn ihr es fair machen wollt, dann soll einer nach dem anderen kommen.“

„Wir sind nicht sehr fair“, erwiderte der Mann auf dem löwengelben Pferd. „Wir haben hier unsere Grundsätze, und daran hat sich jeder zu halten, ob er es weiß oder nicht. Unsere Fairness besteht in unserer Stärke. Das verstehst du doch, wie?“

„Doch, ich verstehe schon.“

„Also, Männer! Zeigt dem Jungen, dass wir hier strikt auf Ordnung sehen. Auf unsere Ordnung.“

Sie wollten die Pferde schon antreiben, als zwischen den Ohren des Rappwallachs die kleine Mündung des 45er Colts zu sehen war, ein rot-gelber Mündungsblitz aufflammte, und ein trocken pochender Knall vor dem Geschoss herraste.

Der Hut des Ranchers wurde von einem gewaltigen Schlag getroffen, flog nach hinten, wehte ein Stück durch die Luft und landete im Staub.

Garett saß zusammengeduckt im Sattel. Die anderen waren wie erstarrt. Die rauchende Mündung war ein wenig nach unten gezuckt, so dass Garett nun genau hineinsehen konnte.

Sie alle waren verblüfft. Und vielleicht fragte sich dieser oder jener, wieso Garett noch lebte.

 

„Verdammt!“, murmelte einer der Cowboys gepresst. „Boss, er ist sehr schnell!“

„Halt die Klappe!“, grollte der Rancher. Sein Blick war immer noch auf das kleine schwarze Loch gerichtet, als ginge von dort eine Macht aus, der er sich nicht entziehen konnte.

„Sage deinen Leuten, sie sollen sich hundert Yards zurückziehen“, sagte Matt. „Schnell! Und sage ihnen weiter, dass keiner eine falsche Bewegung machen soll. Ich werde das Kräfteverhältnis zu Trogers Gunsten verschieben, wenn es einem einfällt, eine dumme Bewegung zu machen. Ist das klar?“

Der Rancher machte eine entsprechende Kopfbewegung.

Die Cowboys wandten ihre Pferde und ritten zurück. Einer beugte sich tief aus dem Sattel und hob den Hut des Ranchers auf. Dann ritt er mit den anderen weiter. Sie hielten erst nach gut zweihundert Yard und wandten ihre Pferde.

Ric kam mit klapperndem Hufschlag aus der Stadt zurück. Er hielt neben seinem Boss an, blickte verstört auf ihn, dann auf die anderen und schließlich auf Matt, der noch immer den Colt in der Hand hielt.

„Was ist mit Les?“, fragte Garett.

„Es geht ihm nicht gut, Boss. Er redet wirres Zeug. Der Doc will in den nächsten Tagen versuchen, die Kugel herauszuholen. Aber so, wie wir ihn kennen, wird Les dabei umkommen. Du weißt ja, dass er ein ungeschickter, ewig betrunkener Kerl ist. Die Kugel herauszuholen, ist keine Arbeit für ihn.“

„Du meinst …“

„Tut mir leid um ihn. Kann ja auch sein, dass es Flanner wirklich schafft. Aber es werden viele Wochen vergehen, bis Les wieder etwas tun kann. Vielleicht Monate.“

Ric blickte zu Matt herüber.

„Du gehst mit zu den anderen“, sagte der.

Ric blickte wieder auf seinen Boss, und der nickte.

Ric ritt zu der Mannschaft im Hintergrund.

„Les Vane ist mein Vormann“, sagte Garett.

„Er hat nicht viel getaugt“, meinte Matt. „Er war wie ein Bulle. Seine Hand ist langsam. Dabei hatte ich ihm geraten, die Finger von mir zu lassen. Aber er wollte nicht hören.“

„Was willst du hier?“

„Ich suche vielleicht einen Job.“

„War Troger nicht hier, um dir einen anzubieten?“, erkundigte sich der Rancher.

„Doch. Aber sein Angebot war schlecht. Willst du mir jetzt einen Vorschlag machen?“

„Ich könnte dir Les Vanes Posten anbieten. Es ist der Beste, den es auf meiner Ranch gibt. Wenn du ihn nimmst, würde ich meinen Groll vergessen.“

Matt lächelte um die Mundwinkel. „Wie viel ist dein Wort wert?“, erkundigte er sich. „Wie sehr kann ich mich darauf verlassen, dass deine Leute nicht bei nächster Gelegenheit versuchen werden, erneut über mich herzufallen?“

Garetts Haltung straffte sich wieder. Seine Schultern hoben sich.

„Eines musst du dir abgewöhnen!“, knurrte er. „Mir zu misstrauen. Ich sage jedem, was ich meine. Wenn ich dir den Job anbiete, dann meine ich das ehrlich. Du bist schnell und clever. Ich gebe zu, ich kann dich gut gebrauchen. Du hast Vane ausgeschaltet und steigst dafür selbst bei mir ein. Das ist eine klare Sache. Du bekommst seinen Lohn.“

„Troger bot mir fünfzig an.“

„Vane hat nur vierzig.“

„Troger will morgen wiederkommen, Garett. Ich habe noch nicht endgültig abgesagt.“

„Gut, fünfzig. Warum hast du eigentlich nicht angenommen?“

„Er gefällt mir nicht, Garett. Er macht einen hinterhältigen Eindruck. Ich konnte ja wirklich nicht wissen, dass sie seine Braut ist.“

„Noch etwas, die Befehle gebe ich! Ist das klar?“

„Sicher, Garett.“

„Dann steck das Eisen weg. Wir sind uns einig.“

Matt schob den Colt ins Holster. Er hatte es sich schwieriger vorgestellt, und genau genommen hatte er überhaupt daran gezweifelt, das erreichen zu können. Aber anscheinend hatte Garett gar nicht gemerkt, dass er gelenkt worden war.

Garett hatte sich umgewandt und rief: „Er reitet mit uns. Kommt herüber!“ Matt sah, wie sie zurückkamen und einen Kreis um ihn und den Rancher bildeten. Sie sahen verblüfft aus.

„Les war ein Narr, auf ihn loszugehen“, sagte der Rancher grollend, und blickte Spears dabei strafend an. „Ist dir das auch schon aufgefallen?“

„Ja, Boss.“

„Dann ist ja alles in Ordnung. Ric! Komm her. Du reitest noch einmal in die Stadt.“

Der Cowboy lenkte sein Pferd dicht an den Rancher und blickte ihn an.

Garett brachte ein paar Geldscheine aus der Hosentasche, die er Ric hinhielt.

„Du reitest noch einmal zurück. Gib Les das Geld hier. Es sind hundert Dollar. Sage ihm, dass es mir leid tut. Wenn er wieder fit ist, soll er reiten und sich irgendwo erholen. Aber er soll nicht zurückkommen, denn ich habe seinen Posten vergeben.“

„Gut, Boss.“ Ric zog sein Pferd herum und ritt in die Stadt zurück, über die nun schnell die Dunkelheit sank.

Einer der Männer gab Garett seinen Hut. Der besah sich brummend die kleinen Löcher, setzte ihn auf und drehte sein Pferd auf der Hinterhand.

„Also, Leute, Wister ist ab sofort neuer Vormann. Reiten wir!“

Matt blickte prüfend in der Runde herum.

Keiner sagte etwas. Alle sahen ihn kurz und ruhig an, und es schien, als machten sie sich darüber keine Gedanken, als würden sie die Befehle Garetts ohne nachzudenken und ohne jeglichen Widerspruch ausführen.

Ric war die Straße hinuntergefegt und vor dem Saloon aus dem Sattel gesprungen. Als er hinter der knarrenden Schwingtür verschwunden war, und als die Mannschaft am Stadtrand abdrehte, kamen die Männer von den Gehwegen herunter.

Sheriff Riley schob seinen Hut weit in die Stirn und kratzte sich im Nacken.

„Verstehst du das?“, fragte ihn ein Mann kopfschüttelnd.

„Versteht es einer von euch nicht?“, fragte der Sheriff zurück.

Sie sahen sich untereinander mürrisch an und schwiegen.

„Seltsam ist das natürlich“, gab der Sheriff zu. „Aber jedenfalls sind wir ihn los. Es wird keinen Ärger in der Stadt geben. Das ist für uns alle das Wichtigste.“

„Es sieht mir gerade aus, als wäre das sein Ziel gewesen“, knurrte der riesenhafte Schmied. „Wenn es so ist, hat er einen komischen Weg eingeschlagen, um es zu erreichen. Irgend etwas steckt dahinter. Ich wette, mit diesem Mann erleben wir noch einiges! Wir werden uns wieder sprechen.“

Der Sheriff nickte.

„Kann sein. Ich fürchte, wir werden erleben, dass der Weidekrieg in diesem Sommer entschieden wird. Das wird zumindest für Troger kein Vorteil sein. Habt ihr das verstanden? Nein? Kümmert euch nicht darum.“

Der Sheriff wandte sich ab, stieg die Stufen zum Stepwalk hinauf und verschwand in seinem Office. Die anderen blickten noch eine Weile hinter den dunklen Punkten in der Ferne her, bis diese in der Dunkelheit wie im Nichts verschwanden. Da gingen auch sie auseinander.

13

Ric sah das Gesicht des Verletzten wie einen Nebelstreifen durch die Dunkelheit des einfachen Zimmers leuchten.

„Ric, sage mir, dass das nicht die Wahrheit sein kann!“, ächzte Les Vane. „Sage mir, dass ich träume. Oder dass ich nicht richtig gehört habe!“

Ric legte die Hand auf die Geldscheine, die er auf die weiße Bettdecke getan hatte. Es knisterte leise unter seinen Fingern.

„Hörst du es, Les?“

„Ja.“

„Dann weißt du auch, dass es kein Traum und keine Lüge ist. Vielleicht hat der Boss sogar Recht. Du wirst Ruhe brauchen. Du kannst nicht hinter Rindern reiten, Staub schlucken und die Peitsche schwingen. Du brauchst Ruhe, Les! Es ist der Lohn für zwei und einen halben Monat. Was willst du mehr?“

Les Vanes Stöhnen erfüllte den ganzen Raum. Schweiß rann über sein Gesicht.

„Brenne die Lampe an“, knurrte er. Ric stand auf, riss ein Schwefelholz über den Daumennagel und zündete den Docht der auf dem Tisch stehenden Hurrikanlampe an.

Im Lichtschein blickte Les auf das Geld auf der Decke und nickte.

„Es ist Geld“, sagte er. „Er braucht mich nicht mehr, Ric. Weißt du, was er mit dir machen wird, wenn es dir einmal so geht wie mir?“

„Ich will darüber nicht nachdenken, Les. Es hat keinen Sinn. Ein Mann muss seine Pflicht tun. Seine Pflicht, verstehst du!“

Les nickte wild.

„Ja, seine Pflicht. Und am Ende der Pflicht stehen hundert Dollar. Und ein Mann, der ein Krüppel ist. Das hätte ich nicht gedacht.“

„Ich muss jetzt gehen, Les.“

„Ja, du musst gehen. Lebe wohl, Ric. Vielleicht hast du doch einmal Zeit, darüber nachzudenken.“

Ric gab keine Antwort. Er ging hinaus, zog die Tür hinter sich zu, und seine Schritte verhallten auf der Treppe.

Les Vane legte den Kopf auf das Kissen zurück. Er starrte aus fiebrigen Augen zur Decke über sich und murmelte dumpf vor sich hin.

Plötzlich sagte er klar und deutlich: „Das, Garett, wirst du bereuen! Aber es wird zu spät sein, als dass es dir noch etwas nützen würde. Das verspreche ich dir!“

Erschöpft hielt er inne. Sein rasselnder Atem erfüllte wieder den Raum.

Auf der Straße war das Schnauben eines Pferdes zu hören. Dann klang Hufschlag auf, der sich rasch entfernte. Staub wehte zum offenen Fenster herein.

14

Unter den Strahlen der Morgensonne glitzerte das taufeuchte junge Gras. Matt Wister kam aus dem Bunkhaus, zog am Brunnen das Hemd aus und zog den Eimer mit eiskaltem Wasser herauf. Als er sich gewaschen hatte, stand der Rancher oben auf der Veranda vor dem Haupthaus. Es war ein großes, stabiles Haus aus Holz, mit vielen Nebengebäuden.

Matt trocknete sich mit seinem Flanellhemd ab, während er Garett abwartend anblickte.

„Du reitest mit sieben Mann zu unserer nördlichen Weide“, sagte der Rancher. „Wir haben im Schuppen Draht liegen. Troger versucht immer wieder, Rinder auf unser Land zu treiben. Er macht das nur, um mich zu provozieren. Deshalb bauen wir einen Zaun.“

„Und wenn er ihn niederreiten lässt?“, erkundigte sich Matt.

Der Rancher lächelte dünn.

„Darauf warte ich ja“, meinte er. „Wenn sie ihn abreißen, brennen wir seine Ranch an. Der Zaun hat also nur symbolischen Charakter. Er soll nichts abgrenzen. Er soll nur dastehen, damit Troger sich darüber ärgert, ist dir das klar?“

„Ja.“

„Dann ist alles in Ordnung.“ Der Rancher wandte sich ab. Er ging ins Haus zurück. Unter der Tür blieb er noch einmal stehen und schaute über die Schulter.

„Hal Spears brauche ich hier“, sagte er. „Er bleibt auf der Ranch.“

„Okay.“

Garett ging ins Haus.

Eine halbe Stunde später hatten die Männer ihren Kaffee getrunken und ritten über die Prärie nach Norden.

Drei Mann standen im Hof und blickten ihnen nach. Es waren Hal, Ric und Ace. Aus einem Fenster des Haupthauses schaute der Rancher seiner Mannschaft nach.

Als sich die Staubwolke langsam senkte, kam der Rancher aus dem Haus. Er lächelte, als er die Stufen herunterstieg.

Hal zeigte ein grimmiges Gesicht.

„Ich frage mich, wieso ausgerechnet er Vormann geworden ist“, knurrte er.

„Er ist Rindermann, Hal.“

„So, und was sind wir?“

„Ihr seid auch Rinderleute, Hal. Aber nicht solche wie er. Außerdem geht es um etwas anderes. Er ist ein Mann von harter, aber selbstgerechter Art. Er ist nicht bereit, alles und jedes mitzumachen. Wir müssen ihn langsam dazu bringen. Nach und nach, verstehst du?“

„Nein.“

„Ich will es euch erklären: Er ist ein Mann, der immer einen geraden Weg gegangen ist. Man merkt das an seiner Art, an seinem Auftreten, und man hört es aus jeder seiner Reden heraus. So einen Mann krempelt man nicht so einfach um. So einen Mann schickt man nicht einfach los, um etwas zu tun, was er für ein Verbrechen hält.“

„Wie willst du ihn dann so auf unsere Seite ziehen, dass er zu etwas nütze ist?“

„Das will ich doch gerade erklären, Hal. Du musst nicht immer dazwischenreden. Also: Er muss vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Er sitzt in seinem Sattel. Wenn er wiederkommt, muss er sehen, dass alles anders ist, als er es sich dachte. Dann muss Maude Freese, die wir gestern schnappen wollten, hier sein. Er hängt dann, wie jeder andere in der Sache, weil der Sheriff weiß, dass er nun zu uns gehört. Hast du es jetzt verstanden?“

„So ungefähr. Du meinst, er wird, wenn er das Mädchen hier sieht, einsehen, dass es für ihn zu spät ist, auszusteigen.“

 

„Ja. Er wird einfach mitmachen müssen. Ihr wisst also, was ihr zu tun habt. Es soll möglichst gar nicht auffallen.“

„Aber Troger weiß doch, dass wir so etwas vorhaben. Vielleicht behält er Maude Freese auf seiner Ranch.“

„Kann er nicht. Sie muss heute den Store wieder eröffnen. Ihr nehmt einen Wagen und holt Draht. Eine Ranch braucht immer Draht. Einer wartet mit zwei Pferden hinter der Stadt. Ihr werdet ja sehen, ob Troger ein paar seiner Leute bei ihr gelassen hat. Es ist eure Sache, wie ihr mit ihnen fertig werdet.“

Zehn Minuten später verließen sie die Ranch. Ace lenkte den flachen Ranchwagen, während Hal und Ric auf ihren Pferden saßen.

Garett blickte ihnen mit einem zufriedenen Grinsen nach.