Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck

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- Gent -

der Hauptstadt der belgischen Provinz OSTFLANDERN, uns schon durch frühere Besuche bekannt, aber immer wieder sehenswert, ganz besonders der historische, auf einer Halbinsel gelegene Stadtteil mit seinen großartigen Bauwerken aus dem 14. bis 16. Jahrhundert und der gewaltigen bischöflichen St. Bavo Kathedrale, ins Auge fallend der mächtige quadratische Turm in Brabanter Spätgotik. Auch der Hafen lohnt einen Besuch, wunderschöne Fotomotive an dem malerischsten aller Quais, dem so genannten Graslei, die prachtvollen Zunft- und Gildehäuser, die ältesten aus der Romanik stammend, sehr viele später mit stolzen Renaissance-Treppengiebeln verziert.

Die gleiche Prachtentfaltung in der nur 45 Kilometer entfernten Hauptstadt

- Brüssel -

besonders am immer sehr lebhaften und von vielen Touristen besuchten Marktplatz, dem Groten Markt, seit 1998 in die Liste der Weltkulturerbestätten aufgenommen. Das sehr schöne gotische Rathaus stammt aus dem 15. Jahrhundert, den Turm krönt eine Statue des heiligen Michael, des Schutzpatrons der Stadt; es blieb als einziges Gebäude nach einem Angriff durch französische Artillerie im Jahre 1695 erhalten. Die sehenswerten Zunfthäuser, die in dichter Folge den übrigen Platz umgeben, wurden um 1700 wieder aufgebaut, von ihren hohen, mit den verschiedenartigsten barocken Schmuckformen ausgestalteten Giebelfronten ist jede einzelne ein Hingucker. Vom Westabhang der Oberstadt grüßt die mächtige zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert entstandene gotische Kathedrale St. Michel. Ein krasser Gegensatz dazu, aber ebenfalls sehr interessant, das moderne, im Jahre 1958 anlässlich der Weltausstellung errichtete 102 m hohe Atomium, ein architektonisches Symbol des Atomzeitalters, die 165milliardenfache Vergrößerung eines Eisenkristallmoleküls darstellend.

Wegen der ausgedehnten Stadtbesichtigungen mussten wir in Belgien noch eine Übernachtung einlegen, dieses Mal in Gesellschaft von vier anderen Wohnmobilen auf einem herrlichen naturbelassenen Platz am Ufer eines romantischen Flüsschens, der Sur, bevor wir am nächsten Vormittag in wieder herrlichem Sonnenschein die landschaftlich sehr schönen Ardennen auf äußerst hügeliger Route überquerten; mal langsam ansteigend durch Moor-, Heide- und dichte Waldgebiete, dann hinunter in malerische enge Flusstäler, die Nordspitze LUXEMBURGS streifend, bis wir kurz hinter dem kleinen Städtchen Vianden wieder nach

- DEUTSCHLAND -

zurückkehrten.

Da uns noch fast drei Tage bis zum Ende des Urlaubs blieben, nutzten wir die Zeit für einen Abstecher an unsere heiß geliebte Mosel, der wir mindestens zweimal im Jahr einen Besuch abstatteten. Ganz besonders schön ist es zur Weinlese im Herbst, wenn überall an den Hängen die reifen Trauben geerntet werden, das Laub sich leuchtend gelb oder rot verfärbt und man moselauf und -ab fröhliche Weinfeste feiert. In einem späteren Kapitel werde ich auf diese einmalige Landschaft etwas genauer eingehen. Jetzt zog es uns auf dem schnellsten Wege nach Koblenz, reizvoll an der Mündung der Mosel in den Rhein gelegen, da dort am nächsten Tag, also Samstag, d.10.08.85, eine der jährlich im Sommer stattfindenden Attraktionen, Rhein in Flammen, steigen sollte, die natürlich schon eine Unmenge von Wohnmobilen aus nah und fern angelockt hatte. Da der von uns sonst bevorzugte Parkplatz am Moselufer hinter dem Deutschen Eck mit seinem mächtigen Kaiser-Wilhelm-Denkmal wegen des zu erwartenden Andrangs der Zuschauer für Autos gesperrt war, versuchten wir es auf Anraten des Fremdenverkehrsvereins ausnahmsweise auf dem auf der anderen Seite zwischen beiden Flüssen liegenden Campingplatz, der sich aber leider als restlos voll erwies. weil die Nachfrage jedoch sehr groß war, entschloss man sich zu unserer Freude, zusätzlich eine große, etwas erhöhte Wiese nebenan zu öffnen, auf der wir sogar einen Platz in der ersten Reihe ergatterten. Den Rest des Nachmittags verbrachten wir damit, von unseren Liegen aus den herrlichen Blick auf den belebten Rhein und die sich gegenüber auf hohem schroffen Fels majestätisch erhebende Festung Ehrenbreitstein zu genießen, bis ein kräftiges Gewitter uns ins gemütliche Innere flüchten ließ.

Der Samstagmorgen zeigte sich zunächst bedeckt, gegen Mittag strahlte die Sonne jedoch wieder von wolkenlosem blauen Himmel, genau richtig für die dann beginnenden Vorführungen auf Rhein und Mosel. Pioniere in Schlauchbooten und Fallschirmspringer zeigten ihre Geschicklichkeit, Boote der Feuerwehr sprühten hohe silbrige Fontänen, während wunderschön anzusehende bunte Heißluftballons in großer Zahl über uns hinwegschwebten. Nach Einbruch der Dunkelheit begann dann das eigentliche Spektakel, die Lichter auf den Brücken und an den Ufern erloschen, die Zuschauer standen dicht gedrängt, als hinter der nächsten Kurve rheinaufwärts in langsamer Fahrt ein prächtig rot illuminiertes Schiff nach dem anderen auftauchte - die Fahrrinne war schon eine Weile vorher für den Berufsverkehr in beiden Richtungen gesperrt worden - bis schließlich ein Gewimmel von siebzig leicht schwankenden Booten den Rhein in ein flammendrotes Meer verwandelte. Überall an den Ufern bengalische Feuer, vom steil aufragenden Festungsfelsen wie ein rot leuchtender Wasserfall herabschwebend. Dann um kurz vor Mitternacht als Krönung von der Burg aus ein halbstündiges überwältigendes Höhenfeuerwerk; für uns zwei Romantiker das i-Tüpfelchen auf unserer gelungenen Urlaubsreise über 6.066 Kilometer!

An Frankreichs Küsten von Nord nach West und längs der Ufer der Loire

Im Sommer 1986 war FRANKREICH unser Ziel, bisher nur als Durchfahrtsland bekannt - ausgenommen die romantische, teilweise mondäne Mittelmeerküste - als es uns in früheren Jahren mit unseren beiden noch kleinen Töchtern an die sonnigen Buchten Spaniens zog. Unser Hauptinteresse galt den Küstenregionen der NORMANDIE, der BRETAGNE und der CÔTE D´ARGENT. Strahlender Sonnenschein begleitete uns wieder, als wir am Nachmittag des 13. August, also mitten in der Woche, in bester Urlaubsstimmung aufbrachen. Schnell waren wir an der

- BELGISCHEN GRENZE -;

von der geschäftigen Industriestadt Lüttich aus folgten wir dem Südufer der Maas, nur minder schöne Industrielandschaft auf beiden Seiten, bis uns am Abend der erste Stehplatz für die Nacht, direkt am Fluss etwas erhöht gelegen mit herrlichem Ausblick auf ein idyllisches Örtchen am anderen Ufer und die dahinter aufsteigenden bewaldeten Hügel entschädigte.

Weiter ging`s bei anhaltendem Sommerwetter und angenehmen 25°C noch eine Weile an der inzwischen landschaftlich schöneren Maas entlang, die wir in Namur wieder verließen, schon von weitem grüßte die hoch über der Stadt thronende mächtige Zitadelle. Noch etwa 110 km trennten uns von der

- FRANZÖSISCHEN GRENZE -.

Nach kurzem Überprüfen der Pässe von freundlichen Zöllnern durchgewinkt, setzten wir unsere Fahrt auf verkehrsarmer Nebenstrecke fort, des Öfteren mitten durch kleine, mehr oder minder gepflegte Ortschaften, bis wir einem Hinweis auf einen Soldatenfriedhof folgten, monumental direkt an der Somme gelegen, Tausende von schlichten Kreuzen dicht an dicht ließen uns erschauern. Ein Juwel erwartete uns in der nahen Stadt Amiens, die gewaltige Kathedrale Notre-Dame aus dem 13. Jahrhundert, ein Meisterwerk der Gotik und zugleich die größte Kirche Frankreichs, seit 1981 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehörend; am schönsten die Westfassade mit ihren drei mächtigen Portalen und reichem Figurenschmuck unterhalb des großen mit Rosetten kunstvoll gestalteten runden Fensters. Dank nahem Parkplatz konnten wir dieses Kleinod auch von innen besichtigen, sehr eindrucksvoll das 42 m hohe Kirchenschiff und das Chorgestühl aus dem 16. Jahrhundert.

Nach diesem Kunstgenuss zog es uns auf direktem Weg an die noch etwa 80 km entfernte Kanalküste, die wir am frühen Abend mit der kleinen Hafenstadt

- Le Tréport -

erreichten. Ein Stehplatz für die Nacht war auch schnell gefunden, in Nachbarschaft von drei anderen Wohnmobilen direkt auf der breiten Mole mit Blick auf die Hafenausfahrt und die sich gegenüber steil erhebenden schroffen Kalkfelsen, auf deren graugrüner Kuppe einige kleine Häuschen thronten. In einem nahen gemütlichen Fischrestaurant hatten wir zum ersten Mal die Möglichkeit, die so viel gepriesene französische Küche zu testen; bis auf die frischen Austern auf dem Vorspeisenteller, die bei mir während des Schlürfens trotz des Spritzers frischer Zitrone einen leichten Brechreiz verursachten, war alles exquisit, die zart gegrillte Goldbrasse, umlegt mit bunter Gemüseauswahl inklusive neuer Kartoffeln und zum leckeren Abschluss der exotische Obstsalat. Nach zwei Stunden und dem Genuss von anderthalb Litern trockenem Rosé kehrten wir recht beschwingt zu unserem Mobi zurück.

Nicht zu fassen, dreißig weitere mehr oder minder große Exemplare waren in der Zwischenzeit eingetroffen und standen in Reih und Glied, das hatten wir noch nie erlebt, jedenfalls würden wir mit „Flankenschutz“ zu beiden Seiten schlafen wie in Abrahams Schoß. Zunächst war daran aber gar nicht zu denken, in völliger Dunkelheit, die Straßenlaternen waren erloschen, näherte sich uns ein endloser Zug schwankender kunterbunter Lampions, erhellt von flackernden Kerzen, vorweg gab eine zehnköpfige Kapelle ihr Bestes, den Gesang der ihnen folgenden Kinder nebst Angehörigen mühelos übertönend. Als Krönung dann vom Kalkfelsen herab ein gewaltiges Höhenfeuerwerk, Begeisterung auf allen Seiten.

 

Auf sehr schöner Strecke immer entlang der Kanalküste ging es am nächsten Tag weiter, die anfänglich dicken Wolken machten schnell wieder strahlender Sonne Platz. Kleine und größere Badeorte wechselten sich ab, alle wegen der Ferien in Frankreich sehr belebt; die übliche nachmittägliche Teepause fand vor der imposanten Kulisse der weißen Kreidefelsen von Etretat statt, die sich am Ende einer lang gestreckten feinsandigen Bucht sehr eindrucksvoll, zum Teil über 90 m hoch erheben, einige bilden natürliche Brücken, andere stehen aufrecht wie Pfeiler im Meer.

Nur etwa 30 km weiter Frankreichs wichtigster Atlantikhafen Le Havre am Nordufer der hier 9 km breiten Seinemündung. Ausgedehnte Industrieanlagen und Erdölraffinerien bestimmen das Bild, keine schöne Stehmöglichkeit am Wasser; die fanden wir erst, nachdem wir auf einer modernen Hängebrücke hinüber auf das andere Ufer gewechselt hatten, in dem hübschen Fischerstädtchen

- Honfleur -

mit seinen schönen alten Häusern, zum Teil noch aus der Zeit der Normannen bzw. Wikinger, die im 8. bis 11. Jahrhundert als Seeräuber, Kaufleute und Staatengründer die Küsten Europas heimsuchten.

Den tollen Platz direkt gegenüber der Hafeneinfahrt teilten wir uns mit 19 weiteren Wohnmobilen verschiedener Nationen. Wir taten es unseren freundlich herüberwinkenden Nachbarn gleich und genossen auf unseren flugs hervorgeholten bequemen Klappstühlen die noch immer wärmenden Strahlen der Abendsonne, das rege Leben und Treiben auf der Promenade und das bunte Gewimmel der behäbigen Fischerboote und schnittigen Yachten beobachtend, die sich immer wieder abwartend vor der sich in regelmäßigen Abständen für den laufenden Straßenverkehr senkenden Hubbrücke versammelten. Abendessen gab es erst zu vorgerückter Stunde aus noch reichlich vorhandenen leckeren Vorräten an Bord.

Am Samstag, die Sonne lachte wieder vom blauen wolkenlosen Himmel, setzten wir unsere herrliche Küstenfahrt fort, zunächst durch das elegante Seebad Deauville mit Casinos, Pferderennbahn und seinem idyllischen Fischerhafen Trouville, dann weiter von einem malerischen Badeort zum anderen an der hier beginnenden, ihrem Namen alle Ehre machenden Côte Fleurie, eine Augenweide die gepflegten Parks; aus saftig grünen Rasenflächen erheben sich zum Teil riesige runde, hügelig angelegte Beete, kunstvoll bepflanzt mit buntestem Blumenschmuck, an den Seiten dekorative Fächerpalmen.

An der Nordküste der sich anschließenden Halbinsel Cotentin schlugen wir unser nächstes „Nachtlager“ auf, und zwar in

- Cherbourg -

einem bedeutenden Kriegshafen; das mächtige Fort du Roule, eines der stärksten Bollwerke des Atlantikwalls, erinnert noch an den Zweiten Weltkrieg, als unter deutscher Heeresleitung die nordfranzösische Küste durch gewaltige Bunkeranlagen befestigt wurde, die jedoch die größte und erfolgreichste Landungsoperation der Kriegsgeschichte am 6. Juni 1944 durch die Alliierten nicht aufhalten konnten.

Wir wählten für unsere Übernachtung allerdings einen friedlicheren Platz, direkt am sandigen Ufer gegenüber dem dicht besetzten Yachthafen, nur zwei andere Mobis leisteten uns Gesellschaft. Vorher hatten wir in einem zu Recht voll besetzten Fischrestaurant am Hafen wieder mit Erfolg die französische Küche getestet. Die vom Koch empfohlene Spezialität, Seezunge nach normannischer Art, mit Muscheln, Austern, Krabben, Champignons und einer köstlichen Rahmsoße zubereitet, war eine reine Gaumenfreude, nur eine einsame Auster blieb auf der Platte zurück. Der dazu genossene rassige Muscadet aus der Loire-Region sorgte wieder für noch gehobenere Stimmung.

Genauso frohgemut ging es am sonnigen Sonntagmorgen weiter entlang der Westküste der NORMANDIE; etwas einsamer, nicht so viele Badeorte, mehr Landwirtschaft und Viehzucht. Eine riesige Kuhherde, die auf der Straße entlanggetrieben wurde und die wir in Zeitlupengeschwindigkeit überholten, bescherte uns eine einstündige Säuberungsaktion, als wir beim Tanken im kleinen Ort Granville voller Entsetzen feststellen mussten, dass die gesamte linke Seite bis über die Fenster hinaus mit Kuhschiete bespritzt war. Nach der Anstrengung stärkten wir uns ausnahmsweise einmal mit leckeren Sandwiches in einem kleinen Strandcafé. Nach etwa 40 Kilometern und der Umrundung einer Bucht kam in der Ferne noch ganz klein die größte Sehenswürdigkeit der Normandie, der Mont Saint Michel in Sicht, eine steile, fast 80 m hohe Granitinsel, kaum 900 m im Durchmesser, der wir uns auf einem 2 Kilometer langen Damm, eine flache, fast gänzlich im Trockenen liegende, von Prielen durchzogene Bucht durchquerend, näherten, bis wir auf einem in einiger Entfernung liegenden übervollen Parkplatz landeten, ein Touristenrummel sondergleichen.

Da es von dort aus nur zu Fuß weiterging, ließen wir das Ganze eben von außen auf uns wirken, durch das Fernglas wurden auch Einzelheiten sehr gut sichtbar. Hoch oben auf schroffer Felsspitze thront trutzig eine Benediktinerabtei aus dem 11. bis 13. Jahrhundert mit angrenzender romanisch-gotischer Kirche, deren spitzer Turm hoch hinauf in den blauen Himmel ragt. Ihr zu Füßen gruppiert sich ein bescheidenes Dörfchen, von gigantischen normannischen Festungswällen gegen die Fluten geschützt, immerhin gibt es mit 15 m dort den größten Gezeitenunterschied an Europas Küsten; ein paar dunkelgrüne Baumwipfel unterbrechen das triste Grau. Insel und Bucht wurden 1979 von der UNESCO zur Weltnaturerbestätte erklärt. Nachdem wir das Ganze gebührend bewundert und natürlich auch im Bild festgehalten hatten, kehrten wir auf demselben Weg auf das Festland zurück, um nach weiteren etwa 45 Kilometern an der zerklüfteten Küste entlang wieder über einen künstlichen Damm in der alten Insel- und Hafenstadt

- Saint Malo -

an der Nordküste der BRETAGNE, einer großen Halbinsel im Atlantik, der nordwestlichsten Landschaft Frankreichs, zu landen; von Küste zu Küste sind es überwiegend 100, maximal 150 Kilometer. Ein idealer Parkplatz mit tollem Blick auf die nahe Ville Close, den alten, von mächtigen mittelalterlichen Festungswällen umgebenen Stadtteil, und den schäumenden Atlantik veranlasste uns zu dem spontanen Entschluss, die nächste Nacht dort zu verbringen.

Im Laufe der Zeit hatten noch zehn andere Mobis die gleiche Idee. Hinter einem nahen wuchtigen Stadttor „erstürmten“ wir mit kräftiger Unterstützung meinerseits auf einer Treppe die Krone der Stadtmauer und genossen von oben den weiten Blick auf das Meer und von gegenüber in die engen holperigen Gassen der Altstadt, die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, aber danach, so originalgetreu wie möglich, im Stil des 18. Jahrhunderts wieder aufgebaut wurde. Vierzehn Jahre später, im Frühjahr 2000, konnten wir uns anlässlich einer Kreuzfahrt auf der MS Astor nach wegen der hohen Wellen dramatischer Ausschiffung höchstpersönlich davon überzeugen, als wir uns mit Hilfe des Rollstuhls kreuz und quer durch die kopfsteingepflasterten Gassen arbeiteten, die kunstvoll gestalteten Fassaden der Häuser und die hübsche Kirche im Zentrum bewundernd, nicht zu vergessen das wuchtige viertürmige Schloss aus dem 14. und 15. Jahrhundert, das als eines der wenigen alten Gebäude den Krieg heil überstanden hat.

Doch jetzt schafften wir es gerade bis zu einem nicht weit entfernten urigen Restaurant, in dessen gemütlicher Atmosphäre - an den Wänden Schiffsutensilien jeglicher Art, auf den rot-weiß kariert eingedeckten Tischen in flachen tönernen Krügen flackernde Kerzen - wir uns jeweils an einer großen Terrine „Cotriade“, der Fischsuppe der Bretagne, mit gerösteten Baguettes delektierten. Zurück an Bord bescherte uns zu fortgeschrittener Stunde das gleichmäßige Rauschen des Meeres einen tiefen traumlosen Schlaf.

Petrus blieb uns weiterhin wohlgesinnt, so dass wir bei schönstem Wetter unsere Küstentour fortsetzen konnten; grandios zerklüftet zeigt sie sich, zum Teil bizarre Felslandschaften bildend, klippenreich mit zahllosen feinsandigen Buchten und vorgelagerten Inseln. Die wenigen Badeorte sind heillos überlaufen. Bei Flut rollt jedoch häufig vom Atlantik eine gewaltige Brandung heran, so dass das Baden nicht immer ganz ungefährlich ist. Hinter dem kleinen Städtchen Tréguier mit seiner imposanten romanisch-gotischen Kathedrale, auffallend die drei in Bauweise und Höhe völlig verschiedenen Türme, verließen wir die Küste. Von der leicht hügeligen Straße ging der Blick unendlich weit über wellenförmig angelegte wogende Felder, Wiesen und Äcker, jeweils begrenzt durch niedrige dunkelgrüne Hecken, ein interessantes Schachbrettmuster bildend. Die darüber schwebenden weißen Wolkengebilde verdichteten sich immer mehr, bis sie sich in einem gewaltigen Regenguss entluden. Als wir jedoch in Brest ankamen, hatte die Sonne wieder die Oberhand gewonnen.

Frankreichs größter Kriegs- und Handelshafen liegt am Nordufer einer weit ins Landesinnere reichenden zerklüfteten Bucht an der Westküste der Bretagne. Kreuz und quer durch die verstopften Straßen arbeiteten wir uns zum alten Château empor, erbaut im 15. und 16. Jahrhundert war es ein dankbares Fotomotiv, ebenso der weite Blick auf die 64 m hohe Zugbrücke von Recouvrence und die Hafenausfahrt mit all dem Hin und Her von Kriegsschiffen, Frachtern und Schleppern. Das ganze Ufer war leider fest in militärischer Hand, nirgends ein Stehplatz für die Nacht, also weiter um die Bucht herum, bis wir direkt am hübschen Yachthafen von

- Saint Marc -

fündig wurden, auch hier wieder in guter Nachbarschaft mit fünf anderen Mobis. Da es durch die lange Suche schon recht spät geworden war, ließen wir uns an Bord zu einem gemütlichen Abendessen aus heimischen Beständen nieder.

Auf landschaftlich sehr schöner Nebenstrecke durch die reizvollen hügeligen Ausläufer der Monts d’Arrée, deren höchste Erhebung gerade 384 Meter misst, also nicht gerade alpinen Charakter besitzt, trafen wir am nächsten, wieder herrlichen Sommertag auf die sehenswerte Stadt Quimper an der Nordspitze einer langen schmalen Bucht. Sie ist das besonders gut erhaltene Beispiel einer alten bretonischen Stadt mit ihren Kaianlagen, den mächtigen Befestigungsmauern, den mit Schiefer gedeckten Häusern in den mittelalterlichen engen Gassen, durch die wir uns natürlich wieder unbedingt mit dem Mobi hindurchzwängen mussten. Ein besonderer Blickfang der Stadt ist die imposante gotische Kathedrale mit ihren beiden Spitztürmen, die allerdings erst im 19. Jahrhundert aufgesetzt wurden. Dank nahem Parkplatz hatten wir die Möglichkeit, das mit 95 Metern ungewöhnlich lange Kirchenschiff mit seinen prachtvollen bunten Glasfenstern aus dem 15. Jahrhundert auch von innen zu besichtigen.

Die nächste mittelalterliche Sehenswürdigkeit erwartete uns im etwa 20 Kilometer entfernten Concarneau; mitten im Fischerhafen, es ist einer der größten in Frankreich, liegt eine Insel, durch Brücken mit dem Festland verbunden, auf der sich malerisch die alte Stadtburg erhebt; die so genannte Ville close ist ganz und gar noch von den schweren Granitmauern aus dem 14. Jahrhundert umzogen. Das nur wenige Kilometer entfernt auf unserem Weg liegende idyllische Städtchen Pont-Avon, inzwischen waren wir an der durch viele Buchten stark gegliederten Südküste der BRETAGNE angekommen, lebt von dem Ruhm, den Gauguin ihm bescherte. Der Maler ließ sich im 19. Jahrhundert dort nieder und gründete die Pont-Avon-Schule, der bekannte Künstler angehörten. Viele kleine Galerien zeigen u. a. die interessanten Werke dieser Gruppe. Auf einem bunten Wochenmarkt deckten wir uns reichlich mit frischem Obst ein und nutzten einen Parkplatz direkt am romantischen Fischerhafen zu unserer obligaten gemütlichen Teepause, bei der ein leckeres Stückchen Kuchen nicht fehlen durfte, genügend Bäckereien lockten mit appetitlichen Auslagen.

 

Zeugen aus einer Zeit von vor fünftausend Jahren fanden wir etwa 70 Kilometer weiter in der Nähe des hübschen Badeortes Carnac. Dort wimmelt es in vorwiegend typischer Heidelandschaft zwischen Ginster, Farn- und Heidekraut, zuweilen auch in lichten Kiefernwäldern von gewaltigen Hünengräbern, ungeheuren Menhiren (bis zu 20 m hohe aufrecht stehende vorgeschichtliche Steine) und riesigen Blöcken kultischer Bedeutung, die kilometerlang in vielen Reihen nebeneinander gesetzt wurden, etwa 3.000 Monolithe, einige davon mit primitiven Ritzzeichnungen, sehr beeindruckend. Jetzt war es nicht mehr weit bis