Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck

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Die Sonne strahlte nach wie vor vom von nur wenigen schneeweißen Wattewölkchen bedeckten tiefblauen Himmel, flotte Rhythmen aus den Lautsprechern begleiteten weiterhin unsere Fahrt durch die wunderschöne Landschaft, Genuss pur! Nach nur wenigen Kilometern wechselten wir hinüber zum malerischen kleinen Ort Niederfell und folgten dann dem ebenso schönen rechten Ufer, da wir uns traditionsgemäß noch an dieser Strecke bei einem Obstbauern mit frischen Früchten eindecken wollten. Hinter der nächsten Schleife unterquerten wir bei Winningen die Autobahnbrücke der A 61, sehr beeindruckend, wie sie auf mächtigen Pfeilern ruhend, in 137 m Höhe das Moseltal überspannt. Jetzt waren wir nicht mehr weit von unserem Tagesziel entfernt, der reizvoll an der Mündung der Mosel in den Rhein gelegenen Stadt

- Koblenz -

stets Ausgangs- oder Endpunkt unserer Moselfahrten. Dieser sehenswerte Ort, den wir inzwischen mit Hilfe unseres Rollis auch ausgiebigst erwandert haben, blickt auf eine zweitausendjährige Geschichte zurück. Ursprünglich aus einem Römerlager hervorgehend, wurde sie später fränkische Königspfalz, 1018 Stützpunkt der Erzbischöfe von Trier und 1815 preußische Residenzstadt. Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Stadt erhebliche Zerstörungen, der Altstadtkern wurde jedoch später weitgehend in historischer Form wieder aufgebaut. Unzählige Bauwerke geben Zeugnis über die lange, wechselvolle Geschichte, um hier nur die bedeutendsten zu nennen: die Basilika St. Kastor, der schönste romanische Sakralbau der Stadt mit Resten einer karolingischen Kirche, nur ein paar Schritte von unserem gewohnten Stehplatz entfernt, St. Laurentius, die Stiftskirche St. Florin und die sich an der höchsten Stelle der Altstadt erhebende Liebfrauenkirche, alle romanisch und durch jüngere Bauelemente ergänzt; nicht zu vergessen das imposante Kurfürstliche Schloss; es wurde Ende des 18. Jh. als Residenz des letzten Erzbischofs und Kurfürsten von Trier erbaut, auch der preußische Kronprinz und spätere Kaiser Wilhelm I. hat einige Zeit dort gelebt, es gehört zu den bedeutendsten Schlossbauten des Frühklassizismus, und viele andere mehr.

Ein markanter Punkt in Koblenz ist das Deutsche Eck, genau dort, wo die Mosel in den Rhein mündet; und genau dorthin zog es uns ohne Umwege an unseren Stammplatz, eine schmale Parkfläche kurz vor der Mündung, vom Moselufer nur durch eine Promenade getrennt. Da diese Perle aber bei Wohnmobilisten, auch aus dem Ausland, bekannt und sehr beliebt ist, wird’s meistens sehr eng. Und so war es auch dieses Mal wieder, die beiden möglichen Reihen waren fast geschlossen, aber, oh Wunder, vorne ganz rechts außen, direkt neben einem kleinen Park, entdeckten wir noch ein freies Stück, langsam rückwärts hineinmanövriert, und wir konnten von unserer Hecksitzgruppe aus einen herrlichen Rundumblick genießen, moselaufwärts bis zur schönen alten steinernen Balduinbrücke, Mitte des 14. Jh. auf Anweisung von Erzbischof Balduin errichtet, mit ihren gewaltigen steinernen Bögen, die die Altstadt mit dem Stadtteil Lützel verbindet, auf die Moselmündung und den sehr belebten Rhein bis hinüber nach Ehrenbreitstein, ein Stadtteil von Koblenz am rechten Ufer, und die dort in 118 m Höhe oberhalb einer schroffen Felswand thronende gewaltige Festungsanlage gleichen Namens. Seit dem 11. Jh. gab es dort oben bereits eine Burg, die 1020 in den Besitz der Erzbischöfe von Trier überging, 1160 wurde sie erweitert und nach wechselnden adeligen Eigentümern Anfang des 16. Jh. durch Kurfürst Richard von Greiffenklau zu einer Festung ausgebaut. Dieses Bollwerk hielt selbst dem Ansturm der französischen Truppen stand und musste erst 1799 nach einjähriger Belagerung wegen Hungers kapitulieren, danach wurde es von den Franzosen gesprengt, von den Preußen zwischen 1817 und 1828 wieder aufgebaut und zu einer der mächtigsten Wehranlagen Europas entwickelt, zu Stein gewordene Macht am Rhein.

Nachdem wir endlich den Rollstuhl erworben hatten „erstürmten“ auch wir diese weitläufige sehr interessante Anlage mitsamt dem zusammengeklappten Rolli per Sessellift und genossen u. a. den sich von oben bietenden traumhaften weiten Blick.

Doch jetzt zurück zu unserem Rundumblick vom Mobi aus. Auf der Moselpromenade reges Leben; etwas weiter aufwärts machte ein holländisches Flusskreuzfahrtschiff fest, und die Passagiere mischten sich unter die flanierenden Spaziergänger. Das gegenüberliegende Ufer mit einem Campingplatz in idealer Lage wird verbunden durch eine kleine Personenfähre, die sich ständig zwischen den bergauf und -ab fahrenden Berufs- und schneeweißen Ausflugsschiffen hindurchmogelt.

Nur der kleine Park trennte uns von dem berühmten Denkmal direkt am Deutschen Eck, ein ursprünglich 1897 auf wuchtigem 23 m hohen vielstufigen, von Kolonnaden umgebenen Sockel errichtetes monumentales 14 m großes Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I., das kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs durch eine amerikanische Artilleriegranate schwer beschädigt, daraufhin abgebaut und eingeschmolzen wurde; den verbliebenen Sockel hat man 1953 zum Mahnmal der Deutschen Einheit umfunktioniert, die Stelle des zerstörten Standbildes nahm ein Flaggenstock mit der Bundesflagge ein. Das war genau der Zustand, den wir bis zu unserem Besuch im September 1990 vorfanden. Drei Jahre später wurde nach kontroversen Diskussionen das Reiterstandbild auf Grund einer Schenkung durch ein Koblenzer Verlegerehepaar in Bronze rekonstruiert und im September 93 feierlich eingeweiht, das natürlich bei unserem ersten Besuch mit Rolli im Gepäck zu unserem Besichtigungsprogramm gehörte.

Nach kurzem Ausflug in die Geschichte wieder zurück an Bord. Das Speisen im Restaurant musste an jenem Abend natürlich ausfallen, da wir den gerade noch ergatterten Superplatz auf keinen Fall aufgeben konnten, die Lokale waren für uns zu weit entfernt, um sie zu Fuß erreichen zu können, später mit dem „Rolli“ stellte das kein Problem mehr dar. Wir hatten jedoch vorgesorgt und uns unterwegs mit Leckerem für ein Abendessen an Bord eingedeckt, zusammen mit einigen Gläschen Moselriesling aus unserem Vorrat wurde es auch ein Genuss, und dazu noch diese Aussicht! Wir kosteten sie aus bis in die späten Abendstunden, als die Lastkähne nur noch durch ihre verhältnismäßig kleinen Positionslaternen zu erkennen waren und die Ausflugsschiffe mit ihrer bunten Illumination schemenhaft über das Wasser glitten; die Festung war durch Scheinwerfer in gespenstisches Licht getaucht, dazu ein fast voller Mond und ein funkelnder Sternenhimmel, also auch am letzten Abend Romantik pur.

Der Sonntagmorgen machte uns den Abschied leicht. Dicke Wolken hatten sich zusammengezogen, und es fing etwas an zu regnen. Da wir nicht zu spät zu Hause ankommen wollten, wählten wir nicht die sonst übliche Strecke, die eine ganze Weile sehr schön am rechten Rheinufer entlangführt, sondern entschieden uns für das schnellere linksrheinische Autobahnnetz. Am frühen Nachmittag parkten wir unser Mobi wieder an seinem angestammten Platz, damit war unsere herrliche 23-tägige Vierländer-, Seen- und Flusstour zu Ende, jetzt begann wieder die Zeit der kurzen Wochenendtrips.

An die sonnigen Gestade Griechenlands

Ein Jahr darauf, im Spätsommer 1991, zog es uns wieder in den sonnigen Süden, und zwar dieses Mal nach GRIECHENLAND. Wir hatten bereits auf dem griechischen Fährschiff Erotokritos der Minoan Lines eine Passage gebucht von Ancona an der Ostküste Italiens bis nach Patras, dem bedeutenden Hafen im Norden der griechischen Halbinsel Peloponnes und 19 Tage später die Rückfahrt.

Am 31. August, einem Samstag, brachen wir auf, der graue Himmel konnte unsere Urlaubsstimmung nicht verderben. Da wir in drei Tagen in Ancona sein mussten, gingen wir gleich in Düsseldorf auf die Autobahn, die uns auf altbekannter, landschaftlich sehr schöner Trasse, zunächst links, ab Karlsruhe rechts vom Rhein verlaufend, dabei manchmal direkt am Ufer entlang, nach etwa 450 Kilometern am Abend im hübschen Städtchen

- Weil am Rhein -

der südwestlichsten Stadt Deutschlands kurz vor der Schweizer Grenze landen ließ. Am idyllischen Marktplatz entdeckten wir ein gemütliches Restaurant, in dem wir uns nach der langen Fahrt ausgiebig delektierten an Rehmedaillons mit Sauerkirschen und Spätzle, dazu einige Schoppen wohlschmeckenden Wein aus badischem Anbau, köstlich der Eisguglhupf in Cassis zum krönenden Abschluss. Spontan entschlossen wir uns zu fortgeschrittener Stunde, der von schönen alten Laternen beleuchtete Platz war inzwischen menschenleer, gleich dort zu übernachten. Ruhig und ungestört schliefen wir in den Sonntagmorgen hinein, geweckt von dem melodischen Geläut der nahen Kirche.

Nur einige Kilometer waren es noch bis zur

- SCHWEIZER GRENZE -

die wir via Autobahn am nördlichen Stadtrand von Basel ohne großen Aufenthalt passierten. Das Wetter war genau richtig für die herrliche Strecke, die jetzt vor uns lag, die Sonne strahlte vom blauen, fast wolkenlosen Himmel. Basel kannten wir bereits von vorhergehenden Besuchen, ließen es also rechts liegen und glitten schon bald auf angenehm leerer Autobahn in großzügigen Schwüngen, dabei einige Tunnel durchquerend, durch die grandiose Schweizer Bergwelt, ganz besonders beeindruckend am viel verzweigten Vierwaldstätter See mit seinen fjordähnlichen Einschnitten, eingerahmt von atemberaubenden schroffen Gebirgsmassiven, etliche über 2.000 m, aus tiefer hängenden weißen Wolken die teils schneebedeckten bizarren Gipfel hoch in den blauen Himmel reckend. Die an der Nordwestspitze des Sees gelegene sehr schöne Kantonhauptstadt

 

- Luzern -

veranlasste uns zu einem kleinen Schlenker; das Stadtbild zum Teil modern mit großzügigen Fußgängerzonen, die Altstadt zu beiden Seiten der Reuss, die von dort den See durchfließt, malerisch mit winkligen Gässchen und brunnengeschmückten Plätzen. Das alte Rathaus (um 1600), dekorativ einbezogen ein mittelalterlicher gemauerter Turm aus dem 14. Jh., spiegelt sich sehr effektvoll im stillen Wasser der Reuss. Eine weitere Sehenswürdigkeit die beiden berühmten überdachten Holzbrücken, davon besonders schön die aus dem 13. Jh. stammende älteste Europas, die Kapellbrücke, ruhend auf einer großen Zahl von Holz- und Betonpfeilern, die Brüstung aus dunklen dicht aneinander gefügten Latten zu beiden Seiten in ununterbrochener Reihe behängt mit Kästen voller überquellender bunt leuchtender Blütenpracht, das tief heruntergezogene Dach, geständert auf stabilen Balken, gedeckt mit Tausenden von kleinen Schindeln, daneben der wuchtige Wasserturm, ebenfalls aus dem 13. Jh., und im Hintergrund sehr eindrucksvoll der über 2.000 hohe Pilatus, ein Bergmassiv der Emmentaler Alpen, ein dankbares Fotomotiv.

Davon ergaben sich noch eine ganze Menge, als wir, immer wieder das westliche bzw. das Südufer des herrlichen 114 Quadratkilometer großen Sees berührend, weiterfuhren, jede Gelegenheit, einen Parkplatz aufzusuchen, nutzend. Am Ende tauchten wir abermals in einen etwa 10 km langen Tunnel ein, um danach 30 km weiter südlich die zentralen Alpen mit ihren dramatischen fast 3.000 m und höher aufragenden Gipfeln auf bequeme Weise in dem 16,9 km langen St. Gotthard Tunnel zu durchqueren.

Weiter ging's durch die einmalige Landschaft mit atemberaubenden Schluchten und himmelhohen Bergen; auf einem 17 km langen noch nicht ausgebauten Teilstück der Autobahn furchtbares Gedränge, dann zügig weiter, bis wir nach insgesamt etwa 300 Kilometern im südlichen Zipfel des TESSINS mit Lugano den stark verästelten gleichnamigen See erreichten, der zwar etwas kleiner, aber nicht minder schön gelegen ist. Die von hohen Bergen überragte Stadt, wegen ihrer großartigen Lage und dem südlichen Flair begehrtes Urlaubsziel, erwies sich als denkbar ungünstig für eine Übernachtung, es war alles sehr eng und maßlos überlaufen. Da weder in der Innenstadt noch an der sehr schönen Promenade eine Parklücke zu entdecken war und sich auch etwas weiter außerhalb am Ufer nirgends eine Möglichkeit ergab, verließen wir schließlich den See, erst 20 km weiter in dem kleinen Örtchen

- Chiasso -

unmittelbar an der Grenze nach Italien, fanden wir endlich am Fuße eines bewaldeten, von saftig grünen Wiesen durchsetzten Hanges eine passende Bleibe auf einem Wanderparkplatz. Da es durch die lange Suche schon sehr spät geworden war, gab es aus den reichhaltigen Vorräten im Kühlschrank ein leckeres Abendessen an Bord.

Der nächste Morgen wolkenverhangen, düster und drohend die Berge. Bei leichtem Sprühregen kehrten wir auf die Autobahn zurück, passierten schnell die Grenze nach

- ITALIEN -

und legten schon nach etwa 45 Kilometern unseren ersten Zwischenstopp ein, und zwar auf dem Domplatz in Mailand, die zweitgrößte Stadt Italiens und wichtigster Industrie- und Handelsstandort des Landes. Entsprechend hektisch war der Verkehr, als wir uns zunächst wie immer kreuz und quer über die zum Teil breiten Straßen treiben ließen; es ist keine besonders schöne, aber sehr vielseitige Stadt; moderne nüchterne Geschäftsbauten neben vornehmen Palästen, elegante überdachte Einkaufsgalerien, betagte Kirchen, nicht zu vergessen an der Piazza della Scala das weltberühmte gleichnamige Opernhaus, das mit 3.600 Plätzen größte Theater Europas, 1778 im neoklassizistischen Stil erbaut, nachdem zuvor die Kirche Santa Maria alla Scala weichen musste; nach völliger Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1943 wurde es in Rekordzeit wieder aufgebaut und 1946 neu eröffnet. Das 1872 auf dem Platz errichtete Denkmal Leonardo da Vincis hat

den Krieg jedoch überlebt.

Den Mittelpunkt der Stadt bildet der majestätische gotische Dom aus dem 14. Jahrhundert, ganz fertig gestellt allerdings erst 1858, die Fassade eine Mischung aus Barock und Neugotik; monumental der 157 m lange weiße, leicht verwitterte Marmorbau mit seinen vorgesetzten aufwärts strebenden gegliederten Außenpfeilern, in unzählige schlanke Türmchen gipfelnd; die Fassaden und auch die Giebel reich geschmückt mit kunstvoll gestalteten Statuen, fast 4.000 an der Zahl, auf der zentralen Turmspitze prangt weithin sichtbar eine vergoldete Madonnenstatue. Der repräsentative Domplatz wird dominiert von dem sich auf mächtigem, rundum mit Figuren bestückten Sockel erhebenden bronzenen Reiterstandbild von Vittorio Emanuele II., Angehöriger des Hauses Savoyen, von 1861 bis zu seinem Tode im Jahre 1878 König von Italien.

Kaum waren wir an dem großen Vorplatz gelandet, wurden wir sehr interessiert beobachtet von einer Gruppe nicht gerade Vertrauen erweckend wirkender junger Männer. In Anbetracht der Horrorgeschichten, die wir über Wagendiebstähle in Italien gehört hatten, beschlossen wir, das Innere des Domes getrennt zu besichtigen. Also begleitete ich meinen Schatz die Stufen hinauf bis an das Portal, um dann sofort wieder zum Wagen zurückzukehren, der bereits von den Jugendlichen umlagert war, die aber flugs verschwanden, als sie mich mit großen Schritten herannahen sahen. Ich schloss von innen ab und setzte mich an die Frontscheibe, um alles genau im Blick zu haben. Abgelöst von meinem Schatz nahm ich dann den pompösen Innenraum in Augenschein, in seinen riesigen Ausmaßen mit fünf Schiffen überwältigend, besonders schön die vielfach unterteilten, verschiedene Motive darstellenden farbenprächtigen, sehr hohen Glasfenster.

Zum Mobi zurückkommend, entdeckte ich voller Schreck, dass unsere schönen silbern glänzenden Mercedesradkappen an den Hinterrädern verschwunden waren. Na, wenigstens hatte man uns die Räder noch gelassen, wer weiß, was wir vorgefunden hätten, wenn der Wagen allein zurückgeblieben wäre.

Schnell verließen wir diese ungastliche Stätte und kehrten auf dem kürzesten Wege zur Autobahn zurück, um in südöstlicher Richtung davonzubrausen. Schon nach etwa 70 Kilometern überquerten wir den Po, mit 652 Kilometern der längste Fluss Italiens, der seinen Ursprung in der Nähe der italienisch-französischen Grenze nimmt, quer durch Norditalien verläuft, um südlich von Venedig in das Adriatische Meer zu münden. Der gleich am Südufer sehr idyllisch gelegenen Bischofs- und Universitätsstadt Piacenza, umschlossen von einer sechseinhalb Kilometer langen Stadtmauer aus Backstein, galt unser nächster kurzer Abstecher. Aus dem gleichen Material zahlreiche der prunkvollen Paläste, sehenswert auch der mächtige romanisch-gotische Dom aus dem 12./13. Jh., den wir nach den Erfahrungen in Mailand und mangels Parkplatz jedoch nur im Vorbeifahren bewundern konnten.

Zu unserer Freude hatten die grauen Wolken sich inzwischen restlos aufgelöst, und die Sonne strahlte wieder ungehindert vom azurblauen Himmel. Also ging es frohgemut weiter, rechter Hand die ganze Zeit, mal näher, mal am fernen Horizont die sich eindrucksvoll aus der Poebene erhebende gewaltige Gebirgskulisse des Apennin, der sich 1.500 km lang fast über den ganzen Stiefel zieht.

Noch dreimalige Unterbrechung für Sightseeingtouren nach altbewährter Methode mit Fotosafari durch ebenfalls am Wegesrand, also nahe Autobahn liegende interessante Städte; zuerst Parma, gleichfalls Bischofsstadt und Sitz einer altehrwürdigen Universität, auch bekannt für seinen köstlichen Schinken und den pikanten Parmesankäse; sehr schön das alte Stadtviertel rund um den sich an der Piazza Duomo erhebenden wuchtigen, sich aus quadratischen und halbrunden Bauelementen in verschiedenen Stufen zusammensetzenden romanischen Dom aus dem 11. Jahrhundert mit dekorativen Blendarkaden, ausdrucksstarkem Skulpturenschmuck am Hauptportal, seiner hellgrünen mächtigen Kuppel und dem sich seitlich erhebenden 64 m hohen gotischen Campanile, dem für Italien so typischen frei stehenden Glockenturm, der 1294 hinzugefügt wurde; in unmittelbarer Nähe erstrahlt in rosa Marmor das achteckige Battistero, eine romanisch-gotische Taufkirche, erbaut von 1196 bis 1307, deren drei Portale für Dreifaltigkeit stehen.

Der nächste Kurzbesuch galt Modena, eine moderne Industrie- und Universitätsstadt und Sitz eines Erzbischofs, mit breiten Straßen, schattigen Alleen und weiten Plätzen, sehenswert im historischen Stadtkern auf der Piazza Grande der romanisch-gotische Dom San Geminiano, dem heiligen Geminianus, der Schutzpatron der Stadt, gewidmet, die Backsteinfassade marmorverkleidet, in vielen Farben schillernd und auch hier mit den typisch romanischen und gotischen Stilelementen wie Blendarkaden und Zwerggalerien, 1099 begonnen und 1322 fertig gestellt; sein 88 m hoher Torre Ghirlandina, der wie der von Pisa etwas schräg steht, gilt als Wahrzeichen der Stadt und ist ein weithin sichtbarer Blickfang. Er wurde Anfang des 12. Jh. im romanischen Stil begonnen und im 14. Jh. mit einer gotischen Turmspitze vollendet. Piazza und Dom wurden 1997 in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen. Daneben erhebt sich der eindrucksvolle Palazzo Comunale (Rathaus) aus dem 12. Jh., der sein jetziges Erscheinungsbild im 16. Jh. erhielt.

Der letzte Schlenker führte uns nach Bologna, die am südlichen Rand der Poebene und am Fuße der Apennin gelegene Hauptstadt dieser ganzen Region, der EMILIA-ROMAGNA, die vom Po bis hinunter nach Rimini, dem bekannten Badeort an der Adria, reicht. Die Stadt ist nicht nur berühmt wegen ihrer exzellenten Küche, sie besitzt außerdem Europas älteste Universität aus dem Jahre 1119; Mittelpunkt der Stadt ist die im 13. Jh. entstandene Piazza Maggiore, wie schon der Name sagt, der Hauptplatz, gesäumt von schönen alten Palästen, an der Südseite beherrscht von der fünfschiffigen Basilika San Petronio, der Hauptkirche von Bologna, ein Beispiel für italienische Gotik, gegen Ende des 14. Jh. begonnen und erst drei Jahrhunderte später fertig gestellt, d. h. die im unteren Bereich mit Figuren geschmückte Fassade ist nach oben hin unvollendet; an der Westseite dominiert der Palazzo Comunale, ein gotisches Meisterwerk aus dem 14. Jh., heute Rathaus und Museum, an der nördlichen Seite das älteste der Bauwerke aus dem 13. Jh., der lang gestreckte Palazzo del Podestà mit seinen Arkadengängen, eindrucksvoll überragt von dem Torre dell`Arengo, dem einige Jahre später an der unmittelbar angrenzenden Piazza del Nettuno der inzwischen verwitterte Palazzo Re Enzo hinzugebaut wurde; davor der berühmte Neptunbrunnen im Renaissancestil, um den man den Platz zwischen 1563 und 1566 bereicherte, in der Mitte auf hohem, mit Sirenen und Delphinen geschmückten Sockel eine riesige Statue Neptuns mit Dreizack in der rechten Hand.

Ein paar Straßenzüge weiter stießen wir am Rande der Innenstadt auf das sehr markante Wahrzeichen der Stadt, dicht nebeneinander, die umliegenden Dächer weit überragend, zwei quadratische gemauerte Türme, der kürzere linke, der Garisenda, etwa 48 m hoch, rechts daneben der Asinelli mit etwas über 97 m, beide, den Turm von Pisa noch übertreffend, in beachtlicher Schieflage; die Namen stammen von den beiden Familien, die sie 1109 bzw. 1119 errichten ließen. Den ursprünglich höheren Garisenda kürzte man unmittelbar nach seiner Errichtung um 50 m, da er, entschieden zu hoch, einzustürzen drohte. Zwischen dem 12. und 13. Jh. wurden in Bologna zahlreiche solcher Türme erbaut, man schreibt sogar 180 an der Zahl, eine ursprünglich in Italien als Statussymbol einflussreicher Patrizierfamilien entstandene Bauweise, nach der unterschiedlich hohe und in der Grundfläche meist quadratische Wohntürme errichtet wurden, je höher der Turm einer Familie, desto höher war das Ansehen dieses Geschlechts, man spricht auch von Geschlechtertürmen. Von der großen Zahl sind heute noch zwanzig erhalten, inzwischen in das Eigentum der Gemeinde übergegangen, die sie zu verschiedenen Zwecken nutzt, wie z.B. als Kerker, für Geschäfte und auch als Wohnungen.

 

Etwa 110 Kilometer und wir waren an der Adria, ein Ferienort reiht sich an den anderen, am bekanntesten und entsprechend voll Rimini, beliebt wegen seines 15 km langen feinen Sandstrandes. Vor über 20 Jahren hatten wir dort von einem direkt am Meer gelegenen sehr schönen Hotel aus zusammen mit unseren beiden Töchtern Strand, kristallklares Wasser und die immerwährende Sonne genossen, damals noch mit viel Ellbogenfreiheit, jetzt waren die Touristen am Strand förmlich gestapelt, und die modernen Hotels stehen dicht an dicht. Also gingen wir weiter südlich auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Am Rande des nicht ganz so überlaufenen

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