Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck

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- Budapest -

die Hauptstadt Ungarns, die „Perle der Donau“, wohl eine der ältesten und charmantesten Metropolen der Welt. Die Donau fließt auf 28 km Länge durch die Stadt und teilt sie in das am hügeligen Westufer liegende Buda (früher Ofen genannt) mit seinen zahlreichen historischen Bauten und das sich am flachen Ostufer ausbreitende Geschäfts- und Wirtschaftszentrum Pest, Teil der großen ungarischen Tiefebene. Erst 1873 wurden die beiden, inzwischen durch neun große Brücken miteinander verbundenen, bis dahin selbständigen Städte vereinigt. Die schweren Schäden des Zweiten Weltkriegs hat man durch sorgsame Restaurierung behoben.

Davon konnten wir uns auf unserer ausgedehnten Sightseeingtour zur Genüge überzeugen. Zunächst widmeten wir uns dem romantischeren Teil, dem am rechten Ufer bis auf 500 m ansteigenden, von Mauern umgebenen mittelalterlichen Buda. Auf leicht gewundener Straße erklommen wir den Burgberg, durchzogen von einem Gewirr verwinkelter Gassen, dem historischen Burgviertel, geprägt von malerischen Häusern, an eine mittelalterliche Stadt erinnernd, 1987 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt.

Den gesamten Südteil des Hügels nimmt der gewaltige Burgpalast (Schloss) ein, eines der Wahrzeichen der Stadt, angeblich das größte Gebäude Ungarns, dessen ganze Mächtigkeit ich bereits bei unserer Anfahrt vom anderen Ufer aus aufs Foto gebannt hatte. Die wechselvolle Geschichte des Palastes reicht bis in das 13. Jh. zurück, als König Béla IV. hier eine Burg errichten ließ. Ab dieser Zeit war er Residenz der ungarischen Könige. In der Folge wurde er durch Kriege und Belagerungen mehrmals zerstört und auch unter den verschiedenen Herrschern im jeweiligen Stil umgebaut. Sein heutiges neobarockes Erscheinungsbild stammt aus der Zeit um 1900. Zerstörungen im 2. Weltkrieg folgten nach 1945 Rekonstruktion und Wiederaufbau, heute sind dort einige Museen sowie die Nationalbibliothek untergebracht, außerdem werden etliche Räume von der ungarischen Regierung zu repräsentativen Zwecken genutzt.

Nachdem wir endlich einen günstig gelegenen Parkplatz gefunden hatten, machte ich mich auf weitere Motivsuche, drei Jahre später, nach dem Erwerb eines Rollstuhls, wurden solche Unternehmungen natürlich gemeinsam gemacht.

U. a. entdeckte ich an der steilen der Donau zugewandten Seite die Fischerbastei, ein Bravourstück historischer Baukunst, entstanden zwischen 1899 und 1905 als ein Teil der ehemaligen Festungsmauer, verteidigt von den unterhalb in der so genannten Wasserstadt lebenden Fischern, die dort im Mittelalter einen florierenden Fischmarkt betrieben. Mit ihren vielen Türmen, Arkaden und Wehrgängen wirkt sie wie eine romanische Ritterburg.

Von der Aussichtsterrasse aus bot sich mir über ausladende Baumwipfel hinweg ein herrlicher Panoramablick auf die ungarische Hauptstadt, links vor mir das mächtige Palastgebäude und das in der Ferne verlaufende westliche hügelige Ufer, jenseits der Donau das sich unendlich weit und völlig flach ausdehnende ehemalige Pest.

Nicht weit entfernt ein weiteres Wahrzeichen der Stadt, die älteste und wohl bekannteste Brücke, die 1839-49 auf Anregung des ungarischen Grafen István Széchenyi in klassizistischem Stil erbaute, 375 m lange Kettenbrücke, deswegen auch Széchenyi Lánchid genannt; am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört, wurde sie 1949 originalgetreu wieder aufgebaut.

Im Südhof der Bastei stieß ich auf das 1903 vollendete bronzene Reiterstandbild Stephan I., Staatsgründer und König von Ungarn (997-1038), der 1083 heilig gesprochen wurde, thronend auf wuchtigem mehrstufigen Sockel in neoromanischem Stil, verziert mit Szenen aus dem Leben des Königs und von vier Löwenstatuen bewacht.

Von dort waren es nur ein paar Schritte bis zu meinem nächsten Fotomotiv, der ersten und bekanntesten Kirche Budapests, der Matthiaskirche, zwischen den Jahren 1255 und 1269 im Auftrage des Königs Béla IV. als romanische Basilika unter dem Namen Liebfrauenkirche erbaut, im Laufe der Jahrhunderte mehrmals umgestaltet und erweitert. Ihren heutigen Namen verdankt sie dem König Matthias Corvinus, der die Kirche 1470 um einen fünfstöckigen Turm und das königliche Oratorium erweitern ließ. Da hier die Krönungszeremonien für die ungarischen Könige stattfanden, wurde sie zeitweise auch Krönungskirche genannt.

Als die Türken im Jahre 1541 Buda eroberten, wandelten sie die Kirche in eine Moschee um. Ihre endgültige Form erhielt sie im 19. Jh., als man sie im neogotischen Stil neu gestaltete. Ihr besonderes Merkmal sind die beiden völlig ungleichen Türme, der so genannte verhältnismäßig niedrige Bélaturm auf der linken Seite (wenn man vor der Westfassade steht) kegelförmig und mit buntem Mosaik ausgelegt, umringt von vier kleineren gleichen Türmchen, alle mit einem metallenen Kreuz geschmückt, rechts der mit 80 m doppelt so hohe gotische Matthiasturm, die Fassade gestaltet durch rundum laufende Reihen schmaler Spitzbogenfenster, vorgesetzte schlanke, von ebensolchen Türmchen gekrönte Pfeiler, unzählige Ornamente und allerlei sonstigen Zierrat, bis an die hohe Spitze heranreichend.

Der große Platz davor, der Dreifaltigkeitsplatz, zentral im Burgviertel gelegen, wird dominiert durch die sich auf mehrstufigem Sockel, nach oben hin verjüngende monumentale barocke Skulptur gleichen Namens von 1714, die der Erinnerung an die Pestepidemie von 1691 dienen soll. Die Spitze des 14 m hohen Denkmals bildet eine Dreifaltigkeitsgruppe, während auf den Sockelzonen Heiligenfiguren platziert sind. Das Postament ist mit Wappen und Reliefs geschmückt. Es ist die Nachbildung des originalen Monuments, da dieses im Zweiten Weltkrieg ebenfalls schwer beschädigt wurde.

Um etliche Fotos reicher kehrte ich zum Mobi zurück, und wir machten uns per Motorkraft auf den Weg zu unserem letzten Ziel am Budaufer, dem nahen grünen, mit herrlichen Bäumen bestandenen 235 m hohen Gellért-Hügel direkt über dem Donauufer, ebenfalls seit 1987 ein Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Seinen Namen hat er von dem als Märtyrer gestorbenen Bischof Gellért, der im Auftrag von König Stephan I. als Mönch aus Venedig nach Budapest kam und eine bedeutende Rolle in der Verbreitung des Christentums in Ungarn spielte. Laut Legende wurde er von heidnischen Ungarn in ein Holzfass gesteckt und vom Südhang aus in die Donau geschleudert, genau an der Stelle hat man ihm ein Denkmal gesetzt.

Schon von weitem wird die auf der Spitze des Hügels 1850-54 von den Habsburgern nach der Niederschlagung des Unabhängigkeitskampfes der Ungarn 48/49 errichtete mächtige Zitadelle sichtbar, erbaut mit der Intention, von dort oben die ungarische Hauptstadt besser kontrollieren zu können und die Budapester Bevölkerung an die noch andauernde Herrschaft der Habsburger zu erinnern. Dank günstig gelegenem Parkplatz gelang es uns, gemeinsam einen Blick in die inneren Höfe werfen, in denen große Bildtafeln die Geschichte Budapests zeigen.

Vom Südende der Bastei aus konnte jetzt auch mein Schatz das sich von dort ebenfalls darbietende einmalige Panorama genießen. Unmittelbar vor der Festungsmauer erhebt sich übrigens weithin sichtbar die aus Anlass der Befreiung vom Faschismus 1947 aufgestellte 14 m hohe Freiheitsstatue, eine bronzene Frauengestalt auf gemauertem zweistufigen Sockel, die einen großen Palmwedel in ihren hoch erhobenen Händen gen Himmel hält.

Von hoher Warte aus nutzte ich noch die Möglichkeit, ein weiteres der vielen imposanten Wahrzeichen der Stadt in unsere Fotosammlung einzufügen, das sich am anderen Ufer äußerst eindrucksvoll 268 m lang ausdehnende Parlamentsgebäude, bis zum roten Stern auf der großen Kuppel des runden Mittelturms fast 100 m hoch, das drittgrößte und mit Sicherheit eines der prunkvollsten auf der ganzen Welt. Dieser neogotische Palast, zwischen 1885 und 1904 nach dem Vorbild der Westminster Abbey in London erbaut, hat mehr als 700 Räume. Mit seiner reich verzierten Fassade und den vielen spitzen Türmchen und Erkern wirkt er wie ein Märchenschloss aus Tausendundeiner Nacht.

Allmählich wurde es Zeit, unsere Sightseeingtour auf der anderen Donauseite fortzusetzen, auch dort gibt es schließlich noch genug zu entdecken. Die direkteste Möglichkeit, in die Innenstadt zu gelangen, ist über die alte, von mächtigen steinernen Löwen flankierte Kettenbrücke, am Anfang bereits von mir erwähnt. Sie galt seinerzeit als technisches Wunderwerk, denn mit den Trossen, an denen die Fahrbahn hängt, war sie eine der ersten stählernen Hängebrücken der Welt. Auffallend die wie Triumphbögen gestalteten wuchtigen Pylone.

Aus der Geruhsamkeit der Burganlagen kommend, fädelten wir uns also in den pulsierenden großstädtischen Verkehr der Millionenmetropole ein. Vorbei an einer großen gepflegten Grünanlage erreichten wir die breite Straße der Volksrepublik (der ungarische Name ist zu zungenbrecherisch, von den Ungarn wird sie kurz „Nép“ genannt), eine Prunk- und Prachtstraße aus dem 19. Jahrhundert, inzwischen Andrássy ut getauft nach dem ehemaligen ungarischen Ministerpräsidenten Gyula Andrássy (1867-1871), der berühmteste Boulevard Budapests, etwa 2,5 km lang. Der erste Abschnitt, überwiegend hohe Mietshäuser, ist architektonisch besonders sehenswert, namhafte Architekten haben sich hier verwirklicht, nach dem damaligen Zeitgeschmack gibt es viele Balkone, Erker, Balustraden und freskengeschmückte Treppenaufgänge.

Hinter einem großen achteckigen Platz, ein zentraler Verkehrsknotenpunkt, die Ungarn nennen ihn „das Oktogon“, beginnt der schönste Teil, eine breite Promenadenallee mit Grünstreifen, die durch das alte Kunstviertel führt, bis man nach Überquerung eines weiten runden Platzes das elegante Diplomatenviertel mit vielen imposanten Botschaftsgebäuden erreicht. Besonders herausragende Bauwerke an der Straße sind die Ungarische Staatsoper, eines der prachtvollsten Beispiele der Neorenaissance-Architektur, erbaut von 1875-1884, nicht minder schön das gegenüberliegende Ballettinstitut.

 

Die in ihrem gesamten Verlauf fast schnurgerade „Nép“ endet an der feinsten Freifläche Budapests, dem weiten, mit hell- und dunkelgrauen Steinplatten in geometrischem Muster gepflasterten Heldenplatz (die ungarischen Namen möchte ich dem Leser ersparen), der einiges zu bieten hat. Er entstand anlässlich der großen Milleniumsfeiern zum tausendjährigen Bestehen Ungarns im Jahre 1896.

Der Platz wird beherrscht vom Milleniumsdenkmal, eine 36 m hohe Säule mit der Bronzefigur von Erzengel Gabriel, in seiner rechten Hand die Heilige Krone, in der linken das Doppelkreuz; auf dem wuchtigen Sockel eine Gruppe von sieben Reiterstatuen, die die Stammeshäupter der Magyaren bei ihrem Einzug ins Karpatenbecken unter Führung von Árpád, ihrem ersten Großfürsten, darstellen.

Im Halbkreis angeordnet am Ende des Platzes zu beiden Seiten je eine Säulenreihe mit jeweils sieben Statuen bedeutender Persönlichkeiten der ungarischen Geschichte, u. a. Staatsgründer Stephan I. und der spätere König Matthias.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde vor der Säule zum Gedenken an alle Gefallenen noch das Grabmal des Unbekannten Soldaten angelegt, umgeben von einem kunstvoll gestalteten feinen Metallgitterzaun.

Der Platz wird flankiert von zwei eindrucksvollen Gebäuden, der Kunsthalle, 1896 fertig gestellt und dem Museum der Bildenden Künste, 1906 eingeweiht., typische Bauten in klassizistischem Stil, mit ihren mächtigen Säulenportalen wie griechische Tempel wirkend.

Von der Geschichte zur Erholung, gleich hinter dem Platz kommt man geradewegs in das von Straßen und Wanderwegen durchzogene Stadtwäldchen, ein beliebtes Ausflugsziel, nicht zuletzt wegen des Vergnügungsparks mit Achterbahn, Riesenrad und anderen permanenten Einrichtungen sowie des unter alten Bäumen sich verbergenden Zoos und des sich in der Nähe befindenden festen Hauses des berühmten Nationalzirkus. Wir interessierten uns allerdings hauptsächlich für die gleich nach unserer Einfahrt sichtbar werdende Sehenswürdigkeit, zwischen den Baumwipfeln auf einem grünen Inselchen in einem künstlich angelegten See, auf dem etliche Paddelboote unterwegs waren, erhebt sich etwas versteckt ein erstaunliches Bauwerk, die Vajda-Hunyad-Burg, die 1896 zur schon erwähnten Tausendjahrfeier entstand und eine Art Abriss der ungarischen Stilgeschichte darstellt, es gibt eine romanische Kapelle, gotische Wehrgänge, einen Renaissancetrakt und einen Barockflügel, alles in verkleinertem Maßstab altungarischen Originalen nachgebaut.

Nach kurzer Erholungs- und Fotopause stürzten wir uns wieder in den brodelnden Großstadtverkehr, kreuz und quer ließen wir uns durch die lebhafte City treiben mit ihren zum Teil sehr breiten Boulevards, gesäumt von prunkvoll-eleganten Geschäften sowie zahlreichen Theatern. Zuletzt landeten wir auf der Promenade direkt am Donauufer in unmittelbarer Nähe des bereits vom anderen Ufer aus bewunderten Parlamentsgebäudes.

Über all diesen mannigfaltigen Eindrücken hatten wir die Zeit völlig vergessen, doch unsere Mägen erinnerten uns schmerzhaft daran, dass es längst Zeit für das Abendessen war. Deshalb fanden wir die Idee recht gut, das Restaurant eines in der Nähe am Ufer vertäuten Schiffes aufzusuchen. Der wieder sehr laue Sommerabend ließ uns das freie Oberdeck erklimmen, wo wir einen der hübsch eingedeckten Tische direkt an der Reling bekamen. Von da an war fast zwei Stunden Genuss angesagt, es stimmte einfach alles, der herrliche Blick auf die Altstadt nebst Burgpalast, die köstlichen Speisen, dazu der herzhafte aromatische Wein aus der Region. Bei einsetzender Dämmerung verbreiteten leicht flackernde Windlichter auf jedem der Tische warme Gemütlichkeit. Vom fast dunklen Burgberg erstrahlte das Schloss in hellem Glanz, und das nahe Parlamentsgebäude wirkte mit seiner Unmenge von Lichtern nicht minder märchenhaft. Ab und zu zogen reich illuminierte Ausflugsschiffe langsam vorbei, feurige Zigeunerklänge wehten herüber. Natürlich ließ auch auf unserem Deck ein temperamentvoller Ungar seine Geige schluchzen. Über allem wieder ein klarer Sternenhimmel und ein hell leuchtender Mond, Romantik pur.

Erst gegen 22.00 Uhr konnten wir uns von dieser Stimmung losreißen. Da der Parkplatz direkt an der Promenade für die Nacht nicht sehr geeignet war, fuhren wir wieder über die ebenfalls hübsch angestrahlte Kettenbrücke und dann auf direktestem Weg zum schon am Vormittag besuchten Gellért-Hügel, wo wir in der Nähe der Zitadelle ein gemütliches Restaurant mit Parkplätzen entdeckt hatten. In dem dazu gehörenden Biergarten ließen wir unter durch Hunderte von Lämpchen erstrahlenden Bäumen bei einem leckeren Eisbecher – auf dem Schiff hatten wir wegen der reichhaltigen Speisenfolge zunächst auf ein Dessert verzichtet – diesen herrlichen Tag ausklingen. Der sehr nette Wirt hatte nichts dagegen, dass wir auf seinem Parkplatz die Nacht verbrachten. Doch vorher hielt ich noch den romantischen Blick im Foto fest, der sich uns auf das effektvoll zwischen den dunklen Baumwipfeln des Hanges angestrahlte Gellért-Denkmal bot.

Die Zeit reichte natürlich nicht aus, um die herrliche Donau-Metropole wirklich kennen zu lernen, aber einen kleinen Eindruck konnten wir doch mitnehmen, als wir am nächsten wieder herrlichen Sommermorgen gleich nach wie immer ausgiebigem Frühstück bestens gelaunt aufbrachen in Richtung Plattensee (Balaton), doch bereits nach nur fast 50 km blieben wir am romantischen

- Velence-See -

mit seinen hübschen Badeorten und Stränden hängen. Mit zehn Kilometern Länge und bis zu drei Kilometern Breite ist er Ungarns drittgrößtes Gewässer. Ein sehr schöner Parkplatz direkt am sandigen Ufer verlockte uns dazu, einen richtigen Faulenzertag einzulegen. Schon nach kurzer Zeit stürzten wir uns in die warmen Fluten, um danach auf unseren bequemen Liegen ein ausgedehntes Sonnenbad zu genießen, sich dabei in interessante Urlaubslektüre vertiefend oder einfach nur die Seele baumeln lassend. Schlanke Segelboote kreuzten vor dem leichten Wind, dazwischen zogen schneeweiße Ausflugsdampfer langsam ihre Bahn, dichter am Ufer Ruderboote mit ihren weithin quietschenden Riemen. Aus dem nahen Schilfgürtel ertönte ein vielstimmiger Chor seiner gefiederten Bewohner, die sich uns nach und nach völlig ohne Scheu vorstellten. Schwarze Blässhühner mit ihren weißen Stirnplatten zeigten uns ihre Tauchkünste, schlanke Silberreiher gingen graziös stelzend im Uferbereich auf Fischfang, nicht minder geschickte Fischer die pfeilgeschwind herabstoßenden Möwen. Eine neugierige Graugansfamilie präsentierte uns seinen vierköpfigen flauschigen Nachwuchs sogar aus nächster Nähe.

Auch Faulenzen macht irgendwann hungrig, also packten wir am frühen Abend alles zusammen, machten uns landfein und gingen, d.h. natürlich fuhren auf die Suche nach einem passenden Restaurant. Schon nach ganz kurzer Zeit entdeckten wir eine kleine Csárda, die urgemütliche Gaststube war mit allerlei Fischfanggerät geschmückt. Die berühmte scharfe Fischsuppe „Halászlé“ mussten wir unbedingt probieren. Zusammen mit dem ofenfrischen Brot schmeckte sie köstlich, wir benötigten aber außer dem herzhaften Wein unbedingt noch eine Flasche Mineralwasser zum Löschen.

Zum Schlafen kehrten wir zu unserer Idylle zurück. Bei weit geöffneten Heckfenstern genossen wir noch eine ganze Weile die herrliche Nachtluft. Inzwischen meldeten sich auch andere Bewohner des Schilfes zu Wort, die dort verborgenen Frösche gaben uns ein zwar wenig melodisches, dafür um so lauteres Quakkonzert. Ein silbrig glänzender Mond verbreitete seine schimmernde Bahn quer über den See, also wieder Romantik pur. Die Naturliebhaber unter den Lesern können sicherlich verstehen, warum das Fahren mit dem Wohnmobil für uns die schönste Art des Reisens bedeutete.

Gut ausgeschlafen, Wetter wie gehabt, setzten wir unsere Fahrt durch das wunderschöne Land am Freitagmorgen in wie immer entsprechender Stimmung fort. Schon nach etwa 15 km erreichten wir Székesfehérvár, die älteste Stadt Ungarns. Kelten, Römer und Germanen hatten an dem Ort bereits Siedlungen angelegt, der vom Ural kommende Magyarenfürst Árpád bei der Landnahme 896 dort sein Lager aufgeschlagen. Unter König Stephan I. (997-1038) wurde Alba Regia (der damalige Name=königliche weiße Stadt) königliche Residenz und blieb 500 Jahre lang neben Buda die Krönungsstadt der ungarischen Könige, wird daher auch Stadt der Könige genannt. Der deutsche Name der vorgenannten zungenbrecherischen Stadt lautet Stuhlweißenburg, „Stuhl“ bedeutet Königsthron, „weiße Burg“ freie königliche Stadt. 37 Herrscher wurden dort gekrönt, 18 beigesetzt. 1543 bis 1688 stand die Stadt unter türkischer Herrschaft und musste nach der Rückeroberung weitgehend neu errichtet werden, damals erhielt sie ihr barockes Gepräge, der gesamte Stadtkern steht inzwischen unter Denkmalschutz.

Für unsere übliche Sightseeingtour erwiesen sich die schmalen Gassen allerdings als zu eng, außerdem war eine große Zone den Fußgängern vorbehalten. Es gelang mir lediglich am zentralen Rathausplatz, das Mobi für ein paar Schnappschüsse zu verlassen. Dort gleich das erste Fotomotiv einer der bedeutendsten Barockbauten, der imposante ockerfarbene Bischofspalast (die Stadt wurde im Jahre 1777 zum Bischofssitz erklärt), bereits mit klassizistischen Anklängen. Heute beherbergt er eine umfangreiche Bibliothek. Seitlich davor der Reichsapfel-Brunnen, der an den 900. Todestag von König Stephan I. im Jahre 1938 erinnern soll (neben Krone, Zepter oder Schwert gehört der Reichsapfel zu den Königsinsignien); an der Südseite des Platzes das aus zwei Gebäuden bestehende Rathaus, wovon das ältere mit der von barocken Steinfiguren geschmückten Fassade besonders ins Auge fällt; ebenso geschmückt die Fassade der nicht weit entfernten Kathedrale, die quadratischen Türme gekrönt von barocken Hauben; nahebei auch die St. Anna-Kapelle, das einzige unversehrt gebliebene mittelalterliche Bauwerk in schlichtem gotischen Stil.

Am nördlichen Stadtrand entdeckten wir schließlich noch eine wahrlich architektonische Rarität, die nach ihrem Erbauer, dem Bildhauer, Maler und Architekten Jenö Bory benannte Bory-Burg, die er am Anfang des 20. Jh. schuf, ein als Ritterburg konzipiertes Architektur-Museum, das eine Ansammlung der verschiedenen Baustile repräsentiert, ein schönes Abschiedsmotiv von Székesfehérvár.

Weiter ging’s auf leicht gewundenen Landstraßen durch Wiesen und Felder, hübsche kleine Dörfer, ab und zu sieht man auch noch die attraktiven weißen Ziehbrunnen, bis wir den nur noch 30 km entfernten riesigen Plattensee (Balaton) erreichten, das „Meer der Ungarn“. Mit etwa 596 Quadratkilometern ist er das größte Binnengewässer Mitteleuropas. Er ist ein typischer Steppensee, extrem seicht, fast nirgends ist es mehr als drei Meter bis zum Grund.

Zunächst folgten wir der direkt am Nordufer entlangführenden malerischen Straße. Rechter Hand erheben sich die hügeligen Ausläufer des Bakonygebirges, der höchste Gipfel misst etwas über 700 m. Aus bunt gemischtem Laubwald ragen karstige Felsen empor, einige dekorativ geschmückt mit mächtigen Burgruinen. So weit das Auge reicht, erstreckt sich links die ausgedehnte Wasserfläche des Sees, schmale Kiesstrände wechseln sich ab mit verschilften Buchten oder hohen Lehmufern. Über Balatonalmádi, ein sehr verkehrsreicher Ort, den wir sehr schnell wieder verließen, gelangten wir in das gemütlichere Alsóörs, an dessen nördlich ansteigenden Berghängen Reben und Obstbäume gedeihen. Sehr hübsch das vom Somlyó-Berg winkende schneeweiße Wahrzeichen des Örtchens, die aus dem 13. Jh. stammende, 1807 umgebaute Reformierte Kirche.

Ein paar Kilometer weiter, an der so genannten Balaton-Riviéra, dann das feine, fast mondäne Heilbad Balatonfüred, noch heute beliebt wegen seiner kohlensauren Quellen. Im 19. Jh. traf sich hier alles, was Rang und Namen hatte. Ein wenig von diesem halb adligen, halb großbürgerlichen Fluidum hat sich der Ort bewahrt mit seinen schattigen Promenaden, altväterlichen Villen und prachtvollen Wohnhäusern in klassizistischem Stil. Schön ist auch der mehr als hundert Jahre alte Park zwischen Hafen und Kurplatz mit seinen mächtigen Baumriesen und vielen seltenen Pflanzen. An den Stegen im Hafen haben die Segler des Balaton ihren Stammplatz.

 

Als Nächstes lud uns die 5 km in den Balaton hineinragende Halbinsel Tihany zu einem Abstecher ein. Sie misst 12 Quadratkilometer und steht zum größten Teil unter Naturschutz, nicht zuletzt wegen der an ihren beiden hoch gelegenen Seen (einer davon ist fast ausgetrocknet) nistenden Wasservögel, darunter die selten gewordenen Graugänse. Umso erfreulicher der Besuch der kleinen Familie am Vortag! Das Fischerdorf Tihany mit seinen schilfgedeckten Häusern steht unter Denkmalschutz, auf einem Plateau in der Nähe erhebt sich in 80 m Höhe das Wahrzeichen der Halbinsel, die mächtige Abteikirche, 1055 gegründet und, nachdem sie 1702 beim Aufstand gegen die Habsburger gesprengt worden war, in barockem Stil wieder aufgebaut. Ein großer Kontrast das moderne Erholungszentrum, das sich an der Spitze der Halbinsel ausgebreitet hat, es gibt ein großes Hotel, niedrige Ferienhäuschen, Badestrände und einen Bootshafen.

Da uns dort zu viel Trubel herrschte und wir auch nirgends einen geeigneten Stehplatz entdecken konnten, kehrten wir an unsere Uferroute zurück. Auch dort bot sich wegen des geschlossenen Schilfgürtels keine Möglichkeit. Also entschlossen wir uns in dem kleinen Örtchen