Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck

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Der malerisch an den bewaldeten Hängen des 2.543 m hohen „Ulu Dag“, der höchsten Erhebung im westlichen Kleinasien, gelegenen Stadt

- Bursa -

bis 1413 Hauptstadt des Osmanischen Reiches, widmeten wir etwas mehr Zeit. In altbewährter Sightseeingmanier ließen wir uns langsam kreuz und quer durch die mehr oder minder breiten Straßen, soweit möglich auch engen Gassen treiben; reizvolle alte Häuser mit wunderschönen Fassaden, prächtige Mausoleen und immerhin 61 Moscheen bestimmen das gut erhaltene Stadtbild. Auf den Fußwegen und Plätzen ein Gewoge von Menschenmassen, Bursa ist nicht zuletzt wegen seiner heißen Thermalquellen ein bevorzugtes Reiseziel. Es gelang uns, wenigstens das wichtigste Bauwerk der Stadt, die Ulu Cami (Große Moschee) aus dem 14. Jahrhundert, aus der Nähe zu bewundern und zumindest in Teilabschnitten aufs Bild zu bannen. Mit ihren 19, mit Versen aus dem Koran geschmückten Flachkuppeln, getragen von 12 Spitzbogenpfeilern gilt sie als ältestes Beispiel einer Pfeilermoschee.

Weiter ging’s durchs Landesinnere, durch Wald und weite Felder, auch hier, Wolken von Staub aufwirbelnd, Gruppen von arbeitenden Frauen, alle in den traditionellen langen schwarzen Tschador gehüllt, die Männer trafen wir palavernd beim Tee in den Straßencafés der kleinen Ortschaften. Nach etwa 100 Kilometern tauchte vor uns wieder das in der Sonne glitzernde Marmarameer auf, dessen Ufer wir dann in mehr oder minder großer Entfernung folgten, bis wir nach weiteren 100 Kilometern die Dardanellen, die Meerenge zwischen der europäischen Halbinsel Gallipoli und KLEINASIEN, erreichten.

Das an der engsten Stelle gelegene hübsche Hafenstädtchen

- Canakkale -

fanden wir ideal für unsere Übernachtung, zu schön war der Platz direkt am Hafenbecken mit Blick auf die bewaldeten, zum Teil felsig abfallenden Hügel der Halbinsel und die sich am Ufer entlangziehenden Ortschaften, nicht weit entfernt die Mole, an der die schneeweißen Fähren im Wechsel an- und ablegten; praktisch in Rufweite die örtliche Polizei und direkt gegenüber ein einladendes Hotelrestaurant mit großen Aussichtsfenstern. Genau an einem derselben saßen wir etwas angehübscht eine halbe Stunde später und ließen uns in gepflegtem Ambiente, die Tische weiß eingedeckt mit duftendem Blumenschmuck und passenden Kerzen, von einem sehr freundlichen Kellner ein wahrhaft fürstliches Menü servieren. Alles, was die türkische Küche zu bieten hat, folgte in sechs Gängen aufeinander. Dazu ein sehr guter trockener Weißwein, und das alles zusammen für umgerechnet 26,00 DM, sehr erfreulich. Einsam und allein, beschienen von einem hell leuchtenden Mond, stand unser Mobi am Kai, als wir zu später Stunde zurückkehrten. Unter den wachsamen Augen der Polizei schliefen wir jedoch sicher wie in Abrahams Schoß.

Am Samstag stand das nur 30 Kilometer entfernte Troja auf dem Programm, dieser geschichtsträchtige Ort, bewohnt zwischen 3.000 v .Chr. und etwa 1.000 n. Chr.. Im Jahre 1.300 v. Chr. wurde die blühende Handelsstadt durch ein gewaltiges Erdbeben fast gänzlich zerstört, von dem sie sich nie wieder richtig erholte. Berühmt wurde sie jedoch durch Homers Epos Ilias, das den Trojanischen Krieg behandelt, der der Sage nach dadurch ausbrach (wahrscheinlich um 1.200 v. Chr.), dass Paris, der Sohn des Königs Priamos von Troja, die Gemahlin des Spartaner-Königs Menelaos, die schöne Helena, entführte. Der deutsche Kaufmann und Archäologe Heinrich Schliemann entdeckte 1870 bei Ausgrabungen in einem Ruinenhügel (Hissarlik) die ersten Reste des alten Troja, drei Jahre später den sagenhaften Schatz des Priamos und förderte im Laufe von 20 Jahren mehrere Siedlungsschichten zu Tage, die sich durch die nachfolgende Arbeit von drei weiteren Altertumsforschern auf insgesamt neun erhöhten.

Gleich am Eingang der großen Ausgrabungsstätte stießen wir auf eine gewaltige Nachbildung des hölzernen Trojanischen Pferdes, mit dessen Hilfe die Griechen unter dem mächtigen Agamemnon nach zehnjähriger Belagerung die Stadt eroberten, indem sie es den Trojanern als angebliches Weihegeschenk für deren Göttin Athene vor eines der Stadttore stellten, die Trojaner es arglos hineinzogen und den dadurch im hohlen Bauch versteckten Griechen die Möglichkeit gaben, alle Stadttore zu öffnen und zusammen mit der eindringenden Armee die völlig überraschten Trojaner zu überrumpeln.

Als wir mit großen Erwartungen diese historische Stätte betraten, bedurfte es schon einiger Phantasie, um in den kläglichen Mauerresten noch etwas von der Größe des antiken Troja zu entdecken. Mein Schatz blieb auf einem der herumliegenden großen Steinbrocken zurück und ließ von dort aus die sich über einen flachen Hügel ausbreitenden mehr oder minder hohen verwitterten Steinhaufen auf sich wirken, dazwischen wucherndes niedriges Gestrüpp brachte wenigstens etwas Farbe in das Bild. Während meiner Fotosafari auf der anderen Seite des Hügels angelangt, bot sich mir ein herrlicher Ausblick, so weit das Auge reichte, zwischen fast weißen oder bemoosten Felsblöcken ein im leichten Wind wogendes Meer von blutrotem Klatschmohn, in der Sonne leuchtend, darüber ein azurblauer Himmel mit schneeweißen Wolkengebilden, ein sehr dankbares Fotomotiv. Die gesamte archäologische Stätte gehört seit 1998 ebenfalls zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Eine Stunde später schraubten wir uns auf einsamer Straße in engen Serpentinen mit immerhin 12% Steigung einen dicht bewaldeten Berg hinauf, keine Menschenseele weit und breit, nur vier zerzauste Wildesel, die ganz gemächlich vor uns die Straße überquerten, zwangen uns dazu, auch noch am Berg zu bremsen. Auf der Kuppe zu unserer Freude ein Aussichtspunkt; an der Brüstung über steilem Felshang hatte ein findiger Händler ein paar Holztische und Stühle aufgestellt und bot seine Ware an. Gern entschieden wir uns für den heißen wohlschmeckenden Tee und einige Stückchen süßes Gebäck, den weiten Blick über eine dunkel bewaldete Hügelkette und silbrig schimmernde Olivenhaine auf das in leichtem Dunst daliegende Ägäische Meer genießend.

Weiter ging’s auf steiler Straße bergab, ein Hügel reiht sich an den anderen, meist mit knorrigem Kiefernwald oder auch schroff und fast kahl, unterhalb des kleinen Örtchens Edremit weite sandige Strände an einer lang gezogenen Bucht, von hoher Warte ein Blick auf die in weiter Ferne schwach zu erkennende große griechische Insel Lesbos. Ein kleiner Abstecher ins Landesinnere führte uns nach Bergama zu Füßen eines fast kahlen Berges. In der Antike hieß die Stadt Pergamon, lag oben auf der Bergkuppe und war die blühende Hauptstadt des Pergamenischen Reiches, 280 v. Chr. gegründet und 133 v. Chr. an Rom fallend. Im 15. Jahrhundert durch Mongolen zerstört, wurde die Stadt unten am Hang wieder aufgebaut, oben blieben die Ruinen. Durch die Ausgrabungen des deutschen Archäologen Carl Humann wurde manche Kostbarkeit zu Tage gefördert, u. a. große Teile des berühmten Zeus-Altars, der, nachdem alle Stücke wie ein Puzzlespiel zusammengesetzt und die fehlenden Teile rekonstruiert wurden, zusammen mit anderen interessanten Funden im Berliner Pergamon-Museum zu bewundern ist.

Unser schon bergerprobtes Mobi brachte uns empor zu den zum Teil gut erhaltenen Zeugen einstiger Pracht, besonders eindrucksvoll das an einem Steilhang gelegene Theater mit den stark abfallenden 80 Rängen, die 15.000 Zuschauern Platz boten; ebenfalls sehr interessant die mächtigen Ruinen einer der größten Bibliotheken der Antike, in der einst 200.000 Pergamentbände aufbewahrt wurden.

Auf unserem Weg zurück an die Küste machten wir noch einen kleinen Schlenker nach Asklepieion. Dem Gott der Heilkunde Asklepios geweiht, war diese ebenfalls gut ausgegrabene Stätte einst einer der bedeutendsten Kurorte der Antike; der heilige Bezirk ist noch gut zu erkennen, ein von Säulenfragmenten umgebener viereckiger Platz mit einer wundertätigen Quelle, die immer noch sprudelt. Ein Theater mit 14 Sitzreihen ist erhalten geblieben, dort finden alljährlich die Bergama-Festspiele mit klassischen Theaterstücken statt.

Welch ein Kontrast die moderne geschäftige Handelsmetropole

- Izmir -

die drittgrößte Stadt mit dem zweitgrößten Hafen des Landes, wunderschön am gleichnamigen, von Bergen umrahmten Golf gelegen, in der wir am frühen Abend eintrudelten; im 11. Jahrhundert v. Chr. von den Griechen unter dem Namen Smyrna gegründet und zur Blüte gebracht. Später wurde die Stadt wegen ihrer berühmten kostbaren Teppiche bekannt. Homer soll hier im 8. Jahrhundert v. Chr. seine Ilias geschrieben haben.

Natürlich suchten wir für die Nacht wieder einen Stehplatz und möglichst auch ein Restaurant am Wasser. Fast am Ende des drei Kilometer langen prachtvollen breiten Strandboulevards wurden wir fündig. Auf dem Seitenstreifen unter hohen schlanken Palmen blieben wir einfach stehen, nicht weit entfernt der große Eingang eines Geschäftshauses, in dem in einer gläsernen Loge ein bewaffneter Wächter saß, was auch für uns eine gewisse Sicherheit bedeutete. Genau gegenüber, auf Pfählen in den Golf gebaut, über eine steinerne, mit Fächerpalmen geschmückte Brücke zu erreichen, ein sehr einladendes Restaurant, achteckig, die Fenster rundherum bis zum Boden gehend, gekrönt von hellroten, in zwei Stufen sternförmig aneinander gereihten flachen Satteldächern, drumherum auf einem Ponton schneeweiße aufgespannte Sonnenschirme, genau das Richtige für unser Abendessen. Drinnen Blumen über Blumen und Girlanden und lautes Stimmengewirr, an einer langen Tafel eine lustige Hochzeitsgesellschaft, eine dreiköpfige Kapelle spielte flotte Weisen.

 

Wir ließen uns von der fröhlichen Stimmung mitreißen, die durch die weit geöffneten Glastüren bis zu unserem Tisch am Rande des Pontons drang und uns in lauer Abendluft mit herrlichem Blick auf die belebte Strandpromenade, den weiten Golf und die im letzten Tageslicht bläulich schimmernden hohen Berge zunächst eine vielfältige Vorspeisenplatte mit Fleischklößchen, gefüllten Muscheln, Pastetchen, Rosinenreis, Oliven und allerlei Salaten schmecken, dazu gehörte ein Gläschen Raki. Das hochprozentige Destillat aus vergorenen Rosinen und Anis ließ uns den Abend noch schöner erscheinen. Nach den mit gut gewürztem Hack gefüllten Auberginen war leider kein Platz mehr für die angebotenen Nachspeisen, so dass wir, nachdem wir in Ruhe unsere Flasche Rotwein geleert hatten, die Promenade erstrahlte inzwischen im Glanz von tausenden von Lichtern, zu unserem von dem hellen Schein einer Laterne angestrahlten Mobi zurückkehrten. Der Wächter winkte uns freundlich zu, unter seinen Argusaugen fühlten wir uns sicher und da nur noch sehr wenig Autos unterwegs waren, auch völlig ungestört.

Am Sonntagvormittag nutzten wir die etwas verkehrsärmeren Straßen für eine langsame Sightseeingtour kreuz und quer über die breiten Boulevards; fast nur zweispännige, bunt geschmückte Pferdedroschken mit Ausflüglern waren unterwegs; das Stadtbild überwiegend geprägt von modernen Bauten, nur auf dem großzügigen, hell gepflasterten Konak Platz in der Nähe der Schiffsanlegestelle als Wahrzeichen von Izmir ein mit allerlei Zierrat gemauerter, von zwei dekorativen Palmen eingerahmter hoher Uhrturm aus osmanischer Zeit, etwas höher das schlanke Minarett der auf der anderen Straßenseite liegenden Moschee, überragt von modernen Hochhäusern. Von den dicht gedrängten, von Zeltplänen überdachten Gässchen der Altstadt, in denen sich das Marktleben abspielt, konnten wir nur im Vorbeifahren einen kurzen Blick erhaschen. Nicht weit davon entfernt die römische Agora, ein antiker Marktplatz mit ein paar Säulen- und Skulpturenresten. Hoch über der Stadt thront auf dem Pagusberg recht eindrucksvoll die Ruine einer mittelalterlichen Zitadelle, errichtet auf den Grundmauern der altgriechischen Akropolis.

Auf einsamer schmaler Straße wieder Richtung Meer setzten wir unsere Traumfahrt fort. Da die Ägäische Küste sehr stark zerklüftet ist, muss man, um allzu große Umwege zu vermeiden, immer wieder kleinere oder auch große Halbinseln durchqueren. Die Sonne brachte es auf schwülwarme 28°C; so weit das Auge reichte, riesige staubige Felder, einige mit leichtem grünen Schimmer überzogen, am fernen Horizont im Dunstschleier hohe Bergrücken; dann am Wegesrand, das halb verdorrte Gras zupfend eine etwas ungewöhnliche gemischte Herde aus vier zotteligen Eseln und ebenso vielen nicht minder zerzausten Kamelen.

Wir hielten an, um dieses nicht alltägliche Bild festzuhalten. Kaum hatte ich auf den Auslöser gedrückt und wir uns wieder in Bewegung gesetzt, hinter uns durchdringendes Geschrei, ein verwegen aussehender Knabe hatte sich auf einen der Eselsrücken geschwungen und galoppierte wild gestikulierend neben uns her, laut „Bakschisch, Bakschisch“ rufend. Aha, wir hatten seine Tiere fotografiert, und das ging natürlich nicht ohne entsprechendes Entgelt, also ließen wir ein paar Lire in seine schmutzige kleine Hand gleiten, und seine Welt war wieder in Ordnung.

Das nächste Foto war wieder kostenlos, eine imposante Befestigungsanlage mit Burgruine auf einem sich aus der Ebene erhebenden einzelnen hohen Berg, die kahlen Felswände gleichmäßig gesprenkelt durch dunkelgrüne kugelige Büsche. Ein nicht weit von der Straße entfernt auftauchendes Dorf verführte uns abermals zu einem kleinen Schlenker. Wir landeten auf einem urgemütlichen Marktplatz, die Seiten beschattet von schirmförmigen Pinien, rundherum kleine Straßencafés mit, wie sollte es anders sein, palavernden und Tee trinkenden Männern; über den Platz verteilt vier aus Felssteinen gemauerte verwitterte, gleich hohe Pfeiler, vielleicht Überbleibsel aus uralten Zeiten; auf jedem ein riesiges Storchennest, die Bewohner, zum Teil mit Familie, lauthals klappernd; wieder ein lohnendes Fotomotiv, ebenso eine etwas erhöht liegende schneeweiße Moschee mit silbern in der Sonne glitzernder Kuppel und einem schlanken hohen, weiß gemauerten Minarett, beide gekrönt von einem metallenen Halbmond.

Während wir noch die Atmosphäre auf uns wirken ließen, erschien aus dem nächstliegenden Straßencafé ein junger Türke, drei Gläser heißen Apfeltee auf einem Tablett balancierend und lud uns auf Englisch ein, diesen zusammen mit ihm zu trinken, was wir natürlich gern taten. Uns auf einigen herumstehenden Stühlen niederlassend, entspann sich eine angeregte Unterhaltung in vorgenannter Sprache, natürlich interessierte ihn auch das Woher und Wohin, denn noch nie hatte sich ein deutsches Wohnmobil an jenen Ort verirrt.

Als wir uns revanchieren wollten, winkte er freundlich ab, und wir verabschiedeten uns mit den besten Wünschen. Nach einem kleinen Spaziergang entschlossen wir uns spontan, an diesem idyllischen Ort noch ein Weilchen zu verbleiben, ließen uns an einem der einladenden Tische vor einem kleinen Restaurant im Schatten der Bäume nieder, es war immerhin schon 13.00 Uhr und unsere Mägen machten sich bemerkbar. Schon bald delektierten wir uns an einer köstlichen Vorspeisenplatte. Der nette Wirt gesellte sich zu uns, es wurde französisch, englisch, deutsch und türkisch parliert, zuletzt Adressen ausgetauscht, wieder Apfeltee spendiert, zum Abschied hinterhergewinkt, ein lohnenswerter Abstecher.

Nicht weit entfernt die nächste historische Stätte, Ephesus, in der Antike bedeutende, erst griechische, dann römische Handelsstadt. Sie wurde seinerzeit einige Male verlegt, da die Hafenanlagen immer wieder versandeten. Die eindrucksvollen Ruinen, die man heute noch sieht, stammen aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.. Das ausgedehnte Gelände ganz zu erkunden, war natürlich für meinen Schatz unmöglich, also blieb er nach kurzer Zeit wieder auf einem der großen Steinbrocken zurück, während ich weiter auf Entdeckungstour ging. Breite, etwas unebene aus verschieden großen Stücken gebaute Marmorstraßen führen vorbei an zum Teil gut erhaltenen prunkvollen Fassaden und palastähnlichen Wohnkomplexen mit Treppen, mächtigen Toren und Säulen. Erstaunlich viel ist noch zu sehen von der Bibliothek des römischen Senators Celsus, auch das große Theater mit seinen 66 Sitzreihen vermittelt einen überwältigenden Eindruck. Vom berühmten Artemistempel, einem der Sieben Weltwunder der Antike, ist außer einigen Fundamentblöcken leider nichts mehr zu sehen.

Mein Schatz war während meines Ausfluges in die Geschichte inzwischen zu unserem auf dem nahen Parkplatz stehenden Mobi zurückgekehrt, und als ich voll mit Eindrücken dort wieder eintraf, rückte gerade ein junger Mann mit einem großen Eimer voller Wasser und einer Auswahl an Lappen der dicken Staubschicht auf den Leib, natürlich für ein angemessenes Bakschisch.

Seine Beschreibung des kürzesten Weges zum Strand mussten wir jedoch missverstanden haben, denn wir landeten auf abenteuerlicher unbefestigter Gebirgsstraße mit atemberaubenden Abgründen ohne Wendemöglichkeit; großes Aufatmen, als eine Abzweigung uns nach langer Irrfahrt endlich zurück an eine Hauptstraße führte. Diese brachte uns an einen riesigen, fast ganz von hohen Bergen und bewaldeten Hügeln eingerahmten See, den Bafa Gölü. Da die Hitze inzwischen mörderisch war, lechzten wir nach einer Abkühlung, kamen aber nur über einen Campingplatz an das Objekt unserer Wünsche heran.

Schon nach kurzer Zeit richteten wir uns unter Eukalyptusbäumen direkt am grasbewachsenen Ufer häuslich ein, Nachbarn weit entfernt, hinter Büschen verborgen. So schnell wie möglich warfen wir uns in die kühlenden Fluten und schwammen weit in den schimmernden See hinaus, das umliegende herrliche Panorama genießend, um anschließend im angenehmen Schatten bei spannender Urlaubslektüre zu relaxen. Die im Kühlschrank noch vorhandenen Vorräte aus der Heimat inklusive eingeschweißtem saftigen Schwarzbrot verhalfen uns zu einem leckeren Abendessen in lauer Luft. Zum ersten Mal erfüllten Klapptisch und Stühle aus dem hinteren Stauraum ihren Zweck. Noch lange ließen wir draußen bei ein paar Gläsern türkischem Wein, erstanden in einem Supermarkt in Izmir, die Seele baumeln, eine flackernde dicke Kerze schützte uns einigermaßen vor den herumschwirrenden Insekten. Über den spiegelglatten See zog der Mond seine leuchtende Bahn, ein klarer Sternenhimmel versprach wieder einen sonnigen Tag. Die Nacht wurde allerdings etwas unruhig, denn, sich allmählich steigernd, setzte ein Froschkonzert ein, dem sich immer mehr „Sänger“ aus dem nahen und fernen Schilfgürtel anschlossen, bis es in einen ohrenbetäubenden Lärm gipfelte.

Als wir nach erfrischendem Morgenbad und ausgiebigem Frühstück gegen 10.00 Uhr aufbrachen, brannte die Sonne schon wieder erbarmungslos vom Himmel, so dass wir so schnell wie möglich der türkischen Riviera, der laut Reiseprospekt türkisblauen Südküste, zustrebten. Doch zunächst stand uns wieder eine nervenzermürbende Fahrt durchs Gebirge bevor, im ersten Gang quälten wir uns 10-15%ige Steigungen empor und schlichen in engen Kurven wieder hinunter, so weit das Auge reichte, bewaldete Hügel, überwiegend niedrige Pinien, sie hoch überragend Gruppen von schlanken dunklen Zypressen, leuchtend gelbe Farbtupfer am Straßenrand mit Blüten übersäte kugelige Ginsterbüsche.

Endlich nach über 200 Kilometern tauchte tief unter uns das von einem leichten Dunstschleier überzogene Mittelmeer auf. Noch ein paar Serpentinen, und wir waren in dem hübschen Hafenstädtchen Fethiye, beherrscht von der Ruine einer gewaltigen Festungsanlage. Einst, d. h. im 4. Jahrhundert v. Chr., lag hier die lykische Stadt Telmessos; in der den Ort überragenden steilen Felswand findet man noch bemerkenswerte Felsengräber aus jener Zeit, mit dem Fernglas sind die zum Teil mit schönen tempelartigen Fassaden geschmückten Eingänge sehr gut zu erkennen. Für uns unerreichbar, deswegen wendeten wir uns schnurstracks dem Meeresufer zu.

Da wir mit dem Wagen leider nicht an den feinsandigen Strand der nahen viel gepriesenen blauen Lagune Ölü Deniz herankamen, nahmen wir halt mit dem normalen schmalen, etwas kiesigen Strandstreifen der weiten Bucht vorlieb und stürzten uns sofort mit Begeisterung in die schäumenden Fluten, dieses Vergnügen den ganzen Nachmittag ausnutzend. Zum Abendessen lud der von Weinreben umrankte Garten eines nahen Restaurants uns ein, es gab gefüllte Weinblätter, auf Holzkohle gegrillte zarte Lammkoteletts auf gemischter Gemüseplatte und zum ersten Mal ein typisch türkisches Dessert, Baklava, mit Mandeln, Nüssen und Pistazien gefüllte Blätterteigtaschen, lecker, aber mit Honig übergossen sehr süß.

Kaum hatten wir es uns in unserem Mobi am sperrangelweit offenen Heckfenster wieder bequem gemacht, wies ein vorbeikommender Polizist freundlich aber bestimmt darauf hin, dass das Übernachten am Strand strengstens verboten sei. Enttäuscht packten wir alles zusammen und fuhren im Dunkeln auf einen Gott sei Dank nahen Campingplatz. In drangvoller Enge quetschten wir uns zwischen einen Wohnwagen und ein anderes Mobi, mit dem, wie sich schnell herausstellte, ein sehr nettes etwas jüngeres Ehepaar aus Regensburg unterwegs war. Bis Mitternacht wurden bei uns an Bord bei einigen Gläschen Wein in fröhlicher Runde Erfahrungen ausgetauscht. Lautstarke Streitigkeiten im Zelt hinter uns rissen uns um 2.00 Uhr morgens aus tiefem Schlaf, ohrenbetäubendes Babygeschrei von vorne.

Schon früh am Morgen verließen wir diesen unwirtlichen Ort, um zunächst einmal am noch einsamen Strand in aller Ruhe zu frühstücken. Wie unsere Landkarte uns übrigens zeigte, waren es von unserem Standpunkt aus nur etwa 75 km Luftlinie bis zur Nordspitze von Rhodos, der Hauptinsel der der Ägäischen Küste vorgelagerten Inselkette der Südlichen Sporaden, die, bestehend aus 13 größeren und einer Vielzahl kleiner Inseln zusammen den so genannten Dodekanes bilden, überwiegend in griechischem Besitz. Die Sonne lachte bereits wieder vom wolkenlosen tiefblauen Himmel. Entsprechend gelaunt brachen wir eine halbe Stunde später auf, um schon nach kurzer Zeit, umringt von einer in allen Stimmlagen meckernden riesigen Ziegenherde, schneeweiß die einen, die Böcke schwarz und zottelig mit dicken gewundenen Hörnern, nur noch im Schleichgang voranzukommen. Auf dem bunten Markt in Fethiye deckten wir uns noch mit frischem Obst, Käse, Brot und Getränken ein, ein paar Flaschen trockener Rotwein durften auch nicht fehlen.

 

Dann stand uns eine herrliche Fahrt auf gut ausgebauter Straße durch eine unbeschreiblich schöne Gebirgslandschaft, die Ausläufer des quer zur Küste verlaufenden Taurusgebirges, bevor. Fast 300 Kilometer, immer wieder auf weit geschwungenen, dann engen Serpentinen auf- und absteigend, teils durch dichten Pinienwald, teils an atemberaubenden Abgründen entlang, am Straßenrand wunderschön in kräftigem Rosa blühender wilder Oleander, aus der Ferne grüßte von links ein schneebedeckter Zweitausender, während rechts tief unter uns das weite, tatsächlich türkisblaue Mittelmeer in der Sonne glitzerte. Dann tauchten wir ein in ein fruchtbares Tal mit unübersehbaren Zitrusplantagen.

Am Nachmittag Ankunft in