Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler

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DAS LEBEN DES MALERS LAZZARO VASARI AUS AREZZO

Vita di Lazaro Vasari Aretino. Pittore (1568)

Es bereitet wirklich große Genugtuung, einen Vorfahren in der Familie zu haben, der in irgendeinem Beruf, sei es an den Waffen, in einer geistigen Tätigkeit, in der Malerei oder welcher vornehmen Beschäftigung auch immer, herausragend und berühmt gewesen ist. Solche Menschen haben allein aus dem Grund, daß einer ihrer Ahnen in den Geschichtsbüchern ehrenvoll erwähnt wird, zumindest einen Anreiz zu rechtschaffenem Handeln und auch eine Hemmung, Dinge zu tun, die einer Familie, die so hervorragende und hochberühmte Persönlichkeiten hervorgebracht hat, unwürdig wären.1 Wie groß diese Genugtuung ist, die ich eingangs erwähnte, vermag ich selbst nachzuempfinden, da unter meinen Vorfahren der Maler Lazzaro Vasari2 war, der zu seiner Zeit nicht nur in seinem Heimatort, sondern in der ganzen Toskana berühmt gewesen ist; und sicher nicht ohne Grund, wie ich sehr wohl aufzeigen könnte, wenn es mir, wie im Fall der anderen, gestattet wäre, freimütig über ihn zu berichten. Da ich aber vom gleichen Blut bin, könnte man leicht auf den Gedanken kommen, ich würde mit einem Lob auf ihn übers Ziel hinausschießen. Seine Verdienste und die seiner Familie deshalb beiseite lassend, werde ich nur darauf eingehen, was hier auf keinen Fall verschwiegen werden kann und darf, will ich dem Wahren, von dem alle Geschichte abhängt, nicht Unrecht tun.

Der Maler Lazzaro Vasari aus Arezzo also war ein sehr guter Freund von Piero della Francesca3 aus Borgo San Sepolcro, mit dem er sich regelmäßig traf, als jener, wie gesagt, in Arezzo arbeitete. Wie so häufig brachte ihm diese Freundschaft nur Vorteile, denn wo Lazzaro zuvor getreu dem damaligen Brauch in diversen Werken ausschließlich kleine Figuren ausführte, begann er durch Piero della Francesca sich auch größeren Werken zuzuwenden. Sein erstes Werk in Fresko war ein Heiliger Vinzenz in San Domenico in Arezzo, in der zweiten Kapelle linker Hand vom Eingang der Kirche, zu Füßen desselben er sich zusammen mit seinem jugendlichen Sohn Giorgio4 in ehrbaren Gewändern aus jener Epoche auf Knien malte, wie sie sich jenem Heiligen anempfehlen, weil der Jüngling sich aus Unachtsamkeit mit einem Messer im Gesicht verletzt hat. Auch wenn sich keinerlei Inschrift darauf findet, bestätigten doch die Erinnerungen der Alten in unserer Familie und der Umstand, daß es das Wappen der Vasari trägt, den allgemeinen Glauben, daß es sich um ein Werk von ihm handelt. Davon muß es in jenem Konvent zweifellos Aufzeichnungen gegeben haben, weil aber ihre schriftlichen Zeugnisse und alles andere immer wieder von Soldaten zerstört worden sind, wundere ich mich nicht [über ihr Fehlen].5 Lazzaros Stil ähnelte dem von Pietro Borghese [Piero della Francesca] so sehr, daß zwischen dem einen und dem anderen kaum ein Unterschied zu bemerken war.6 Zu seiner Zeit war es üblich, die Harnische der Pferde mit verschiedenen Dingen und auch mit Wappenelementen zu bemalen, die jene, die sie trugen, auswiesen. Darin war Lazzaro ein vorzüglicher Meister, vor allem weil es ihm lag, mit großer Anmut kleine Figuren zu malen, die sich auf solchen Harnischen sehr gut ausnahmen.7 Lazzaro gestaltete für Niccolò Picci[ni]no8 und seine Soldaten und Hauptleute viele mit Szenen und Impresen angefüllte Werke, die jene in Ehren hielten und ihm so viel einbrachten, daß es ihm der daraus gewonnene Erlös ermöglichte, die meisten seiner Brüder wieder nach Arezzo zu holen, die in Cortona lebten und dort der Herstellung irdener Vasen nachgingen. Ebenfalls aus Cortona holte er seinen Neffen Luca Signorelli zu sich, den Sohn seiner Schwester, der eine schöne Begabung besaß und den er deshalb bei Pietro Borghese unterbrachte, damit er die Kunst der Malerei erlernen würde, was ihm ganz ausgezeichnet gelang, wie an entsprechender Stelle zu berichten sein wird.9Lazzaro selbst widmete sich unaufhörlich dem Studium der Kunst und wurde mit jedem Tag vortrefflicher, wie einige sehr gute Zeichnungen von seiner Hand bezeugen, die in unserem libro sind.10 Und weil er großen Gefallen an natürlichen Effekten und [der Darstellung von] Gefühlszuständen hatte und daher das Weinen, Lachen, Schreien, die Angst, das Zittern und Vergleichbares mehr hervorragend zum Ausdruck brachte, sind seine Malereien voll mit solchen Einfällen, wie man in einer kleinen Kapelle in San Gimignano in Arezzo sehen kann, die von seiner Hand freskiert ist; dort ist ein gekreuzigter Jesus und zu Füßen des Kreuzes die Madonna, der Heilige Johannes und Magdalena dargestellt, die in unterschiedlichen Haltungen auf so lebendige Art und Weise weinen, daß ihm dies unter seinen Landsleuten Ansehen und Ruhm einbrachte.11 Für die Bruderschaft von Sant’Antonio in derselben Stadt malte er auf Tuch ein Banner, das zur Prozession getragen wird; darin schuf er einen nackt an die Säule gefesselten Jesus Christus auf so lebendige Weise, daß er zu zittern scheint und, die Schultern ganz zusammengezogen, mit unglaublicher Demut und Gefaßtheit die Schläge erduldet, die ihm zwei Juden austeilen. Einer der beiden, wieder auf die Füße gekommen und mit dem Rücken zu Jesus, holt mit grausamster Geste mit beiden Händen aus; der andere, im Profil gegeben, richtet sich auf die Zehenspitzen auf und schlägt, die Peitsche fest mit den Händen umklammernd und zähnefletschend, mit solcher Wut zu, daß Worte nicht ausreichen, um es zu beschreiben.12 Lazzaro malte die beiden in zerfetzten Kleidern, weil er so den nackten Körper besser wiedergeben konnte und es ihm hier schlicht genügte, ihre Scham und weniger sittliche Stellen zu bedecken. Dieses auf Stoff gemalte Werk hat viele Jahre überdauert und sich bis heute erhalten (was ich erstaunlich finde), und weil es so schön und von guter Qualität war, haben die Angehörigen jener Bruderschaft vom französischen Prior eine Kopie anfertigen lassen, worüber wir an passender Stelle berichten werden.13 Lazzaro wurde auch in der Kirche der Serviten in Perugia tätig, wo er in einer Kapelle neben der Sakristei einige Szenen mit der Madonna und ein Kruzifix schuf und in der Pieve von Montepulciano eine Predella mit kleinformatigen Figuren.14 In Castiglione Aretino führte er mit Temperafarben eine Tafel für San Francesco aus und viele weitere Werke, über die ich der Kürze halber nicht berichten werde, darunter insbesondere eine große Zahl von Truhen in den Häusern der Stadtbewohner, die er mit kleinen Figuren bemalte.15 Im Sitz der Florentiner Guelfenpartei sieht man unter dem alten Waffenzeug einige von ihm gestaltete Harnische, die sehr gut gearbeitet sind.16 Außerdem schuf er für die Bruderschaft von San Sebastiano auf einem Banner nämlichen Heiligen an der Säule und einige Engel, die ihn krönen; heute ist es allerdings beschädigt und mittlerweile ganz verschlissen.17

Zu Lazzaros Zeit führte der junge Aretiner Fabiano Sassoli in Arezzo Glasfenster aus, worauf er sich sehr gut verstand, wie die Werke bezeugen, die er in der Bischofskirche, der Abtei, der Pieve und an anderen Orten jener Stadt geschaffen hat.18 Sein disegno ließ jedoch zu wünschen übrig und er vermochte jenen, die Parri Spinelli herstellte, nicht viel hinzuzufügen.19 Weil er sich gut auf das Brennen des Glases und das Zusammensetzen und Einfassen der Stücke verstand, wollte er nun auch ein Werk mit einer vernünftigen Malerei schaffen, wofür er sich von Lazzaro nach dessen Vorstellung zwei Kartons für zwei Fenster in der [Kirche] Madonna delle Grazie ausführen ließ. Nachdem er selbige von Lazzaro erhalten hatte, der sein Freund war und ein zuvorkommender Künstler, führte er sie so schön und wohlgestaltet aus, daß sie den Vergleich mit anderen Werken nicht scheuen müssen. Das eine zeigt eine sehr schöne Madonna, das andere und um einiges bessere eine Wiederauferstehung Christi mit einem verkürzt dargestellten Waffenträger, was angesichts des kleinen Fensters und der entsprechenden Malerei ein Wunder ist, wenn man sieht, wie jene Figuren auf so kleinem Raum derart groß erscheinen.20 Ich könnte noch viele andere Dinge über Lazzaro sagen, der hervorragend zeichnete, wie man es an einigen Blättern in unserem libro sehen kann; weil ich aber zu dem Schluß gekommen bin, daß es so besser ist, werde ich über sie schweigen.21

Lazzaro war ein angenehmer Zeitgenosse, der sich höchst geistvoll auszudrücken wußte; und obwohl er sich durchaus gerne dem Vergnügen hingab, hat er sich doch niemals von einer aufrechten Lebensweise abbringen lassen. Er wurde zweiundsiebzig Jahre alt22 und hinterließ seinen Sohn Giorgio, der sich stets mit antiken Aretiner Tonvasen beschäftigt hat. So hat er zu der Zeit, als Messer Gentile aus Urbino, der Bischof von Arezzo,23 in jener Stadt weilte, die Technik der rot- und schwarzfigurigen Tonvasen wiederentdeckt, welche die alten Aretiner seit der Zeit von König Porsenna24 ausgeführt haben.25 Rührig wie er war, schuf er auf der Drehscheibe Vasen in der Größe von ungefähr eineinhalb Ellen, die man in seinem Haus noch heute sehen kann.26 Es heißt, er sei auf der Suche nach Vasen an einer Stelle, wo er die antike Werkstätte vermutete, auf einem Feld mit Tonerde nahe der Brücke bei Calciarella, wie dieser Ort heißt,27 drei Ellen unter der Erde auf drei Bögen der antiken Brennöfen gestoßen und ringsherum auf viele zerbrochene und vier unversehrte Gefäße aus jenem Tongemisch; letztere machte Giorgio, eingeführt durch den Bischof, Lorenzo de’ Medici anläßlich seines Besuches in Arezzo zum Geschenk, und dies war der Anlaß, daß er in die Dienste jener glänzenden Familie trat und dann immer bei ihr blieb.28 Giorgio arbeitete plastisch ganz hervorragend, wie man es in seinem Haus an einer Reihe von Köpfen sehen kann, die er geschaffen hat.29

 

Er hatte fünf Söhne, die alle dasselbe Handwerk ausübten; zwei von ihnen, Lazzaro und Bernardo, waren gute Künstler, wobei letzterer noch als junger Mann in Rom starb. Und hätte ihn der Tod nicht so frühzeitig dem Schoß seiner Familie entrissen, würde er seiner Heimat dank der geschickten und wachen Begabung, die er zeigte, sicher Ehre gemacht haben.30 Der alte Lazzaro starb 145231 und sein Sohn Giorgio mit achtundsechzig Jahren 1484;32 beide wurden in der Pieve von Arezzo zu Füßen ihrer dem Heiligen Georg geweihten Kapelle bestattet, wo zu Ehren von Lazzaro nach einiger Zeit folgende Verse angebracht wurden:

DAS BERÜHMTE LAND VON AREZZO MÖGE FROHLOCKEN.

DENN AUCH IN BESCHRÄNKTEN DINGEN UND IM KLEINEN [VERLOHNT] DIE MÜHE.

KAUM KÖNNTEST DU VON DEN WERKEN DIESES [MANNES] DIE TEILE WAHRNEHMEN.

ES SCHWEIGE MYRMEKIDES, UND KALLIKRATES SOLL STILL SEIN!33

Schließlich hat der letzte Giorgio Vasari, Verfasser der vorliegenden Geschichte,34 dankbar für die Vorteile, die er vorwiegend dem Verdienst seiner Ahnen zuschreibt, als er, wie in der Vita von Piero Laurati berichtet, von seinen Mitbürgern, den Verwaltern der Kirche und den Kanonikern die Hauptkapelle besagter Pieve als Geschenk erhielt und diese sich in dem beschriebenen Zustand befand, in der Mitte des Chores, der hinter dem Altar liegt, eine neue Grabstätte eingerichtet.35 Und in diese überführte er aus ihren ursprünglichen Gräbern die Überreste von Lazzaro und Giorgio dem Älteren und auch die aller anderen Angehörigen besagter Familie, Frauen wie Männer, und schuf so eine neue Ruhestätte für alle Nachkommen der Familie Vasari.36 Auch den Leichnam der Mutter, die im Jahr 1557 in Florenz verstarb und einige Jahre in Santa Croce ruhte,37 hat er, ihrem Wunsch nachkommend, zusammen mit Antonio, ihrem Gatten und seinem Vater, der 1527 an der Pest gestorben war, in besagtes Grab überführen lassen.38 In der Predella unterhalb der Tafel besagten Altars sind die von besagtem Giorgio ausgeführten naturgetreuen Porträts des Lazzaro und seines Ahnen Giorgio dem Älteren, von seinem Vater Antonio und von Maria Madalena de’ Tacci, die seine Mutter war.39 Und dies sei das Ende der Vita des Malers Lazzaro Vasari aus Arezzo, et cetera.

Ende der Lebensbeschreibung des Malers Lazzaro Vasari aus Arezzo.


Einleitung zum Leben des Bartolomeo Bellano

Als »hingebungsvoller Schüler« und »künstlerischer Erbe des Florentiners Donatello« findet der Bildhauer Bartolomeo Bellano aus Padua Eingang in die Vite Vasaris; eine Ehre, die keinem weiteren Donatello-Nachfolger zuteil geworden ist. Obwohl Vasari in den Vite nach Vollständigkeit strebte und deshalb auch viele weniger gute Maler in seine Künstlersammlung aufnahm, erlaubte er sich bei den Bildhauern einige Lücken. Ganz offensichtlich mangelte es ihm an Interesse an der im Paragonewettstreit zwischen Malerei und Bildhauerei nur zweitplazierten Kunst und in diesem Fall auch an einer dauerhaften näheren Betrachtung Paduas. Der Bildhauerstar des frühen 16. Jahrhunderts und Schüler Bellanos aus der lombardischen Stadt, Andrea Riccio, wird in den Vite jedenfalls eher beiläufig erwähnt.1

Bellano habe Donatello eifrig nachgeahmt und angeblich von diesem, als er Padua wieder verließ, Werkzeuge, Skizzen und Materialien hinterlassen bekommen, weshalb eine Unterscheidung ihrer beider Werke in der Santo-Basilika nur für einen Kenner möglich sei. Vasari malt diese Idee der künstlerischen Erbschaft in den ersten Abschnitten der Vita weitschweifend aus. Doch irrt Vasari mit der Behauptung, Bellano habe die Bronzereliefs an den Chorschranken der Santo-Basilika in Padua nach Entwürfen Donatellos gefertigt oder nahtlos nach der Abfahrt des Meisters seine Aufträge übernommen. Die Tafeln wurden erst zwanzig Jahre nach Donatellos Tod (und nachdem andere Künstler abgesagt hatten) bei Bellano in Auftrag gegeben. Sie unterscheiden sich deutlich von den Hochaltarreliefs seines Lehrers in derselben Kirche.

Es trifft zu, daß der Goldschmiedesohn Bellano in jungen Jahren bei Donatello in Padua in die Lehre gegangen war, wie Vasari erzählt. Umso erstaunlicher, daß der Biograph trotz seines ausgeprägten Toskozentrismus offensichtlich keine Kenntnisse von Bellanos Florentiner Arbeitsjahren besaß. Bellano blieb wohl in der Werkstatt seines Meisters auch nach Abschluß der Aufträge in Padua. Er wird in Florenz bei Donatellos Bronzegruppe Judith und Holofernes im Auftrag Piero de’ Medicis und bei den Bronzekanzeln für San Lorenzo geholfen haben und womöglich erst nach dem Tod Donatellos, 1466 also, nach Padua zurückgekehrt sein.

Tatsächlich übernahm Bellano einen anderen Auftrag von seinem 1466 verstorbenen Meister. Er fertigte die Ende des 18. Jahrhunderts leider eingeschmolzene Sitzstatue von Paul II. für eine Nische am Dom von Perugia an (und wird in diesem Zusammenhang als »Magister Bellanus de Florentina« erwähnt). Vasari berichtet von diesem prestigeträchtigen Unterfangen, stellte aber keine Verbindung zu Donatello her. Statt dessen vermutet er einen Direktauftrag des aus Venedig stammenden Papstes Paul II., der Bellano laut Vasari auch nach Rom kommen ließ, um vatikanische Bauvorhaben und Bildhauer- und Architektenarbeiten durchführen zu lassen. Die Rom betreffenden Informationen über Bellano waren dem Biographen bei seinen Recherchereisen für die zweite Edition der Vite untergekommen.

Schon 1550 erzählte Vasari den durch Dokumente nicht zu belegenden Schwank, die Signoria von Venedig habe für das Colleoni-Reiterstandbild sowohl Andrea del Verrocchio als auch Bellano beauftragt, was zur Zerstörung des Modells durch Verrocchio geführt haben soll.

Bellano war in der Lagunenstadt als Bronzegießer geschätzt und als solcher bis nach Konstantinopel geschickt worden. Auch Vasari lobt ihn für seine technischen Fähigkeiten im Guß und suggeriert, indem er sich am Anfang der Vita auf die Beschreibung der Samson-Tafel konzentriert, daß er vor allem in Bronze gearbeitet habe. Zwar erzählt er auch von dessen Liebe zur Architektur und gibt mit der Erwähnung von Medaillen und kleinen Werken in Marmor und Bronze einen Hinweis darauf, daß Bellano (neben Riccio) heute zu Recht als Vater der Kleinbronzen gilt. Sicher wirkte er aber auch in Terrakotta, Stein und Holz.

Nicht bekannt war dem Biographen das vielfigurige Steingrabmal in der Paduaner Eremitanerkirche oder der Reliquienschrank in der Santo-Basilika, an dem er Bellanos Eselswunder des Heiligen Antonius mit Donatellos Interpretation am Hauptaltar hätte vergleichen können.

Auch das nach Donatellos Altar im Santo größte Bronzeprojekt der Stadt und Bellanos eigentliches Spät- und Hauptwerk, das (nicht im ursprünglichen Zusammenhang erhaltene) Grabmonument für den venezianischen Gelehrten Pietro Roccabonella in San Francesco, wird von Vasari nicht erwähnt. Marcantonio Michiel berichtet noch vor der ersten Vitenausgabe davon (Michiel, Ed. Frimmel, Notizie d’opere del disegno, 1521–1543, S. 14).

Auch wenn er bedeutende Aufträge an sich zog, war Bellano schon zu Lebzeiten einiger Kritik ausgesetzt: Im Rechtsstreit mit dem Erben des Auftraggebers des Solimani-Grabmals wurde ihm (wenn auch wohl eher, um den Preis zu drücken) Unfähigkeit vorgeworfen, und in Konstantinopel, wohin ihn ein Auftrag führte, bat der Sultan um einen weiteren, besseren Bronzegießer. Der Humanist Pomponius Gauricus bezeichnete Bellano in seinem Traktat De sculptura 1504 als »ineptus artifex«, als ungeschickten Künstler (Gauricus, De sculptura, S. 254). Valerio Polidoro erwähnt ihn 1590 immerhin als einen im Jahr 1488 sehr geschätzten Bildhauer (Polidoro 1590, Kapitel XVIII, S. 15).

Vasari interessiert sich für Bellano als Skulpteur und Nachahmer Donatellos, der aber keinen eigenen Stil entwickelt habe. Für seine Heimatstadt Padua, in der er sehr geschätzt wurde, habe dies aber zum Erfolg gereicht.

AZ

DAS LEBEN DES BILDHAUERS BELLANO AUS PADUA

Vita di Vellano da Padova. Scultore (1568)

Solche Macht hat das Wiedergeben einer mit Liebe und Fleiß gemachten Sache,1 daß in den meisten Fällen, wenn der Stil einer unserer Künste von denen, die an den Werken eines [Meisters] Gefallen finden, gut nachgeahmt wird, das nachahmende Werk dem nachgeahmten in einer Weise ähnlich ist, daß kein Unterschied zu erkennen ist, es sei denn von jemandem mit ungewöhnlich gutem Auge; und nur selten wird ein hingebungsvoller Schüler sich nicht zumindest in weiten Teilen den Stil seines Meisters aneignen können. Bellano aus Padua2 bemühte sich denn mit solchem Fleiß darum, Donatellos Stil und Arbeitsweise in der Bildhauerei und vor allem in den Bronzeskulpturen zu imitieren, daß er in seiner Heimat Padua zum künstlerischen Erben des Florentiners Donatello wurde, wie es seine Werke im Santo beweisen; weil diese fast jeder, der nicht vollständig informiert ist, für Werke Donatellos hält, bleiben sie, wenn sie nicht aufklärt werden, auf Dauer in ihrem Irrtum befangen.3

Befeuert von dem vielen Lob, das er über den Florentiner Bildhauer Donatello hörte, als jener damals in Padua arbeitete, und von dem Verlangen nach Gewinn, wie ihn gute Künstler dank vortrefflicher Werke erzielen, schloß er sich Donatello an, um die Bildhauerei zu erlernen,4 und verschrieb sich dieser in einer Weise, daß er sein Vorhaben mit Hilfe eines solchen Meisters am Ende umsetzen konnte. Bevor Donatello dann im Anschluß an die Fertigstellung seiner Werke aus Padua abreiste, hatte jener in der Kunst bereits solche Fortschritte gemacht und in seinem Meister so hohe Erwartungen und Hoffnungen geweckt, daß dieser ihm zu Recht alles Handwerkszeug, dazu die Entwürfe und Modelle für die Szenen hinterließ, die rings um den Chor der Santo-Basilika jener Stadt in Bronze auszuführen waren. Dies war auch der Grund, weshalb man Bellano nach Donatellos Abreise zu seiner großen Ehre in der Heimat das gesamte Werk öffentlich in Auftrag gab.5 Er schuf also alle Bronzeszenen, die sich an der äußeren Chorseite der Santo-Basilika befinden, darunter unter anderem die Szene, in der Samson die Säule umfaßt und dadurch den Tempel der Philister zum Einsturz bringt; da sieht man die Trümmerteile vorschriftsgemäß herabstürzen, und so auch den Tod derart vieler Leute, dazu der Variantenreichtum der Haltungen derer, die durch den Einsturz oder aus Angst den Tod finden, was Bellano auf wunderbare Weise zum Ausdruck gebracht hat.6 Am selben Ort befinden sich mehrere Wachsmodelle und Entwürfe für diese Werke, wie auch ein paar Bronzekandelaber, die er mit viel Urteil und Erfindungskraft gestaltet hat.7 Und wie man sieht, war dieser Künstler von dem Wunsch beseelt, Donatellos Klasse zu erreichen, was ihm allerdings nicht gelang, weil er sich in einer höchst komplizierten Kunst ein zu hohes Ziel gesteckt hat. Bellano begeisterte sich auch für die Architektur, ein Beruf, den er mehr als nur leidlich ausübte, weshalb er im Jahr 14648 zur Zeit des venezianischen Papstes Paul nach Rom ging, wo Giuliano da Maiano9 als Architekt für den Pontifex die vatikanischen Bauvorhaben leitete und auch er in diversen Projekten eingesetzt wurde. Unter den Werken, die er hier schuf, stammen von seiner Hand die Wappen, die dort von jenem Papst, samt seinem Namen, zu sehen sind. Außerdem schuf er am Palast von San Marco viele der Verzierungen an jenem Bau für denselben Papst, dessen Kopf von der Hand Bellanos sich am oberen Treppenende befindet.10 Derselbe entwarf vor Ort noch einen herrlichen Innenhof mit einem komfortablen und bequemen Treppenaufgang. Das alles blieb jedoch durch den plötzlichen Tod des Papstes unvollendet.11 In der Zeit, die er in Rom verbrachte, schuf Bellano für besagten Papst und für andere viele kleine Werke aus Marmor und Bronze, die ich allerdings nicht finden konnte.12 Derselbe schuf in Perugia eine überlebensgroße Bronzestatue, in der er besagten Papst sitzend und naturgetreu im Pontifikalgewand darstellte und unten seinen Namen und das Jahr der Ausführung anbrachte. Diese Figur steht in einer Nische aus verschiedenen, sehr sorgfältig bearbeiteten Gesteinssorten an der Außenseite des Portals von San Lorenzo, dem Dom jener Stadt.13 Er schuf viele Medaillen, von denen noch immer einige Exemplare zu sehen sind, darunter vor allem jene des besagten Papstes und die von Antonio Rosello, einem Aretiner, und Battista Platina, die beide seine Sekretäre waren.14

 

Im Anschluß an diese Werke kehrte Bellano mit hervorragendem Ruf nach Padua zurück, wo er nicht nur in der eigenen Heimat Wertschätzung genoß, sondern in der gesamten Lombardei und trevisanischen Mark, weil diese Gegenden bis zum damaligen Zeitpunkt noch keine vortrefflichen Künstler besaßen und auch weil er hervorragende Erfahrung im Metallguß vorzuweisen hatte.15 Bellano war schon alt, als die Signoria von Venedig den Beschluß faßte, das bronzene Reiterstandbild des Bartolomeo da Bergamo ausführen zu lassen, und bei dem Florentiner Andrea del Verrocchio das Pferd und bei Bellano die Figur in Auftrag gab. Als Andrea davon hörte, der davon ausgegangen war, das ganze Werk zu übernehmen, weil er sich, wie es durchaus zutraf, für einen besseren Meister als Bellano hielt, wurde er so wütend, daß er das bereits vollendete Pferdemodell komplett in Stücke schlug und nach Florenz abreiste. Später rief ihn die Signoria zurück, um ihn mit der Ausführung des gesamten Werks zu beauftragen, weshalb er dann zurückkam, um es zu vollenden.16 Über diese Angelegenheit grämte Bellano sich so sehr, daß er aus Venedig abreiste, ohne auch nur ein Wort zu verlieren oder sich in irgendeiner Form darüber zu beschweren, und kehrte nach Padua zurück, wo er den Rest seines Lebens in Ehren verlebte und sich mit den geschaffenen Werken beschied und damit, in seiner Heimat stets geliebt und verehrt zu werden.

Im Alter von zweiundneunzig Jahren starb er und wurde in der Santo-Basilika mit jener Ehrerbietung beigesetzt, die seinem Verdienst, sich und der Heimat Ehre gemacht zu haben, rechtmäßig zustand.17 Sein Porträt haben mir einige meiner Freunde aus Padua geschickt, die es ihrerseits, wie sie mir sagten, von dem hochgelehrten und hochwürdigen Kardinal Bembo hatten, dessen Liebe für unsere Künste der Überlegenheit gleichkam, die ihn vor allen anderen Menschen unseres vortrefflichen Zeitalters in den erlesensten Qualitäten von Körper und Geist auszeichnete.18

Ende der Lebensbeschreibung des Bildhauers Bellano aus Padua.