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Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Erster Band.

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Ein lauter, jubelnder Ruf von der Straße aus unterbrach sie hier, und als Beide an das Fenster traten, sahen sie, wie Oskar eben einen sehr hübschen Rappen, der unter ihm sprang und tanzte, gerade vor dem Fenster parirte und ihn auf und ab galoppiren ließ.

»Da hast Du die Anlage des neuen Capitals,« sagte Helene ruhig – »ich kenne das Pferd; es hat früher dem Director gehört und ist von ihm um 160 Milreis verkauft worden. Billiger hat es Oskar auf keinen Fall bekommen, und wahrscheinlich noch Sattel und Zaum besonders bezahlt. Das sind die neuen Ersparnisse.«

»Ich will doch nicht hoffen!« rief die Gräfin, wirklich erschreckt. Oskar aber war indessen aus dem Sattel gesprungen, hatte sein Pferd, das noch ungeduldig den Boden scharrte, an den Baum unten befestigt und kam jetzt mit flüchtigen Sätzen die Treppe herauf und in's Zimmer.

»Nun, wie gefällt Euch mein neues Pferd?« rief er hier triumphirend aus – »nicht wahr, das ist ein Prachtrappe? Jetzt, Helene, wollen wir wieder einmal zusammen reiten, und Du sollst sehen, wie ich Dir mit dem da unten davon laufe. So wie Jeremias kommt, soll er Deinen Schimmel satteln, und dann können wir's gleich versuchen.«

»Und das Pferd hast Du gekauft?« fragte die Mutter erschreckt.

»Nun, glaubst Du, daß es mir Jemand geschenkt hätte?« lachte Oskar – »aber es ist spottbillig. Denke Dir, Helene, ich habe nur sechszig Milreis mehr dafür gezahlt, wie ich für meinen Braunen bekommen habe – sechszig Milreis und Sattel und Zaum dazu, für das Prachtthier! Es ist der beste Renner in der Colonie – aber was habt Ihr denn nur um Gottes Willen? Ihr steht ja Beide da, als ob irgend ein Unglück geschehen wäre!«

Die Gräfin hatte sich auf den nächsten Stuhl gesetzt und seufzte tief auf, Helene aber sagte ruhig:

»Und wovon willst Du diese sechszig Milreis bezahlen, wenn man fragen darf?

»Fragen darf?« sagte Oskar trotzig – »fragen darf man schon, aber wenn ich Dir nun antworte: Was geht Dich das an?«

»Und wenn ich Dich nun frage, mein Herr Leichtfuß?« rief die Gräfin, indem sie mit zusammengezogenen Brauen zu ihm aufsah; »ich hoffe doch, daß ich wenigstens das Recht dazu habe.«

»Allerdings, Mama,« lachte Oskar, »denn Du bist ja mein Cassirer – dann werde ich Dir also einfach antworten, das macht Alles meine gütige Mutter ab.«

»Und darin könntest Du Dich dieses Mal verrechnet haben!« rief die Gräfin rasch und ärgerlich; »Deine Verschwendung geht in das Bodenlose, und ich habe nicht länger Lust, mich Deinethalben nur immer in neue Sorgen und Verlegenheiten zu stürzen.«

»Huih!« sagte Oskar, erstaunt von Mutter zu Schwester und wieder zurücksehend – »da bin ich ja, wie es scheint, zu sehr unrechter Zeit in eine Familienberathung über Wirthschaftsangelegenheiten hineingekommen, wo aller Wahrscheinlichkeit nach ein neuer Hausplan entworfen wird. Bitte tausendmal um Entschuldigung daß ich gestört habe« – und seine Mütze aufgreifend, sprang er, so rasch er gekommen, die Treppe wieder hinab, machte unten sein Pferd los, setzte sich auf und galoppirte im nächsten Momente wieder in voller Flucht und was das Pferd laufen konnte, die Straße hinab.

»Das muß anders werden,« seufzte die Mutter, »das muß anders werden oder der Junge richtet uns vollständig zu Grunde!«

»Noch vollständiger?« sagte Helene, und ein bitteres Lächeln zuckte um ihre Lippen.

»Die einzige Möglichkeit,« fuhr die Mutter fort, »ist, ihn durch eine regelmäßige Beschäftigung zu binden. Er soll und muß erst einmal lernen, was es heißt sich sein Brod selber zu verdienen. Hat er das, dann wird er auch das Geld mehr zu Rathe halten – er wird geizig werden und sparen – Du glaubst es nicht? Du sollst sehen, ich bringe ihn noch dahin, daß er ein Zwanzigerstück dreimal in der Hand herumdreht, ehe er es ausgiebt.«

»Und wann soll diese Arbeit beginnen?« fragte Helene, die nur zu oft schon die guten Vorsätze ihrer Mutter, was die Erziehung des Bruders betraf, hatte anhören müssen und ihre vollkommene Gehaltlosigkeit zur Genüge kannte.

»Ich will heute noch mit Herrn von Pulteleben sprechen,« sagte die Gräfin, selber gern bereit, das trostlose Thema abzubrechen; »er hat mich ja sogar dringend gebeten, ihm eine Anlage für ein Capital zu rathen; ich bin es ihm sogar schuldig, daß ich ihn von unserm Plan in Kenntniß setze, und ich zweifle keinen Augenblick, er wird mit Freuden zugreifen. Wäre er doch auch ein Thor, wenn er es nicht thäte, denn nicht jedem jungen Fremden wird eine solche Aussicht geboten, wie er nur kaum das fremde Land betreten hat.«

»Es ist gut,« seufzte Helene, »gehe nur um Gottes willen sicher in der Ausführung, daß der Fremde nicht später glauben könnte, Du habest nur sein Geld zu Deinen Zwecken benutzt; es wäre fürchterlich, wenn es fehl schlüge.«

»Es schlägt nicht fehl, Helene, oder ich müßte zum ersten Mal in meinem Leben in – doch es ist nicht nöthig, Weiteres darüber voraus zu bereden. Laß mich jetzt allein, mein Kind, ich werde das Mädchen hinauf schicken und unsern Gast ersuchen lassen, zu mir zu kommen. In einer Stunde ist Alles abgemacht. Noch Eins,« fuhr sie fort, als sich Helene schweigend wandte, um ihr eigenes Zimmer aufzusuchen – »wer ist denn jener unverdrossene Violinspieler, der Dir fast jeden Abend ein kurzes Ständchen bringt?

»Gott weiß es!« sagte Helene achselzuckend – »ich wenigstens kenne ihn nicht. Er spielt übrigens vortrefflich!«

»Von den Neuangekommenen kann es Niemand sein, denn wenn ich nicht irre, war er schon den Abend vorher unter Deinem Fenster. Er muß also jedenfalls in die Ansiedelung gehören.«

»Möglich.«

»Und hat Dir Niemand hier besondere Aufmerksamkeit erwiesen?«

»Niemand.«

»Sonderbar – Oskar, der Übermuth, hat sich neulich um den Garten geschlichen, um den nächtlichen Musikanten zu entdecken, aber ich weiß nicht, was ihm geschehen sein muß, denn er kam ganz still wieder zurück und sagte, er hätte ihn nicht gefunden, was eigentlich kaum möglich ist. Diese Aufmerksamkeit fängt an, mir lästig zu werden; ich werde sie mir nächstens einmal verbitten.«

Helene antwortete nicht, sondern nahm ihr Buch auf und schritt ihrem eigenen Zimmer zu.