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Aus dem Matrosenleben

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Sechszehntes Capitel.
Der Morgenbesuch

Durch das Feuerschlagen war Timor wach geworden und richtete sich ebenfalls auf. Es schien ihm aber zu frisch außerhalb der Decke, und noch halb im Schlaf sah er nur einmal über den Bootsrand weg neben dem er lag, nach dem Lande zu, und wickelte sich dann wieder, so warm es ihm möglich war, ein.

Bill wußte nun allerdings recht gut daß er die Wacht hatte, und nicht allein munter bleiben, sondern auch aufpassen mußte; aber es war ihm nur eine höchst unbestimmte Idee, auf was eigentlich. Canoes hatten sie am Abend vorher nicht gesehen, und so dunkel wie es jetzt geworden war, sollte es den Wilden, wenn überhaupt welche an der Küste hausten, sehr schwer werden das fremde Boot zu finden. Keinenfalls hätten sie aber so geräuschlos anrudern können, daß sie von ihm nicht bemerkt wären, und in dieser Hinsicht fühlte er sich auch vollkommen beruhigt.

Das Wetter sah ebenfalls günstig aus, denn obgleich sich am Himmel hie und da dichte Wolken sammelten, versprachen die mehr einen möglichen Regenschauer als viel Wind. Ueberdies lagen sie hier durch das Land durchaus geschützt, und brauchten nicht das mindeste für ihr kleines Boot zu befürchten. Die Wacht versprach also, ebenso wie die übrigen drei, ohne das mindeste Außergewöhnliche abzulaufen. Nichtsdestoweniger setzte er sich so, daß er den schmalen Wasserstreifen, der zwischen dem festen Land und ihrer Jölle lag, vollkommen übersehen konnte, und bließ, den rechten Ellbogen auf das rechte übergeschlagene Knie gestützt, seinen Tabaksdampf in regelmäßigen Puffen dem Morgenwind entgegen.

So mochte es vier Uhr geworden sein. Bill hatte sich seine dritte Pfeife gestopft, und im Osten zeigte sich eben der erste graue Dämmerschein des nahenden Tages. Der Schwamm war aber diesmal nicht gefälliger als das erstemal, und Timor, der überdies die ganze Nacht vortrefflich geschlafen, und auch am Schiff daran gewöhnt war meist um diese Zeit aufzustehen und Kaffee zu kochen, richtete sich bei dem hartnäckigen Feueranschlagen des Matrosen auf den Ellbogen in die Höhe und frug leise, die anderen nicht zu stören:

»Wie viel Uhr, Tuwan Bill. – Wird's schon Tag? es muß noch früh sein?«

Bill, überhaupt kein großer Freund von vielen Worten, zeigte mit der Pfeifenspitze nur gerade nach Osten hin und sagte, indem er den Kopf ebenfalls dorthin drehte – »kommt eben.«

Timor folgte seiner Bewegung und schaute mehrere Minuten lang schweigend nach dem östlichen Horizont hinüber, das Wachsen des lichten Streifens zu beobachten. Plötzlich richtete er sich aber ein wenig höher auf, machte sich seinen rechten Arm frei, rieb sich die Augen, und schaute wieder unverwandt nach der Gegend hin. Er faßte zugleich Bills Knie und drückte es leise. –

»Tuwan Bill,« flüsterte er dabei, doch so geräuschlos, daß die Laute kaum zu des Mannes Ohr drangen – »was ist das dort – Fische?«

Bill drehte den Kopf dorthin, wohin der junge Malaye zeigte, und sah allerdings gerade in diesem Augenblick einen dunklen Gegenstand über dem Wasser vorkommen. – Aber er hob sich nur höchstens einen Fuß über die Oberfläche, glitt etwa zwei oder drei Fuß darüber hin, und verschwand dann wieder.

»Tümmler,« sagte Bill laut, als gleich darauf vier oder fünf derselben Art dem ersten folgten; »es sind Fische, Timor, mit denen können wir uns jetzt aber nicht einlassen. Wenn wir an so einen fest kämen, schleppte uns der mit Anker und allem, Gott weiß wohin.« Er nahm seine alte Stellung wieder ein und rauchte ruhig weiter, während Timor eine Weile die Fische beobachtete. Sie kamen nach kurzer Zeit noch einmal zum Vorschein – etwas näher dem Boote zu, wo auch eine ziemliche Menge Seetang, an einen der vorragenden Korallenfelsen wahrscheinlich, an- und festgeschwemmt war. Der Tang bildete dort eine volle, dunkle Masse. Der Tag war aber noch nicht weit genug vorgerückt, mehr als einen schwarzen schattigen Streifen davon erkennen zu lassen. Der Tang lag nach NO. zu.

Es ist vielleicht nöthig den Leser hier darauf aufmerksam zu machen wie das Boot zu der Küste geankert hatte. Die australische Küste, an deren nördlichem Ufer sie sich hier befanden, streckte sich von Osten nach Westen hin, und bildete dadurch die südliche Bank der Torresstraße. Der vorherrschende Wind war in dieser Jahreszeit der Ostwind, und die Strömung setzte deshalb auch, durch Ebbe und Fluth nur wenig beherrscht oder geändert, in ziemlicher Stärke nach Westen. Das kleine Boot »ritt« vor seinem Anker der es festhielt, während es zugleich der Strömung, so weit es der Anker ließ, nachgab, und deshalb mit seinem Bug gerade nach Osten, vielleicht einen Strich noch südlich, zeigte, da eine, gerade hier oberhalb liegende kleine Bucht die Strömung gewissermaßen aufgefangen hatte, und da wo sie lagen, in die Straße zurückführte. Die Steuerbord oder Starbordseite des Bootes zeigte deshalb nach dem Lande, die Backbordseite nach der offenen Straße hin.

Timor, der vorn im Bug kauerte, fing an zu frieren; die Morgenluft war, trotz der niederen Breite in der sie sich befanden, ziemlich frisch, und er wickelte sich wieder in seine Decke. Die Fische wollten ihm aber doch noch nicht aus dem Kopf, und ehe er sich auf's neue hinlegte, warf er noch einen Blick nach dem Tang hinüber, wo sie verschwunden waren. Der graue Streifen im Osten war indessen auch etwas breiter und lichter geworden, ohne jedoch noch mehr zu vermögen als einen matten falben Schein auf das sonst fast spiegelglatte Wasser zu werfen, was eher das Auge blendete, als ihm die Gegenstände unterscheiden half. Trotzdem glaubte er sich wieder Etwas nach jener Richtung hin bewegen zu sehen, und sprang noch einmal auf, stieg auf die vordere Bank und schaute scharf hinüber.

»Das sind im Leben keine Tümmler,« murmelte er dann für sich, auf malayisch – »das sind entweder Schildkröten oder andere Fische, und vielleicht kommen sie dicht ans Boot heran, daß wir einen mit dem Elker (eine kleine fünf- oder dreizackige Harpune) erreichen können. – Ich will wenigstens alles fertig machen.«

Der Elker lag aber mitten im Boot, und die Spitzen staken unter dem hinteren Sitz, damit sich niemand die Nacht hineinreißen konnte. Um ihn zu bekommen mußte der junge Bursche über François wegsteigen, und die Stange jetzt hebend und vorziehend, konnte er nicht verhindern daß er Hans anstieß und weckte. Dieser, als er sich berührt fühlte, fuhr rasch in die Höhe und frug »was es gäbe?«

»O nichts,« sagte der Malaye leise, »legt Euch ruhig wieder hin, ich wollte nur die Harpune vorholen und bin ungeschickt dabei gewesen. – Es sind Fische da, die vielleicht zum Boot herankommen.«

»Was für Fische, Timor?« sagte Hans, sich die Haare aus dem Gesicht streichend und seine Mütze, die ihm im Schlaf heruntergefallen war, wieder aufsetzend. –

»O ich weiß selber noch nicht, ich kann nur sehen wo sie sich bewegen,« erwiederte Timor. – »Sie scheinen hier ums Boot herum zu spielen und kommen vielleicht näher.« Timor sprach mit Hans gewöhnlich in seiner eigenen Sprache, und deshalb lauter mit ihm als den anderen.

Hans richtete sich auf und warf einen Blick um sich. Er schaute nach den sich lichtenden Wolken und dem noch düster vor ihnen liegenden Küstenstreifen hinüber. Timor aber, der glaubte daß er den Platz suche wo die Fische wären, zeigte mit dem Arm nach dem Tang hinüber, der aber jetzt vollkommen regungslos blieb. Der Tang konnte etwa 60 Schritt von ihnen entfernt sein.

»Da war aber etwas, mehr nach dem Lande hin,« sagte Hans, dessen Blick unwillkürlich der Richtung gefolgt war, die ihm Timors Arm bezeichnete. – »Das muß ein großer Fisch gewesen sein, und ich hätte gar nicht geglaubt, daß sich die so weit nach dem Lande zu verlieren. Wirf ja nicht die Harpune nach solch einem Burschen, wenn er hier herankommen sollte, Timor, denn entweder riß er dich selber mit über Bord, oder wir sehen nie etwas von dem Elker wieder, und es ist der einzige den wir mit haben. – Halt, da wieder – er will zwischen dem Lande und uns durch.«

Der Fisch ging aber tief, und kam nicht wieder auf, wenigstens nicht daß es Hans und Timor bemerkt hätten. Durch das Sprechen war jedoch François ebenfalls munter gemacht, richtete sich auf, und rief den anderen beiden seinen guten Morgen zu.

»Qu'est – ce que c'est ça?« – rief er aber plötzlich, den Arm nach dem Lande ausstreckend – »des poissons?«

»Nein, bei Gott nicht!« rief Hans, der bei dem jetzt deutlich zu ihnen herüberschallenden Plätschern den Kopf rasch dorthin drehte – »das sind keine Fische – das ist ein Schwarzer, und ich habe doch niemand ins Wasser steigen sehen.«

»Wo?« rief Bill, und richtete sich rasch in die Höhe; auch Jean wurde munter.

Bill hatte seine Muskete aufgegriffen und schaute scharf nach dem Gegenstand hin, der sich jetzt gar nicht mehr verkennen ließ. Es war jedenfalls ein Indianer, der hier ganz unbesorgt, etwa 60 Schritt von ihrem Boot entfernt, herumschwamm und tauchte. Als er übrigens bemerken mochte, daß aller Blicke nach ihm gerichtet waren, hob er sich, so weit er das schwimmend konnte, aus dem Wasser und rief etwas nach ihnen hinüber.

Was er rief konnten sie natürlich nicht verstehen, Hans aber, um ihm zu zeigen daß er gesehen sei, antwortete ihm auf gut Glück in einem südaustralischen Dialekte, obgleich er kaum hoffen durfte von ihm verstanden zu werden. Jeder australische Stamm hat fast eine andere Sprache.

»Parni tirriapindo – komm näher heran.« Der Wilde, als ob er wisse was man von ihm verlange, kam jetzt einige Striche herangeschwommen, und hielt dann wieder wie unschlüssig.

In demselben Augenblicke wurden nach Norden zu, also an der dem Land entgegengesetzten Seite, mehrere Köpfe über Wasser sichtbar, tauchten aber auch schon nach wenigen Secunden wieder unter – sie waren nur zum Athemholen in die Höhe gestiegen, und befanden sich keine 30 Schritte mehr vom Boot. Die Aufmerksamkeit der Matrosen wurde jedoch durch den neuen Aufruf des Wilden zu sehr in Anspruch genommen, um sich der anderen Seite zuzuwenden. – Sie sahen nicht was hinter ihnen vorging.

 

»Es wäre gut, wenn wir uns einen der Burschen zum Freund machen könnten,« sagte Hans zu Jean gewandt – »der würde uns auf dem festen Land von unberechenbarem Nutzen sein. Wir wollen es jedenfalls versuchen.«

»Nunja ngun renga patlerti!« rief der Wilde jetzt deutlich zu ihnen herüber.

»Hol' der Teufel die Sprache,« brummte Hans, »ich verstehe kein Wort davon.«

Dicht unter Backbord des Bootes tauchte ein schwarzer Kopf auf und ein paar dunkle Augen blickten scheu empor – jetzt noch einer, jetzt ein dritter. Die Männer im Boot hätten sie müssen Athem holen hören.

»Wir wollen ein Tuch nehmen und damit wehen,« rief Jean – »einen grünen Busch haben wir ja doch nicht hier, und er wird verstehen daß das freundlich gemeint ist.«

»Parni tirriapindo!« munterte ihn Hans noch einmal dabei auf, weil Jener das vorher verstanden zu haben schien, und Jean schwenkte das Tuch. –

»Diable!« schrie in diesem Augenblick François – und riß sein Messer, das er wie jeder Matrose an der Seite trug, aus der Scheide. – Hans wollte sich umdrehen, verlor aber auch schon das Gleichgewicht, und fiel mit beiden Händen auf den Bootrand zu Steuerbord. Am Backbordrand hingen in dem Moment fünf dunkle Gestalten und suchten, sich so hoch das ging aus dem Wasser schnellend, mit ihrem Gewicht den Rand niederzudrücken, und das Boot jedenfalls dadurch zu füllen und zu versenken.

Die Jölle schwankte natürlich mit einem plötzlichen Ruck nach ihnen hinüber und zwar so stark, daß Jean auf Steuerbord überstürzte, und nur noch glücklicherweise mit der linken Hand den Rand ihres kleinen Fahrzeugs erfaßte. Dadurch hielt er sich nicht allein über Wasser, sondern bewahrte auch wahrscheinlich durch das Gegengewicht was er hiermit an die andere Seite warf, das Boot vor dem gänzlichen Füllen und Sinken, auf das der Angriff berechnet gewesen. Freilich konnte er nicht verhüten, daß trotzdem eine Masse Wasser über Bord schlug.

Ein zweiter solcher Stoß wäre ihnen auch jedenfalls verderblich gewesen, und er mußte erfolgen, sobald die Schwarzen nur einfach mit ihrem Gewicht hängen blieben, Bill aber rettete sie diesmal, und zwar ganz gegen seinen Willen, denn mit dem ersten Ruck schon hinten überfallend, stürzte er gerade in den Vordertheil des Bootes hinein. Wahrscheinlich aber dabei mit dem Finger den Drücker der Muskete berührend, oder auch nur durch das Anstoßen des Kolbens auf den Sitz, entlud sich diese, und die Kugel fuhr zischend ins Blaue.

Die Wirkung zeigte sich zauberschnell. – Im Nu waren die sechs schwarzen Köpfe, die eben noch ein gellendes Siegesgeschrei ausgestoßen, in der über ihnen zusammenschlagenden Fluth verschwunden. Durch das schnelle Loslassen des Bootes und Jeans Gewicht nach der andern Seite hätten sie aber beinahe das erreicht, was sie durch ihren Angriff verfehlt, denn die Jölle schlug nun ebenso viel nach Steuerbord über, als vorher nach Backbord, und nahm wieder eine Menge Wasser ein.

Das kleine Boot war jedoch glücklicherweise ziemlich breit gebaut, und das nächste Zurückschwanken nach Steuerbord zeigte ihnen, daß die Gefahr für den Augenblick vorbei sei.

Während aber Jean, so rasch ihm das irgend möglich war, zurück ins Boot kletterte – und Timor faßte ihn dabei und half ihm hinein – hatte Hans sein Gewehr aufgegriffen und gespannt, und François mit dem Messer noch immer in der Faust, bewachte scharf die beiden Bootränder, ob sich wieder eine schwarze Hand auf ihnen sollte blicken lassen. Aber nirgends zeigte sich auch nur eine Spur von den Flüchtigen, und Hans meinte erstaunt, es wären doch keine Fischmenschen, daß sie ganz unter Wasser leben könnten; sie müßten wieder vorkommen. Da deutete Timor nach dem Seetang, der an den Korallen hing, an dem sie schon vorher das Auftauchen der geglaubten Fische beobachtet hatten.

Alle folgten mit ihren Augen der Richtung, nur François nicht, der fest die Feinde noch einmal auf ihren alten Angriffsplatz – er wußte nur nicht recht auf welcher Seite – zu erwarten schien.

»Dort sind sie!« rief aber jetzt auch Hans, und Jean, der indessen ebenfalls seine Muskete aufgefaßt, wollte schon auf das Dunkle dort, was sich ziemlich deutlich als die dunklen Köpfe der Feinde erkennen ließ, zielen. Hans verhinderte ihn aber daran und meinte ruhig, es wäre besser Blutvergießen zu vermeiden, bis es nicht anders mehr möglich wäre.

Die Köpfe verschwanden auch in demselben Moment fast wieder, und erst weit außer Schußweite kamen sie zum zweitenmal hervor. Als sie sich zum drittenmal zeigten, war es dicht am Ufer, und sechs schwarze Gestalten, mit kurzen Speeren in der Hand, wie es Hans deutlich durch das jetzt aufgegriffene Fernrohr erkennen konnte, sprangen aufs Trockene und tauchten in der nächsten Minute in die dichten Büsche ein, die sie den Blicken der Nachschauenden gänzlich entzogen.

Deren nächste Sorge war jedoch jetzt ihr Boot, und zwei gingen daran, es so schnell als möglich wieder auszuschöpfen, während die anderen noch immer auf Wacht blieben, denn sie glaubten kaum, daß so wenige von den Wilden es gewagt haben sollten sie anzugreifen.

Der Plan war auch gar nicht so übel gewesen, und nur daran gescheitert, daß die Schwarzen nicht die Natur einer solchen Jölle kannten, die weit fester mit ihrem breiten Boden auf dem Wasser liegt als eines der gewöhnlichen Canoes. Keines dieser letzteren hätte einem solchen Gewicht, plötzlich an die Seite geworfen, widerstehen können, und einmal die Mannschaft über Bord, hätte sie den Wilden, die im Wasser fast gewandter sind als auf festem Lande, sicherlich nicht widerstehen können. Mit ihren kurzen Speeren würden sie die Weißen entweder ermordet, oder untergezogen und ertränkt haben, und das Boot mit der Ladung, die sie leicht wieder vom Grund mit Tauchen aufbringen konnten, wäre ihre gute Beute geworden.

Ihr ganzes Manöver ließ sich jetzt auch sehr leicht erklären. Zuerst hatten sie versuchen wollen im Dunkel der Morgendämmerung (fast alle wilden Stämme machen ihre Angriffe zu dieser Tageszeit) heimlich anzuschwimmen. Timors Munterwerden machte ihnen das aber unmöglich, und einmal die richtige Zeit versäumt, war auch die andere Mannschaft wach geworden. Einer schwamm also deshalb wieder von den übrigen ab, die Aufmerksamkeit der Fremden auf sich und von den Cameraden abzulenken, während diese unbeachtet herantauchen und den vorher verabredeten Plan ausführen konnten. Vor Feuergewehren haben aber diese Stämme, die mit Weißen fast noch nie in Berührung gekommen, eine heilsame Furcht, und das zufällige Losgehen von Bills Muskete erschreckte sie so, daß sie jeden Gedanken an Angriff aufgaben, und nur ihre eigene Haut in Sicherheit zu bringen suchten.

»Nun, wie gefällt Euch Euer Empfang bei den Schwarzen?« frug Hans die anderen, als sie ihr Boot wieder in Ordnung gebracht und ihre Provisionen vorgesucht hatten, um ein hastiges Frühstück einzunehmen. »Nicht wahr, es sind gastliche Gesellen, die nicht einmal abwarten bis wir bei ihnen an Land gekommen sind, sondern uns gar schon vor der Thüre besuchen.«

»Hol der Teufel die Landlubbers,« brummte Bill, der damit das schlimmste Wort seines Kopfwörterbuchs ausgesprochen – »wenn die Sachen hier so stehen, hab' ich wenigstens allen Appetit verloren mich viel bei ihnen zu Gaste zu bitten. – Das sind ja verteufelte Kerle – und wie die Bestien schwimmen und tauchen können.«

»Die Hälfte von unserem Brod ist naß geworden,« sagte Timor, der sich indessen eifrig damit beschäftigte den beschädigten Proviant nachzusehen – »ein Glück nur daß das meiste hoch lag.«

»Wir essen das naßgewordene zuerst weg,« meinte Jean – »wenn das Brod auch ein wenig salzig schmeckt, das schadet nichts, und aufgeweicht ist's doch nicht. Da müssen unsere Schiffszwieback länger im Wasser liegen, wenn sie wirklich weich werden sollen; für solche Fälle haben unsere Rheder glücklicherweise gesorgt. – Aber so heimtückische Canaillen; auf einer Seite Freundschaftsversicherungen, und auf der anderen Meuchelmord. Doch feige sind die Kerle. Hei wie sie ausbrannten als Bill sein Gewehr unter sie abschoß. Mich wundert nur daß sich Bill so rasch fassen und schießen konnte; der Angriff kam so schnell, daß ich an mein Gewehr gar nicht dachte.«

Siebenzehntes Capitel.
Die Landung

Bill sah ihn mit einem trocken komischen Ausdruck in den Zügen an, und die anderen lachten.

»Ja,« sagte Bill endlich, »wenn ich jedesmal mein Gewehr auf die Art abfeuere, dann thu' ich meinem eigenen Leichnam mehr Schaden dabei als jemand anderem. Nicht allein daß ich mir meine ganze hintere Fronte auf den scharfen Kistenecken und Gott weiß was abgescheuert habe, nein, die verdammte Muskete stieß mich auch, wie sie los ging, so gegen den Leib, daß ich erst fürchtete, ich hätte einen förmlichen Decimalbruch gekriegt. – Das sind verwetterte Dinger so Schießgewehre – da ist's ja wahrhaftig so gefährlich dahinter wie davor zu stehen, und ich hatte nur eine einzige Handvoll Pulver drin. Aber Donnerwetter, Ihr braucht nicht so furchtbar zu lachen; wir sitzen hier keineswegs in einer so angenehmen Lage hier vielen Spaß machen zu können. Gebt lieber einen guten Rath, wie wir aus dieser Klemme wieder hinauskommen und was wir thun sollen.«

»Sail ho!« rief in diesem Augenblick Timor, der trotz seiner Beschäftigung im Boot, doch nicht aufgehört hatte den Horizont wie seine nächste Umgebung zu beobachten.

Dieser Ruf gab natürlich den Gedanken der kleinen Mannschaft eine total andere Richtung. Aller Augen richteten sich blitzesschnell nach der einzigen Himmelsgegend hin, wo ein Segel sichtbar werden konnte – der Einfahrt der Torresstraße zu. Und richtig genug, über dem Horizont waren deutlich die oberen Segel eines wahrscheinlich großen Schiffes zu sehen, das schon gestern Abend in die Straße eingelaufen und vor Anker gegangen sein mußte, und jetzt mit einer guten, wenn auch leichten Brise und von der starken, westwärts setzenden Strömung begünstigt, seine Durchfahrt antrat.

»Da wär' eine Gelegenheit von hier fortzukommen,« sagte Hans lächelnd, nachdem sie das Segel, dessen Fortgang sie leicht bemerken konnten, eine kleine Weile schweigend beobachtet hatten, »was meinst du, Bill? sollen wir unser Glück damit versuchen?«

Bill schüttelte aber finster mit dem Kopf und sagte endlich, nachdem er sich ein tüchtiges Stück von seinem Kautaback abgebissen und den Rest wieder in die Mütze – dem gewöhnlichen Aufbewahrungsort, gelegt hatte: – »Ne – so gern ich hier weg wäre, aber die Gesellschaft Capitän Oilytts ist doch zu gut für mich – ich bin sie nicht werth und – ich will mich nicht gern wieder hineindrängen. – Wenn wieder ein's käme, ja, da will ich nichts dagegen sagen, aber ich denke dies erste gönnen wir unserem Alten zu seiner alleinigen Verfügung.«

»O wenn's nur deshalb wäre,« rief Jean, »das sollte mich wahrhaftig nicht abhalten. – Auf einem fremden Schiff hat er Nichts zu sagen, denn er ging höchstens als Cajütenpassagier und wir kämen als Wachtverstärkung mit ins Vorcastel. Was könnte er uns da anhaben?«

»Was er uns anhaben könnte?« wiederholte Bill, »weiter nichts, Mann, als daß er uns viere hier einfach in Eisen legen ließe, wegen Widersetzlichkeit – wenn er da irgend Gefallen d'ran fände. Und thäte er das wirklich nicht, so kannst du dich d'rauf verlassen, er würde uns bei dem anderen Capitän einen solchen Namen machen, daß ich lieber mit sieben Jahr Urlaub nach Norfolk Island oder Vandiemensland geschickt werden möchte, als dort Matrose sein. Frag einmal Hans, was der dazu meint. – Und Timor erst für sein bischen Versteckens spielen. – Aus dem seiner Haut machten sie, Gott straf mich, Kabelgarn.«

»Unsinn, Mann,« lachte Jean, »es fällt mir ja gar nicht ein Capitän Oilytts Gesellschaft je wieder aufzusuchen. Im Gegentheil, ich danke Gott daß ich sie mit so guter Manier los geworden bin. Das Schiff hat aber jedenfalls den Vortheil für uns, daß es den Capitän mit seiner ganzen Gesellschaft aus der Straße herausnimmt, und kommt später einmal ein anderes, und es gefällt uns dann nicht auf dem festen Lande, dann können wir immer noch thun was wir wollen.«

»Hollo, Hans, was machst du da?« wandte er sich plötzlich zu diesem, der nach vorn gegangen war, und ohne weiter etwas zu sagen, den kleinen Anker aufholte.

»Was ich mache? – ich mache uns flott,« lautete die Antwort – »oder wollen wir heute hier liegen bleiben?«

»Gut dann, an Land!« rief Jean fröhlich, »und gefällt uns das Innere, so sollen uns alle Wilden Australiens nicht abhalten unser Ziel zu erreichen.«

»Damit bin ich auch einverstanden,« meinte Bill, »meine Flinte kann aber Timor nehmen. Ich will verdammt sein, wenn ich das Ding noch einmal losschieße oder vielmehr sich selber losschießen lasse. Was ich bis jetzt daran gesehen habe, so scheint es mir verwünscht unabhängig zu sein, und sich wenig daran zu kehren, ob an dem kleinen Stück Eisen da gedrückt wird oder nicht.«

 

Als der Anker gelichtet war, wollten Bill und François nach den Rudern greifen, die kurze Strecke hinüber zu rudern; Hans richtete aber das Segel auf und schlug ihnen vor, noch eine kleine Strecke an der Küste hinabzufahren, bis wo sie wieder Hügel zum Strande niederdachen sehen konnten. Die Gegend war hier vollkommen flach, die kleinen Hügel standen aber mit anderen höheren, deren blaue Spitzen sie jetzt schon erkennen konnten jedenfalls in Verbindung. Es war dort auch eher wahrscheinlich daß sie Wasser finden würden als hier; und Wasser blieb ihnen ja doch, bei einem Marsch ins Innere, die Hauptsache, wo sie wohl dann und wann ein Stück Wild erlegen konnten, ihren Hunger zu stillen, aber nie im Stande gewesen wären sich ohne Wasser zu behelfen.

»Und dann kommen wir auch ein Stück von diesen verdammten schwarzen Heiden fort,« sagte Bill, als er die Schote des kleinen Segels anholte und fest machte – »hol sie der Henker!«

»Das nun wohl nicht,« meinte Hans, »denn ich bin fest überzeugt, daß wir die ganze Zeit von mehr als den wenigen beobachtet wurden, und selbst diese können uns leicht zu Lande folgen. Laufen wir aber scharf gegen die Küste an, so werden sie sich jedenfalls zurückziehen, und ich bin ziemlich gewiß, daß sie uns beim Landen nicht im geringsten stören.«

Nach zwei Stunden etwa erreichten sie das höher gelegene Land, und fanden hier sogar, ganz gegen Erwarten, ein wohl 30 Schritt breites kleines Strombett, in dem eine ziemlich starke Quelle niederrieselte. Es war gerade Regenzeit, und sie durften jetzt allerdings weit eher erwarten dann und wann Wasser zu finden als im Sommer, wo auch diese Quelle sicher vertrocknete.

Bei der Landung gebrauchten sie nichtsdestoweniger jede Vorsicht, die ihnen unter ihren Umständen nur möglich war. Während Bill vorn mit dem Springtau in der Hand auf das Anlaufen des Bootes wartete, und dann hinaussprang und es ans Ufer zog, standen Jean, und François mit ihren geladenen Gewehren neben ihm. Hans hielt das Ruder. Es ließ sich aber kein Indianer blicken, ja nicht einmal die Spur ihrer Füße konnten sie in dem Ufersand entdecken, und nachdem sie erst zu diesem Zweck eine kleine Runde durch die Büsche gemacht, und auch nicht das mindeste Verdächtige gefunden hatten, zogen sie ihr Boot in die kleine Süß-Wasser-Bay, die hier das frische Wasser in den sonst überall nahe zum Ufer kommenden Korallen gebildet zu haben schien, und fanden sich, zum erstenmal wieder, auf festem, trockenem Lande.