Forschen, aber wie? (E-Book)

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Verhaltensbiologische Beobachtung4
Konstanze Mez, Amadeus Spirig

Worum geht es?

Beobachten heisst mit unseren Sinnen einen sehr eng begrenzten Ausschnitt unserer Umwelt erfassen. Häufig reichen unsere Sinne nicht aus, sodass wir Apparate, Messinstrumente und chemische Analysen als Hilfsmittel einsetzen.

Um das Wesentliche einer Beobachtung herauszuarbeiten, konzentrieren wir uns im vorliegenden Kapitel auf die Beschreibung der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Beobachtungen an Tieren. Das Verhalten von Tieren zu studieren und in Beobachtungsbogen festzuhalten, ist attraktiv, und es ist in der für eine Maturaarbeit zur Verfügung stehenden Zeit durchführbar. Bei der Auswahl der Beispiele beachten wir die Zugänglichkeit zu den Tieren, die für eine verhaltensbiologische Beobachtung infrage kommen: Das Verhalten von Nutztieren und Haustieren ist mit den Mitteln, die für eine Maturaarbeit zur Verfügung stehen, zu bewältigen, während das Beobachten von Wildtieren deutlich schwieriger ist. In jedem Fall ist die Zusammenarbeit mit den Besitzerinnen und Besitzern der Nutz- und Haustiere oder mit Wildbiologinnen und Jägern von grossem Vorteil.

Entscheidend ist bei jeder Art von Beobachtung, dass die beobachtende Person weder ins Geschehen eingreift (die Veränderungen von Bedingungen sind dem Experiment vorbehalten) noch durch ihre Anwesenheit das Verhalten der Beobachtungsobjekte beeinflusst.

Inhalt

4.1 Einleitung

4.2 Fragestellung und Forschungshypothese

4.3 Planung und Vorbereitung von Beobachtungen

4.4 Durchführung

4.5 Zuverlässigkeit von Daten und Datenmenge

4.6 Wissenschaftliche Skepsis

4.7 Darstellung und Auswertung der Daten

4.8 Beispiel aus der Verhaltensbiologie

4.9 Arbeitsschritte im Überblick

4.10 Literatur

Lösungen

4.1 Einleitung

Wildschweine können in waldnahen Ackerflächen enorme Schäden anrichten. Die Wildschweine durchpflügen mit ihrem keilförmigen Kopf den Ackerboden. Sie bei ihrer Nahrungssuche zu beobachten, ist allerdings anspruchsvoll.

Wenn Sie auf einem vom Wind abgewandten Hochsitz einige Stunden in der Dämmerung ausharren und, mit Feldstecher und Beobachtungsbogen ausgerüstet, versuchen zu protokollieren, was sich da abspielt, dann tun Sie genau das, was eine Beobachtung ausmacht: Sie beeinflussen das Geschehen so wenig wie möglich. Sie benützen ein Beobachtungsinstrument, und Sie greifen aus der Fülle dessen, was auf dem nahen Acker abläuft, ein möglichst präzise abgegrenztes Segment heraus.

Das lernen Sie in diesem Kapitel:

• Sie kennen den Unterschied zwischen einem Experiment und einer Beobachtung.

• Sie lernen sechs Verfahren der Verhaltensbeobachtung und ihre dazugehörigen Beobachtungsprotokolle kennen.

• Sie wissen, warum in den Naturwissenschaften mit Nullhypothese und Alternativhypothese gearbeitet wird.

• Sie verfolgen den Prozess einer Verhaltensbeobachtung von der Planung bis zur Auswertung.

Bevor Sie sich in die vertiefte Lektüre hineinbegeben, fragen Sie sich nochmals, ob Sie das richtige Kapitel ausgewählt haben. Planen Sie eine Beobachtung oder ein Experiment?

Bei einer Beobachtung greifen Sie nicht ins Geschehen ein, sondern Sie protokollieren es.

Anders verhält es sich bei einem Experiment, wo Sie die Situation bewusst nach einem bestimmten Plan in Einzelschritten verändern. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Sie machen mit dem Besitzer des waldnahen Kartoffelackers aus, dass er ihn für Ihre erste Untersuchungsperiode ungeschützt lässt, für die zweite einen Elektrozaun auf mittlerer Höhe anbringt und für die dritte zwei Drähte verwendet, damit auch die Jungtiere abgehalten werden. Ihr Ziel ist es, einen kausalen Zusammenhang zwischen den veränderten Bedingungen (kein Schutz, mittlerer Schutz, starker Schutz) und dem Verhalten der Wildschweine herauszufinden. (Das Experimentieren wird in Kapitel 5 beschrieben.)

Eine andere Herangehensweise an das Problem der Schwarzwildschäden ist die kartografische Datenerhebung im Gelände: Dabei halten Sie den genauen Ort und das Ausmass der Schäden in verschiedenen Äckern auf einer Karte fest. Sie untersuchen also Phänomene, die einen Ortsbezug haben. Zweck dieser Datenerhebung könnte beispielsweise sein, den Zusammenhang zwischen der Art der Feldfrüchte, der Distanz des Felds zum Wald und dem Ausmass der Schäden zu erfassen. (Das kartografische Festhalten von ortsbezogenen Daten wird in Kapitel 3 erläutert.)

Unter «Beobachtung» stellt man sich gemeinhin vor, dass jemand etwas beobachtet, das sich bewegt oder rasch verändert, beispielsweise das Verhalten von Damhirschen in einem Gehege oder die Lautstärke des Quakens von Fröschen. Denken Sie daran, dass auch das Verfolgen der Bahnen von Planeten, das Messen des pH-Wertes eines Schwimmteichs im Tagesverlauf oder die Bestimmung des Gehalts an Omega-3-Fettsäuren in der Milch von Kühen in verschiedenen Jahreszeiten Beobachtungen sind.


Aufgabe 1 Experiment oder Beobachtung?

Entscheiden Sie bei den folgenden Beispielen, ob es sich um ein Experiment oder eine Beobachtung handelt.

a) Sie untersuchen die Elemente des Rangordnungsverhaltens von Hühnern in einem Hühnerhof.

b) Sie setzen ein fremdes Huhn in eine Hühnergruppe und untersuchen, wie sich dadurch die Rangordnung im Hühnerhof ändert.

c) Sie untersuchen das Rangordnungsverhalten in einem Hühnerhof. Während Ihrer Arbeit stirbt ein Huhn.

Nebenbei gesagt und nicht unwichtig: Das Schweizer Tierschutzgesetz verlangt eine Bewilligung bei Experimenten mit Wirbeltieren. Informieren Sie sich frühzeitig über die entsprechenden Bedingungen.

4.2 Fragestellung und Forschungshypothese

Wenn Sie im Sommer übers Land fahren, stellen Sie fest, dass die meisten Kühe (Gattungsname «Rinder»), die auf der Weide grasen, keine Hörner haben. Ab und zu sehen Sie auch noch Herden mit horntragenden Kühen. Es interessiert Sie die Frage, ob man Nutztiere aus wirtschaftlichen Gründen so verändern darf, dass man ihnen einen wesentlichen Teil ihres Körpers entfernt.[1] Sie beschliessen, diese Frage aus dem Blickwinkel einer Verhaltensbeobachtung anzugehen.

Sie steuern also auf eine Untersuchung hin, im Laufe deren Sie eine Hypothese testen. Wie das genau geht und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, erfahren Sie in den folgenden Abschnitten.

Den ersten Schritt zu einer möglichen Fragestellung haben Sie schon gemacht, indem Sie sich entscheiden, dass Sie sich auf die Beantwortung der Frage aus verhaltensbiologischer Sicht beschränken. Nun legen Sie den Fokus auf das, was beobachtbar ist, zum Beispiel auf den Einsatz der Hörner und des Schwanzes, um stechende Insekten abzuwehren, und den Erfolg dieses Abwehrkampfs, festgestellt an der Anzahl Bremsenstiche.


Abbildung 4.1: Rind ohne Hörner und Rind mit Hörnern

Rinder[2] werden in den Monaten April bis August hauptsächlich von zwei Arten von Bremsen (Tabanidae) geplagt, der Regenbremse (8–12 Millimeter gross) und der Pferdebremse (19–25 Millimeter gross). Ihre Fragestellung ist: Haben horntragende Rinder die besseren Chancen, die Bremsen abzuwehren, als enthornte Rinder?

Wie alle Forscherinnen und Forscher möchten auch Sie nach Möglichkeit allgemeingültige Aussagen über interessante Zusammenhänge machen. Da Ihre Zeit beschränkt ist, überlegen Sie, wie Sie mit möglichst wenig Beobachtungsstunden zu Daten kommen, die eine Verallgemeinerung der Ergebnisse gemäss wissenschaftlichen Standards zulassen. Das heisst, Sie legen die Beobachtung so an, dass ein Schluss von den wenigen Rindern, die Sie beobachten können, auf eine grössere Anzahl mit vertretbarer Zuverlässigkeit möglich ist.


Abbildung 4.2: Pferdebremse (Tabanus sudeticus)

 

Die Rinder, die Sie beobachten werden, bilden die sogenannte Stichprobe. Bei der Auswahl der Rinder, die in Ihre Stichprobe aufgenommen werden, müssen Sie nach einem Zufallswahlverfahren vorgehen, das wissenschaftlichen Anforderungen genügt. Ein typisches Zufallswahlverfahren, wie es bei vielen Beobachtungen vorkommt, wird in der Fussnote für den vorliegenden Fall beschrieben.[3]

Auch bei der gewünschten Verallgemeinerung Ihrer Ergebnisse, also beim Schluss von Ihren Stichproben auf eine grössere Anzahl von Herden mit behornten und enthornten Rindern, müssen Sie geplant vorgehen. Als «grössere Gruppe» (man nennt sie Grundgesamtheit) würden die meisten von uns am liebsten «alle behornten und enthornten Rinder» nehmen. Wissenschaftliches Denken und Handeln startet jedoch immer bei der Frage: Welche verallgemeinernden Aussagen sind aufgrund meines Datenmaterials zulässig? Nehmen Sie diesbezüglich eine vorsichtige und skeptische Haltung ein und bestimmen Sie als Grundgesamtheit nur «alle horntragenden und enthornten Rinder des Einzugsgebiets meiner ausgewählten Käserei». (Zur Empfehlung einer skeptischen Haltung siehe Abschnitt 1.4.3, hier.)

Eine Forschungshypothese ist eine vorläufige Annahme oder Vermutung, wie ein Sachverhalt erklärt werden könnte. Diese vorläufige Erklärung muss erstens in sich logisch, glaubhaft, widerspruchsfrei und begründbar sein. Und zum zweiten muss die Annahme in einer Weise konkretisiert werden können, die ein Testen erlaubt (vgl. Nordell & Valone 2015, S. 8). Wenn Sie als Forschungshypothese beispielsweise die Aussage «Horntragende Rinder fühlen sich wohler als enthornte» wählen würden, dann hätten Sie zwar eine glaubhafte und einigermassen überzeugende Annahme getroffen, aber die zweite Bedingung wäre nicht erfüllt: Diese Annahme wäre nicht testbar. «Sich wohlfühlen» ist schon bei Menschen sehr schwer testbar, geschweige denn bei Rindern.

Ihre Forschungshypothese lautet also: «Horntragende Rinder werden weniger von Bremsen gestochen als enthornte Rinder, weil Erstere die Bremsen nicht nur mit ihrem Schwanz, sondern auch mit ihren Hörnern verscheuchen können.» Diese Aussage macht einen logischen, glaubhaften, widerspruchsfreien und begründbaren Eindruck, und man kann sie testen.

An eine Forschungshypothese werden noch zwei weitere Anforderung gestellt:

• Sie muss vor dem Start der Untersuchungsphase formuliert worden sein und darf nicht mehr geändert werden.

• Sie beinhaltet eine genaue Definition der Verhaltensweisen, die Sie beobachten möchten.

Sie wählen mit dem Zufallsgenerator wieder je vier Rinder aus jeder Herde aus, markieren sie mit dem Einverständnis des Bauern und beobachten und filmen sie an einem Sommertag. Sie können nur die Kopf- und Schwanzbewegung der Rinder direkt wahrnehmen. Die Bremsenstiche – von denen fast alle anhand eines Blutflecks gut sichtbar sind − zählen Sie anschliessend im Stall aus.


Aufgabe 2 Auswahl der Forschungshypothese

Sie haben die Gelegenheit, in Nordfinnland Bären und Wölfe zu beobachten. Nach kurzer Zeit haben Sie den Eindruck, dass die Wölfe den Bären an einem Futterplatz überlegen sind. Wählen Sie eine geeignete Forschungshypothese:

a) Der Wolf ist stärker als der Bär.

b) Der Bär hat Angst vor dem Wolf.

c) Der Wolf vertreibt den Bären und frisst als Erster.

d) Bären und Wölfe mögen einander nicht.

4.3 Planung und Vorbereitung von Beobachtungen

Sie sind also von einer Idee ausgegangen, vielleicht von einer zufälligen Beobachtung, und haben daraus eine Fragestellung formuliert. In Zusammenarbeit mit der betreuenden Lehrperson haben Sie eine Forschungshypothese entwickelt. Wenn Sie sich bereits bei der Planung Ihrer Beobachtung mit den Möglichkeiten der statistischen Auswertung vertraut machen (siehe Kapitel 6), fällt Ihnen diese später leichter. Die Vorbereitung Ihrer Beobachtung umfasst sehr verschiedenartige Faktoren, für die Sie die folgende Übung sensibilisieren soll.


Aufgabe 3 Vorbereitung

Im Zoo erfreuen Sie sich an der Aktivität einer Gruppe von Meerschweinchen. Dabei fällt Ihnen auf, dass ein bestimmtes Tier manche seiner Artgenossen in seiner Nähe duldet, andere wiederum vertreibt. Das weckt Ihr Interesse, und Sie beschliessen, der Sache auf den Grund zu gehen und die Beziehungen in dieser Herde zu untersuchen.

Die folgenden Elemente können bei der Durchführung Ihres Vorhabens Schwierigkeiten bereiten. Ordnen Sie den Aufgaben die Schwierigkeitsgrade «einfach», «mittel» oder «schwierig» zu.

a) Bewilligung zur Beobachtung besorgen

b) Literatur zum Thema finden und verarbeiten

c) Erkennen der Individuen an ihren spezifischen Merkmalen

d) Beobachtungsmethode festlegen

e) Formular zur Dokumentation der Beobachtungen entwickeln

f) Beobachtungen oft genug und lange genug durchführen

g) Darstellung und statistische Auswertung der Daten

Auch bei allerbester Vorbereitung werden Ihre Resultate den wissenschaftlichen Standards vielleicht nicht genügen, weil Sie alleine statt im Team, mit wenig finanziellen Mitteln anstatt mit einem Forschungskredit und als Einstiegsforscherin oder -forscher arbeiten. Bedenken Sie bei der Planung Ihrer Beobachtungen aber: Ihr Vorgehen muss zwingend wissenschaftlichen Standards genügen.

4.3.1 Vermeidung von Störungen bei Tierbeobachtungen

Kommen wir nochmals auf die in der Einleitung erwähnte Beobachtung der Wildschweine beim Durchwühlen eines Ackers in der Nähe eines Waldrands zurück. Wenn Sie sich zur Beobachtung auf dem windabgewandten Hochsitz eingerichtet haben und der Wind plötzlich zu Ihren Ungunsten dreht, dann werden sich die Wildschweine sehr vorsichtig verhalten oder sogar wieder im Wald verschwinden.

Die Forderung, durch unsere Anwesenheit das Verhalten der Beobachteten möglichst wenig zu beeinflussen, ist manchmal schwierig einzuhalten. Oft ist es aber durch die geschickte Wahl geeigneter technischer Hilfsmittel möglich, Störungen zu minimieren: Mithilfe eines Feldstechers oder eines Fernrohrs können Sie die Wildschweine aus grösserer Distanz studieren, und Ihre Anwesenheit hat somit weniger Einfluss auf die Tiere.

Bei anderen Beobachtungsaufgaben ist eine Filmaufnahme des Geschehens unabdingbar. Sie ermöglicht Ihnen, Details schneller Verhaltensweisen zu studieren und Szenen in Zeitlupe oder Zeitraffer anzuschauen.

Ein Ethogramm ist eine Beschreibung aller wesentlichen Verhaltensweisen eines Tieres. Die Verhaltensweisen werden möglichst genau erfasst und in einem Protokoll festgehalten. Es versteht sich von selbst, dass dazu Filmaufnahmen – nach Möglichkeit auch in der unbeobachteten Zeit – notwendig sind. Wegen der aufwendigen Apparatur ist das Erstellen eines Ethogramms im Rahmen einer Maturaarbeit nicht wirklich empfehlenswert.

Neben der direkten Wirkung der Beobachtung auf das Geschehen gibt es zahlreiche andere Faktoren, die einen Einfluss haben: die Anwesenheit von anderen Organismen, der Pflanzenwuchs der Umgebung, das Wetter, die Tages- und Jahreszeit, der aktuelle hormonelle Zustand der beobachteten Tiere und vieles mehr.

4.3.2 Auswahl und Identifizierung der beobachteten Individuen

Etwas beobachten heisst auch immer, eine Auswahl zu treffen, was beobachtet werden soll. An die Auswahl sind gewisse Forderungen zu stellen, damit die Beobachtung wissenschaftlichen Standards entspricht:

1. Die Auswahl der Tiere, die Sie beobachten möchten, darf keinen Einfluss auf Ihre Beobachtung haben.

2. Die ausgewählten Tiere (Ihre Stichprobe) muss repräsentativ für alle Tiere (Grundgesamtheit) sein.

Wenn Sie beispielsweise die Beziehungen zwischen Mutterkühen und ihren Kälbern untersuchen möchten, dann wählen Sie für Ihre Beobachtung natürlich Mutterkühe mit Kälbern aus. Falls Sie jedoch den Bezug zwischen einzelnen Tieren einer Herde ganz allgemein untersuchen wollen, würde die alleinige Wahl von Mutterkühen zu einer Verfälschung Ihrer Aussagen führen. In diesem Fall müssten Sie die Tiere zufällig auswählen; Sie machen eine randomisierte Datenaufnahme. Mit einer zufälligen Auswahl können Sie den Einfluss der in 4.3.1 genannten Störfaktoren gering halten.

Sie wollen eine Herde Damhirsche in einer grossen Umzäunung beobachten. Noch bevor Sie zum Gehege kommen, beschliessen Sie, nur die Tiere zu beobachten, deren Kopf zurzeit nach links oder auf Sie ausgerichtet ist.

Für zahlreiche Beobachtungen müssen die Individuen in einer Gruppe identifiziert werden können. Das schränkt die möglichen Beobachtungsvorhaben je nachdem deutlich ein, denn es dürfte sehr anspruchsvoll sein, die eben ausgewählten Damhirsche wieder zu erkennen. Sie können auch weder Vögel beringen noch Zootiere mit Farbe markieren. Es gehört zur Vorbereitung von Tierbeobachtungen, dass Sie sich mit Fellmustern oder anderen körperlichen Merkmalen vertraut machen, um die beobachteten Tiere zu identifizieren.


Abbildung 4.3: Identifizierung anhand der Hornformen oder mittels farbiger Kleber an den Halsbändern

4.3.3 Zeitpunkt und Dauer Ihrer Beobachtungen

Zu Ihren Vorbereitungen gehört auch ein Zeitplan. Viele Beobachtungen sind saisonal gebunden: Die Daten zum Thema der Revierverteidigung bei Vögeln können nur im Frühling und zur Brunft der Rothirsche nur im Herbst erhoben werden. Das Fressverhalten kann bei vielen Tierarten nur abends oder gar nur nachts beobachtet werden. Machen Sie sich des Weiteren Gedanken zur Ihnen gesamthaft zur Verfügung stehenden Zeit respektive zu den Zeitspannen, die Sie pro Beobachtungstermin aufwenden müssen, um verlässliche Daten zu erhalten.


Abbildung 4.4: Röhrender Rothirsch

4.4 Durchführung

Um das Verhalten von Tieren nach wissenschaftlichen Grundsätzen beobachten zu können, geht man nach bestimmten Methoden oder Verfahren vor. Es hängt von der jeweiligen Fragestellung ab, welche Verfahren ausgewählt werden.

4.4.1 Schnappschuss- oder Scan-Beobachtung

Mit dem Schnappschuss- oder Scan-Verfahren halten Sie einen momentanen Zustand fest. Sie beobachten zum Beispiel eine Gruppe Kühe und erfassen, wie viele Individuen gerade jetzt das Gleiche machen (zum Beispiel grasen, wiederkäuen, sich an einem Baum reiben). Einen solchen «Schnappschuss» oder «Scan» wiederholen Sie nach einer gewissen Zeit. Wie gross das Zeitintervall ist, hängt vom beobachteten Verhalten ab.


Tabelle 4.1: Datentabelle für einen Scan zum Verhalten von Mutterkühen in einer Mutterkuhherde

4.4.2 Fokusbeobachtung

Hier beobachten Sie einzelne Individuen, sogenannte Fokustiere, die Sie zufällig auswählen. Nach einer gewissen Zeit wechseln Sie dann zu anderen Fokustieren. Dieses Verfahren eignet sich besonders gut, wenn es um sehr aktive Tiere geht, zum Beispiel um die Meerschweinchen im Zoo. Es ist ebenfalls angebracht, wenn Sie Details eines Verhaltens untersuchen, beispielsweise das Saugverhalten von Kälbern in einer Mutterkuhherde: Saugt das Kalb nur an einer Zitze? Wenn ja, an welcher? Immer an derselben?

 

Für die Untersuchung der Atemfrequenz (Ventilation) bei Goldfischen, die eine Maturandin vornimmt, stehen ihr in der Zootierhandlung ihrer Eltern zwei unterschiedlich warme Aquarien zur Verfügung.[4] Für die Bestimmung der Atemfrequenz beobachtet sie einzelne Tiere während einer bestimmten Zeit und notiert sich die Anzahl Ventilationen (Ein- und Ausatmen) pro Minute. Damit sie sich beim Zählen nicht auf das Notieren konzentrieren muss, sondern die ganze Aufmerksamkeit der Beobachtung widmen kann, verwendet sie dafür am besten einen Klickzähler, wie er auch bei der Türkontrolle einer Disco eingesetzt wird.


Abbildung 4.5: Goldfisch (Carassius gibelio auratus var. Butterfly)

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