Бесплатно

Teverino

Текст
Автор:
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

X
Lo que puede un sastre

Unsre Reisenden machten noch einen Gang um die Mauern außerhalb der Stadt, und als sie beim Wirthshause zum Weißen Löwen ankamen, das sie durch eine kleine, in den Garten führende Thür betraten, schlug es eben an der Thurmuhr des Marktplatzes eilf. Vor dem Haupteingang des Gasthofes hatte sich ein Haufen Bürger und Künstler zusammengethan und der Wirth schien einen lebhaften Wortwechsel zu führen.

»Was wollen Sie, Ihr Gnaden?« antwortete er auf Leonce’s und Teverinos Fragen, indem er den Neugierigen die Thür vor der Nase zuwarf; »die Leute der Stadt behaupten, ich beherberge einen großen Sänger in meinem Hause, es sei zum Mindesten der Signor Rubini, welcher, um sich den Zudringlichkeiten unsrer Dilettanten zu entziehen, seinen Namen und seine Anwesenheit verberge, und ich sei der Mitschuldige seines Incognito. Die Einen wollen durchaus, er solle sich auf dem Balkon zeigen, um die Beglückwünschungen des Publikums, das ihn noch kaum vor einer halben Stunde auf den Wällen singen gehört, zu empfangen; Andere durchlaufen die ganze Stadt, besuchen alle Kaffeehäuser und verlangen unter großem Geschrei den Signor Rubini: kurz, ich weiß nicht mehr, was anfangen. Ich habe die Ehre gehabt, den Signor Rubini mehrmals in meinem Hause zu sehen und weiß wohl, daß er jetzt nicht da ist.«

Dieser Umstand gab Teverino den Gedanken eines Schwankes und zugleich den Wunsch ein, Sabina auf die Probe zu stellen.

»Hören Sie,« sagte er zum Wirthe, »ich singe ganz ordentlich und übte wirklich noch so eben meine Stimme in der Nähe des alten Thurmes. Ich bin der Marquis Montefiore. Haben Sie mich noch nicht erkannt?«

»Ich habe Ihre erlauchte Hoheit, sobald Sie aus dem Wagen gestiegen sind, vollkommen wohl erkannt,« antwortete der Wirth, unfähig, zu gestehen, daß er sich nicht erinnere, Teverinos Gesicht je gesehen zu haben; »wenn ich Sie nicht bei Dero Namen bewillkommte, so fürchtete ich ich eben, das Incognito zu verrathen, welches auf Reisen zu bewahren, Personen von Stande oft die Grille haben.«

»Wohlan,« entgegnete der angebliche Marquis, »verharren Sie in Ihrer löblichen Verschwiegenheit, bis ich die Stadt verlassen habe, und in Erkenntlichkeit dessen werde ich nie hier durchreisen, ohne bei Ihnen zu halten und Etwas zu verzehren. Ich habe nun die Grille, mir einen unschuldigen Scherz mit den in Musik vernarrten Bewohnern Ihrer edeln Stadt zu erlauben. Leihen Sie mir schlechte Kleider, zünden Sie die Lampen auf der Gallerie an und verkünden Sie, daß der Künstler, dessen Stimme man gehört hat, sich den Wünschen des wohlwollenden Publikums fügen wird.«

»Was hast Du vor?« fragte ihn Leonce, während der Wirth eilte, seine Befehle auszuführen; »Du willst Dich für Rubini ausgeben?«

»Das kann er füglich!« sagte Sabina hingerissen.

»Signora,« antwortete der Abenteurer, Lady G***S Hand zum Zeichen der Erkenntlichkeit für solches Lob an seine Lippen führend, »so anmaßend bin ich nicht, ich will nur den Zuhörern, welche dumm genug sind, ein so grobes Versehen zu begehen, eine kleine Lektion geben und dann die Freuden Ihres Tages mit einer kleinen Komödie beendigen, die Sie vielleicht ergötzen wird. Alle unsre Zimmer gehen auf diese Gallerie gegen den Platz zu. Halten Sie sich in dem Ihrigen, indem Sie durch die Thürspalte schauen, und Sie, Leonce, verrathen Sie mich nicht, indem Sie thun, als kennten Sie mich.«

Als Alles nach Teverinos Wünschen angeordnet war, sah Sabina, die sich mit Leonce hinter einem Vorhange versteckt hielt, auf der erleuchteten Gallerie eine erbärmliche Person mit wirren Haaren, gesträubtem Barte, stierem Blicke, schleppendem Gange und in elenden, viel zu engen Kleidern erscheinen. Sie bedurfte einiger Minuten, um unter dieser lächerlichen Verkleidung den eleganten Teverino von Montefiore zu erkennen. Alles in seinem Wesen und in seiner Person war verändert, knapp und ärmlich. Die Weste des jüngsten Sohnes des Wirthes umspannte seine Brust und ließ sie eingesunken erscheinen, kurze und zu enge Hosen machten ihm die Beine länger; seine Hände hiengen anmuthlos an den schlaffen Hüften nieder; eine Kappe, die aus dem Kehricht aufgelesen schien, eine schlechte, kreuzweis umgehängte Guitarre, ein großer Pilgerstab, Alles gab ihm das Ansehen eines elenden wandernden Bänkelsängers. Sabina versuchte zu lachen, allein ihr Herz schnürte sich zusammen, ohne daß sie den Grund davon errathen konnte, und Leonce, überrascht von diesem Mißtrauen in seine Verschwiegenheit, fragte sich, welche verwegene Grille sein Mitschuldiger nur haben möge.

Als. die unter der Gallerie versammelte Menge, die bei Teverinos Kommen in die Hände zu klatschen begonnen hatte, dieser traurigen Person ansichtig wurde, verwandelte sich ihr Geschrei der Bewunderung in Zischen und Pfeifen, indem sie drohte, die Thüren einzuschlagen und den Wirth del Leone bianco durchzuwammsen, um ihn zu lehren, sich über seine ehrenwerthen Mitbürger lustig zu machen.

»Einen kleinen Augenblick, liebwerthes Publicum,« sagte Teverino, nachdem er den Aufruhr durch sowohl impertinente als demüthige Geberden gedämpft hatte, »haben Sie Mitleid mit einem armen Künstler, welcher die Gelegenheit, seine kleinen Talente zur Schau zu stellen, zu nützen gewagt hat. Gelingt es ihm nicht, Sie zu ergötzen, so wird er sich Ihrem Grimme von selbst ausliefern und seinen Rücken der faustdicken Münze hinhalten, mit welcher ihn zu beladen Ihnen gefallen wird.«

Jedes Publicum ist launisch und leicht erregbar. Teverinos stummes Vorspiel hatte dieses bald besänftigt gehabt, und in Ermanglung des großen Sängers willigte man ein, den elenden Marktschreier zu hören. Er verlangte einen Gegenstand zur Improvisation und gab mit possirlichem Nachdruck mehrere hundert hochtrabende Verse los, dann fing er an, zu miauen, zu bellen, zu wiehern, das Geschrei, verschiedener Thiere nachzumachen, Variationen über einen Gassenhauer zu pfeifen und Pucinellas Stimme nachzuahmen, Alles mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit, indem er sich zugleich mit einem eintönigen, schauerlich klingenden Kratzen auf der Guitarre begleitete.

Als er geendet hatte, erdröhnte der Boden der Gallerie von einem Regen dicker Sousstücke, und indem ihn das Publicum mit ironischem Beifallklatschen überhäufte, dankte es mit großem Geschrei dem wunderlichen Sänger. Es war ein betäubender Lärm von Pfeifen, Lachen und ungeduldigem Stampfen. Einige üble Spaßmacher verlangten den Kopf des Wirthe’s zum weißen Löwen.

»Wohlan, meine Herren,« sagte Teverino, Sie sollen befriedigt werden, der große Sänger hat mir versprochen, sich hören zu lassen, wenn es mir gelänge, Sie auf einige Augenblicke zu zerstreuen. Meine Wette ist gewonnen, und ich will ihm Ihre eifrigen Huldigungen darbringen.«

Hierauf kehrte Teverino in sein Zimmer zurück und trat bald gekämmt und geputzt wieder heraus. Er traf nur in der Zwischenzeit die geschickte Verfügung, einen Theil der Lichter auszulöschen, so daß man ihn nicht mehr deutlich genug sehen konnte, um sich zu überzeugen, daß es der nämliche Mann sei. Mit seltenem Talente präludirte er auf der Guitarre und sang mit solcher Anmuth eine Barcarole, daß die begeisterte Menge wüthend bis schrie. Er willigte ein, von Neuem zu beginnen, und als er dann geendet hatte, lehnte er sich mit aristokratisch herablassender Miene über das Geländer, Das enthusiastische Geschrei machte einem tiefen Schweigen Platz.

»Freunde,« sagte er nun mit einem Adel des Accentes, in welchem Nichts mehr von der Betonung des Bänkelsängers zu finden war, »ich willigte ein, mich hören zu lassen, obwohl ich in meiner Lage von den Launen eines Dorfpublikums und jeder Art Publikums vollkommen unabhängig bin. Ihr machtet einen solchen Lärm unter meinen Fenstern, daß ich unmöglich schlafen konnte und ich genöthigt war, mich in einen Vergleich einzulassen; um Euch aber für Eure Unbescheidenheit zu strafen, werde ich jetzt nicht weiter singen, und wenn Ihr Euch nicht entschließt, so schnell als möglich heimzugehen, so benachrichtige ich Euch, daß Ihr durch die Feuerspritze, welche ich in den Gasthof kommen ließ und die bereit ist, beim ersten Empörungsruf ihre Dienste zu thun, überflutet werdet.«

Die erschrockene Menge zerstreute sich in einem Nu, überzeugt, daß sie so eben eine hohe Person ungeduldig gemacht habe, und in ihrer demüthigen Dankbarkeit hörte man sie noch in die Hände klatschen, während sie sich nach den verschiedenen Straßen entfernte.

Eine halbe Stunde später war Alles stille in der Stadt und im Gasthofe zum weißen Löwen Alles in der Ruhe, ausgenommen Sabina und Teverino, welche noch, über das Geländer der Gallerie gelehnt, dieses letzte Abenteuer verhandelten und vorsichtig, um ihre Reisegefährten nicht zu wecken, darüber lachten.

»Sehen Sie nur, was Vorurtheil ist,« sagte der Zigeuner. »Diese einfältige Menge ahnt nicht, daß sie einen und denselben Mann ausgepfiffen und beklatscht hat.

»Soll ich Ihnen gestehen, Marquis,« antwortete Sabina, »daß ich die Erste gewesen wäre, welche sich hätte täuschen lassen, wenn sie mich nicht benachrichtigt hätten?«

»Ist’s wahr, Signora? Es freut mich herzlich, Ihnen eine kleine Ergötzung verschafft zu haben.«

»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen für die Absicht danken kann. Diese war eine wunderliche, vielleicht eine drollige, und dennoch hat sie mir weh gethan.«

»Da haben wir’s,« dachte Teverino, und er bat Lady G*** sich zu erklären.

»Wie, Sie begreifen nicht,« sagte Sie mit bewegter Stimme zu ihm, »daß es peinlich ist, Adel und Schönheit so umgewandelt zu sehen?«

»Ich war also in diesen schlechten Kleidern sehr häßlich?« entgegnete er, von dem Compliment weniger erregt, als Sabina, nach dem, was zwischen Ihnen vorgegangen war, erwarten durfte.

»Das sage ich gerade nicht,« erwiderte sie in weniger zärtlichem Tone; »allein da die ganze Eleganz Ihrer Manieren verschwunden war und alle Würde Ihrer Person, ich weiß nicht was Cynischem und Schmählichem Platz gemacht hatte, schmerzte es mich, Sie so zu sehen, und ich konnte mich nicht überreden, daß Sie es wären!«

 

»Und doch war ich es, war ich es ganz und gar! . . .«

»Nein, Marquis, es war die Person, welche Sie vorstellen wollten, und diese Person hatte Nichts mit Ihnen gemein.«

»Benehmen und Sprache waren erkünstelt, erzwungen, ich gebe es zu; aber am Ende war es doch immer mein Gesicht, meine Stimme, mein Geist, mein Herz, meine Person, mit Einem Wort, es war mein Wesen, das sich unter jener Außenseite verbarg. In Ihren Augen war mein wirkliches Ich also ganz verschwunden? Das ist seltsam!«

»Was ich seltsam finde, ist, daß Sie über meine Betroffenheit staunen können. Benehmen und Sprache sind der Ausdruck des Geistes und des Charakters und auch das moralische Wesen scheint sich umzuwandeln, wenn das äußere Wesen sich entstellt.«

»Und auch die Kleider thun viel zur Sache,« sagte Teverino mit philosophischer Ironie.

»Die Kleider, sagen Sie? Ich glaube nicht.«

»Doch, überlegen Sie sich’s einmal recht, Signora. Setzen wir den Fall, ich stelle mich Ihnen neuerdings in den abgeschabenen und lumpigen Kleidern unsers Wirthssohnes vor . . . ja, nehmen wir sogar an, ich sei dieser Sohn, welcher, glaub’ ich, Förster oder Angestellter beim Zollamt ist . . .«

»Wo wollen Sie nur hinaus damit? Weiter!«

»Wohlan, angenommen also, ich erschiene mit eben diesem Gesicht, diesem Herzen und diesem Geist, wie Gott sie geschaffen hat, zum ersten Mal ärmlich bekleidet vor Ihnen und gehöre geradenweges einem ganz niedern Stande an . . .«

»Sie lassen keinen Menschenverstand walten, indem Sie einen solchen Fall aufstellen; man findet in diesen niedern Klassen kaum den Stempel von Anmuth und Adel, der Sie auszeichnet.«

»Kaum, das ist möglich, aber dennoch findet man ihn bisweilen. Es gibt natürliche Gaben, welche Gott dem armen Bettler gleichsam zugetheilt zu haben scheint, um den Anmaßungen der Aristokratie Hohn zu sprechen.«

»Da haben wir Leonce’s Ideen! Ich bestreite sie nicht, aber dafür steh’ ich Ihnen, daß solche Gaben ihren Einfluß auf das Dasein und den Stand, dessen, der sie besitzt, rasch geltend machen. Wenn sich ein armer Bettler, wie Sie’s heißen, von der Vorsehung mit Verstand und Schönheit ausgerüstet fühlt, so arbeitet er thätig an der Umgestaltung der verdrießlichen Lage, in welche die Laune des Schicksals ihn geworfen hat; er bahnt sich einen neuen Weg; er trachtet unablässig nach Lebensglück, nach edeln Beschäftigungen, nach geistigen Genüssen, nach Vorrechten der Schönheit, und stellt sich bald auf die Stufe, die ihm angewiesen schien.«

»Es ist allerdings richtig, daß er sehr, darnach trachtet,« entgegnete Teverino, »und wiederum ist es richtig, daß er es bisweilen erreicht; aber noch richtiger ist es, zu sagen, er scheitere meistentheils, weil die Gesellschaft ihn nicht dabei unterstützt, weil die Vorurtheile ihn zurückstoßen, weil er sich endlich in seiner Jugend nicht die Gewohnheit angeeignet hat, sich im Zwange zu gefallen, und seine erste Erziehung ihn unaufhörlich zur Sorglosigkeit, der Feindin des Kampfes und der Sklaverei, zurückführt.«

»Wohlan, was Sie da sagen, widerspricht Ihrem ersten Urtheile. Die Kleider beweisen also Nichts, wohl aber die Gewohnheiten, das heißt, die Sprache und das Benehmen.«

»Kleider, Sprache und Benehmen, Alles das gehört zu den Gewohnheiten des Lebens, es ist der Ausdruck hievon und die Stellung des armen und niedrigen Menschen ist bei dem gemeinen Haufen ein Ding von höchster Bedeutung; aber das sind, so zu sagen, äußerliche Gewohnheiten, und das moralische Wesen hat darum nicht geringern Werth vor Gott.«

»Ich begreife solchen Unterschied nicht, Marquis. In Ihrem Munde ist es ein edelmüthiges und uneigennütziges Urtheil, allein im Munde der Person, welche vorzustellen Sie sich noch so eben ergötzten, wären es unverschämte und eitle Anmaßungen. Die Menschenfreundlichkeit leitet Sie irre, das moralische Wesen kann sich nicht auf solche Weise vom äußern Wesen losmachen. Da, wo die Sprache lächerlich ist, wo die Gewohnheiten roh sind, die Unordnung Angewöhnung, die Miene unverschämt und das Gewerbe ein unedles ist, können Sie da hoffen, ein großes Herz und einen großen Geist zu entdecken?«

»Es könnte möglich sein, Madame; ich beharre auf dieser Meinung trotz Ihrer Verachtung gegen das Elend.«

»Mißkennen Sie mich nicht. Es gibt ein Elend, das ich achte und beklage; es ist das des Schwachen, des Unwissenden, des Gebrechlichen, das aller jener Wesen, welche die Unfälle ihrer Klasse entweder physisch oder moralisch halbtodt in den großen Kampf des Lebens schleudern. Körperlich oder geistig marklos, gleich der Pflanze, die durch krankhaften Trieb in die Höhe schießt, bevor sie sich noch entwickeln konnte, sind diese Unglücklichen die Opfer des Zufalls und wir sind ihnen Bedauern und Hülfe schuldig; wer aber konnte und nicht wollte, der ist strafbar und nicht mit Unrecht wird ein Solcher von der Gesellschaft zurückgestoßen und im Stich gelassen.«

»Es sei denn!« sagte Teverino mit einer Mischung von Hoheit und Güte. »Man müßte Gott selbst sein, um in seinem Herzen zu lesen und zu wissen, ob er alsdann nicht in sich selbst Tröstungen findet, welche der Welt unbekannt sind, ob zwischen dem allgütigen Wesen und ihm nicht ein reinerer und süßerer Verkehr stattfindet, als alle menschlichen Sympathien und aller gesellschaftliche Schutz ihm zu bieten vermögen. Ich meinestheils stelle mir vor, daß die Gottesgaben stets zu Etwas dienen, und daß, wie einst Jemand sagte, die Letzten der Erde nicht die Letzten in seinem Reiche sein werden . . . Doch ich bemerke, daß ich in den Predigton verfalle und in die Rechte unseres guten Pfarrers eingreife. Ich muß mich begnügen, Ihnen bewiesen zu haben, daß ich Komödie spielen kann. Man sagte mir immer, ich sei zum Komödianten geboren, und dennoch habe ich ein aufrichtiges Herz, das mich immer den Gesetzen der Klugheit entgegenzuhandeln verlockt hat.«

»Sie sind ein unglaublicher Possenmacher,« sagte Sabina, »und haben sich aus diesem italiänischen Schwank gezogen, wie ein muthwilliger Schüler, der sich einen Ferienspaß erlaubt. Ich bewundere die Heiterkeit und Jugendlichkeit Ihres Charakters, und dennoch gestehe ich Ihnen, daß ich etwas erschrocken bin.«

»Sie halten mich für leichtfertig?«

»Nein, aber für unbeständig und unbesonnen vielleicht.«

»In diesem Fall halten Sie mich also trotz meiner Verstellungskünste weder für niederträchtig noch für verschlagen?«

»Wohlan, lieber das, als für einen Heuchler angesehen werden.«

»So machen Sie sich also Nichts daraus, eine andere Art Mißtrauen zu erzeugen?«

»Ich könnte jedes Mißtrauen so leicht bekämpfen, daß keines mich beunruhigt. Da man mich aber nicht auf die Probe stellt, so habe ich mich auch über Nichts zu rechtfertigen, nicht wahr, schöne Sabina? Ich wäre ein großer Geck, wenn ich hier unternehmen wollte, mir einen Werth beizulegen.«

»Geizen Sie nicht nach Achtung und Freundschaft?«

»Achtung und Freundschaft, französische Worte, die wir Italiäner zwischen einer schönen Frau und einem jungen Manne kaum verstehen. Weniger spitzfündig, aber leidenschaftlicher, gehen wir gerade zum wahren Gefühl über, das wir empfinden können. Ich gestehe Ihnen, daß Ihre Achtung und Ihre Freundschaft zu Leonce Dinge sind, um die ich ihn nicht beneide und welchen ich Verachtung und Haß vorziehen würde.«

»Erklären Sie mir das.«

»Wie und warum lieben Sie Leoncen nicht, diesen trefflichen und angenehmen Mann, der Sie so leidenschaftlich liebt?«

»Er liebt mich gar nicht, da haben Sie das Geheimniß meiner Gleichgültigkeit. Sollte ich nun einen so vollkommenen Mann hassen und verachten, weil er nicht in mich verliebt ist? Soll ich hier nicht meine Fraueneitelkeit ablegen und seinem edeln Charakter und seinem großen Geiste Gerechtigkeit widerfahren lassen, indem ich ihm eine ruhigere und dauerhaftere Zuneigung als Liebe widme?«

»Nach der Art, wie Sie über Liebe sprechen, sollte man meinen, Sie hätten dieselbe nie gekannt, Signora. Eine Italienerin würde nicht so viel Zartgefühl und Großmuth besitzen; sie würde ganz einfach verachten und den Mann für ihren Feind halten, der fähig wäre, mit ihr in dieser Art roher und beleidigender Vertraulichkeit, die Sie Freundschaft nennen, zu leben. Ach! sehen Sie, Signora, welches Standes auch eine Frau sein möge, sie ist vor allen Dingen Weib. Der Instinkt der Wahrheit wirkt mächtiger auf sie, als alle Gesetze des Auslandes und guten Geschmackes. Ihre Freundschaft, das heißt, Ihre Verachtung für meinen edeln Freund beruht nur auf einem Irrthum. Sie bemerken seine Liebe nicht und strafen ihn durch Ihre Achtung für sein Schweigen. Könnten Sie in seinem Herzen lesen, Sie würden das, was er empfindet, erwidern.«

»Marquis, ich finde Sie höchst sonderbar, sich auf diese Weise mit Leonces Erklärungen zu befassen.«

»Ich schwöre Ihnen auf Ehre, Signora, daß er mir keinerlei Auftrag dazu gegeben hat und gegen mich so mißtrauisch, wie gegen Sie selbst ist.«

»So machen Sie mir denn aus eigener Anregung den Hof für ihn und verfechten seine Sache freiwillig? Das ist sehr edel und sehr großmüthig von Ihnen, Marquis, und erinnert an die Bruderschaft der alten Ritter. Gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen, daß es Nichts Achtungswertheres gibt und meine Freundschaft Ihnen von diesem Tage an billigerweise erworben ist.«

Nachdem Sabina dieß mit bitterm Aerger gesprochen, stand sie auf, wünschte dem Marquis gute Nacht und zog sich in ihr Zimmer zurück.

Wir haben schon gesagt, daß alle Zimmer unsrer Reisenden nach jener bretternen Gallerie hinausgingen, welche nach der in den Alpen eigenthümlichen Bauart ein breites Wetterdach schützte und die längs der dem Platze zugewandten Vorderseite des Hauses hinlief. Leonce und Teverino hatten das nämliche Zimmer inne, und als Letzterer dasselbe betrat, fand er seinen Freund noch angekleidet in großer Aufregung hin- und hergehend.

»Junger Mann,« sagt Leonce ihm entgegengehend und die Hand reichend, »Du hast edle Gefühle und wärest eines edeln Looses würdig. Ich habe Dich beim Uebergang über den Strom schmählich beleidigt, willst Du’s vergessen?«

»Ich verzeihe Ihnen, von ganzem Herzen, Leonce, wenn Sie mir gestehen, daß Eifersucht, das heißt Liebe diese unwillkürliche Aufwallung veranlaßt hat.«

»Und ohne das wirst Du’s nicht vergessen?«

»Ohne das würde ich beharrlich Genugthuung verlangen. Je niedriger mein Stand Ihnen scheint, desto mehr Rücksichten schulden Sie mir, da Sie mich zu Ihrer Gesellschaft gezogen haben; und wenn der Unterschied unsers Vermögens Sie zaudern ließe, mir die Genugthuung zu geben, so sage ich Ihnen, um Sie anzuregen, daß ich in allen Waffengattungen meisterlich geübt bin und das nicht mein erstes Duell mit Leuten von Stande wäre.«

»Ich kenne kein feiges Vorurtheil, das mich in diesem Punkte zaudern lassen könnte; ich schreite mit meinem Jahrhundert und weiß, daß ein Mensch so viel werth ist, als der andere. Ich bin ebenfalls nicht ungeschickt und es würde mir einigermaßen Vergnügen machen, mich mit Dir zu messen, wenn ich eine gute Sache hätte; ich fühle aber, daß sie dieß nicht ist, und es ist mir um so schmerzlicher, Dich beleidigt zu haben, als ich in Dir jenen Stolz erblicke, der den Ehrenmann ziert.«

»Ihre Entschuldigungen sind ebenfalls die eines Ehrenmannes und ich nehme sie an,« sagte Teverino, ihm mit männlicher Würde die Hand drückend; um aber meine Empfindlichkeit zu beruhigen, hätten Sie gestehen sollen, daß Liebe und Eifersucht allein Schuld daran waren.«

»Ich soll Ihnen beichten, Teverino? Wohlan, es geschehe. Ich gebe allerdings zu, daß die Eifersucht es war, aber die Liebe war es nicht!«

»Das sind wieder französische Spitzfündigkeiten! Eine Frau gefällt uns oder gefällt uns nicht. Da, wo keine Liebe, ist auch keine Eifersucht.«

»Das ist die Sprache der Rechtlichkeit und Treuherzigkeit; doch nehmen wir an, ich gebe es zu, die Civilisation der französischen Sitten und die Verfeinerung unsrer Ideen bringe diesen seltsamen Widerspruch hervor! Können Sie nicht begreifen, was Sie empfinden können? Sie, der Sie so vielerlei gesehen, so viel verschiedene Naturen studirt haben, wissen Sie nicht, daß Eigenliebe so gut eine Ursache des Aergers und der Eifersucht ist, als die wirkliche Leidenschaft?«

Teverino setzte sich auf den Rand seines Bettes, beobachtete einige Augenblicke ein nachdenkliches Schweigen und erwiderte dann aufstehend:

»Ja! es sind Krankheiten der Seele, durch Uebersättigung hervorgebracht. Um sie nicht zu kennen, muß man, wie ich, vom Elend, das heißt von der häufigen Unmöglichkeit, alle seine Launen zu befriedigen, heimgesucht sein. Theure Armuth! Du bist eine gute Herzenserzieherin. Du führst uns zur ursprünglichen Einfachheit der Gefühle und Ideen zurück, wenn der Mißbrauch der Genüsse uns zu verderben droht. Du gibst uns so viel einfache Lehren, daß wir unter Deinem strengen Gesetze wohl einfach bleiben müssen!«

 

»Welche Beziehung stellen Sie denn zwischen Ihrem Elend und der Geradheit Ihres Herzens auf?«

»Das Elend, mein Herr, ist eine ganze Philosophie. Es ist Stoicismus und die stoische Seele ist ganz aus einem Stücke gemacht. Meine Geliebte werde mir durch einen Mächtigen entrissen (die Macht dieses Jahrhunderts aber ist der Reichthum), so beuge ich mein Haupt und mein Stolz leidet nicht darunter. Dieses Herz, dem mein Herz nicht genügt hat, scheint mir weder des Bedauerns noch des Zornes würdig. Wenn ich den Kampf aufzunehmen und meiner Ungetreuen Lebensgenüsse zu bieten im Stande wäre, dann könnte ich die Eifersucht kennen und über meine Niederlage entrüstet werden. Allein da, wo mein Nebenbuhler über Lockungen verfügt, welche das Schicksal mir versagt, da kann ich nur mit dem Geschicke rechten . . . und die Personen scheinen mir nicht schuldig.«

»Du bist in der That ein ganzer Philosoph und ich mache Dir mein Compliment darüber. Es läßt sich dieß jedoch nicht auf die Regung von Eifersucht anwenden, welche Du mir eingeflößt hast. Du besitzest Nichts und man zieht Dich mir, dem Reichen, vor. Ich habe daher Grund, mich doppelt erniedrigt zu fühlen.«

»Mehr noch, wüthend zu sein, wenn Sie verliebt sind. Wo nicht, so ist es nur ein Rausch der Eitelkeit, und ich begreife nicht, wie ein Mann von so aufgeklärtem Geiste wie Sie, sich von einer solchen Lapperei anfechten lassen kann. Wären Sie gewöhnt, dem unseligen Gesetze des Geschickes stündlich weichen zu müssen, so würden Sie gegen dergleichen kleine Widerwärtigkeiten gestählt sein. Sie wüßten, daß das Weib das für Eindrücke empfänglichste Wesen der Schöpfung und demzufolge das ist, was uns die meisten Genüsse und die wenigsten Rechte, die meiste Trunkenheit und die wenigste Sicherheit geben kann.«

»Das ist eine Zigeunerphilosophie,« rief Leonce, »und ich fühle mich außer Stande, auf solche Weise zu lieben. Du bist ganz Zärtlichkeit und ganz Duldsamkeit, Teverino; allein Du trägst die Würde, welche Du im Punkt der Ehre besitzest, nicht auf die Liebe über.«

»Ich bringe nicht Ehre hin, wo keine ist, und suche in der Liebe nur Liebe.«

»Auch wirst Du oft geliebt und Du liebst nie; Du kennst nur das Vergnügen.«

»Und dennoch opfere ich oft das Vergnügen Ideen der Ehre. Beurtheilen Sie mich nicht so schnell, Leonce, Sie wissen nicht, was zu dieser Stunde in mir vorgeht.«

»Ich weiß es, Freund,« rief Leonce mit Feuer. »Du bekämpfst Wünsche, die Du noch zu dieser Stunde befriedigen könntest. Es ist nicht weit von diesem Zimmer zu dem einer gewissen großen, und wie alle ihres Standes stolzen und schwachen Dame, und ich weiß ganz wohl, daß Du nur eine Romanze unter ihrem Fenster zu singen und ein Compliment unwiderstehlicher Schmeichelei an sie zu richten brauchtest, um diesen vermeintlichen carrarischen Marmor zu beleben und in diesen höhnischen Lippen eine Glut anzufachen . . .«

»Halt! Leonce, solch eine Zuversicht habe ich nicht und messe mir auch nicht solche Macht bei!«

»Ist dieß Verstellung, Bescheidenheit oder Rechtlichkeit? Laß jedes Bedenken fallen. Ich habe Alles gesehn, Alles gehört; ich weiß, wie Du neugierig warst, dann in Versuchung kamst und endlich aus Großmuth gegen mich Sieger bliebst. Ich weiß Dir Dank dafür, allein die Achtung, welche Du mir einflößest, vermehrt die Verachtung, welche ich gegen diese Frau gefaßt habe, und sie soll die Strafe ihrer heuchlerischen Kälte tragen. Du sollst Dich dem Brausen Deiner Jugend überlassen und ihr jene Wonnen geben, um die ihr feuchtes Auge schon seit diesem Morgen fleht. Geh, Kind des Zufalls und König der Gelegenheit! Die Stunde ist günstig und den ersten Kuß, jenen Kuß der Liebe, nach welchem eine Frau Nichts mehr versagen kann, hast Du Dir schon genommen. Du wirst mir einen großen Dienst erweisen, Du wirst mich aus einer Todesangst und von einer unseligen, schon allzulange vergeblich bekämpften Lockung befreien. Das Einzige, was ich von Dir fordere, ist Verschwiegenheit, und überdieß bürgt mir Dein Leben für Dein Schweigen. Sei glücklich diese Nacht, morgen sollst Du sterben . . . wenn Du redest!«

»Ein Duell auf Leben und Tod wäre ein himmlisches Reizmittel, wenn ich mich wirklich in Versuchung befände,« antwortete Teverino mit Ruhe; »allein dieß ist nicht der Fall, weil ich sehe, daß Du wahnsinnig verliebt bist, armer Leonce; Deine Wuth und Deine Ungerechtigkeit enthüllen wider Willen den Grund Deiner Seele. Geh, beruhige Dich, dieses schöne Geschöpf ist weder falsch noch strafbar, Sie ist nur mißtrauisch und unentschlossen, und wenn sie Dich noch nicht geliebt hat, Leonce, so ist es Dein Fehler!«

»Nein, nein, es ist der ihrige. Kann es ihr unbekannt sein, daß ich sie liebe? und daß meine ehrerbietige Freundschaft nur ein schüchternes Spiel ist?«

»Du gibst es endlich zu!«

»Ich gebe zu, daß ich sie schon lange liebe und noch diesen Morgen . . . war ich nahe daran, mich zu erklären; ei was! hab’ ich es nicht seit heute Morgen hundert Mal gethan, Unsinniger, der ich bin! Mein Aufbrausen, mein bittrer Hohn, meine Traurigkeit, meine Unruhe, meine eifersüchtigen Sorgen, meine Anstrengungen, mich in Magdalena zu verlieben, sind das Alles nicht nur zu naive Geständnisse für einen Weltmann?«

»Leonce! Leonce! Sie sind verstanden worden!«

»Ja, und das ist’s, was von ihr das Gehässigste, für mich das Demüthigendste ist, Sie stellte sich, als sähe sie Nichts, sie verharrte in ihrer stolzen Unklugheit, sie suchte alle Mittel auf, mich zu entmuthigen, und als sie sah, daß es mich heftig schmerzte, warf sie sich mit einer Art Cynismus in die Arme eines Unbekannten.«

»Schweig, Lästerer! Du gibst mir Aergerniß,« rief Teverino. »Du bist blind und roh in der Leidenschaft. Wie! Du siehst nicht, daß diese Frau Dich liebt und ich soll Dich von der Zartheit ihres Herzens unterrichten? Du siehst nicht, daß sie mich nur aus Aerger hört und daß ihre von Leidenschaft erregte Seele im Taumel irgend eines verhängnißvollen Ereignisses Zuflucht sucht? Du wählst, um zu ihr zu gelangen, Dornen besäete Wege und die Wonnen, die Du ihr bereitest, sind mit Galle gemischt; Du erzürnst sie durch stürmisches Verlangen und, übermüthig und voll beißenden Hohnes, entfernst Du Dich alsobald, beleidigt, daß sie nicht der Schamhaftigkeit ihres Geschlechts entgegen die ersten Schritte thut! Du willst, sie solle Dir ihre Leidenschaft ausdrücken, Dich für alle Fälle beruhigen, Dir gold- und seidendurchwobene Tage versprechen, sie soll sich entschuldigen und rechtfertigen, bis heute für Deine Verführungskünste unempfindlich gewesen zu sein, Dich einigermaßen um Verzeihung bitten, daß sie mit ihrer Unterwerfung gezaudert; kurz, sie soll Dir zum Tausche für das bittere Getränk von Wahrheiten, das Du ihr bietest, die Götterspeise der verliebten Schmeichelei reichen! . . . Sie sind unvernünftig, Leonce, und wissen nicht, was ein solches Weib ist. Sie würden sich zu erniedrigen glauben, wenn Sie sich zu ihren Füßen im Staube vor ihr schleppten und sich ihrer Zärtlichkeit unwerth gefunden, und Sie sehen nicht, daß das eben der natürliche Ausdruck einer wahren Liebe, die naive Dankbarkeit eines begeisterten Glücks ist?«

»Italiäner! Italiäner! ausgetretener Fluß, der sich auf’s Gerathewohl fortwälzt, Du wartest nicht, bis die Begeisterung Dich durchdringt, um sie auszudrücken, und Dein Entzücken kann dem Glück, welches dasselbe entstehen läßt, vorausgehen! Du kennst alle Schliche der Verführung und sprichst von naiven Gefühlen?«

Другие книги автора