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Lavinia

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Lionel war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß er auf diese Worte geachtet hätte. Die von Lavinia ihm bestimmte Zeit verbrachte er auf seinem verschlossenen Zimmer, ließ sich für krank halten und geruhte nicht einmal, Sir Henry zu enttäuschen, der sich in Vermuthungen über dies Benehmen verlor. Endlich traf der Brief ein. Hier ist er:

»Weder der eine noch der andere! Wenn Sie diesen Brief empfangen, wenn Herr von Morangy, den ich nach Tarbes geschickt habe, dort meine Antwort erhält, werde ich weit von Ihnen beiden entfernt sein. Ich werde abreisen, abreisen für immer, auf ewig für Sie und für ihn verloren.

»Sie bieten mir Namen, Stand, Vermögen, Sie glauben, eine glänzende Stellung in der Welt sei eine große Versuchung für eine Frau. O nein, nicht für die, die es kennt und verachtet, wie ich es thue. Aber deuten Sie deshalb nicht, Lionel, daß ich das Anerbieten, das Sie mir gemacht, eine glänzende Heirath aufzugeben und sich für immer an mich zu fesseln, geringschätze.

»Sie haben eingesehen, wie schwer es die Eigenliebe einer Frau trifft, verlassen zu werden, haben erkannt, wie ehrenvoll es für sie ist, einen Treulosen wieder zu ihren Füßen zurückzuführen, und wollten mich durch diesen Triumph für alles, was ich gelitten, entschädigen. Auch schenke ich Ihnen meine ganze Achtung und würde Ihnen jetzt das Vergangene verzeihen, wenn es nicht schon längst geschehen wäre.

»Aber erkennen Sie, Lionel, daß es nicht in Ihrer Gewalt liegt, das Unheil wieder gut zu machen. Das steht in keines Menschen Macht! Der Schlag, den ich empfing, ist tödtlich. Für immer hat er die Fähigkeit, zu lieben, in mir vernichtet. Er hat die Flamme der Jugendträume ausgelöscht, das Leben erscheint mir in trübem, düstern Licht.

»Doch ich klage das Geschick nicht an: es mußte so kommen, früher oder später. Wir leben alle, um zu altern und jede unserer Freuden durch die Enttäuschung zerstört zu sehen. Es ist wahr, ich bin jung enttäuscht worden, und das Bedürfniß, zu lieben, hat lange die Fähigkeit, zu glauben, überlebt. Lange und oft habe ich gegen meine Jugend wie gegen einen erbitterten Feind gekämpft – immer ist es mir gelungen, ihn zu besiegen.

»Und glauben Sie, dieser letzte Kampf gegen Sie, dieser Widerstand gegen die Anerbietungen, die Sie mir machen, sei nicht recht hart und schwer? Jetzt, da die Flucht mich vor der Gefahr einer Niederlage schützt, jetzt kann ich es sagen: ich liebe Sie noch immer, ich fühle es. Das Bild des ersten Mannes, den man geliebt, verwischt sich nie gänzlich. Es scheint verschwunden, man schlummert ein und vergißt die Leiden, die man erduldet – aber das Götzenbild der Vergangenheit steige herauf, das alte Idol erscheine wieder, und wir sind von neuem bereit, vor ihm das Knie zu beugen. Flieh', entweiche, Phantom und Traum! Du bist nur ein Schemen, wenn ich dir zu folgen wagte, würdest du mich wieder zwischen die Klippen locken und mich dort todesmatt und gebrochen verlassen. Entweiche, ich glaube nicht mehr an dich! – Ich weiß, Lionel, daß Sie die Zukunft nicht in der Gewalt haben, und daß, wenn heute Ihr Mund wahrhaftig ist, die Schwachheit Ihres Herzens ihn zwingt, morgen zu lügen.

»Doch warum sollte ich Sie anklagen, daß Sie so sind? Sind wir nicht alle schwach und unbeständig? War ich selbst nicht ruhig und kalt, als ich gestern mit Ihnen zusammentraf? war ich nicht überzeugt, ich könnte Sie nicht lieben? Hatte ich nicht die Bewerbung des Grafen von Morangy ermuthigt? – Und habe ich nicht am Abend, als Sie neben mir auf dem Felsen saßen, als Sie unter Sturm und Regen so leidenschaftlich zu mir sprachen, habe ich da nicht empfunden, wie meine Seele zerfloß und weich ward? O, wenn ich daran denke – – das war Ihre Stimme aus den verflossenen Zeiten, das Ihre Leidenschaft aus den alten Tagen, das waren Sie ganz, Sie, meine erste Liebe, meine Jugend, die ich auf einmal wiederfand!

»Und jetzt nun, da ich ruhig bin, fühle ich mich zum Sterben traurig. Denn ich erwache und erinnere mich, im Dunkel des Lebens einen lichten Traum gehabt zu haben.

»Adieu, Lionel. Wenn Ihr Verlangen, mich zu heiraten, wie ich vermuthe, bis zum Augenblick der Verwirklichung probehaltig gewesen wäre (und vielleicht schon jetzt empfinden Sie, daß ich wol im Rechte sein mag, indem ich Sie abweise), wären Sie unter dem Druck einer solchen Verbindung unglücklich gewesen. Sie würden gesehen haben, wie die Welt, die immer undankbar und mit dem Lob für unsere guten Thaten geizig ist, die Ihre als eine Pflichterfüllung betrachtet und Ihnen den Triumph, den Sie vielleicht davon erwarteten, verweigert haben würde. Sie würden alsdann, da Sie die Bewunderung, auf die Sie rechneten, nicht erlangten, Ihre Selbstzufriedenheit eingebüßt haben. Wer weiß! ich selbst vielleicht hätte das Schöne Ihrer Rückkehr gar zu bald vergessen und Ihre neuerstandene Liebe wie eine Genugthuung angenommen, die Sie Ihrer Ehre schuldig waren. Nein, beflecken wir diese liebestrunkne, trauliche Stunde nicht, die wir an jenem Abend genossen – bewahren wir die Erinnerung daran, aber suchen wir Sie nicht zu erneuern.

»In Betreff des Grafen von Morangy hegen Sie keine selbstsüchtige Befürchtung: ich habe ihn nie geliebt. Er ist einer jener Unfähigen, die (selbst mit meiner Hilfe nicht!) mein todtes Herz nicht zum Pochen bringen konnten. Ich möchte ihn keineswegs zum Gatten. Ein Mann von seinem Range verkauft den Schutz, den er gewährt, stets zu theuer: er läßt es fühlen! Und dann hasse ich die Heirath, hasse alle Männer, alle dauernden Verbindungen, die Schwüre, die Projecte, die durch Contracte und Verträge im Voraus geordnete Zukunft, über die das Schicksal stets sich lustig macht. Ich liebe nur noch das Reisen, das Träumen, die Einsamkeit, den Lärm der Welt, um sie zu durchstreifen und darüber zu lachen, dann die Poesie, um die Vergangenheit zu ertragen, und Gott, um auf die Zukunft zu hoffen.«

Sir Lionel Bridgemont empfand zuerst eine tiefe Demüthigung seiner Eigenliebe. Denn zum Troste des Lesers, der zuviel Theilnahme für ihn hegen möchte, muß gesagt werden, daß er in den achtundvierzig Stunden sehr viel Reflexionen angestellt hatte. Zuerst wollte er zu Pferde steigen, Lady Blake folgen, ihren Widerstand besiegen und über ihre kalte Vernunft triumphiren. Doch dann bedachte er, daß sie fest bei ihrer Weigerung beharren, Miß Ellis aber während dieser Zeit sich durch sein Benehmen beleidigt fühlen und die Verbindung mit ihm zurückweisen könne – – Er blieb.

»Frisch auf!« sagte Henry am nächsten Tage zu ihm, als er ihn Miß Margarets Hand küssen sah, ein Versöhnungszeichen, das sie ihm erst nach einem ziemlich lebhaften Streit wegen seiner Abwesenheit gewährte, »frisch auf, im nächsten Jahre haben wir einen Sitz im Parlamente.«