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Fadette

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Zwanzigstes Kapitel

Als Landry während des Tages auf dem Felde beschäftigt war, sah er die kleine Fadette vorübergehen. Sie ging sehr schnell und wandte sich einer dichtbewachsenen Stelle zu, wo die Madelon das Laub für ihre Schafe sammelte. Es war um die Zeit, wo man die Ochsen auszuspannen pflegte, weil die Hälfte des Tagewerkes vollbracht war. Landry, der die seinigen auf die Weide zurückführte, blickte beständig der kleinen Fadette nach, die so leicht dahinschritt, daß ihre Füße kaum eine Spur auf dem Grase zurückließen. Landry hätte gern wissen mögen, was sie der Madelon sagen würde. Statt also seine Suppe zu verzehren, die für ihn in die vom Eisen der Pflugschar noch warme Furche hingestellt war, schlich er sich längs des Gebüsches hin, um das Gespräch der beiden Mädchen zu behorchen. Sehen konnte er sie nicht, und da die Madelon ihre Antworten in dumpfem Tone gleichgültig dahinmurmelte, war es ihm unmöglich zu verstehen, was sie sagte. Aber die Stimme der kleinen Fadette war trotz ihres sanften Klanges, darum nicht weniger hell und deutlich, sodaß ihm auch nicht ein einziges ihrer Worte entging, obgleich sie keineswegs sehr laut sprach. Es war die Rede von ihm, und wie sie es Landry versprochen hatte, machte sie der Madelon begreiflich, wie sie sich schon vor zehn Monaten von Landry hatte das Wort geben lassen, daß er ihr zu irgend einem Dienst, den sie nach ihrem Belieben von ihm fordern würde, zu Gebote stehen müsse. Sie wußte das alles so bescheiden und so allerliebst auseinander zu setzen, daß es ein Vergnügen war, ihr zuzuhören. Und dann erzählte sie, ohne jedoch des Irrlichtes zu erwähnen, und daß Landry sich davor gefürchtet habe, wie dieser beinah ertrunken wäre, als er am Vorabende des heiligen Andochefestes die Strudelfurt verfehlt hatte. Schließlich wußte sie alles in das beste Licht zu rücken und erklärte offen und deutlich, daß das ganze Unheil allein durch ihre Eitelkeit verschuldet sei, weil sie, die bisher immer nur mit den Buben tanzte, es sich in den Kopf gesetzt hatte, mit einem erwachsenen Burschen tanzen zu wollen.

Die Madelon geriet darüber in hellen Zorn, sodaß sie mit lauter Summe rief:

»Was habe denn ich mit alledem zu schaffen? Tanze doch dein ganzes Lebenlang mit den Zwillingen vom Zwillingshofe, und bilde dir nur nicht ein, Grille, daß mich das auch nur im geringsten ärgert oder neidisch macht.«

Die Fadette erwiderte darauf: »Rede nicht mit so harten Worten gegen den armen Landry, Madelon; er hat nun einmal sein Herz an dich gehängt, und wenn du nichts von ihm wissen willst, wird er sich mehr darüber kümmern, als ich es auszusprechen vermag.«

Wiederum hatte sie dies in so zierlich gewählten Worten, mit so einschmeichelndem Tone gesagt, und dabei in so anerkennender Weise von Landry gesprochen, daß dieser gern alle ihre Ausdrücke für immer seinem Gedächtnis eingeprägt hätte, um sich ihrer bei Gelegenheit selbst bedienen zu können. Als er sich in solcher Weise loben hörte, errötete er vor innerem Behagen.

Auch die Madelon war erstaunt wie hübsch die kleine Fadette zu reden verstand, aber ihre Geringschätzung gegen dieselbe war zu groß, um es sie merken zu lassen. – »Du hast ein tüchtiges Mundwerk und eine anerkennenswerte Dreistigkeit,« sagte sie ihr; »man sollte meinen, deine Großmutter habe dich dazu abgerichtet, die Leute zu beschwatzen; aber ich liebe es nicht mit Hexen zu plaudern, das bringt Unglück, und ich bitte dich, gehörnte Grille, laß mich jetzt in Ruhe. Du hast nun einen Liebhaber gefunden, und den bewahre dir, mein Schätzchen, denn er wird der erste und der letzte sein, der an einer so garstigen Schnauze wie die deinige, Geschmack findet. Was mich betrifft, ich mag nichts von dem, was du nicht willst, und wenn's der Sohn des Königs wäre, dein Landry ist ein Narr, und es muß Wohl recht wenig an ihm gelegen sein, da du in der Meinung, du hättest ihn mir genommen, schon so bald herankommst, mich zu bitten, daß ich ihn in Gnaden wieder annehmen soll. Wahrhaftig, das wäre ein schöner Liebhaber für mich, wenn selbst die kleine Fadette nichts nach ihm fragt!

»Wenn es das ist, woran du Anstoß nimmst,« antwortete die Fadette in einem Tone, der Landry bis ins Innerste seines Herzens drang; »und wenn dein Stolz so groß ist, daß du nicht eher gerecht sein kannst, als nachdem du mich gedemütigt hast, dann gieb dich nur zufrieden, schöne Madelon: die arme Feldgrille wird ihren Stolz und ihren Mut dir unter die Füße legen. Du glaubst also, daß ich Landry verachte, weil ich dich sonst nicht bitten würde, ihm zu verzeihen. Nun, so erfahre denn, wenn es dir so angenehmer ist, daß ich ihn schon seit langer Zeit liebe, daß er der einzige Bursche ist, an den ich jemals gedacht habe, und der mir vielleicht mein ganzes Lebenlang im Sinne bleiben wird. Zugleich aber bin ich zu verständig und auch viel zu stolz, um je daran zu denken, daß er meine Liebe erwiedern sollte. Ich weiß, wer er ist, und wer ich bin. Er ist schön, reich und angesehen; und ich bin häßlich, arm und verachtet. Ich weiß also recht gut, daß er nicht für mich bestimmt ist. Du hast jedenfalls auch sehen müssen, wie geringschätzig er sich auf dem Feste gegen mich benommen hat. Du kannst dich also damit beruhigen, daß der, den die kleine Fadette nicht einmal anzublicken wagt, seine Augen voller Liebe nach dir richtete. Strafe die kleine Fadette dadurch, daß du sie verspottest und ihr den wieder entreißt, den sie dir nicht einmal streitig zu machen wagen würde. Und, wenn du es nicht aus Liebe zu ihm thust, so thue es wenigstens, um mich für meine Unverschämtheit zu strafen. Versprich mir, wenn er jetzt zu dir kommt, um sich vor dir zu entschuldigen, daß du ihn gut aufnehmen und ihm ein wenig Trost zusprechen willst.«

Statt von soviel Demut und Ergebenheit gerührt zu werden, bezeigte die Madelon sich sehr hart und schickte die kleine Fadette wieder fort, indem sie ihr sagte, daß Landry gerade für sie sehr passend sei; was aber sie selbst, die Madelon, betreffe, so finde sie ihn für sich viel zu bubenhaft und zu einfältig. Aber trotz der schroffen Abweisungen der schönen Madelon, verfehlte die große Selbstverleugnung, womit die Fadette sich selbst zum Opfer gebracht hatte, nicht ihre Früchte zu tragen. Das Herz der Frauen ist nun einmal so beschaffen, daß ein junger Bursche in ihren Augen erst das Ansehen eines Mannes gewinnt, wenn sie sehen, daß er von anderen Frauen geschätzt wird. Die Madelon, die ihre Gedanken niemals besonders ernstlich mit Landry beschäftigt hatte, begann jetzt, sobald sie die Fadette fortgeschickt hatte, viel an ihn zu denken. Sie wiederholte sich alles, was diese Schönrednerin ihr von Landrys Liebe vorgesprochen hatte, und wenn sie darüber nachdachte, daß die Fadette bis zu dem Grade in ihn verliebt war, daß sie es ihr sogar gestanden hatte, blähte sie sich in der Siegesgewißheit, sich an diesem armen, kleinen Mädchen rächen zu können.

Sie ging am Abend nach la Priche, das von ihrer eignen Behausung nicht mehr als zwei bis drei Flintenschüsse weit entfernt war. Unter dem Vorwande eines von ihren Tieren zu suchen, das auf den Feldern sich unter das Vieh ihres Onkels verlaufen hatte, machte sie sich in Landrys Nähe zu schaffen und ermutigte ihn durch ihre Blicke zu ihr heranzukommen, daß er mit ihr reden sollte.

Landry bemerkte dies recht gut, denn seitdem die kleine Fadette sich in die Sache eingemischt hatte, war er merkwürdig geweckt und klug geworden. – »Die Fadette kann wirklich zaubern,« dachte er bei sich, »denn sie hat mir die Zuneigung der Madelon zurückgewonnen, und durch ihr Geplauder hat sie in einer Viertelstunde mehr für mich bewirkt, als ich selbst in einem ganzen Jahre zustande gebracht haben würde. Sie hat einen wunderbaren Verstand, und ein Herz, wie es vom lieben Gott nur alle Jubeljahre erschaffen wird.

Während er mit diesen Gedanken beschäftigt war, blickte er die Madelon an, aber so gelassen, daß sie schon wieder fort ging, bevor er sich nur entschlossen hatte, sie anzureden. Nicht, daß er sich etwa vor ihr geschämt hätte; im Gegenteil, seine Beschämung war verschwunden, ohne daß er selbst wußte wie; aber mit der schüchternen Verlegenheit waren zugleich auch die Freude, die er sonst gehabt hatte, sie zu sehen, und das Verlangen von ihr geliebt zu werden, in ihm erloschen.

Als er kaum das Abendessen verzehrt hatte, so that er zum Schein, als ob er zu Bette gehen wollte. Aber er stand gleich wieder auf, schlich längs der Mauer hin und eilte unaufhaltsam graden Weges nach der Strudelfurt. Das Irrlicht führte seinen Flammentanz auch an diesem Abend wieder auf. Als Landry es noch ganz aus der Ferne hüpfen sah, dachte er: »Das ist um so besser; da ist der Fadet, so wird die Fadette nicht ferne sein. Er durchschritt die Furt, ohne sich zu fürchten und ohne sich beirren zu lassen. Dann ging er bis zu dem Hause der Mutter Fadet, das er sorgfältig prüfend von allen Seiten umspähte. Er verweilte hier geraume Zeit, ohne Licht zu sehen, und ohne das geringste Geräusch zu vernehmen. Sie mußten drinnen schon alle zu Bett gegangen sein. Er hoffte, daß die Grille, welche abends, wenn ihre Großmutter und der Grashüpfer schon im Schlafe lagen, oft hinausging, um in der Gegend umherzuschweifen, dies auch heute thun würde. Er begann deshalb auch in der Nähe des Hauses herumzustreifen. Pfeifend und singend, um sich bemerkbar zu machen, schritt er quer über die Schilfwiese hin nach dem Steinbruch von Chaumois; aber er traf auf seinem Wege nichts als den Dachs, der in die Stoppelfelder entfloh, und die Eule, die auf ihrem Baume krächzte. So blieb ihm nichts übrig, als wieder heimzukehren, ohne die Gelegenheit gefunden zu haben, der guten Freundin, die seine Interessen so ausgezeichnet vertreten hatte, seinen Dank zu sagen.

Einundzwanzigstes Kapitel

Die ganze Woche verging, ohne daß es Landry gelingen wollte der Fadette zu begegnen, worüber er sehr erstaunt und sogar bekümmert war. – »Sie wird mich gar noch für undankbar halten,« dachte er; »und doch lasse ich es gewiß nicht daran fehlen, mich nach ihr umzusehen und auf sie zu warten. Es muß also wohl etwas anderes sein, weshalb ich sie gar nicht treffen kann. Vielleicht hat es sie gekränkt, daß ich sie im Steinbruch, sozusagen, wider ihren Willen geküßt habe, und doch geschah es gewiß nicht in böser Absicht; es kam mir ja gar nicht in den Sinn sie beleidigen zu wollen.«

 

Während der ganzen Woche setzte er seine Grübeleien in dieser Weise fort, und er dachte mehr nach, als er dies in seinem ganzen Leben gethan hatte. Er konnte sich selbst nicht klar werden und blieb träumerisch und aufgeregt; er mußte sich zur Arbeit förmlich zwingen, denn weder die stattlichen Ochsen, noch die blanke Pflugschar, oder die vom Herbstregen gefeuchtete schöne braune Erde, vermochten ihn aus seinen Betrachtungen und Träumereien herauszureißen.

Am Donnerstag gegen Abend machte er sich auf, seinen Zwillingsbruder zu besuchen; er fand diesen ebenso bekümmert, wie er es selbst war. Sylvinet hatte einen von dem seinigen ganz verschiedenen Charakter, der nur manchmal durch besondere Eindrücke ihm ähnlich wurde. Es war an diesem Tage, als ob er erraten hätte, daß die Ruhe seines Bruders durch irgend etwas gestört sei, und doch war er weit davon entfernt zu ahnen, wodurch dies geschehen sein könnte. Er fragte ihn, ob er sich mit der Madelon wieder versöhnt habe, und zum erstenmale in seinem Leben sagte Landry ihm eine Lüge, indem er diese Frage bejahte. Die Wahrheit ist, daß er der Madelon auch nicht ein Wort gesagt hatte, und er dachte, daß es noch immer Zeit dazu sein würde, da ihn ja nichts dazu dränge.

Endlich kam der Sonntag heran, und Landry war einer von den ersten, die sich in der Messe einfanden. Er war schon da, bevor noch geläutet wurde, denn er wußte, daß die kleine Fadette grade in dem Augenblick zu kommen pflegte, wenn das Geläute begann, weil sie immer so lange Gebete hersagte, was die Leute veranlaßte, sich darüber aufzuhalten. Er erblickte jetzt in der Kapelle der heiligen Jungfrau eine kleine knieende Gestalt; den Rücken hatte sie dem Publikum zugewandt, und das Gesicht in den Händen verborgen, um desto andächtiger beten zu können. Dies war wohl die gewohnte Stellung der kleinen Fadette, aber nicht die Art, wie sie das Haar zu stecken und sich zu kleiden pflegte, noch überhaupt ihr sonstiges Wesen. Landry ging wieder hinaus, um zu sehen, ob er sie nicht unter dem Portal finden würde, welches bei uns die Bettelhalle genannt wird, weil sich hier während des Gottesdienstes die in Lumpen gehüllten Bettler von Profession aufzuhalten pflegen.

Der zerlumpte Anzug der Fadette war der einzige, den er hier nicht entdecken konnte; er hörte die Messe, ohne sie erspäht zu haben. Erst als die Einleitung zum Meßopfer begonnen hatte, und er noch einmal jenes Mädchen betrachtete, welches so andächtig in der Kapelle betete, erkannte er, als sie den Kopf erhob, in ihr seine Grille, aber in einem Anzuge und mit einer Haltung, die ihm ganz neu an ihr waren. Das waren wohl noch immer ihre ärmlichen Kleider, ihr Rock von halbwollenem Stoff, ihre rote Schürze und ihre leinene Haube ohne Spitzenverzierung; aber das alles war im Laufe der Woche rein und weiß gewaschen, anders zugeschnitten und zusammengenäht. Ihr Rock war verlängert worden und fiel in zierlicheren Falten auf die Strümpfe herab, die blendendweiß waren, ebenso wie ihre Haube, die auch eine andere Form erhalten hatte, und zierlich auf ihrem glattgekämmten schwarzen Haare befestigt war; ihr Halstuch war neu und von einer hübschen mattgelblichen Farbe, die zu ihrer bräunlichen Haut vortrefflich stand. Auch das Mieder hatte sie verlängert und statt, daß ihr Oberkörper sonst wie ein bekleidetes Scheit Holz ausgesehen hatte, war ihre Taille jetzt fein und biegsam wie der Leib einer Wespe. Ja, mehr noch! Der Himmel mag's wissen mit welcher Mischung von Blumen- und Kräutersaft sie während der acht Tage Gesicht und Hände gewaschen haben mochte, denn ihr farbloses Gesicht und ihre zierlichen Hände hatten ein so reines zartes Aussehen, daß sie mit frischer Weißdornblüte im Frühling wetteifern konnten.

Als Landry sie so verändert sah, ließ er vor Erstaunen sein Gebetbuch fallen. Das dadurch verursachte Geräusch, veranlaßte die kleine Fadette sich umzuwenden, und sie erblickte Landry grade in dem Augenblick, als er sie eifrig betrachtete. Sie errötete ein wenig, wenn auch nicht mehr als die zarte Waldrose; aber durch den wärmeren Farbenton wurde sie beinah schön, umsomehr, da ihren schwarzen Augen, an denen man niemals etwas auszusetzen fand, ein so leuchtender Glanz entstrahlte, daß ihr Gesicht dadurch wie verklärt erschien. In Landry erwachte aufs neue der Gedanke: »Sie ist eine Zauberin! sie war häßlich und wollte schön werden, und da ist sie nun durch ein Wunder schön geworden. Es war ihm als ob er vor Furcht erstarren müsse; aber trotz der Furcht empfand er doch ein so heftiges Verlangen sich ihr zu nähern und mit ihr zu reden, daß ihm zu Mute war, als müsse ihm bis zum Schluß der Messe das Herz vor Ungeduld zerspringen.

Sie aber sah ihn nicht mehr an, und statt wie sonst nach dem letzten Gebet mit den Kindern um die Wette herumzulaufen und zu scherzen, ging sie still und bescheiden fort, sodaß man im allgemeinen kaum Zeit gehabt hatte zu bemerken, wie sehr sie sich zu ihrem Vorteil verändert hatte. Landry hatte nicht den Mut ihr zu folgen, um so weniger, als Sylvinet ihn nicht aus den Augen ließ; aber, nachdem er eine Stunde gewartet hatte, gelang es ihm doch zu entschlüpfen, und diesesmal dem Drange seines Herzens folgend, fand er die kleine Fadette, wie sie verständig ihre Tiere hütete in dem schmalen Hohlwege, der die Gensdarmenschlucht genannt wird. In längst vergangener Zeit haben die Bewohner von la Cosse an dieser Stelle einen königlichen Gensdarmen getötet, weil die Armen, im Widerspruch mit dem Wortlaut des Gesetzes, das ohnehin schon streng genug war, zur Bezahlung der Abgaben und zur Leistung des Frohndienstes gewaltsam gezwungen werden sollten.

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Da es Sonntag war, hütete die kleine Fadette ihre Schafe, ohne dabei zu nähen oder zu stricken. Sie ging einem stillen Vergnügen nach, welches die Kinder in unserer Gegend manchmal sehr ernsthaft beschäftigt. Sie suchen ein vierblätteriges Kleeblatt, ein sogenanntes Kleeviere, das sehr selten ist und dem Finder, der seine Hand darüber legt, Glück verheißen soll.

»Hast du eins gefunden, Fränzchen?« fragte Landry, sobald er sich an ihrer Seite befand.

»Ich habe es schon oft gefunden,« antwortete sie; »aber es bringt doch kein Glück, wie man glaubt, und es hilft mir nichts, obgleich ich schon drei davon in meinem Gebetbuche habe.«

Landry setzte sich neben sie, als ob er mit ihr plaudern wollte. Aber mit einemmale wurde es ihm so beklommen, wie es ihm noch niemals neben der Madelon gewesen war, und trotzdem er im Sinne gehabt hatte, recht viel zu sagen, wußte er auch nicht ein Wort herauszubringen und konnte sich auf nichts mehr besinnen.

Auch die kleine Fadette wurde verlegen, denn: sprach der Zwilling auch nichts zu ihr, so betrachtete er sie doch mit sehr eigentümlichen Blicken. Endlich faßte sie sich ein Herz und fragte ihn, warum er sie denn so erstaunt ansehe.

»Ist es etwa,« sagte sie, »weil ich meine Haube in Ordnung gebracht habe? Darin bin ich deinem Rat gefolgt; ich habe gedacht, um ein verständiges Aussehen zu gewinnen, müsse ich damit anfangen, mich anständiger zu kleiden. Auch wage ich nicht, mich sehen zu lassen, denn ich fürchte, daß man mir noch gar einen Vorwurf daraus macht und etwa sagt, ich hätte den Versuch gemacht, mich weniger häßlich zu machen, ohne daß es mir damit gelungen wäre.«

»Mögen die Leute sagen, was sie wollen,« sagte Landry; »aber ich weiß wirklich nicht, was du nur angefangen hast, um dich so zu verschönern; denn du bist heute wirklich hübsch, und man müßte gar keine Augen im Kopfe haben, wenn man das nicht sehen könnte.«

»Spotte nicht, Landry,« hob die kleine Fadette wieder an. »Man sagt: Die Schönen lassen sich durch ihre Schönheit den Kopf verdrehen, und die Häßlichkeit bringe die Häßlichen zur Verzweiflung. Ich habe mich schon daran gewöhnt durch meinen Anblick den Leuten Schrecken einzujagen, und ich möchte jetzt nicht so einfältig werden, zu glauben, daß ich gefallen könnte. Aber du bist doch nicht etwa zu mir gekommen, um von diesen Dingen zu reden; ich denke du wirst mir sagen, daß die Madelon dir verziehen hat.«

»Ich komme nicht, um mit dir von der Madelon zu reden. Ich weiß nichts davon, ob sie mir verziehen hat, und bekümmere mich auch nicht darum. Ich weiß nur, daß du mit ihr darüber gesprochen hast, und du hast es so gut gemacht, daß ich dir großen Dank dafür schuldig bin.«

»Wie weißt du denn, daß ich mit ihr gesprochen habe? Sie hat es dir also gesagt? In diesem Falle habt ihr euch also wieder versöhnt.«

»Wir haben uns gar nicht versöhnt; wir lieben uns nicht genug, um miteinander böse zu sein. Ich weiß, daß du mit ihr geredet hast, weil sie es jemanden gesagt hat, der es mir wieder hinterbrachte.«

Die kleine Fadette wurde dunkelrot, was sie noch viel schöner erscheinen ließ; denn bis zu diesem Tage hatte man diesen züchtig verschämten Ton der Furcht und der Freude, der die Häßlichsten verschönt, noch niemals auf ihren Wangen erblickt. Aber zu gleicher Zeit geriet die Fadette in Unruhe bei dem Gedanken, daß die Madelon alle ihre Reden wiederholt haben könnte und sie vielleicht dem Gelächter preisgegeben hätte, wegen des Liebesgeständnisses, das sie ihr in Bezug auf Landry gemacht hatte.

»Was hat denn die Madelon von mir gesagt?« fragte sie weiter.

»Sie hat gesagt, daß ich ein einfältiger Tropf sei, der keinem einzigen Mädchen gefalle, nicht einmal der kleinen Fadette; daß diese mich verachte, daß sie mir ausweiche und sich schon die ganze Woche verborgen halte, um mir nur nicht zu begegnen, obgleich ich die ganze Woche nach ihr gesucht hätte und überall herumlaufe, um der kleinen Fadette zu begegnen. Du siehst also, Fränzchen, daß ich es bin, der zum Gespött der Leute geworden ist, weil es bekannt ist, daß ich dich liebe, und daß du mich nicht ausstehen kannst.«

»Das ist einmal ein abscheuliches Geschwätz,« erwiderte die Fadette ganz erstaunt, denn sie verstand sich nicht genug auf die Zauberei, um zu begreifen, daß in diesem Augenblick Landry schlauer war, als sie selbst. »Ich hätte nicht gedacht, daß die Madelon so verlogen und so falsch sein könnte. Aber man muß es verzeihen, Landry, denn es ist nur der Verdruß, der sie so reden läßt, und der ist nichts anderes, als die Liebe.«

»Das mag wohl sein,« sagte Landry, »denn eben deshalb hast du keinen Zorn gegen mich, Fränzchen. Du verzeihst mir alles, weil dir alles, was ich auch thun mag, vollkommen gleichgültig ist.«

»Das habe ich nicht verdient, Landry, daß du so redest; nein, wahrhaftig das habe ich nicht um dich verdient. Ich habe ganz anders mit der Madelon gesprochen. Was ich ihr gesagt habe, war nur für sie bestimmt, aber es war durchaus nicht zu deinem Nachteil, und hätte ihr im Gegenteil durchaus beweisen müssen, wie sehr ich dich achte.«

»Höre, Fränzchen,« sagte Landry, »laß uns nicht weiter streiten über das, was du gesagt oder nicht gesagt hast. Da du in manchen Dingen so klug bist, möchte ich dich über etwas zu Rate ziehen. Am vergangenen Sonntag im Steinbruch, habe ich, ohne selbst zu wissen, wie es eigentlich gekommen ist, eine so große Freundschaft für dich gewonnen, daß ich die ganze Woche über nicht mehr essen noch schlafen konnte. Ich will dir nichts verbergen; einem so schlauen Mädchen gegenüber wäre dies nur verlorene Mühe. Ich gestehe also, daß ich mich schon am Montag Morgen meiner Gefühle für dich geschämt habe, und daß ich mir vornahm recht weit fortzugehen, um nicht wieder in diese Thorheit zu verfallen. Aber schon am Montag Abend war ich wieder so tief hinein geraten, daß ich in der Nacht durch die Furt ging, ohne mich im geringsten um das Irrlicht zu kümmern, das mich freilich daran verhindern wollte dich aufzusuchen, denn es war wieder da. Aber, als es beginnen wollte sein boshaftes Spiel mit mir zu treiben, habe ich es verhöhnt. Seit dem Montag bin ich jeden Morgen ganz verstört, weil man nicht aufhört mich damit aufzuziehen, daß ich Geschmack an dir gefunden hätte. Jeden Abend bin ich wie toll, weil ich fühle, daß meine Neigung für dich viel stärker ist, als die falsche Scham. Da sehe ich dich nun heute so hübsch, und du hast überhaupt ein so verständiges Aussehen, daß alle Leute darüber erstaunt sein müssen. Wenn du nun so dabei bleibst, wird man, ehe noch vierzehn Tage vergangen sind, es nicht nur verzeihlich finden, daß ich mich in dich verliebt habe, sondern es wird auch noch vielen anderen Burschen ebenso ergehen. Es ist also für mich kein Verdienst dabei, dich zu lieben, und du bist es mir auch kaum schuldig mir den Vorzug zu geben. Und doch, wenn du an den letzten Sonntag denkst, du weißt an den Festtag des heiligen Andoche, dann wirst du dich daran erinnern, daß ich dich im Steinbruch um die Erlaubnis bat, dich küssen zu dürfen, und daß ich es dann mit solcher Herzlichkeit gethan habe, wie ich es nur hätte thun können, wenn du nicht als häßlich und unausstehlich verschrieen gewesen wärest. Sieh, Fadette, das ist es, worin mein Anspruch besteht. Sage mir, ob du ihn willst gelten lassen, oder ob die Sache dich ärgert, statt, daß du dadurch für mich gewonnen wirst.«

 

Die kleine Fadette verbarg ihr Gesicht schweigend in den Händen. Landry glaubte nach dem, was er von ihrer Unterredung mit der Madelon verstanden hatte, daß sie ihn liebe, und dieses Liebesgeständnis hatte auf ihn die Wirkung hervorgebracht, daß er sich seiner eignen Liebe augenblicklich bewußt geworden war. Jetzt aber, als er die beschämte und traurige Haltung des jungen Mädchens sah, begann er zu fürchten, ob sie der Madelon nicht etwa nur ein Märchen aufgebunden habe, in der guten Absicht dem von ihr unternommenen Versöhnungswerk den gewünschten Erfolg zu verschaffen. Dieser Gedanke machte ihn nur noch verliebter, aber zugleich erfüllte er ihn mit Kummer. Sanft zog er ihr die Hände vom Gesicht, und nun sah er, daß sie totenblaß geworden war. Als er ihr dann lebhafte Vorwürfe machte, daß sie seine glühende Liebe gar nicht erwidere, sank sie auf die Kniee und faltete seufzend ihre Hände, denn sie fühlte sich dem Ersticken nahe, und gleich darauf lag sie bewußtlos am Boden.

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