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Der Teufelssumpf

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* * *

Eines Tages war die Mutter Maurice im Baumgarten mit Germain allein und redete ihn zutraulich folgendermaßen an: Mein armer Sohn, ich fürchte, Euch ist gar nicht wohl. Euch schmeckt das Essen nicht mehr wie sonst, das Lachen ist Euch auch vergangen, und Ihr werdet immer schweigsamer. Hat irgend wer im Haus oder haben vielleicht wir selber Euch, ohne es zu wissen und zu wollen, Kummer verursacht?

Nein. Mutter, antwortete Germain, Ihr seid stets so gut gegen mich gewesen, wie die Mutter, die mich geboren hat, und ich wäre recht undankbar, wenn ich über Euch oder Euren Mann oder irgend wen im Haus klagte.

Wenn dem also ist, so kann nichts Anderes Schuld daran sein, als der Schmerz um den Tod Eurer Frau, der Euch neuerdings zu Herzen geht. Euer Kummer wächs't, anstatt mit der Zeit nachzulassen, und Ihr müßt durchaus thun, was Euch Euer Schwäher wohlweislich gerathen hat: heirathen.

Ja, Mutter, so denke ich auch; aber die Weiber, zu denen mir gerathen worden ist, passen nicht zu mir, und wenn ich sie sehe, muß ich nur noch lebhafter an meine Katharina denken, die ich doch bei ihnen vergessen soll.

Nun, so haben wir offenbar Euren Geschmack nicht getroffen, und Ihr müßt uns dadurch an die Hand gehen, daß Ihr uns die ganze Wahrheit sagt. Jedenfalls giebt es in der Welt Eine, die für Euch geschaffen ist, denn der liebe Gott schafft niemals ein menschliches Wesen, ohne ihm zu gleicher Zeit ein anderes menschliches Wesen zu bestimmen, in dem er sein Glück finden soll. Wenn Ihr also jenes Weib kennt, das Gott für Euch geschaffen, so führt sie heim, und mag sie schön sein oder häßlich, jung oder alt, reich oder arm, wir sind fest entschlossen, mein Alter und ich, unsern Segen dazu zu geben, denn es macht uns Sorge, Euch so traurig zu sehen, und wir können nicht in Zufriedenheit leben, wenn Ihr nicht zufrieden seid.

Mutter. Ihr habt ein so gutes Herz wie der liebe Gott, und der Schwäher ist eben so gut wie Ihr, erwiderte Germain; aber Euer Mitleid kann leider meinen Gram nicht heilen, denn das Mädel, das ich haben möchte, mag mich nicht.

Sie ist wohl für Euch zu jung? Es war nicht klug von Euch, Euch in ein junges Ding zu verlieben.

Nun ja, liebe Mutter, ich war so unklug, mich in eine Junge zu verlieben, und ich selber tadle mich darob. Ich thu' auch mein Möglichstes, um mir's aus dem Sinn zu schlagen; aber, ob ich nun arbeite oder feiere, in der Kirche oder in meinem Bett, bei meinen Kindern oder bei Euch, immer muß ich daran denken; ein anderer Gedanke will mir gar nicht mehr in den Kopf.

Das ist ja gerade, wie wenn Ihr von einem Zauber besessen wärt, Germain. Da giebt es freilich nur Ein Mittel: jenes Mädel muß seinen Sinn ändern und Euch erhören. Und zu diesem Zweck will ich mich der Sache annehmen und sehen, was zu thun ist. Darum, sagt mir, wo sie wohnt und wie sie heißt,

Ach, liebe Mutter, ich trau' mich nicht, sprach Germain, denn Ihr würdet mich auslachen.

Ich werde Euch keineswegs auslachen, Germain, denn Ihr habt ein wehes Herz, und ich will es Euch nicht noch weher machen. Ist es wohl die Fanchette?

Nein, Muttern die ist es nicht.

Oder die kleine Rose?

Auch nicht.

So sagt es doch gerade heraus, denn wir kommen ja zu keinem Ende, wenn ich alle Mädchen aus dem Dorf herzählen soll.

Germain senkte den Kopf und konnte sich zu keiner Antwort entschließen.

Wie Ihr wollt! sagte Mutter Maurice; ich nehm Euch heut nicht länger ins Gebet; morgen faßt Ihr vielleicht mehr Vertrauen zu mir, oder Eurer Schwägerin gelingt es, Euch geschickter auszuforschen.

Dabei nahm sie ihren Waschkorb, von der Erde und ging auf die Hecken zu, um ihr Weißzeug zum Trocknen darüber auszuspannen.

Germain that nun, was die Kinder thun, die sich erst dann zum Reden herbeilassen, wenn sie merken, daß man sich weiter nicht mehr mit ihnen beschäftigen wird.

Er folgte der Schwiegermutter nach und nannte endlich unter Zittern und Beben »der Guillette ihre kleine Marie.«

Die Mutter Maurice war nicht wenig überrascht, denn daran hätte sie zu allerletzt gedacht. Aber sie war so zartfühlend, die Hände nicht überm Kopf zusammenzuschlagen und ihre Glossen im Stillen zu, machen. Als sie sah, daß ihr Schweigen Germain ganz zu Boden drückte, reichte sie ihm ihren Korb und sagte: Aber das ist doch kein Grund, mir nicht bei der Arbeit zu helfen. Da, tragt mir den Korb nach, und redet mit mir darüber. Habt Ihr's auch vollkommen reiflich erwogen, Germain? Habt Ihr's unwiderruflich beschlossen?

Ah, lieb Mutter! so müßt Ihr nicht mit mir sprechen: entschlossen wäre ich, wenn ich hoffen könnte; da ich jedoch nicht erhört würde, bin ich entschlossen, von dieser Krankheit zu genesen, wenn ich's vermag.

Und wenn Ihr's nun nicht vermöchtet?

Alles hat seine Grenzen, Mutter Maurice: wenn man einem Pferd zu unmenschliche Lasten aufbürdet, bricht es zusammen, und wenn ein Ochse kein Futter mehr bekommt, so verhungert er.

Das heißt ja so viel, als Ihr müßt sterben, wenn Ihr bei dem Mädchen nicht ankommt? Das möge Gott verhüten. Germain! Dergleichen aus Eurem Munde zu hören, macht mir bang, weil ich weiß, daß Ihr nie anders sprecht, als Ihr wirklich denkt. Ihr seid nichts weniger als wehleidig, und eine solche Schwäche ist gerade bei starken Gemüthern gefährlich. Nehmt Euch zusammen, und laßt nicht gleich alle Hoffnung fahren. Es ist ja ganz unbegreiflich, daß Euch ein Mädel zurückweisen sollte, das im Elend lebt und sich's zur größten Ehr' anrechnen muß, wenn Euresgleichen um sie anhält.

Und dennoch ist es so: sie schlägt mich aus.

Aber was für Gründe hat sie Euch denn angegeben?

Daß Ihr und der Schwäher ihr stets Lieb's und Gut's gethan, daß sie und ihre Mutter euch Beiden gar Viel zu danken haben, und daß sie nicht Euer Mißfallen auf sich lenken will, indem sie mich von einer reichen Heirath abwendig macht.

Wenn das ihre Worte sind, zeugt es von guten Gefühlen und ist brav und rechtschaffen von ihr. Aber, Germain, durch derlei Reden werdet Ihr nicht geheilt, denn wahrscheinlich sagt sie Euch auch, daß sie Euch lieb hat und Euch nehmen würde, wenn wir nichts dagegen hätten?

Nein, das Allertraurigste ist ja gerade, daß, sie mir gesagt hat, es spreche in ihrem Herzen Nichts für mich!

Wenn sie anders spricht, als sie denkt, um Euch dabei am sichersten fern zu halten, hat es das Kind um uns verdient, daß wir es lieben und ihm seine Jugend in Anbetracht seines großen Verstandes nachsehen.

Wirklich? rief Germain, in dem plötzlich ein Hoffnungskeim aufschoß, der bis jetzt seinem Grübeln entgangen war: ja das wäre recht brav von ihr, ganz wie es in Kalendergeschichten zu lesen ist! Aber ich fürchte gar sehr, daß sie nur deßhalb so viel Verstand an den Tag legt, weil ich ihr mißfalle.

Germain, sagte die Mutter Maurice, nun müßt Ihr mir versprechen, die ganze Woche hindurch fein ruhig zu bleiben und Euch nicht selber so zu quälen, sondern ordentlich zu essen, zu trinken, zu schlafen, kurz, guter Dinge zu sein, wie sonst. Ich für mein Theil will mit meinem Alten reden, und wenn ich ihn so weit bringe, daß er Ja sagt, dann werdet Ihr auch über die eigentlichen Gesinnungen des Mädels ins Klare kommen.

Germain versprach, nach der Schwiegermutter Rath zu handeln, und die Woche verstrich. Vater Maurice hatte die Sache ihm gegenüber mit keiner Silbe erwähnt und that, als ob er von nichts wüßte. Wie ruhig Germain sich auch stellen machte, von Tag zu Tag wurde er bleicher und sorgenvoller.

Am Sonntagmorgen, nach der Messe, fragte ihn endlich die Schwiegermutter, ob er seit ihrer letzten Unterredung mit ihm bei seiner Liebsten nichts ausgerichtet habe.

Nein, gar nichts, antwortete er. Ich habe nicht einmal mit ihr gesprochen.

Aber wie wollt Ihr sie denn überzeugen, wenn Ihr nicht mit Ihr sprecht! Ich habe überhaupt nur Ein Mal mit ihr gesprochen, sagte Germain. Es war, wie wir zusammen nach Fourche reis'ten, und seitdem habe ich kein einzig Wort mit ihr gewechselt. Ihre damalige Antwort hat mir so weh gethan, daß ich lieber schweige, um nicht wieder aus ihrem Mund vernehmen zu müssen, daß sie mich nicht mag.

Jetzt, mein Sohn, ist der Augenblick gekommen, wo Ihr mit ihr reden müßt, denn Euer Schwäher ermächtigt Euch dazu. Entschließt Euch also, und geht zu ihr hin! Das rath' ich Euch, und befehl' es Euch sogar, wenn Euch ein Rath nicht genügt; in dem Zweifel dürft Ihr nicht länger verharren.

Germain gehorchte. Mit gesenktem Kopf und gedrückter Miene trat er in die Hütte der Guillette. Die kleine Marie saß allein beim Herd und war so tief in Sinnen verloren, daß sie Germain gar nicht kommen hörte. Als sie ihn vor sich stehen sah, fuhr sie überrascht in die Höhe und wurde ganz roth.

Kleine Marie, sagte er, indem er sich neben sie setzte, ich weiß im Voraus, daß ich dich wieder betrüben und belästigen werde, aber »der Mann und die Frau von zu Haus« (so werden nämlich die Häupter der Familie gewöhnlich bezeichnet) machen es mir zur Pflicht, mit dir zu reden und dich zu fragen, ob du mich heirathen willst. Daß du nicht willst, darauf bin ich gefaßt.

Ist es denn wirklich gewiß, Germain, antwortete die kleine Marie, daß Ihr mich liebt?

Es kommt dir ungelegen, ich weiß es schon, aber ich kann ja nichts dafür: wenn du deinen Sinn ändern könntest, wär' ich gar zu glücklich, aber dies Glück verdiene ich wohl nicht. Schau' mich nur einmal an, Marie: bin ich denn gar so garstig?

Nein, Germain, entgegnete sie lächelnd; Ihr seid schöner als ich.

Verspotte mich nicht, und habe Nachsicht mit mir. Mir fehlt noch weder ein Haar noch ein Zahn. In meinen Augen kannst du lesen, daß ich dich liebe. Schau mir nur hinein in meine Augen: es steht deutlich drin geschrieben, und die Schrift kennt jedes Mädel.

Marie sah Germain mit schelmischem Selbstvertrauen ins Gesicht; dann, plötzlich, wandte sie sich ab, am ganzen Leibe zitternd.

 

Ah du mein Gott! dir graut ja vor mir, wie damals vor dem Ulmenhofbauern. Fürchte dich vor mir nicht, ich bitte dich darum: das thut zu weh. Von mir sollst du kein böses Wort hören; ich werde dich nicht gegen deinen Willen küssen, und wenn du haben willst, daß ich gehe, so brauchst du nur nach der Thür zu deuten. Sag's nur heraus, ob ich gehen soll, damit du aufhörst zu zittern.

Marie reichte ihm die Hand, ohne jedoch vom Herde wegzublicken und ihm ein Wort zu sagen.

Ich verstehe dich, fuhr Germain fort; du hast Mitleid mit mir; du bist gut; es thut dir leid, daß ich durch dich unglücklich sein muß, aber lieben kannst du mich einmal nicht.

Warum sprecht Ihr so zu mir, Germain? antwortete endlich die kleine Marie; wollt Ihr denn durchaus, daß ich weinen soll?

Armes Kind, du hast ein weiches Herz – ich weiß es ja, aber lieb hast du mich nicht, und darum kehrst du dein Gesicht von mir weg, um deinen Widerwillen und deine Abneigung vor mir zu verbergen. Und sieh! ich bring' es nicht einmal über mich, dir die Hand zu drücken. Im Wald, während der Kleine schlief und du auch, hätte ich dir beinah ganz sachte ein Küßchen gegeben. Aber eher wär' ich vor Scham zu Grunde gegangen, als daß ich von dir eins verlangt hätte, und in jener Nacht hab' ich so große Schmerzen ausgestanden, wie Einer, der langsam verbrannt wird. Von der Zeit an hab' ich jede Nacht von dir geträumt. Ach! im Traum, da hab' ich dich so herzlich geküßt, Marie! Du aber hast traumlos schlafen können. Und weißt du, wie mir jetzt ist? Ich glaube, daß, wenn du dich jetzt zu mir wendetest und sähst mich mit dem gleichen Blick an, wie ich dich, und wenn du dein Gesicht zu mir hinneigtest, daß ich vor Freude sterben müßte. Du aber denkst gewiß, daß du, wenn ich das wagte, sterben müßtest vor Aerger und vor Scham!

Germain hatte gesprochen wie im Traum, ohne seine eigenen Worte zu hören. Die kleine Marie zitierte noch immer; doch da er noch heftiger zitterte, beachtete er es nicht. Plötzlich drehte sie sich um, ganz aufgelös't in Thränen, mit vorwurfsvollem Blick. Der Arme glaubte, jetzt werde er den Todesstoß empfangen; er stand auf, ohne sein Urtheil zu erwarten, und wollte gehen; da umschlang ihn das Mädchen plötzlich mit beiden Armen und verbarg den Kopf an seiner Brust. Ach, Germain! schluchzte sie, hast du denn nicht errathen, daß ich dich liebe?

Germain hätte den Verstand verloren, wenn in dem Augenblick nicht sein Söhnchen, das den Vater suchte, auf einem Stecken hereingaloppirt wäre, hinter ihm her die kleine Schwester, die mit einer Weidengerte auf den erdichteten Gaul losschlug. Die Cavalcade brachte ihn wieder zur Besinnung; er hob Peterle hoch empor und rief, indem er seiner Braut das Kind in den Arm legte: Da sieh her! Ich bin der Einzige nicht, den du glückselig machst mit deiner Liebe!