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Der Müller von Angibault

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36. Kapitel.
Die Kapelle

Von der Besorgnis getrieben, die blinde Rachsucht Bricolins möchte Lemor und den Müller in eine wenn nicht unheilvolle, so doch unangenehme Lage bringen, forderte Marcelle ihren Geliebten auf, sich verborgen zu halten, und Piaulette wollte sich eilends davonmachen, um den großen Louis aufzusuchen und ihn zu bewegen, das Gleiche zu tun, als man die ganze auf der Gemeindewiese zerstreute, sich ihre Bemerkungen über das Brandunglück mitteilende Menschenmenge mit einmal sich scharen und gegen den Pachthof hineilen sah.

»Ach, es wird wohl schon geschehen sein!« rief die Piaulette weinend aus. »Sie haben gewiss schon Hand an den großen Louis gelegt!«

Lemor, jetzt noch die Stimme des Mutes und der Freundschaft hörend, verließ rasch die Hütte und eilte die Anhöhe hinan. Erschrocken folgte Marcelle, nachdem sie ihren Eduard der ältesten Tochter ihrer Wirtin anvertraut hatte.

Beim Eintreten in den Pachthof, erblickten Marcelle und Lemor mit Schauder die zerstreuten Massen der geschwärzten Ruinen, den Boden, der, von einer dunkeln Flüssigkeit bedeckt, einem See von Tinte glich, und die Menge der erschöpften, durchnässten, gespensterähnlichen Arbeiter, die sich gerade zu neuen Anstrengungen vorbereiteten.

Das Feuer begann nämlich soeben wieder aus einer kleinen, isoliert zwischen der Pachtwohnung und dem alten Schlote stehenden Kapelle zu lodern. Dieser neue Brand schien ganz unerklärlich, denn das erwähnte Gebäude war bis jetzt völlig von dem Feuer verschont geblieben, im Falle aber während der Brunst ein Feuerbrand in dasselbe gefallen wäre, hätte sich die Flamme bei dem Umstand, dass die Kapelle zur Holzkammer diente, gewiss nicht lange im Innern fortpflanzen können, ohne auch von außen sichtbar zu werden. Das Feuer musste daher notwendig erst jetzt in die Kapelle gelegt worden sein, aus welcher es heftig hervorbrach, und es hatte den Anschein, als ob eine erbarmungslose Hand ihre Verwegenheit so weit treiben wollte, am hellen Tage und vor aller Augen alle Gebäude von Blanchemont bis aufs die letzte Spur zu vertilgen.

»Lasst die Kapelle brennen!« schrie Bricolin, vor Wut schäumend; »fasst den Brandstifter! Er muss da herum sein, er kann nicht weit weg sein! Es ist der große Louis, ich weiß es gewiss! Ich habe Beweise! … Sucht ihn im Park! … In den Park, in den Park!«

Herr Bricolin ahnte nicht, dass der, welchen er der Volksrache als Opfer bezeichnete, im nämlichen Augenblicke, alles vergessend, im Pfarrhause vor dem Lehnstuhl kniete, worauf Rose saß, und aus dem Munde der Geliebten das Geständnis ihrer Liebe und die Erzählung der von ihrem Vater eingegangenen Verpflichtungen vernahm. In der allgemeinen Verwirrung hatte sich der Pfarrer samt seiner Köchin der Löschmannschaft zugesellt und nur die Großmutter Bricolin war bei Rose zurückgeblieben. Die beiden Liebenden waren natürlich in die seligste Trunkenheit versunken und vergaßen die Außenwelt ganz und gar. Inzwischen hatte sich um die Kapelle her ein Kreis von Menschen gebildet und richtete eben die Feuerspritzen, als Herr Bricolin, welcher bis zur Hinterpforte vorgedrungen war, mit einem Schrei des Entsetzens auf einen seiner Knechte zurückfiel, welcher ihn kaum aufrechtzuerhalten vermochte.

Die Kapelle, welche aus der Zeit der Erbauung des alten Schlosses herstammte, zeigte dem Altertümler noch sehr schöne Einzelheiten gotischen Schnitzwerks. Allein das Alter dieser Verzierungen musste jetzt rasch der Gewalt des Feuers anheimfallen. Die Flammen leckten schon zu den Fenstern heraus und die zierlichen Rosetten derselben lösten sich mit Geräusch ab, als die halboffene Türe des Gebäudes plötzlich von innen rasch aufgestoßen ward. Man sah die Wahnsinnige heraustreten, eine kleine Laterne in der einen, ein brennendes Strohbüschel in der andern Hand. Jetzt, nachdem sie die letzte Hand an ihr Zerstörungswerk gelegt, wollte sie sich langsam zurückziehen. Sie ging mit ernster Miene einher, die Augen auf den Boden geheftet, ohne jemand wahrzunehmen, und augenscheinlich ganz der Wonne hingegeben, welche sie aus ihrer lange vorbedachten und so kaltblütig ausgeführten Rache sog.

Ein allzu pflichteifriger Gendarm ging rasch auf sie zu und packte sie am Arme. Jetzt erst bemerkte die Wahnsinnige, dass sie von einer Zuschauermenge umgeben sei. Mit Blitzesschnelle schleuderte sie dem Gendarm das flammende Strohbündel ins Gesicht, so dass er seine Beute fahren lassen musste. Und nun stürzte die Bricoline, ihre ganze wilde Beweglichkeit wiederfindend, mit einem Ausdruck des Hasses und der Wut auf dem Gesichte und Verwünschungen auf den Lippen, in die Kapelle zurück. Man suchte ihr zu folgen; allein niemand wagte es.

Sie durchschritt die züngelnden Flammen mit dem Gleichmut eines unverbrennbaren Salamanders und eilte die Wendeltreppe empor, welche unter das Dach führte. Hier erschien sie an einer Dachluke und man konnte bemerken, wie sie das Feuer, welches ihr viel zu langsam zu sein schien, anschürte, so dass dasselbe bald sie von allen Seiten umgab. Vergebens ließ man alle Spritzen nach dem Dach hin spielen. Dieses war erst vor kurzem repariert und mit Zink gedeckt worden. Das Wasser platschte darauf nieder ohne durchzudringen. Das Feuer aber quoll aus dem Innern stets gewaltiger hervor und die unselige Bricoline musste, einer langsamen Glut ausgesetzt, entsetzliche Qualen erleiden. Doch sie schien kein Gefühl für dieselben zu haben. Man hörte sie die Melodie eines Tanzes singen, den sie in ihrer Jugend besonders geliebt, den sie gewiss oft mit ihrem Geliebten getanzt hatte und dessen sie sich im Augenblicke ihres Todes wieder entsann. Sie ließ nicht einen einzigen Klagruf hören und blieb taub gegen das Flehen ihrer Mutter, welche unten die Hände rang und mit Gewalt verhindert werden musste, zu ihrer Tochter zu eilen. Noch lange dauerte ihr Gesang, und als sie zum letzten Mal an der Dachluke sichtbar wurde, rief sie, ihren Vater erkennend, herunter:

»Ah, Herr Bricolin, ’s ist ein schöner Tag für Sie heutzutage!!!«

Das war ihr letztes Wort. Als man der Feuersbrunst endlich Meister geworden war, fand man ihre verkohlten Gebeine auf dem gepflasterten Boden der Kapelle.

Dieser schauderhafte Todesfall verwirrte vollends den Geist des Pächters und brach den Mut seiner Frau. Sie dachten nicht mehr daran, irgendjemand verhaften zu lassen, und Rose, die Großmutter und der alte Bricolin blieben während des ganzen Tages gänzlich von ihnen vergessen. In einem Gemach des Pfarrhauses verschlossen, wollten Herr und Frau Bricolin keinen Menschen sehen und kamen erst dann wieder zum Vorschein, als sie beiderseitig die ganze Bitterkeit ihres Wehs erschöpft hatten.

Schluss

Marcelle hatte genug Geistesgegenwart behalten, um vorherzusehen, dass Rose, von so vielen widerstreitenden Aufregungen angegriffen und krank gemacht, nicht ohne Gefahr das bedauernswerte Ende ihrer Schwester vernehmen könne. Daher hatte sie dem Müller den Rat gegeben, Rose samt ihrer Großmutter und dem kranken Greise, von welchem die gute alte Frau sich nicht trennen wollte, in dem Cabriolet des Notars nach seiner Mühle zu bringen. Marcelle folgte, auf den Arm Lemors gestützt, welcher Eduard trug.

Einige Tage lang hatte Rose gegen Abend hin fortwährend Fieberanfälle. Ihre Freunde verließen sie keinen Augenblick, und wie es ihnen gelungen, der Kranken das Begräbnis des Bettlers Cadoche zu verheimlichen, so ließen sie sie auch über den Tod ihrer ältesten Schwester so lange in Ungewissheit, bis sie wieder stark genug war, diese Nachricht ohne Gefahr vernehmen zu können. Noch lange Zeit aber blieben ihr die näheren Umstände dieses schrecklichen Todes verhohlen.

Marcelle fragte bezugs der Gültigkeit ihres Vertrags mit Herrn Bricolin den Notar Tailland um Rat. Die Antwort des Notars lautete nicht sehr tröstlich. Da die Heirat eine Sache der bürgerlichen Ordnung sei, meinte er, so lasse sich dieselbe nicht wohl zu einer Verkaufsklausel machen. Im Falle aber einmal eine solche ungesetzmäßige Klausel gemacht wäre, so bestehe zwar der Verkauf als rechtskräftig, die besagte Klausel aber würde als gar nicht geschrieben betrachtet. Das seien die Bestimmungen des Gesetzes und Herr Bricolin hätte dieselben sicherlich gekannt, als er den Vertrag unterzeichnete.

Am dritten Tag nach dem Brande kam der Pächter, bleich, niedergeschlagen und bis zur Hälfte seiner vorigen Korpulenz abgemagert, in der Mühle an. Er hatte selbst die Lust verloren, sich durch Trinken wieder auf den Strumpf zu bringen. Er schien unfähig, zornig werden zu können. Da man aber die Absichten nicht kannte, welche ihn nach Angibault geführt hatten, und Marcelle überdies besorgte, er möchte die noch sehr schwache Rose auf eine rohe und beleidigende Weise zurückfordern, so waren alle sehr unruhig und gingen ihm sämtlich bis vor die Türe entgegen, um ihm den Eintritt zu verwehren, falls er nicht in friedlicher Absicht käme.

Er fing damit an, seiner Mutter kalt zu befehlen, ihre Enkelin so schnell als möglich zu ihm zurückzubringen. Er hätte ein Haus im Dorfe gemietet und die Arbeiten am Wiederaufbau des Pachthofes sollten alsbald beginnen.

»Wenn ich auch schlecht logiert bin«, sagte er, »so ist das doch kein Grund, mich meiner Tochter Gesellschaft zu berauben und dieselbe der Aufsicht ihrer Mutter zu entziehen. So etwas könnte nur einem schlechtgeratenen Kind anständig sein.«

So sprechend schoss er wilde Blicke auf den Müller. Man sah deutlich, dass er seine Tochter ohne Skandal wegbringen wollte, sich es aber vorbehielt, später seiner Rache freien Lauf zu lassen und, wo nötig, den großen Louis der Entführung seiner Tochter anzuklagen.

»Das ist ganz billig«, sagte die Großmutter Bricolin zu ihrem Sohne. »Lange schon hat Rose verlangt, zu ihren Eltern zurückzukehren, da sie aber noch krank ist, so haben wir es nicht gestattet. Ich denke, sie wird heute imstande sein, dir zu folgen, und ich bin bereit, sie mit meinem Alten zu begleiten, wenn du ein Obdach für uns hast. Lass’ nur der gnädigen Frau Marcelle Zeit, die Kleine auf die Freude des Wiedersehens vorzubereiten. Ich habe ohnehin allein mit dir zu sprechen. Komm’ mit auf meine Stube!«

 

Die alte Frau führte ihren Sohn in das Zimmer, welches sie gemeinschaftlich mit der Müllerin bewohnte, während sich Rose und Marcelle in das des Müllers geteilt und dieser und Lemor ihr Nachtlager auf dem Heuboden aufgeschlagen hatten.

»Bricolin«, nahm die gute Alte das Wort, »du wirst für den Neubau große Ausgaben machen müssen; wo nimmst du denn das Geld her?«

»Was geht das Euch an, Mutter?« entgegnete der Pächter barsch. »Ihr könnt mir doch keines geben. Ich bin freilich in diesem Augenblicke nicht sehr bei Kasse, das ist wahr; allein man wird mir schon kreditieren; das soll mich nicht in Verlegenheit bringen.«

»Wohl, aber mit großen Zinsen, wie das so geht, und dann, wenn man das Kapital heimbezahlen muss, so steckt man schon wieder in neuen, unvermeidlichen Ausgaben. Das beunruhigt und drückt einen und man weiß nicht, wie man sich herauswinden soll.«

»Nun ja, aber was soll ich denn tun? Kann ich im kommenden Jahr meine Ernte in meinen Holzschuhen unterbringen und mein Vieh unter einem Besenstiel einstallen?«

»Nun, was wird dich denn das Bauen kosten?«

»Gott weiß es.«

»Beim Beilichen?«

»Wenigstens fünfundvierzig bis fünfzigtausend Francs, fünfzehn bis achtzehntausend Francs für die Baulichkeiten, ebenso viel für den Viehstand und die gleiche Summe für den Verlust meiner Ernte und den zugrunde gegangenen reinen Ertrag dieses Jahres.«

»Ja, das macht beim Beilichen fünfzigtausend Francs. So ist auch mein Überschlag. Nun wohl, Bricolin, sag’ doch ‘mal, was würdest du für mich tun, wenn ich dir diese Summe gäbe?«

»Ihr?« schrie Bricolin, dessen Augen ihr gewöhnliches Feuer wieder annahmen. »Habt Ihr denn Ersparnisse gemacht, von denen ich nichts weiß, oder faselt Ihr?«

»Keineswegs. Ich habe da im Hause fünfzigtausend Francs in Gold, welche ich dir geben werde, wenn du mich Rose nach meinem Gefallen verheiraten lassest.«

»Ei, sind wir wieder da? Immer der Müller! Alle Weiber sind in diesen Bären verschossen, selbst ein achtzigjähriges!«

»Schon gut, schon gut, spaße nur, aber greif’ zu!«

»Und wo ist dieses Geld?«

»Ich habe es dem großen Louis zum Aufheben gegeben«, versetzte die Alte, welche wohl wusste, dass ihr Sohn imstande wäre, in einem seiner Räusche es ihr mit Gewalt zu entreißen, wenn er es in ihren Händen wüsste.

»Und warum dem großen Louis und nicht mir oder meiner Frau? Ihr wollt es ihm also schenken, wenn ich nicht nach Eurem Willen tue?«

»Das Geld ist bei ihm in guten Händen«, antwortete die Alte; »er hat es, ohne dass ich davon wusste, gehabt und mir es zurückgebracht, als ich es längst verloren glaubte. Es gehört meinem Mann, deinem Vater, das versteht sich; aber weil dieser unter meine Vormundschaft gestellt wurde, kommt mir nach dem Gesetz die freie Verfügung über diese Summe zu.«

»Das ist also wiedergefundenes Geld? Aber das ist ja unmöglich! Ihr macht Euch über mich lustig und ich bin ein rechter Narr, dass ich Euch zuhöre.«

»Höre nur«, sagte die Alte; »‘s ist eine g’spaßige Geschichte.«

Und sie erzählte ihrem Sohne die ganze Geschichte von Cadoche und seiner Hinterlassenschaft.

»Und der Müller hat das Geld zurückgegeben, da er es doch behalten und alles verschweigen konnte?« schrie der Pächter verblüfft. »Das ist sehr rechtschaffen, was. Man muss ihm ein Geschenk machen!«

»Man kann ihm nur ein Geschenk machen, Roses Hand, da sie ihm doch schon ihr Herz geschenkt hat.«

»Aber ich gebe ihr keine Mitgift!« schrie der Pächter. »Wer fordert denn das?«

»Lasst mich doch das Geld sehen!«

Die Alte führte den Pächter zu dem Müller, welcher ihm den eisernen Topf und dessen Inhalt zeigte.

»Und demnach«, fragte der von dem Anblick so vielen Goldes ganz geblendete Bricolin, »ist auch Frau von Blanchemont nicht ganz arm?«

»Gott sei Dank! Nein!«

»Dank auch dir, großer Louis!«

»Dank der Laune des Vaters Cadoche!«

»Aber was erbst denn du nun?«

»Dreitausend Francs, wovon tausend für die Piaulette und die übrigen zweitausend für zwei andere arme Nachbarsfamilien bestimmt sind. Wir arbeiten dann gemeinschaftlich und teilen den Nutzen.«

»Das ist dumm, das!«

»Nein, das ist nützlich und gerecht!«

»Aber warum diese tausend Taler nicht zu Brautgeschenken verwenden für .... deine Frau?«

»Das würde sehr nach gestohlenem Gelde schmecken, und wenn es auch nur von Almosen herrührte, so würden Sie, der Sie so stolz sind, doch gewiss nicht wollen, dass die Kleider Roses von all den Sous gemacht wären, welche man dem Bettler als Almosen gab?«

»Nun, man hätte das nicht zu sagen brauchen, woher das Geld komme. Doch sag’, wann soll denn die Hochzeit sein, großer Louis?«

»Morgen, wenn Sie wollen.«

»Ich will das Aufgebot auf morgen bestellen. Aber gib mir das Geld! Ich kann’s brauchen.«

»Nichts da, nichts da!« schrie die alte Pächterin. »Du sollst es am Tage der Hochzeit erhalten! Keine Minute früher, mein Junge!«

Der Anblick des Goldes hatte dem Pächter neues Leben eingehaucht. Er setzte sich an den Tisch, umarmte seine Tochter, stieß mit dem Müller an und bestieg dann seinen Klepper, um seine Maurer bei der Arbeit anzutreiben.

»Wie nun die Sachen stehen«, murmelte er lächelnd in den Bart, »habe ich doch Blanchemont für zweimalhundert und fünfzigtausend Francs gekauft, ja sogar um bloß zweimalhunderttausend, da ich meiner jüngsten Tochter keine Mitgift zu geben brauche…«

»Und wir, Lemor, wir wollen auch bauen«, sagte Marcelle zu ihrem Geliebten, als Bricolin weg war. »Wir sind reich, denn wir besitzen genug, um uns ein kleines Bauernhaus zu bauen, in welchem unser Kind eine gute Erziehung erhalten soll. Du wirst sein Schulmeister sein und der Müller wird ihn sein Handwerk lehren. Warum sollte er nicht ein arbeitsamer Handwerker und zugleich ein gebildeter Mensch sein können?«

»Und ich«, erwiderte Lemor, »ich will bei mir selbst anfangen. Ich bin selbst noch unwissend und will mich alle Tage während des Feierabends unterrichten. Ich bin dermalen Müllerbursche, das Handwerk gefällt mir und ich will es den Tag über treiben. Und wie gesund wird diese Lebensweise für unsern Eduard sein!«

»Nun wohl, gnädige Frau Marcelle«, sagte der Müller, Lemors Hand fassend. »Sie, die Sie sagten, als Sie zum ersten Mal hier waren .... es sind jetzt acht Tage, nicht mehr und nicht weniger … dass es Sie glücklich machen würde, ein hübsches kleines Haus zu haben, ungefähr wie das meinige, ein einfaches, ruhiges Leben, wie das meinige etwa .... und einen arbeitsamen, nicht allzu dummen Sohn .... wie ich ungefähr .... Sehen Sie, das alles können Sie nun haben an unserer Vauvre hier, welche die Ehre hat, Ihnen zu gefallen, und in unserer Nähe, die wir gute Nachbarn sein werden…«

»Und das alles in Gemeinschaft, denn anders verstehe ich es nicht!« versetzte Marcelle.

»O, das kann nicht sein, Ihr Anteil ist gegenwärtig dem meinigen gegenüber viel zu groß.«

»Sie kalkulieren falsch, Müller«, bemerkte Lemor, »unter Freunden ist das Mein und Dein eine ebenso große Torheit, als wollte man sagen, zwei und zwei sei fünf.«

»So bin ich also reich und gescheit!« rief der Müller gerührt aus. »Ich besitze Roses Herz und Sie werden sich alle Tage mit mir unterhalten. Sagt’ ich es Ihnen nicht, Lemor, es würde zu meinen Gunsten ein Wunder geschehen und alles gut gehen? Und ich rechnete damals noch nicht einmal auf den Vetter Cadoche!«

»Was hast du denn, Alochon, dass du so lustig bist?« fragte Eduard.

»Das, mein Kind«, versetzte der Müller, den Knaben in seine Arme emporhebend, »dass ich beim Auswerfen meiner Netze in dem klarsten Wasser einen kleinen Engel gefischt habe, der mir Glück gebracht, und in dem trübsten einen alten Teufel von Vetter, den ich vielleicht aus dem Fegfeuer werde erlösen können!«

Ende