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Der Müller von Angibault

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Zur gleichen Zeit traten Lemor, die große Marie, der Müller und der Notar Tailland aus der Mühle.

Lemor war entschlossen, am folgenden Morgen abzureisen. Das Gespräch seiner Umgebung wenig beachtend und in eine süße Melancholie versunken, verbrachte er den Abend damit, die Schönheit des Himmels zu betrachten, dessen Sterne sich in dem Flusse spiegelten. Der Müller zwang sich, seiner Niedergeschlagenheit und Traurigkeit ungeachtet, zur Höflichkeit gegen den Notar, welcher einige Häuser von da ein Testament aufgesetzt und auf dem Rückwege bei der Mühle angehalten hatte, um seine Zigarre und die Laternen seines Cabriolets anzuzünden. Die große Marie setzte ihm auseinander, dass er, einen andern Weg einschlagend, eine langgedehnte, holperichte Stelle vermeiden könnte, und der große Louis versicherte ihm, dass, wenn er eben diese Stelle im Schritt oder noch besser zu Fuß und das Pferd am Zügel führend, passieren wollte, so käme er dann sogleich auf einen guten Weg.

Der Notar war, wenn es sich um seine Bequemlichkeit handelte, das, was man dort zu Lande einen Fasiot nennt, ein unübersetzbarer Ausdruck, der einen Menschen bedeutet, welcher zugleich zögert und pressiert. Er verlor eine Viertelstunde damit, dass er sich erklären ließ, wie er eine viertelstündige ganz unbedeutende Strapaze vermeiden könnte. Er fand, dass es noch unangenehmer sei, das Pferd am Zügel zu führen, als im Cabriolet sitzen zu bleiben und die Stöße auszuhalten, er fand aber auch, dass das Bessere von beiden immer noch schlecht sei und seine Verdauung störe.

»Kommen Sie«, sagte der Müller, dessen traurige Gedanken seiner natürlichen Herzensgüte und Höflichkeit keinen Eintrag zu tun vermochten, »folgen Sie mir langsam, ich will Ihr Gefährt bis auf die Höhe bringen. Sind wir erst an den Weinbergen vorüber, so haben Sie lauter glatten Sandweg.«

Dieser Vorschlag fand Beifall und man machte sich auf den Weg. In Bälde aber sah sich der große Louis genötigt, mit dem Gefährt des Notars bis an den Weggraben hin auszuweichen, um die Kalesche des Herrn Ravalard, welche in scharfem Trab daherkam, vorüberzulassen. Herr Ravalard, noch immer mit dem Zusammentreffen mit dem Bettler beschäftigt, dachte nicht daran, den freundlichen Abendgruß des Müllers zu erwidern.

»Also weil er einen Wagen hat, erkennt er mich nicht mehr?« sagte der große Louis zu Lemor, welcher ihm zur Seite ging. »Geld, Geld! Du kehrst die Welt um, wie das Wasser das Rad meiner Mühle! Dieser verdammte Patachon wird das Gefährt zugrunde richten, wenn er in einem solchen Trabe über unsere großen Kiesel jagt. Gewiss hat er Wein im Kopfe oder Geld in der Tasche, denn ich weiß nicht, welches von beiden leichter betrunken macht. Ach, Rose, Rose, sie werden dich den Trank der Eitelkeit trinken lassen und nach kurzer Zeit wirst du mich vielleicht vergessen. Und dennoch schien es heute Abend, als liebte sie mich! Sie hatte die Augen voller Tränen, als man sie von mir riss, mit ihr sprechen.... Vielleicht bedauert sie mich. Ach, wie wäre ich glücklich, wenn ich nicht so unglücklich wäre!«

Der Müller wurde durch einen Seitensprung des Pferdes, welches er vom Cabriolet aus führte, aus seinem Gedankengang aufgeschreckt. Er beugte sich nach vorn und bemerkte einen unkenntlichen Gegenstand quer über den Weg liegen. Das Pferd weigerte sich hartnäckig, vorwärts zu gehen, und der Weg war an dieser Stelle so finster, dass Louis sich genötigt sah, abzusteigen, um zu untersuchen, ob er durch einen Haufen Steine, oder durch einen Betrunkenen aufgehalten werde.

»Oh, zum Teufel… mein Vetter!« rief er aus, als er die große Gestalt und den Schnappsack des Bettlers erkannte. »Dass er gestern Abend am Weggraben lag, das ging noch an, aber heute liegt er gerade quer über den Fahrgeleisen! Es scheint, Vetter, Ihr liebt diesen Ort da, aber Ihr habt Euch schlecht gebettet. Auf, auf, und geht in der Mühle schlafen; Ihr werdet dort ungleich besser liegen, als hier unter den Hufen der Pferde.«

»Der Mensch ist tot!« sagte Heinrich, den Bettler aufhebend.

»Oh, seien Sie unbesorgt, so ist er schon oft tot gewesen, ich kenne das. Sonst führt er das Getränk ordentlich, der Kamerad, allein an so einem Festtage nimmt er mehr zu sich, als er führen kann, und es gibt, wie man vom Wein zu sagen pflegt, keinen so guten Freund, dass er einem nie einen Schabernack spielte. Kommen Sie, wir wollen ihn unter diesem Baume liegen lassen und auf dem Rückweg mit nach Hause nehmen.«

Lemor berührte den Arm des Bettlers und sagte:

»Wenn ich seinen Puls nicht schwach gehen fühlte, so würde ich behaupten, er sei tot. Wie, Elend, Alter und Verlassenheit schützt also nicht davor, sich durch eine schmachvolle Leidenschaft unter das Tier herabwürdigen zu lassen? Und doch ist es auch ein Mensch!«

»Bah, Sie sind strenge, wie ein Wassertrinker, Sie! Wenn ich nun sagte, dass der Arme das Bedürfnis fühlt, zu trinken, um sein Elend zu vergessen? Gewiss, ich habe das schon sagen gehört…«

In dem Augenblick, wo Lemor und der Müller den Bettler für jetzt verlassen wollten, stieß dieser einen tiefen Seufzer aus.

»He, Vetter«, sagte der Müller lächelnd, »wie geht’s denn?«

»Ich bin tot!« entgegnete der Bettler mit schwacher Stimme. »Habt Mitleid mit mir! Hebt mich auf… ich leide große Schmerzen.«

»Das wird schon wieder vergehen, Vetter; ein wenig Wasser und ein gutes Bett…«

»Sie haben mich überfahren .... sie sind mir über den Leib weggefahren!« stöhnte wieder der Bettler.

»Das wäre doch möglich!« äußerte Lemor.

»Oh, so sagt er immer«, versetzte der Müller, welcher den Bettler zu oft betrunken gesehen hatte, um sich viel darum zu kümmern.

»He, Vater Cadoche, ist Euch denn wirklich so mir nichts dir nichts ein Unglück zugestoßen?«

»Ja, der Wagen… der Wagen… über den Magen, über den Bauch, über die Arme!«

»Lösen Sie doch eine der Laternen von dem Cabriolet und bringen Sie sie her«, bedeutete der Müller Lemor; »wenn wir sie ihm unter die Nase halten, werden wir wohl sehen, ob es Schmerz oder Rausch ist.«

»Nein, kein Rausch, kein Rausch«, murmelte der Bettler; »man hat mich ermordet, überfahren, wie einen Hund, ich muss sterben. Der gute Gott, die heilige Jungfrau und alle guten Christen mögen Mitleid mit mir haben… und meinen Tod rächen!«

Lemor brachte die Laterne herbei. Das Gesicht des Bettlers war leichenblass. Seine Kleider waren beständig zu zerfetzt, als dass ein Riss mehr in denselben irgendeine Verletzung des Körpers hätte anzeigen können; als man aber die Lumpen, welche seine Brust bedeckten, entfernte, bemerkte man auf seinen fleischlosen Rippen brennendrote Streifen. Die eisernen Räderreifen hatten diese Furchen gezogen.

Indessen war kein Blut zu sehen, die Rippen waren nicht gebrochen und der Atem noch ziemlich frei. Der Elende war imstande, sein unglückliches Abenteuer zu erzählen und hatte noch Kraft genug, gegen den Reichen im Wagen und dessen feilen Mietling, der seinen Herrn an Unverschämtheit und Grausamkeit noch überboten hätte, alle möglichen Flüche und Rachedrohungen zu schleudern, welche Wut und Verzweiflung ihm eingeben konnten.

»Gott sei Dank!« sagte der Müller, »Ihr seid nicht tot, mein armer Cadoche, und wir wollen hoffen, Ihr werdet nicht daran sterben. Seht, das rechte Wagenrad lief im Graben, man sieht das Geleis: das hat Euch gerettet. Indem der Wagen sich auf die Seite neigte, hat er Euch so wenig als möglich gestreift. Es ist ein Wunder, dass er sich nicht auf die andere Seite neigte.«

»Ich habe mein Möglichstes dazu beigetragen!« sagte der Bettler.

»Gut, Euer Ingrimm hat Euch wacker geholfen, Vetter. Sie konnten Euch nicht völlig überfahren und wir müssen den schlimmen Zufall nicht sowohl auf Rechnung des Herrn Ravalard schreiben, der denselben gewiss noch mehr bedauert wie Ihr selber, als vielmehr auf die des verdammten boshaften Jungen.«

»Und meineTaglöhne, die ich einbüßen werde?« sagte der Bettler in kläglichem Ton.

»Ei, verdammt, Ihr erwerbt Euch vielleicht mehr Geld mit Eurem Umherschlendern, als wir mit unserem Arbeiten .... Aber man wird Euch helfen, Vater Cadoche; man wird eine Sammlung für Euch veranstalten und ich, ich werde Euch Euren Sack gestrichen voll Mehl machen. Grämt Euch also nicht! Wenn man Unglück gehabt hat, muss man sich nicht von der Angst bewältigen lassen.«

So sprechend legte der gute Müller mit Lemors Hilfe den Bettler in das Cabriolet. Dann wandten sie dasselbe und fuhren, die Steine mit äußerster Sorgfalt vermeidend, wieder dem Tale zu.

Herr Tailland, welcher, aus Furcht, seine Lunge allzu sehr anzustrengen, den Hügel nur langsam heraufkam, war sehr erstaunt, sein Gefährt umkehren zu sehen; als er aber erfuhr, um was es sich handle, gab er bereitwillig seine Zustimmung zu dieser Verwendung seiner Equipage, freilich nicht, ohne sich ein wenig über die Verspätung, welche ihm dieser Zufall verursachen musste, sowie über die Anstrengung zu beunruhigen, welcher er sich dadurch ausgesetzt sah, dass er, nachdem er die Anhöhe erstiegen hatte, dieselbe jetzt wieder hinabsteigen musste.

Nichtsdestoweniger ging er hinab, um zu sehen, ob er etwa seinen Freunden in der Mühle in ihren Bemühungen um den armen Cadoche beistehen könnte. Als man den Alten auf das eigene Bett des Müllers niedergelegt hatte, fiel er in Ohnmacht. Man ließ ihn Essig einatmen.

»Ich hätte den Geruch von Branntwein lieber«, murmelte er, als er anfing, wieder zu sich zu kommen, »das ist heilsamer.«

Man brachte alsbald Branntwein.

»Ich möchte ihn lieber trinken, als einatmen«, sagte der Kranke, »das ist stärkender.«

Lemor wollte sich dem widersetzen, denn, meinte er, bei einem solchen Zufall könne und müsse ein so hitziges Getränk nur ein furchtbares Fieber verursachen. Der Bettler aber bestand auf seinem Verlangen. Der Müller wollte es ihm ausreden, allein der Notar, welcher seine eigene Gesundheit genug studiert hatte, um etwelche Vorurteile gegen die Arzneikunst zu hegen, erklärte, dass Wasser in einem solchen Augenblick für einen Menschen, der vielleicht seit fünfzig Jahren keinen Tropfen getrunken, tödlich sein könnte, dass hingegen der Alkohol, welcher sein gewöhnliches Getränk sei, ihm nur guttun werde, dass er nur an Angst leide und dass der Genuss eines Spitzgläschens ihm seine Besinnung wiedergeben werde.

 

Die Müllerin und Jeannie, welche, wie alle Landleute, ebenfalls an die unfehlbare Heilkraft des Weins und Branntweins in allen Fällen glaubten, versicherten gleich den Notar, dass man das Verlangen des armen Menschen erfüllen müsse. Die Ansicht der Majorität trug den Sieg davon, und während man ein Glas suchte, führte Cadoche, welcher sich von dem Durste, den ihm seine grässlichen Schmerzen erregten, verzehrt fühlte, rasch die Flasche an die Lippen und leerte dieselbe in einem Zug bis zur Hälfte.

»Das ist zu viel zu viel!« sagte der Müller, dem Kranken wehrend.

»Wie, Neffe«, sagte der Bettler mit der Gravität eines Familienvaters, der die Ausübung seiner legitimen Rechte zurückfordert, »du willst mir mein Part vormessen, willst mit der Hilfe knickern, welche mein Zustand fordert?«

Dieser ungerechte Vorwurf besiegte die Klugheit des einfachen und gutmütigen Müllers. Er ließ die Flasche dem Bettler zur Seite stehen und sagte nur:

»Hebt es Euch für später auf, für jetzt ist’s genug.«

»Du bist ein guter Verwandter und ein wackerer Neffe«, versetzte Cadoche, dessen Lebensgeister durch den Branntwein wie neu erweckt waren, »und wenn ich an der Geschichte sterben muss, so will ich sehr gern bei dir sterben, weil du mir ein anständiges Begräbnis zuteilwerden lassen wirst. Ich habe ein hübsches Begräbnis immer gern gehabt. Hör’ mal, Neffe, und hört auch ihr, Müllerburschen und Notar! Ich nehme euch samt und sonders zu Zeugen, dass ich meinem Neffen und Erben, dem großen Louis von Angibault befehle, mich mit nicht mehr und nicht weniger Ehren begraben zu lassen, als man ohne Zweifel dem alten Bricolin von Blanchemont erweist, der mir in Kurzem folgen wird, obgleich er jünger ist … aber er hat sich die Beine rösten lassen zur Zeit … ei, ei, sagt doch, muss man nicht recht dumm sein, um sich das Untergestell rösten zu lassen um anvertrauten Geldes willen? Freilich, das ist wahr, er hatte auch sein eigenes Geld mit dabei.... in dem eisernen Topf!…«

»Was schwatzt er denn da?« fragte der Notar, welcher sich an den Tisch gesetzt hatte und es durchaus nicht ungern sah, dass die Müllerin für den Kranken Tee machte, indem er ebenfalls auf eine gute warme Tasse rechnete, um sich gegen die aus der Vauvre aufsteigenden Abendnebel zu schützen. »Was singt er uns denn da für ein kurioses Lied von gerösteten Untergestellen und eisernen Töpfen vor?«

»Ich glaube, er faselt«, erwiderte der Müller. »Wäre er auch weder betrunken noch krank, so ist er alt genug, um ungereimtes Zeug zu schwatzen, und die Erinnerungen an seine Jugend beschäftigen ihn mehr als das, was gestern vorgefallen. Es ist dies so bei alten Leuten. Nun, wie befindet Ihr Euch, Vetter?«

»Besser seit ich dieses Mundvoll genommen, obgleich dein Brandewein teufelmäßig schwach ist. Ich glaube, man hat mir den Tort angetan, aus Sparsamkeit Wasser darunter zu schütten. Hör’, Neffe, wenn du mir während meiner Krankheit etwas verweigerst, so werde ich dich enterben!«

»Ei, ja doch!« sagte der Müller achselzuckend; »versucht lieber einzuschlafen, Vater Cadoche.«

»Schlafen, ich? Ich habe keine Lust dazu«, entgegnete der Bettler, indem er sich auf seinem Lager aufrichtete und seine funkelnden Augen aufschlug. »Ich fühle recht gut, dass ich geliefert bin, aber ich will nicht sterben, auf der Seite liegend, wie ein Ochse… Ach da! Ich fühle etwas verdammt Schweres im Magen und es ist mir, als hätt’ ich statt des Herzens einen Stein in der Brust. Das hindert mich und tut mir weh.... Müllerin, macht mir doch Überschläge!… Niemand kümmert sich um mich, als wenn ich nicht ein zu beerbender Vetter wäre!«

»Sollten ihm nicht die Rippen eingedrückt worden sein?« fragte Lemor. »Das ist’s vielleicht, das ihm das Herz bedrückt…«

»Weder ich noch sonst jemand hier verstehen davon das Geringste«, bemerkte der Müller, »aber man kann den Arzt holen lassen, der sich ohne Zweifel noch zu Blanchemont befindet.«

»Und wer wird den Arzt für seinen Besuch bezahlen?« fragte der Bettler, der ebenso geizig als auf seinen vorgeblichen Reichtum eitel war.

»Ich«, antwortete der große Louis, »im Falle der Doktor nicht ein Werk der Menschlichkeit tun will. Man soll nicht sagen, dass in meinem Hause ein armer Teufel gestorben sei aus Mangel der Hilfeleistungen, welche man einem Reichen angedeihen lässt – Jeannie, nimm Sophie und hole schnell Herrn Lavergne!«

»Sophie nehmen?« sagte Cadoche spöttisch. »Du sagst das aus Gewohnheit, Neffe. Du vergisst, dass man dir Sophie gestohlen hat.«

»Man hat Sophie gestohlen?« fragte die Müllerin, sich umkehrend.

»Er schwatzt Unsinn«, sagte der Müller. »Achtet nicht darauf, Mutter!«

Dann neigte er sich auf den Bettler hinab und setzte mit gedämpfter Stimme hinzu:

»Sagt doch, Vater Cadoche, wisst Ihr etwas von der Sache? Könntet Ihr mir vielleicht über mein Tier und über den Räuber desselben einen Fingerzeig geben?«

»Wer kann so etwas wissen?« entgegnete Cadoche mit verschmitzter Miene. »Wer entdeckt die Räuber? Die Gendarmen? Das sind dumme Esel!… Wer hat jemals sagen können, was für Leute dem alten Bricolin die Beine rösteten und ihm seinen eisernen Topf nahmen?«

»Ah das! Sagt doch, Vetter«, fuhr der Müller fort, »Ihr sprecht immer von der Geschichte von den gerösteten Beinen; das beschäftigt Euch demnach sehr? Seit einiger Zeit kommt Ihr immer darauf zurück, so oft ich Euch treffe, und heute Abend ist überdies noch ein eiserner Topf dabei im Spiele. Davon habt Ihr mir nie etwas gesagt.«

»Mach’ ihn doch nicht schwatzen!« ermahnte die Müllerin ihren Sohn, »du machst dadurch nur sein Fieber ärger.«

Der Bettler hatte in der Tat das Fieber. Jedes Mal, so oft seine Beherberger ihm den Kopf aufhoben und auf die andere Seite kehrten, nahm er schnell und verstohlen einen Schluck Branntwein und schob dann die Flasche geschickt wieder unter sein Kopfkissen. Mit jedem Augenblick schien er kräftiger zu werden und es war wirklich wunderbar, wie dieser eiserne Körper bei so weit vorgerücktem Alter die Folgen eines Unfalls ertrug, welcher jeden andern getötet hätte.

»Der eiserne Topf!« sagte er, dem großen Louis einen seltsamen Blick zuwerfend, der dem Müller einen unerklärlichen Schrecken einflößte. »Der eiserne Topf! Der ist eben das Schönste an der ganzen Geschichte, und ich will es Euch erzählen.«

»Erzählt, erzählt, Vater Cadoche; das interessiert mich höchlich!« sagte der Notar und wandte seine ganze Aufmerksamkeit dem Kranken zu.

33. Kapitel.
Das Testament

»Es war«, nahm der Bettler das Wort, »ein eiserner Topf, ein alter, hässlicher, eiserner Topf, der gar nichts gleich sah; aber man muss nicht nach dem Schein urteilen. In diesem wohlverschlossenen und schweren Topf … o, wie war er schwer! … befanden sich fünfzigtausend Francs, welche dem alten Herrn von Blanchemont angehörten, dessen Enkelin sich dermalen beim Pächter Bricolin befindet. Überdies hatte der alte Bricolin, welcher … es ist jetzt gerade vierzig Jahre her … damals noch ein junger Mann war, in den nämlichen Topf gleichfalls fünfzigtausend Francs von seinem eigenen Gelde getan, den Profit seines glücklichen Wollenhandels. Das von dem Baron Hinterlegte, wie das von dem Pächter Profitierte bestand aus schönen und guten Louisdors, einer zu vierundzwanzig Francs, mit dem Bildnis des guten Königs Ludwig XVI., solche Goldstücke, die wir Krötenaugen nennen, von wegen dem runden Wappen darauf. Ich habe diese Münze immer sehr geliebt, ich!… Man sagt, dass man beim Wechseln derselben einbüße, ich aber sage: man gewinnt; dreiundzwanzig Francs und elf Sous sind doch immer mehr wert als so ein schlechter Napoleon von zwanzig Francs. All’ dieses Geld lag bunt untereinander. Nur hatte der Pächter, weil er seine Louis sehr gern hatte (‘s ist einmal so, Kinder, man muss sein Geld lieben).... alle seine Stücke mit einem Kreuz bezeichnet, um sie von denen des Barons unterscheiden zu können, wenn er diesem sein Geld wieder zurückgeben müsste. Er tat das nach dem Beispiele seines Herrn, welcher seine Goldstücke mit einem einfachen Strich bezeichnet hatte, um sich daran zu erlustieren, wie man sagt, und eine Vertauschung zu verhüten. Das Zeichen war daran … es ist jetzt noch daran … es fehlt nicht ein einziges Stück.... im Gegenteil, es hat noch andere dabei!«

»Was Teufel, schwatzt er uns da vor?« sagte der Müller und sah den Notar an.

»Still!« erwiderte dieser: »lassen Sie ihn reden, ich glaube, ich fange an, ihn zu begreifen. Nun, wie weiter? « setzte er, zu dem Bettler gewandt, hinzu.

»Weiter«, fuhr Cadoche fort, »er hatte den eisernen Topf im alten Schloss von Beaufort in ein Loch in der Mauer gestellt und dasselbe zumauern lassen… Als die Mordbrenner bei ihm einbrachen.... Man muss nicht glauben, dass diese aus lauter Hundepack bestanden! Es gab Arme darunter, aber auch Reiche … ich kenne sie recht wohl, Gott verdamm’ mich! .... Es waren Leute dabei, die noch jetzt leben und vor denen man sich tief bückt. Es gab unter uns…«

»Unter euch?« rief der Müller aus.

»Schweigen Sie doch!« mahnte der Notar, den Arm des Müllers heftig drückend.

»Ich will sagen, dass sich unter ihnen ein Sachwalter, ein Maire, ein Pfarrer, ein Müller .... ja, vielleicht auch ein Notar befand. Nun, nun, Herr Tailland, ich meine damit nicht Sie. Sie waren damals kaum geboren; auch nicht dich, Neffe, du wärest viel zu einfältig, um einen solchen Streich auszuführen…«

»Nun, die Mordbrenner nahmen also das Geld?« fragte der Notar.

»Sie nahmen es nicht, das war das Spaßhafteste bei der Sache. Sie rösteten und brätelten die Pfoten dieses armen Teufels von Bricolin; das war scheußlich prächtig mitanzusehen!«

»Ihr habt es also mitangesehen?« fragte der Müller, unfähig, an sich zu halten.

»O nein«, versetzte Cadoche, »ich hab’ es nicht gesehen; aber einer meiner Freunde, d. h. einer von denen, die dort waren, hat mir die ganze Geschichte erzählt.«

»Ah so!« sagte der Müller beruhigt.

»Nehmt eine Tasse Tee zu Euch, Vater Cadoche, und schwatzt nicht so viel; es tut Euch nicht gut«, sagte die Müllerin.

»Geht zum Teufel, Müllerin, mit Eurem warmen Wasser!« entgegnete der Bettler, die Tasse zurückweisend, »ich habe Furcht vor einem solchen Gebräu! .... Lasst mich doch meine Geschichte erzählen; ich habe sie schon so lange auf dem Herzen, ich möchte sie gern vollständig erzählen, bevor ich sterbe, und man unterbricht mich immer!«

»Das ist wahr«, sagte der Notar, »Ihr wolltet sie schon heute Morgen unter der Gemeindelinde erzählen, aber alle Welt kehrte Euch den Rücken mit den Worten: ›Ach, der Vater Cadoche fängt seine Geschichte von den Mordbrennern zu erzählen an, machen wir, dass wir fortkommen!‹… Mich aber, mich unterhält das sehr und ich möchte gerne den Schluss hören. Fahret also fort!«

»Stellen Sie sich vor«, fuhr Cadoche fort, »der Mann, von welchem ich sprach und der dort war… ein wenig gegen seinen Willen… war ein armer Bauersmann, den die Mordbrenner mit sich geschleppt hatten. Als diesen Mann Furcht ergriff und er Miene machte, umzukehren, drohte man, ihm das Gehirn zu zerschmettern, so er nicht ein Pferd besteige, welches man ihm gab und welches mit verkehrten Hufeisen beschlagen war, so dass es im Fliehen eine Spur zurückließ, welche die Verfolger täuschen musste. … Nun, als der Mann einmal dort war und sah, dass er mittun müsse, begann er alles zu durchstöbern, um Geld zu finden. Er wollte das lieber tun, als den armen Bricolin brennen helfen, denn er war kein böser Mann. Wahrhaftig, dies Geschäft gefiel ihm nicht und der Anblick flößte ihm Schrecken ein … es war abscheulich … der Gemarterte, welcher ohrenzerreißend heulte, die ohnmächtige Frau, … diese verfluchten Beine, welche in dem Feuer zappelten und welche ich immer zu sehen glaube, erst in der verwichenen Nacht habe ich wieder davon geträumt!… Bricolin war damals ein sehr starker Mann. Er stemmte sich so gewaltig gegen das Feuer, dass sich eine eiserne Stange, welche sich unter seinen Füßen befand, krumm bog.... Oh, ich hatte nichts damit zu schaffen, das schwör’ ich vor Gott!… Als sie mich zwangen, ihm eine Serviette in den Mund zu stopfen, tropfte mir eiskalter Schweiß von der Stirne…«

»Von Eurer Stirne?« fragte der Müller erstaunt.

»Von der Stirne dessen, der mir das alles erzählt hat. Der ersah dann einen günstigen Augenblick, um sich wegzumachen, und fing nun an zu suchen, oben und unten im Hause zu suchen, mit einem Karst an alle Wände zu schlagen, ob es irgendwo hohl klänge, und rechts und links alles zerschlagend, wie die andern… Aber bald wusste er in einen Schweinstall zu huschen… mit Respekt zu sagen… und da fand er sich endlich allein!… Seit damals habe ich immer die Schweine geliebt und alljährlich eines aufgezogen… Er klopft an die Wand, er horcht… da klingt es einmal hohl!… Er schaut um sich… ich war ganz allein! Er bricht die Mauer aus, er tastet in der Öffnung umher und er findet, ratet was? Den eisernen Topf!… Wir wissen schon, das war die Sparbüchse des alten Bricolin! Der Schlosser, welcher den Topf zugenietet, hatte inzwischen geplaudert, und ich erkannte auf der Stelle, dass dies der verrostete Topf sei … Aber schwer war er!… Tut nichts. Mein Mann fühlte die Stärke eines Ochsen in seinen Armen und in seinem Herzen. Er machte sich mit seinem eisernen Topf hübsch leise aus dem Staube und verließ auf der Stelle die Gegend, ohne seinen Kameraden Lebewohl zu sagen. Man hat ihn seither in jener Gegend nie wieder gesehen. Er wusste auch wohl, warum er ging, ei! die Mordbrenner hätten ihn ohne Umstände erwürgt, wenn sie die Sache erfahren hätten Er marschierte Tag und Nacht, ohne sich aufzuhalten, ohne zu trinken, oder zu essen, bis er in einen großen Wald kam, wo er seinen Topf in die Erde verscharrte und ich weiß nicht, wie viele Stunden, schlief. Ich war sehr ermüdet von meiner Last und kam in nicht geringe Verlegenheit, als mich zu hungern anfing. Ich hatte keinen Sou in der Tasche und wusste recht wohl… ich hatte nachsehen müssen, ich konnt’ es mir nicht versagen… dass sich unter meinen hunderttausend Francs nicht ein einziger Sous befand, welcher nicht gezeichnet gewesen wäre. Ich sah leicht ein, dass dieses verfluchte Zeichen das Geld wiedererkennen lassen würde, dessen Raub gewiss schon bei der Polizei angezeigt worden. Das Zeichen auszukratzen, wäre noch schlimmer gewesen. Und überdies musste es ohnehin Verdacht erregen, wenn ein so armer Teufel, wie der, von dem ich spreche, bei einem Bäcker einen Louisdor hätte wechseln lassen, um sich ein Stück Brot zu kaufen. Er musste aber doch einen Entschluss fassen und entschloss sich daher, Bettler zu werden. Die Polizei war damals noch nicht so scharf wie heutzutage, wovon der Umstand Zeugnis gibt, dass keiner der Mordbrenner bestraft wurde, obgleich es keinem einfiel, das Land zu verlassen. Das Handwerk eines Bettlers ist einträglich, wenn man sich darauf versteht… ich habe mir ein Hübsches zusammengemacht, ohne mir jemals irgendetwas zu versagen… Mein Mann nun beging nicht die Dummheit, seinen eisernen Topf durch einen Schlosser vernieten zu lassen. Er verscharrte ihn, wie er war, mitten in einer schlechten Hütte von Stroh und Lehm, welche ihm als Wohnung dient und die er sich im Dickicht des Waldes selbst erbaute. Seit vierzig Jahren geniert ihn kein Mensch, weil seine Lage niemandem beneidenswert vorkommt, und er genießt das Vergnügen, reicher und stolzer zu sein als alle die, welche ihn verachten…«

 

»Aber wozu hat ihm sein Gold gedient?« fragte Heinrich.

»Er betrachtet es alle Wochen einmal, wenn er in seine Hütte zurückkehrt, um das Geld zu versorgen, welches er sich durch Almosen gemacht. Er hebt alles auf, außer das Wenige, was er für Tabak oder Brandewein ausgibt; auch lässt er von Zeit zu Zeit eine Messe lesen, um Gott für die Gnade zu danken, die er ihm erwiesen. So dumm ist er nicht, dass er auch nur ein einziges Stück seines Schatzes ausgäbe. Es würde dies zwar jetzt keinen Verdacht mehr erregen, weil die Geschichte vergessen und alle Nachforschung längst aufgegeben ist. Allein so ein Goldstück könnte ihn als reich erscheinen lassen und man würde ihm also kein Almosen mehr reichen wollen… Das, meine Kinder, ist die Geschichte von dem eisernen Topf. Wie findet ihr sie?«

»Prächtig«, entgegnete der Notar, »und von nicht kleiner Wichtigkeit.«

Der Erzählung des Bettlers folgte ein tiefes Stillschweigen. Die Umstehenden sahen sich gegenseitig an, geteilt zwischen Staunen, Schrecken, Verachtung und einem sonderbaren Reiz zum Lachen, hervorgerufen durch die laute Mischung der genannten Gefühle.

Cadoche war, durch das lange Reden erschöpft, auf sein Kopfkissen zurückgesunken; sein blasses Gesicht begann ins Gräuliche zu spielen und sein langer, struppiger und noch genugsam schwarzer Bart, um seine Züge zu verdüstern, machte ihn noch abschreckender. Seinen hohlen Augen, welche, während ihm Trunkenheit und Delirium die Zunge gelöst, soeben noch Flammen gesprüht hatten, traten jetzt immer mehr und mehr in ihre Kreise zurück und nahmen den glasigen Ausdruck des Todes an. Seine markierten Züge, seine große Habichtsnase, seine schmalen Lippen, all dieses, was vielleicht in seiner Jugend hübsch gewesen war, zeigten gerade kein wildes Naturell an, sondern vielmehr eine seltsame Mischung von Geiz, Rohheit, Misstrauen, Sinnlichkeit und sogar Gutmütigkeit.

»Nun«, nahm endlich der Müller das Wort, »ist das ein Traum, den er uns da vormachte, oder ist’s eine Beichte, was wir hörten? Ist es besser, den Arzt oder den Pfarrer zu holen?«

»Es ist die Gnade Gottes!« sagte Lemor, welcher aufmerksamer denn die Übrigen das zuckende Gesicht des Bettlers und sein mühsames Atmen beobachten. »Wenn ich mich nicht sehr täusche, so hat dieser Mann nur noch wenige Augenblicke zu leben.«

»Ich habe nur noch wenige Augenblicke zu leben?« fragte der Bettler und machte einen Versuch, sich aufzurichten. »Wer sagt das? Der Arzt? Ich glaube den Medizinern nicht. Sie mögen alle miteinander zum Teufel gehen!«

Er kehrte sich gegen den Bettwinkel und langte nach der Branntweinflasche. Beim Umwenden empfand er aber einen stechenden Schmerz und stieß einen Schrei aus.

»Das Herz ist mir eingeschlagen«, sagte er, mit Energie gegen die Schmerzen ankämpfend. »Es könnte doch wohl sein, dass ich nicht wieder aufkäme… Und wie, wenn ich nicht mehr in meine Behausung zurückkönnte? Was soll da aus allem werden? Und mein armes Schwein, wer wird sich seiner annehmen? Es ist gewohnt, das Brot zu fressen, welches man mir gibt und welches ich ihm allwöchentlich heimbringe. Ich habe freilich eine kleine Nachbarin, welche es auf die Weide lässt… Die Kokette! Sie wirft mir süße Blicke zu, weil sie mich zu beerben hofft. Aber nichts da!… Der ist mein rechter Erbe!«

Und so sprechend streckte Cadoche mit feierlicher Miene die Hand gegen den großen Louis aus.

»Er war immer gütiger gegen mich als alle andern Leute. Er allein hat mich behandelt, wie ich es verdiene, er hat mich in einem Bett schlafen lassen, hat mir Wein, Tabak, Brandewein und Fleisch gegeben statt der Brotkrusten, welche mir die andern gaben und die ich nie anrührte! Jederzeit habe ich eine Tugend geübt! Die Dankbarkeit. Jederzeit habe ich den großen Louis und den guten Gott geliebt, weil sie Gutes an mir getan. Darum will ich nun auch mein Testament zugunsten des großen Louis machen, wie ich es ihm immer versprochen habe. Müllerin, meint Ihr, ich sei krank genug, um mein Testament zu machen?«

»Nein, nein, armer Mann«, entgegnete die Müllerin, welche in ihrer engelhaften Reinheit die ganze Erzählung des Bettlers für einen Traum genommen hatte. »Testamentiert nicht! Man sagt, das bringe Unglück und Tod.«

»Im Gegenteil«, warf Herr Tailland ein, »das tut gut, das erleichtert einen und scheucht den Tod zurück.«

»In diesem Fall, Notar, will ich dieses Mittel versuchen. Ich habe mein Besitztum sehr lieb und möchte es gern in gute Hände übergehen sehen, nicht in die der kleinen Närrin, welche mir den Hof macht, aber nichts kriegen soll, als den Strauß und das Band von meinem Hute, um sich Sonntags schön zu machen… Notar, nehmen Sie Ihre Feder und schreiben Sie alles genau auf, ohne etwas auszulassen.«

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