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Der Müller von Angibault

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»Das ist wohl einer deiner Freunde?« fragte er mit der Neugierde wenig beschäftigter Bewohner kleiner Städte. »Ich kenne ihn nicht, aber das ist einerlei .... er muss was Rechtes sein, da du mir ihn bringst.«

Und zu Lemor gewandt, setzte er hinzu:

»Sehen Sie, mein Junge, Sie haben bei der Ankunft in unserem Lande eine gute Bekanntschaft gemacht. Sie hätten es nicht besser treffen können. Der große Louis wird von jedermann wertgeschätzt, und was mich angeht, ich liebe ihn, wie meinen Sohn. O, was er gescheit und ehrsam und sanft ist! Sanft, wie ein Lamm, obschon er weitaus der stärkste Mann im Lande ist! Aber ich kann nicht sagen, dass er jemals irgendwie Händel angefangen, dass er einem Kinde auch nur einen Nasenstüber gegeben, dass er jemals in meinem Hause ein zu lautes Wort gesprochen. Er trifft, weiß Gott, hier genug der Händelsucher, aber er liebt den Frieden über alles!«

Diese Lobrede, welche in dem Augenblicke, wo der große Louis einen Fremden ins Kaffee Robichon gebracht, um sich mit ihm zu schlagen, wunderlich genug angebracht war, machte die beiden jungen Leute lachen.

17. Kapitel.
Die Furt der Vauvre

Indessen gab sich die angeführte Lobrede so herzlich, dass Lemor, welcher von Anfang an eine große Sympathie für den Müller empfunden hatte, über die Sonderbarkeit des Betragens desselben unter vorliegenden Umständen nachzudenken begann und dann bei sich dachte, dieser Mann müsse wohl hinreichende Gründe gehabt haben, ihn auszufragen. Sie tranken ihren Kaffee mit großer, gegenseitiger Höflichkeit und nachdem der Vater Robichon sie von seiner Gegenwart befreit hatte, begann der Müller folgendermaßen:

»Mein Herr – denn ›Herr‹ muss ich Sie wohl nennen, da ich nicht weiß, ob wir Freunde oder Feinde sind – Sie müssen, wenn es Ihnen gefällig, vor allem erfahren, dass ich der Liebhaber eines für mich viel zu reichen Mädchens bin und von diesem gerade so sehr geliebt werde, als hinreicht, mich nicht zu verabscheuen. Deswegen kann ich von ihr sprechen, ohne sie zu kompromittieren und zudem kennen Sie sie nicht. Ich rede zwar nicht gern von meiner Liebe, denn das ist für andere langweilig, besonders wenn sie im nämlichen Spitale krank und, wie es bei dieser Krankheit im Allgemeinen der Fall, teufelmäßige Egoisten sind und sich bloß um sich selbst, nicht um den Nächsten bekümmern; allein wie man, wenn man allein einen Berg von der Stelle schaffen will, wenigstens etwas zustande bringen kann, so ist es auch hier, und deshalb forderte ich Ihr Vertrauen, wie ich das der Dame besitze, – Sie wissen wohl, welcher – und schenke Ihnen das meinige, ohne recht zu wissen, ob es gut angebracht sein wird.

Also: ich liebe ein Mädchen, welche dreißigtausend Francs mehr zur Aussteuer bekommt, als ich besitze, und unter den jetzigen Zeitumständen ist das gerade, als wollte ich die Kaiserin von China heiraten. Ich kümmere mich keinen Strohhalm um diese dreißigtausend Francs, ja ich darf sagen, dass ich dieselben in den tiefsten Meeresgrund versenkt wissen wollte, weil sie mich von meiner Geliebten trennen. Aber Hindernisse in der Liebe bringen einen nicht zur Vernunft, und ob ich auch arm, so liebe ich dennoch. Ich habe nichts anderes mehr im Kopf, als diese Liebe, und wenn die Dame, Sie kennen sie wohl, mir nicht zu Hilfe kommt, wie sie mich hoffen ließ, so bin ein verlorener Mensch – ja, ich bin imstande … ich weiß nicht, was ich zu tun imstande bin…«

Bei diesen Worten verriet das sonst so muntere Gesicht des Müllers eine so liefe Bewegung, dass Lemor von der Gewalt und Innigkeit seiner Leidenschaft überrascht wurde.

»Wohlan«, sagte er mit Herzlichkeit zu Louis, »der Sie des Schutzes einer so guten und so erlauchten Dame – sie gilt wenigstens für eine solche – gewiss sind.«

»Ich weiß nicht, wofür sie gilt«, unterbrach der Müller, ungeduldig über die hartnäckige Zurückhaltung des jungen Mannes, »ich weiß nicht, wie man von ihr denkt, ich aber sage Ihnen, ich, dass sie ein Engel des Himmels ist. Umso schlimmer für Sie, wenn Sie es nicht wissen!«

»In diesem Fall«, sagte Lemor, der sich durch das Marcelle so herzlich gespendete Lob innerlich überwunden fühlte, »worauf wollen Sie denn hinaus, mein guter Herr großer Louis?«

»Ich will Ihnen sagen, dass ich, als ich diese so gütige, so achtungswerte, so reine Frau mir geneigt und bereit sah, mir Hoffnung einzuflößen, da ich schon alles verloren gab, mich plötzlich und für allzeit ihr angeschlossen habe. Meine Freundschaft für sie ist entstanden, wie den Romanen zufolge die Liebe entsteht, nämlich in einem Augenblick, und jetzt möchte ich dieser Frau alle die Güte vergelten, welche sie mir zu beweisen beabsichtigt. Ich wollte, sie würde so glücklich, als sie es verdient, glücklich in ihren Neigungen, welche sie die Welt und das Geld verachten lehren, glücklich in der Liebe zu einem Manne, welcher sie um ihrer selbst und nicht um den Rest eines Vermögens willen liebt, das sie so freudig verloren, welcher nicht erst darnach fragt, was sie besitze oder nicht besitze, oder ob er besser täte, sich mit ihr zu vereinigen oder sich weit von ihr zu entfernen, um sie zweifelsohne zu vergessen und anderwärts zu versuchen, ob ihm etwa anderwärts sein hübsches Gesicht zu einer reicheren Partie verhelfe, denn....«

»Welches Recht«, unterbrach Lemor erblassend den Müller, »haben Sie denn, zu fürchten, dass diese ehrenwerte Dame ihre Neigung so übel angebracht? Wer ist der Schändliche, den Sie einer so schmählichen Berechnung zeihen?«

»Ich weiß es nicht«, versetzte der Müller, welcher die Verwirrung Heinrichs aufmerksam beobachtete und noch nicht mit sich einig war, ob er das Zürnen des jungen Mannes der Aufwallung eines guten Gewissens oder der Beschämung, sich erraten zu sehen, zuschreiben sollte. »Alles, was ich weiß, ist, dass vor vierzehn Tagen ein junger Mann in meine Mühle kam, dessen Aussehen und Gebaren ein sehr ehrsames war, der aber bekümmert zu sein schien, der jedoch dann plötzlich von Geld zu sprechen, Fragen zu stellen, Notizen zu machen und endlich den hübschen Rest von Vermögen, welcher der Dame von Blanchemont noch bleibt, bei Francs und Centimes auf einem Blatt Papier zu berechnen anfing.«

»Sie glauben also wirklich, dass dieser junge Mann einzig und allein in dem Falle, dass ihm die Heirat vorteilhaft erschiene, bereit war, seine Liebe zu erklären? Nun gut, das war ein Elender. Aber um ihn so gut zu erraten, muss man selbst ein solcher sein.«

»Nur zu, Pariser! Genieren Sie sich nicht!« sagte der Müller mit blitzenden Augen, »wir sind ja da, um uns zu erklären.«

»Ich sage«, fuhr Lemor nicht weniger gereizt fort, »um das Benehmen eines Mannes, welchen man nicht kennt und von dem man nichts weiß, so zu erklären, muss man selber sehr begierig nach der Mitgift seiner Schönen sein.«

Die Augen des Müllers verdüsterten sich und eine Wolke umzog seine Stirne.

»O!« sagte er mit traurigem Tone, »ich weiß wohl, dass man dies sagen könnte, und ich wette, die Leute würden auch wirklich so sprechen, wenn ich es dahin brächte, geliebt zu werden. Aber wenn sie mir ihre Liebe wirklich schenkte, so würde sie ihr Vater gewiss enterben, und dann würde man sehen, ob ich ihr vorrechnete, was sie verloren!«

»Müller«, versetzte Lemor barsch und offen, »ich klage Sie nicht an, ich. Ich will Sie nicht verdächtigen. Aber wenn man selber ein redliches Gemüt besitzt, warum setzt man denn nicht auch von andern das Wahrscheinlichste und Würdigste voraus?«

»Die Gefühle des jungen Mannes kann einzig und allein sein fernerweitiges Benehmen erklären. Wenn er entzückt zu der geliebten Dame eilte … ja, doch ich will nichts sagen, aber wenn er zum Teufel geht, hm, so ist das wohl eine andere Sache.«

»Man muss annehmen«, warf Lemor ein, »dass er seine Liebe als einen Wahnwitz betrachtet und sich keinem Korb aussetzen will.«

»Ah, jetzt hab’ ich Sie!« rief der Müller aus; »das sind lauter Lügen! Ich weiß gewiss, ich, dass die Dame entzückt ist, ihr Vermögen eingebüßt zu haben, dass sie mutvoll sich fasste, als sie erfuhr, dass auch ihr Sohn das seinige gänzlich verlor, und das alles, weil sie einen Mann liebt, den zu heiraten man ihr ohne diese Unglücksfälle zu einem Verbrechen machen würde.«

»Ihr Sohn ist ruiniert?« fragte Heinrich bebend; »gänzlich ruiniert? Ist es möglich? Sind Sie dessen gewiss?«

»Allerdings, mein Junge«, erwiderte der Müller mit schlauer Miene. »Seine Mutter, welche als Vormünderin während der Minderjährigkeit des Knaben mit einem Geliebten oder Gatten die Interessen eines großen Kapitals hätte teilen können, hat jetzt nur Schulden zu bezahlen und ist so gestellt, dass sie, wie sie mir gestern Abend sagte, die Absicht hat, ihren Sohn ein Handwerk lernen zu lassen, um zu leben.«

Heinrich hatte sich erhoben und ging heftig in dem kleinen Hof hin und her. Der Ausdruck seines Gesichtes war unbeschreiblich und der große Louis, welcher ihn nicht aus den Augen ließ, fragte sich, ob der junge Mann auf dem höchsten Gipfel des Glückes oder der Verzweiflung sich befände.

›Lass’ sehen‹, sagte er zu sich, ›ob er ein Mensch ist, wie sie und ich, das Geld hassend, als ein Hindernis der Liebe, oder vielmehr ein Intrigant, der ich weiß nicht durch was für eine Hexerei ihre Liebe erwarb und dessen Ehrgeiz über den Genuss des kleinen Einkommens, welches ihr noch bleibt, weit hinausgeht.‹

Nachdem er einige Augenblicke nachgedacht, hatte der große Louis, welcher Marcelle eine große Freude bereiten oder aber sie von einem Falschen befreien wollte, indem er denselben entlarvte, einen Feldzugsplan entworfen.

»Ei, mein Junge«, sagte er, seiner Stimme einen sanften Ausdruck gebend, »Sie sind wohl nicht bei Trost? Was hat denn das zu sagen? Es denkt nicht jedermann romanhaft und wenn Sie Ihre Hoffnung aufs Solide gestellt, so haben Sie’s nur gemacht, wie dermalen alle Welt. Sie sehen doch ein, dass ich Ihnen keinen so üblen Dienst geleistet, indem ich mich mit Ihnen zankte. Habe ich Ihnen doch gesagt, dass es mit dem Wittum zu Ende sei. Zweifelsohne rechneten Sie auf die einträgliche Vormundschaft über den jungen Erben, denn Sie werden wohl begriffen haben, dass die famosen dreimalhunderttausend Francs weiter nichts seien, als eine letzte, eine pure Illusion der Witwe? «

 

»Was sagen Sie?« rief Lemor aus, sein heftiges Hin- und Hergehen unterbrechend; »auch diese letzte Hilfsquelle ist ihr abgeschnitten?«

»Gewiss, aber tun Sie nur nicht, als ob Sie’s nicht wüssten, Sie, der Sie infolge Ihrer Nachforschungen wissen müssen, dass das Guthaben des Pächters Bricolin das Vierfache dessen beträgt, was man vermutete, und dass die Dame von Blanchemont genötigt sein wird, sich um ein Postbüro oder um einen Tabaksladen8 zu bewerben, wenn sie ihren Sohn in die Schule schicken will.«

»Ist es möglich?« wiederholte Lemor, von dieser Neuigkeit überrascht und wie betäubt. »Eine so rasche Revolution in ihrem Geschick? Ein Donnerschlag!«

»Ja, ein Donnerschlag!« bemerkte der Müller mit bitterem Lachen.

»Aber sagen Sie mir, ist sie von alledem nicht schmerzlich betroffen?«

»O, ganz und gar nicht, was daher kommt, dass sie sich einbildet, dass Sie sie um deswillen nur umso inniger lieben werden. Aber Sie sind nicht so dumm, nicht wahr?«

»Mein lieber Freund«, entgegnete Lemor, ohne die Frage des großen Louis zu beachten, »was haben Sie mir da mitgeteilt? Und ich wollte mich mit Ihnen raufen? Sie haben mir wahrhaftig einen großen Dienst erwiesen; Sie wurden mir von der Vorsehung zugesandt!«

Der große Louis, welcher diesen Ausbruch der Zufriedenheit Lemors zuschrieb, dass derselbe noch zu rechter Zeit von dem Untergang seiner habsüchtigen Hoffnungen in Kenntnis gesetzt worden sei, kehrte den Kopf mit Widerwillen zur Seite und blieb einige Augenblicke in tiefe Trauer versenkt.

›Eine so zutrauungsvolle und uneigennützige Frau durch einen solchen Hasenfuß missbraucht zu sehen!‹ sagte er bei sich. ›Sie muss ebenso wenig Vernunft besitzen, als er Herz besitzt. Ich hätte mir aber wohl denken können, dass sie sehr unklug sein müsse, da sie mich an dem Tage, wo ich sie in meinem Leben zum ersten Mal gesehen, alle ihre Geheimnisse entdecken ließ. Sie ist fähig, ihr gutes Herz dem ersten Besten hinzugeben. O, ich muss sie wohl auszanken, sie belehren, sie in allen Dingen vor ihr selbst hüten, und sie vor allem von diesem Narren da befreien. Man muss diesen Windbeutel ein wenig beim Ohr zausen und ihm über sein hübsches „G’fräß“ eine Schramme ziehen, welche ihn verhindert, sich so bald wieder den Weibsleuten zu präsentieren.‹

»Hollah! Herr Pariser«, fuhr er fort, ohne sich umzuwenden und versuchend, mit klarer und sanfter Stimme zu sprechen, »Sie haben mich gehört und jetzt sollen Sie auch wissen, für was ich Sie halte. Ich weiß, was ich wissen wollte, dass Sie nämlich ein Hundsfott sind. Das ist meine Meinung, und ich will Ihnen dieselbe sogleich beweisen, so’s Ihnen recht ist.«

So sprechend, krempelte der Müller, welcher nur von seinen Fäusten Gebrauch machen wollte, langsam seine Ärmel auf, erhob sich und kehrte sich um, voll Erstaunen, dass sein Gegner ihm nicht antworte. Allein zu seiner großen Überraschung fand er sich in dem Hofe allein. Er durcheilte die Dahlienhecken, durchspähte alle Winkel des Café Robichon, durchforschte die anstoßenden Straßen: Lemor war und blieb verschwunden. Niemand hatte ihn weggehen sehen und der große Louis, empört und beinahe wütend, suchte ihn umsonst in der ganzen Stadt. Nach einer Stunde vergeblichen Suchens hatte sich der Müller außer Atem gelaufen und ließ die Hoffnung, den Fremden wieder zu finden, fahren.

»Einerlei«, sagte er, indem er sich auf einen Eckstein setzte, »es soll keine Patache, kein Postwagen die Stadt verlassen, ohne dass ich den Passagieren scharf unter die Nase lugen werde. Dieser Herr soll nicht abreisen, ohne dass … aber… bah, ich bin ein rechter Narr! Reist er denn nicht zu Fuße und wird ein Mensch, der nicht darauf hält, eine Ehrensache abzumachen, nicht den Boden unter die Füße nehmen, ohne es auszutrompeten oder auszutrommeln? Und dann«, fügte er, sich beruhigend, hinzu, »würde mir meine gute gnädige Frau Marcelle für das Abwammsen ihres Liebhabers zweifelsohne schlechten Dank wissen. Man macht sich nicht so leicht von einer so starken Bekanntschaft9 los und die arme Frau würde mir vielleicht auch nicht glauben wollen, dass ihr Pariser ein wahrer Marcheländer10 sei. Wie soll ich es anstellen, um sie zu enttäuschen? Das ist meine Pflicht, und doch… wenn ich daran denke, welchen Kummer es ihr verursachen wird… Heilige Mutter Gottes! Ist es möglich, sich so zu täuschen?«

Solcherlei bei sich bedenkend, fiel es dem Müller ein, dass er eine Kalesche zu verkaufen hätte, und er suchte also einen reichen Erpächter aus, der nach langem Mäkeln und Handeln sich zu dem Kauf entschloss, aus Furcht, Herr Bricolin möchte ihm in der Erwerbung dieses Luxusgegenstandes zuvorkommen.

»Kaufen Sie, kaufen Sie, Herr Ravalard«, sagte der große Louis mit jener bewundernswerten Geduld, womit die Bewohner des Berry begabt erscheinen, wenn sie, beim Verkauf ihrer Waren bemerkend, dass der Käufer bereits sich für den Ankauf entschieden habe, sich stellen, als würden sie von der vermeintlichen Unentschiedenheit ihrer Kunden zum Besten gehalten. »Ich hab’ es Ihnen schon hundertmal gesagt und will es Ihnen wiederholen, so oft Sie’s haben wollen: das ist was Schönes und Gutes, Hübsches und Solides, kommt aus der ersten Pariser Fabrik und ist gratis transportiert. Sie kennen mich zu gut, um nicht zu wissen, dass ich mich nicht dreinmischen würde, so’s ‘nen Hinterhaken hätte. Mehr noch, ich verlange kein Schmusgeld, was Sie einem andern aktenfußmäßig zahlen müssten. Sehen Sie, lauter Profit!«

Die Unentschlossenheit des Käufers währte bis abends, denn es zerriss ihm das Herz, sich von seinen Talern trennen zu sollen. Der große Louis sah die Sonne sinken und sagte:

»Potz Blitz, ich habe nicht im Sinn, hier über Nacht zu bleiben, ich will fort. Ich sehe wohl, dass Sie dieses nette und gut eingefahrene Gefährtchen nicht wollen und will daher Sophie daran spannen und stolz wie der Prinz Artaban nach Blanchemont zurückkehren. ‘S wird das erste Mal sein, dass ich kutschenfahre, und das soll mich freuen. Aber mehr noch soll’s mich freuen, am nächsten Sonntag den Vater und die Mutter Bricolin in diesem Wagen nach La Châtre rollen zu sehen, obwohl ich gestehen muss, dass Sie und Ihre Frau Gemahlin sich besser darin ausnehmen würden.«

Mit Einbruch der Nacht zählte endlich Herr Ravalard das Geld auf und ließ den hübschen Wagen in seinen Schoppen bringen. Der große Louis lud sogleich das Gepäck der Frau von Blanchemont auf seinen Karren, tat die zweitausend Francs in einen ledernen Gurt, spannte Sophie ein, brachte sie in raschen Trott und verließ die Stadt, aus vollem Halse singend, allem Stoßen und Hin- und Herfahren seiner großen Wagenräder auf dem steinigen Wege zum Trotz.

Er kam schnell vorwärts, indem er nicht Gefahr lief, sich zu verirren, wie der Patachon, und hatte bereits den hübschen Weiler Mers hinter sich, bevor noch der Mond aufgegangen. Der kalte Nebel, welcher im schwarzen Tal selbst während der warmen Sommernächte auf den zahllosen Bächen liegt, bildete große weiße Flächen, welche man, wie sie aus dem Dunkel der weit hingedehnten Landschaft hervortraten, leicht für Seen hätte halten können, das Geschrei der Schnitter und das Singen der Schäfer war verstummt und die Leuchtkäfer, welche da und dort aus den Büschen am Wege leuchteten, waren die einzigen lebenden Wesen, denen der Müller noch zu begegnen glaubte. Als er aber über eine der sumpfigen Heiden hinfuhr, welche die verworrenen Bäche in diesem sonst so fruchtbaren und so gut angebauten Landstrich bilden, kam es ihm vor, als gehe eine luftige Gestalt in den Binsen vor ihm her und bleibe dann an der Furt der Vauvre stehen, wie um ihn zu erwarten.

Der große Louis war dem Übel der Furcht nicht sehr zugänglich. Da er indessen heute Abend ein kleines Vermögen zu verteidigen hatte, welches ihm mehr am Herzen lag, als wenn es ihm selbst angehört hätte, eilte er, sein Fuhrwerk wieder einzuholen, welches er verlassen hatte, um ein Stück Weges zu Fuß zu machen, in der Absicht, die Last der treuen Sophie zu erleichtern. Weil der Geldgurt ihn genierte, hatte er ihn in einen Mehlsack gewickelt, welchen er, als er seinen Karren wieder bestiegen, zur Sicherheit zwischen seine Beine nahm. Hierauf fasste er seine Peitsche, deren gewaltiger Griffs eine nicht zu verachtende Waffe abgab, fester und fuhr vorsichtig, wie ein Soldat auf dem Posten, gerade auf den nächtlichen Wanderer los, heiteren Mutes folgende Strophen aus einer alten komischen Oper singend, die ihn Rose in ihrer Kindheit gelehrt hatte:

 
›Unser Müller, geldbeladen,
Nach dem Dorfe heimwärts geht,
Da, aus dunkeln Waldespfaden
Plötzlich Lärm um ihn entsteht.
Unser Müller ist wohl kühn,
Doch befällt jetzt Schrecken ihn…
Drum ihr lieben Freunde mein,
Hütet euch doch allzumal
Vor dem Gang ins schwarze Tal!‹
 

Ich glaube, es hieß in der Strophe eigentlich: ›Vor dem Gang in den schwarzen Wald!‹ allein der große Louis, der sich um Zäsur und Versmaß nicht mehr bekümmerte, als um Räuber und Gespenster, gefiel es, die Worte seiner Lage anzupassen und dieses naive, vor Zeiten sehr gang und gäbe, jetzt aber nur noch in der Mühle von Angibault einheimische Liedchen hatte schon oft die Langeweile seiner einsamen Gänge verscheucht.

Als er dem Menschen, der ihn festen Fußes erwartete, nahegekommen, bemerkte er, dass die Stelle zu einem etwaigen Anfall allerdings gut gewählt war, denn die Furt, welche man passieren musste, war, wenn auch nicht tief, doch mit großen Steinen versperrt, welche die Pferde nötigten, vorsichtig zu gehen, und überdies war es beim Hinabfahren ins Wasser nötig, seine ganze Aufmerksamkeit dem Zügel zuzuwenden, um den Gaul nicht einem Sturze auszusetzen.

»Nun, wir wollen sehen!« sagte der große Louis vorsichtig und entschlossen zu sich.

18. Kapitel.
Heinrich

Der Wanderer ging in der Tat auf das Pferd los und der große Louis, welcher geschwind eine durchlöcherte Bleikugel an die Schlinge seiner Peitsche befestigt hatte, holte schon mit dieser zum Schlage aus, als eine bekannte Stimme freundlich zu ihm sagte:

»Meister Louis, gestatten Sie mir, Ihr Fuhrwerk zu besteigen, um über das Wasser zu kommen!«

»Was da, Sie sind’s, lieber Pariser?« entgegnete der Müller; »freut mich, Sie wiederzusehen. Wie habe ich mich heute Morgen nach Ihnen müde gesucht! Steigen Sie auf, ich habe ein Wort mit Ihnen zu reden.«

»Und ich, ich habe Sie mehr als zwei Worte zu fragen«, versetzte Lemor, indem er auf den Karren sprang und sich neben den Müller setzte mit dem Vertrauen eines Menschen, der ganz und gar nicht Schlimmes erwartet.

›Seht mal den kecken Schlingel!‹ sagte der Müller bei sich, der bei wiederkehrendem Argwohn sich kaum bis an das gegenüberliegende Ufer halten konnte.

»Wissen Sie, Kamerad«, sagte er dann zu Heinrich, indem er ihm seine mächtige Hand auf die Schulter legte, »dass ich nicht weiß, was mich abhält, etwas zur Seite zu fahren, um Sie unterhalb der Schleuse tüchtig ins Wasser zu tauchen?«

 

»Der Einfall ist spaßhaft«, versetzte der Lemor ruhig, »und bis auf einen gewissen Punkt auch ausführbar. Ich glaube indessen, dass ich mich stark wehren würde, denn zum ersten Mal seit langer Zeit halte ich heute etwas auf mein Leben.«

»Eine Minute!« sagte der Müller und hielt auf dem Wege jenseits der Furt. »Wir können hier bequem plaudern und ich bitte, tun Sie mir den Gefallen, mein lieber Herr, mir zu sagen, wohin Sie gehen.«

»Ich weiß es selbst nicht recht«, versetzte Lemor lachend. »Ich glaube, ich bin auf gut Glück geradeaus gegangen. Ist es denn nicht hübsch dermalen zum Spazierengehen?«

»Nicht so hübsch, als Sie glauben, Meister, und Sie könnten schlechtes Wetter auf den Rücken kriegen, wenn es mir gefiele. Sie haben auf meinen Karren steigen wollen, aber, wissen Sie, das ist meine Burg und man steigt nicht immer so hinab, wie man heraufsteigt.«

»Stille mit den Späßen!« sagte Lemor, »und treiben Sie Ihr Pferd an! Ich kann nicht lachen, ich bin zu aufgeregt…«

»Sie fürchten sich? Gestehen Sie es!«

»Ja, ich bin von Schrecken befallen, wie der Müller Ihres Liedes, und Sie werden verstehen, warum, wenn ich es Ihnen gesagt haben werde, wenn ich es Ihnen sagen könnte .... Ich habe meinen Kopf nicht beisammen.«

»Nun, wohin gehen Sie denn?« fragte der Müller, welcher zu fürchten begann, er hätte Lemor falsch beurteilt, und seines durch den Zorn etwas in Verwirrung gebrachten Verstandes sich wieder bemeisternd, sich fragte, ob wohl ein Mensch, der sich schuldig fühlte, sich in seine Hände gegeben hatte.

»Wohin gehen Sie selber?« gegenfragte Lemor.

»Nach Angibault, nahe bei Blanchemont!«

»Und ich, ich gehe ebenfalls nach dieser Richtung hin, ohne zu wissen, ob ich es wagen solle, nach Blanchemont zu gehen. Aber Sie haben doch wohl davon sprechen hören, dass der Magnet das Eisen anzieht?«

»Ich weiß nicht, ob Sie von Eisen sind«, entgegnete der Müller, »aber ich weiß, dass nach dieser Seite hin auch für mich ein famoser Magnetstein liegt. Nun, mein Junge, Sie wollten also…«

»Ich will nichts, ich wage nichts zu wollen, und doch .... sie ist zugrunde gerichtet, völlig zugrunde gerichtet.... Warum sollte ich aber hingehen?«

»Warum, zum Teufel, wollten Sie denn so weit fortgehen, nach Afrika?«

»Ich hielt sie noch für reich. Dreimalhunderttausend Francs sind, wie ich Ihnen sagte, mit meiner Lage verglichen, noch immer ein großes Vermögen.«

»Wenn sie Sie aber dessen ungeachtet liebt?«

»Und ich, meinen Sie, ich könnte mit der Liebe zugleich Geld von ihr annehmen? Ich vermag mich Ihnen gegenüber nicht ferner verstellen, mein Freund, denn ich sehe wohl, dass man Sie in Dinge eingeweiht hat, welche ich Ihnen nie entdeckt hätte, und wären wir uns darüber auch in die Haare geraten. Ich habe bei mir nachgedacht, nachdem ich Sie so plötzlich verlassen, ohne zu wissen, was ich tat und fühlend, dass mir das Herz zu sehr von Freude überquelle, um mich zurückhalten zu können … ja, ich habe über alles nachgedacht, was Sie mir sagten, habe eingesehen, dass Sie von allem unterrichtet seien und dass es unsinnig von mir war, eine Indiskretion von einem Mann zu befürchten, der sich als ein so ergebener Freund zeigt von…«

»Marcelle!« ergänzte der Müller, der sich etwas darauf zugut tat, so vertraut diesen christlichen Namen auszusprechen, als welchen er denselben in seinen Gedanken im Gegensatz zu dem edelmännischen der Dame von Blanchemont bezeichnete.

Dieser Name machte Lemor erbeben.

Es war das erste Mal, dass derselbe in seinen Ohren widerklang. Da er mit der Umgebung Marcelles niemals in irgendeiner Beziehung gestanden und das Geheimnis seiner Liebe keinem Menschen anvertraut hatte, so hatte er nie von einem fremden Munde diesen teuren Namen aussprechen hören, den der am Rande ihrer Briefe mit so großer Verehrung gelesen und den er selbst nur in Augenblicken der Verzweiflung oder der Trunkenheit zu nennen gewagt hatte. Er fasste den Müller am Arme, geteilt zwischen dem Wunsch, den Namen noch einmal von Louis wiederholen zu hören, und der Furcht, ihn zu entweihen, indem er ihn den Echos der einsamen Gegend preisgäbe.

»Nun wohl«, sagte der große Louis, gerührt von Heinrichs Bewegung, »Sie haben also endlich erkannt, dass Sie mir nicht zu misstrauen brauchen, dass Sie mir nicht misstrauen können? Ich aber .... soll ich Ihnen die Wahrheit sagen? .... Ich meinerseits traue Ihnen noch nicht ganz. Mein Misstrauen ist ein unwillkürliches, es geht und kommt wieder. Lass’ sehen, wo haben Sie denn den Tag über gesteckt? Ich glaubte, Sie hätten sich in einer Höhle verborgen.«

»Ich würde es auch getan haben, denk’ ich, wenn sich mir eine dargeboten hätte«, versetzte Lemor lachend, »denn ich fühlte das Bedürfnis, meine Verwirrung, meine Betäubung zu verbergen. Wissen Sie, Freund, dass ich nach Afrika gehen wollte, mit dem Vorsatz, niemals die wiederzusehen, deren Namen Sie soeben genannt haben? Ja, des Briefes ungeachtet, welchen Sie mir von ihr brachten und welcher mir befahl, nach Verfluss eines Jahres zu ihr zu kommen, dachte ich, dass mir mein Gewissen dieses furchtbare Opfer auferlege. Und noch jetzt bin ich voll Angst und Ungewissheit, denn wenn ich auch nicht mehr gegen die Schmach anzukämpfen brauche, dass ich, der Proletarier, eine reiche Frau heiraten solle, so bleibt immer noch der Unterschied der Abkunft, das Widerstreben des Plebejers gegen die Patrizier, welche diese hochherzige Frau verfolgen werden um einer hier so unwürdig geltenden Wahl willen. Allein es wäre auf der andern Seite vielleicht Feigheit, dieser Krisis auszuweichen. Es ist ja nicht ihre Schuld, dass sie aus dem Blut der Unterdrücker stammt, und zudem ist die Macht des Adels bereits in andere Hände übergegangen. Seine Vorstellungen gelten nichts mehr und vielleicht, vielleicht beschimpft sie sich doch nicht so allgemein, indem sie mich Ihrer Liebe würdigt. Aber dennoch, es ist schrecklich, nicht wahr? Die Frau, welche man liebt, in einen Kampf mit ihrer Familie zu verwickeln und sie allen denen, unter welchen sie ihr ganzes Leben zugebracht hat, verächtlich zu machen? Durch welche Verbindungen kann ich ihr jene, allerdings nur den zweiten Rang einnehmenden, aber zahlreichen und angenehmen Verhältnisse ersetzen, welchen ein edelmütiges Herz nicht ohne Bedauern entsagt? Denn ich stehe allein in der Welt, wie es der Arme immer ist, und das Volk weiß derzeit noch nicht, wie es die bei sich empfangen sollte, welche durch so viele Hindernisse und so weiter zu ihm kommen. Ach, ich habe einen Teil des Tages unter einem Strauche zugebracht, wo weiß ich nicht, an einem einsamen Ort, wohin ich durch Zufall geraten, und erst nach mehreren Stunden der Beklemmung und angestrengtesten Nachdenkens entschloss ich mich, Sie aufzusuchen und Sie zu bitten, mir Gelegenheit zu einer Unterredung mit ihr zu verschaffen. Ich suchte Sie vergeblich, denn Sie hatten mir den immer wiederkehrenden Gedanken eingegeben, nach Blanchemont zu gehen, wie Sie vielleicht mich gesucht haben. Aber Sie sind, denk’ ich, unklug und ich wahnsinnig, denn sie hat mir verboten, den Ort ihrer Zurückgezogenheit auch nur zu kennen, und um der Forderungen des Anstandes bezugs ihrer Witwentrauer willen die Frist eines Jahres festgesetzt.«

»Weiter nichts?« entgegnete der große Louis, ein wenig erschrocken über den sinnreichen Einfall, den er, wie er glaubte, gehabt hatte, als er diesen Morgen den Geliebten Marcelles in Versuchung geführt, sie zu besuchen.

»Die Geschichten von Anstand und dgl., die Sie mir da erzählen, sind dieselben in Ihrem Denken wirklich von so großer Bedeutung und muss nach dem Tode eines schlechten Mannes in der Tat ein Jahr verfließen, kein Tag mehr und keiner weniger, bevor eine ehrbare Frau einen ehrlichen Mann sehen darf, welchen sie heiraten will? Ist das in Paris so der Brauch?«

»Nicht nur in Paris, sondern allenthalben. Das religiöse Gefühl, welches das Geheimnis des Todes erregt, bestimmt zweifelsohne überall die kürzere oder längere Zeitfrist, die man dem Gedächtnis der Toten weiht.«

»Ich weiß wohl, dass es ein gutes Gefühl ist, welche den Brauch aufgebracht hat, in Kleidern, Worten, im ganzen Gebaren Trauer anzulegen, aber artet dies nicht in Heuchelei aus, wenn der Verstorbene in der Tat wenig bedauernswert ist und wenn eine ehrbare Liebe zu Gunsten eines andern spricht? Soll der Anstand, welcher einer Witwe ihr Betragen vorschreibt, den Erfolg haben, dass ihr Freier sich genötigt sieht, das Vaterland zu verlassen, niemals an ihrer Türe vorüberzugehen und sie nur von der Seite anzuschielen, während sie sich die Miene gibt, als beachte sie ihn nicht?«

»Wackrer Mann, Sie kennen die Bosheit derer nicht, welche sich Leute von Welt nennen, eine recht sonderbare Betitelung, nicht wahr? und in ihren Augen dennoch wohlverdient, da das Volk nicht denkt, da sie sich die Herrschaft der Welt anmaßen, da sie diese immer besessen haben und auch für einige Zeit noch besitzen werden.«

»Ich brauche mich nicht anzustrengen, um zu glauben, dass sie schlechter sind als wir!« rief der Müller aus. »Und doch«, setzte er traurig hinzu, »sind auch wir noch lange nicht so gut, als wir sein sollten. Auch wir, ja auch wir sind schwatzhaft, spottsüchtig und leicht geneigt, den Schwachen zu verdammen. Ja, Sie haben Recht, wir müssen uns in Acht nehmen, diese edle Dame nicht in übles Gerede zu bringen. Man hat Zeit nötig, um sie kennen, lieben und achten zu lernen, wie sie es verdient, aber es würde nur eines Tages bedürfen, um sie einer närrischen Aufführung anzuklagen. Meine Meinung ist folglich, Sie sollten nicht nach Blanchemont gehen.«

8Der Verkauf des Tabaks ist nämlich in Frankreich Monopol der Regierung. A. d. Übers.
9Bekanntschaft ist bekanntlich in vielen Gegenden Süddeutschlands der ländliche Ausdruck für Liebesverhältnis, und ich suche die Provinzialismen des Originals möglichst mit deutschen Provinzialismen wiederzugeben. A. d. Übers.
10Die Bewohner der Marche stehen, sei es mit Recht oder mit Unrecht, bei ihren Nachbarn, den Bewohnern des Berry, in einem so schlimmen Geruch, dass Marcheländer und Schelm gleichbedeutende Ausdrücke sind.

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