Die tägliche Heilung

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Warum täglich – genügt nicht dreimal die Woche?

Wenn Sie sich täglich bewegen, müssen Sie nicht darüber nachdenken, ob heute Montag, Dienstag oder Mittwoch ist, um sich zu bewegen, da Sie sich ja ohnedies täglich bewegen! Denken Sie an den HUN. Der muss ja auch täglich schauen, dass alles im Körper glatt fließt. Wenn Sie sich zum Beispiel Montag, Mittwoch und Freitag gut bewegen, was macht dann der HUN an den anderen Tagen? Natürlich ist es besser, sich dreimal pro Woche zu bewegen als zweimal, und besser sich viermal pro Woche zu bewegen als dreimal. Aber wenn Sie sich zum Beispiel nur einmal in der Woche aufraffen, Laufen oder Wandern oder ins Fitnessstudio zu gehen, dann ist das sogar Stress für den Körper, weil ja der Körper auf einmal eine Anforderung leisten muss, die er nicht gewohnt ist, und weil Sie auch noch ein schlechtes Gewissen haben, weil Sie sich ja die ganze Woche nicht bewegt haben. Weil Sie sich ja schon so auf die Bewegung am Wochenende freuen, übertreiben Sie und das bedeutet wiederum Stress für den Körper, obwohl Sie ja diesen Stress eigentlich abbauen wollen! Denken Sie ans Zähneputzen: Wenn Sie nur einmal die Woche, zum Beispiel am Sonntag, eine Stunde lang die Zähne putzen, sonst aber die ganze Woche nicht, dann irritieren Sie das Zahnfleisch durch die einstündige Bürsterei und ruinieren Ihren Zahnschmelz. Wenn Sie jedoch täglich, und noch besser zweimal täglich die Zähne putzen, dann hat das einen sehr positiven Effekt auf den Zustand Ihrer Zähne. Sie entwickeln ein tägliches Ritual, das dann einfach zum Tagesablauf dazugehört und Sie werden nach einiger Zeit nicht mehr darüber nachdenken, sich die Zähne zu putzen. Sie werden es einfach tun. – Und genau so sollte es mit Bewegung auch sein. Sie sollten es einfach tun, ohne darüber groß und lange nachdenken zu müssen, ohne sich lange zu fragen, ob man denn heute Lust hat, sich zu bewegen. Wenn Sie sich die Frage stellen, haben Sie zumeist schon verloren … Also, nicht lange fragen, einfach tun!


Und damit es ganz natürlich und selbstverständlich wird, sollte die Bewegung so gut wie möglich in den ganz normalen Tages- und Wochenablauf integriert sein. Wenn Sie täglich in die Arbeit müssen, dann eben gleich mit Bewegung! Irgendwann wird es dann normal, dass Sie sich bewegen müssen, um an ihre Arbeitsstätte zu gelangen, und Sie werden nicht mehr lange darüber nachdenken.

Aus Studien wissen wir heute, dass auch Erkrankungen, die wir im Westen niemals mit Bewegung in Verbindung gebracht haben, durch regelmäßige Bewegung einen deutlich günstigeren Verlauf nehmen. Zum Beispiel wird bei Krebserkrankungen heute auch schon in der Phase der Chemotherapie und der Bestrahlung empfohlen, sich gut und regelmäßig zu bewegen. Auch bei Morbus Parkinson kann konsequente regelmäßige Bewegung den Krankheitsverlauf verzögern. Auch bei den häufigsten Demenzformen (vor allem der so genannten vaskulären Demenz, bei der es zu einer Minderversorgung des Gehirns mit Blut kommt, aber auch bei der Alzheimer-Demenz) sollte tägliche Bewegung Teil des Therapie-Konzepts sein. Auch bei den verschiedensten Formen psychischer Erkrankungen wie Depression, Panikattacken, Essstörungen, ist tägliche entspannte Ausdauerbewegung die beste Medizin. Und auch bei den verschiedensten Suchtformen hilft tägliche entspannte Bewegung den Tagesablauf gut und gesund zu strukturieren und den Körper wieder zu kräftigen. Früher war eine gängige Form der Therapie die Bettruhe, wie wir sie auch heute noch bei schweren Infekten einhalten. Zumeist aber ist frühzeitiges Aufstehen und Bewegung viel besser als Inaktivität!

Welche Form der Bewegung ist die beste?

Jede Form, die Ihnen Spaß macht und Ihnen keine Schmerzen oder Beschwerden verursacht. Wenn Ihnen die tägliche Bewegung keine Freude bereitet, werden Sie sich zwei Monate mir oder Ihrem anderen Arzt zuliebe, drei Monate sich selbst zuliebe bewegen und dann wieder aufhören. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich täglich gut zu bewegen. Damit die Bewegung einen dauerhaften körperlichen Trainings- und damit auch Gesundheitseffekt hat, sollte die Bewegung mindestens eine halbe Stunde täglich sein und Sie sollten auch schon leicht zu schwitzen anfangen als Zeichen, dass Ihr Körper gut durch- und aufgewärmt ist. Das Gaufen – das heißt die Bewegung – in den Alltag und in Ihren Arbeitsweg einzubauen, ist nur ein Vorschlag und eine Möglichkeit von vielen. Doch wenn Sie ansonsten weder Zeit noch Lust haben, sich regelmäßig zu bewegen, dann gaufen Sie, dann brauchen Sie nicht weiter übers Bewegen nachzudenken. Sie können aber auch täglich gaufen und sich trotzdem zusätzlich bewegen, zum Beispiel irgendeinen Sport treiben, der Sie anspornt, der Sie mit netten Menschen zusammenbringt, der Ihnen Spaß verschafft – so wie all die Ballspiele von Fußball, Handball, Tennis, Badminton, Squash oder Tischtennis, Trampolinspringen oder die klassischen Ausdauersportarten wie Schwimmen, Joggen, Radfahren, Nordic Walking, Rudern, Langlaufen, Inlineskaten, Wandern gehen, auf den Berg gehen oder die asiatischen Bewegungsformen wie Yoga, TaiQi, TschiGong oder Kampfsport wie Boxen, Kickboxen, Karate, WuShu, Judo oder jede Form von Gymnastik mit oder ohne Musik oder Tanzen oder ins Fitnessstudio gehen und auch zusätzlich zur Ausdauer die Kraft trainieren. Welche Bewegung auch immer Sie wählen, lernen Sie die richtige Technik, damit Sie sich nicht verletzen oder unnötig belasten oder quälen! So habe ich selbst etwa ein Jahr konsequentes Schwimmtraining genossen, um dann endlich richtig und entspannt kraulen zu können. Und lassen Sie sich helfen, wenn Sie bemerken, Sie kommen bei einem Sport oder bei einer Bewegung an Ihre Grenzen, sei es, dass Sie längere Strecken laufen wollen, sei es, dass Sie Yoga aus einem Buch oder nach einer DVD lernen. Der persönliche Kontakt mit einem Lehrer, mit einem, der das schon viel, viel länger als Sie macht, ist wichtig. Oft sind kleinste Korrekturen ihres Lehrers, als würden sich neue Türen und Möglichkeiten für Sie auftun. Man erkennt nur, was man kennt. Nur wenn Sie um alle Möglichkeiten der Technik wissen, können Sie und Ihr Körper frei entscheiden, welche Form der Technik für Sie die Richtige ist. Lernen Sie also, sich richtig zu bewegen, richtig zu laufen, richtig zu gehen. Und dieses Buch soll einmal ein Anfang in die richtige Richtung sein …


Was immer Sie an Bewegung machen wollen, bewegen Sie sich täglich! Täglich ist das Zauberwort. Das kann ja auch jeden Tag eine andere Sportart oder Bewegungsform sein. Es soll Sie entspannen, trainieren, Ihnen Lebensfreude geben, Sie in die Natur hinausführen und mit unserer Natur in Kontakt bringen, es soll Sie glücklich machen. Am Anfang steht oft der Schweinehund, den es zu überwinden gilt. Aber wenn die Kugel der Bewegung einmal läuft, dann läuft Sie. Denken Sie daran, dass die tägliche Bewegung die Voraussetzung ist für Gesundheit, wie das Zähneputzen für gesunde Zähne. Dafür gibt es unzählige Belege aus Studien und Erfahrungen.

Daran gibt es nichts zu rütteln. Punkt.

Was ist der Vorteil des Gaufens gegenüber dem Radfahren oder Gehen?

Das Gaufen hat einen Trainingseffekt auf den Körper, der dem Laufen gleichkommt. Sie können sehr gerne mit dem Rad in die Arbeit fahren oder flott in die Arbeit gehen wie beim Nordic Walking. Um einen vergleichbaren körperlichen Trainingseffekt zu haben, müssen Sie beides etwa zwei- bis viermal so lange machen. Eine halbe Stunde sanftes Laufen wie beim Gaufen entspricht etwa eineinhalb Stunden entspannt, aber flott mit dem Rad in der Stadt zu fahren oder ein bis eineinhalb Stunden schnell (und damit unphysiologisch und damit für den Bewegungsapparat auf hartem Untergrund belastend …) zu gehen. Gaufen hat gegenüber dem Radfahren den Vorteil, dass Sie eine gute aufrechte Körperposition einnehmen, den gesamten Bewegungsapparat sanft trainieren, durch das Barfüßige (siehe nächstes Kapitel) die gesamte Wirbelsäule mit ihren Muskeln in ihrer Stütz- und Haltefunktion kräftigen und gleichzeitig entspannen, durch die freie Beweglichkeit der Hände den Schultergürtel und die Halswirbelsäule mit ihrem Muskelapparat entspannen. Und genau dieser Bereich ist es, der bei vielen von uns, die den ganzen Tag sitzen und den Computer bedienen, angespannt und starr ist. Und das ist auch der Nachteil des Nordic Walking: Die Hände und Unterarme sind durch das Halten der Gehstöcke angespannt und leicht verkrampft. Ich habe schon mehrere Menschen behandelt, um ihr Carpaltunnelsyndrom (eine entzündliche Verengung des Sehnenkanals im Handgelenksbereich mit Irritation der Nerven und deshalb Schmerzen und Bewegungseinschränkung), das sie sich vom Stöcke halten beim Nordic Walking eingeheimst haben, wieder loszuwerden.

Gaufen ist auch Entspannung, ist auch ein sanftes Aufwärmen des gesamten Körpers für den Arbeitstag.

Und so geht’s:
Wir beginnen zu Gaufen …

Sie werden sehen, es ist ganz einfach. Sie brauchen jetzt ein bisschen Platz, um ein paar Geh- und Laufübungen machen zu können. Und richten Sie sich ihre »normalen« Gehschuhe und Laufschuhe her. Aber zunächst beginnen wir barfuß. Also, bitte Schuhe und Socken ausziehen und los geht’s:


1.Bitte gehen Sie ganz entspannt im Zimmer herum, so wie Sie sonst auch gehen. Was fällt Ihnen bei Ihren Füßen auf? Richtig! Sie kommen mit einer Ferse auf, dann wandert der Fuß unter Ihrem Körper durch, und dann kommen Sie mit der anderen Ferse auf, und so weiter. Das ist Gehen. Das normale Gehen ist ein Fersengehen. Was passiert mit Ihren Knien beim Gehen? Das Bein, dessen Fuß mit der Ferse aufsetzt, streckt das Knie durch. Dann wandert der Fuß unter dem Körper durch, dann setzt die zweite Ferse auf, das Knie dieses Beins gestreckt, und so weiter. Was passiert mit den Hüften? Versuchen Sie einmal wie die Models am Laufsteg zu gehen, also Hüften »schwingen«: Die linke Ferse setzt auf, das linke Knie gestreckt, während das linke Bein unter dem Körper durchwandert schwingt die linke Hüfte nach links hinaus. Dann kommt die rechte Ferse und so weiter. Schaut lustig aus, fühlt sich aber gut an. – Und jetzt probieren Sie, die Hüften ganz starr zu halten. Die Ferse setzt gleich viel lauter und steifer auf, oder? Was ich Ihnen damit zeigen möchte, ist, dass beim Gehen die Hüfte und die über das Ileosacralgelenk damit verbundene Lendenwirbelsäule die »harte« Bewegung der Ferse sanfter machen und ausgleichen, vorausgesetzt, es ist eine gute Beweglichkeit in der Hüfte und Lendenwirbelsäule vorhanden. Zur Wiederholung: Im Schritt kommen Sie mit der Ferse auf.

 

2.Und jetzt beginnen Sie ganz langsam zu laufen, wie Sie eben sonst auch laufen, ganz entspannt, im Raum hin und her. Womit setzen Sie auf? Mit ihrer Ferse, mit der Fußaußenkante oder vorne mit dem Fuß? Wo ist ihr Schwerpunkt? Über dem Becken, davor oder dahinter? Beobachten Sie einfach, wie ihre »normale Lauftechnik« aussieht.

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3.Und jetzt bleiben Sie stehen und beugen den Oberkörper so lange vor, bis Sie gezwungen sind, einen Fuß nach vorne zu setzen, um nicht nach vorne zu fallen. Womit setzen Sie den Fuß auf, Ferse oder Vorderfuß? Es wird automatisch der Vorderfuß sein, weil Sie mit diesem auch gleich gut abfedern können.



4.Und jetzt beginnen Sie ganz langsam zu Gehen und vom Gehen ins Laufen überzugehen, indem Sie den Körper etwas vorwärts neigen, ohne die Stabilität im Becken aufzugeben. Was passiert mit dem Fuß? Was passiert mit dem Körper? Intuitiv werden Sie den Körper ein bisschen vorwärts neigen. Also, Sie beugen leicht vor, verschieben Ihren Schwerpunkt ein bisschen nach vorne, dadurch kommen Sie mit Ihren Füßen auch nach vorne, auf Ihre Zehenballen, und Sie werden mit dem Ballen, also mit dem Vorfuß aufsetzen. Wenn Sie jetzt ganz langsam laufen, funktioniert der Fuß wie eine Feder: Sie setzen mit dem linken Vorfuß auf, die Feder, nämlich die Achillessehne, spannt sich, dann wandert der linke Fuß unter dem Körper durch und bevor der rechte Fuß aufsetzt, federt die Achillessehne in die Höhe und gibt die zuvor gespeicherte Energie wieder an den Fuß ab. Dann setzt der rechte Vorfuß auf, die Achillessehne speichert wieder die Energie der Abwärtsbewegung des Körpers, um diese dann wieder nach dem Durchwandern des rechten Fußes unter dem Körper an den Fuß zum Abfedern zurückzugeben. Das ist die Bewegung des Laufens. Wenn Sie jetzt ganz, ganz langsam diese Laufbewegung vollziehen, schwingen Sie quasi von einer »Sprungfeder« zur anderen. Es gibt also eine Landephase des linken Fußes, dann eine Wegfederphase des linken Fußes, dann eine Landephase des rechten Fußes und so weiter. Die Definition des Laufens besagt, dass es dann nach der Wegfederphase noch eine Flugphase gibt, einen kurzen Moment, da weder der linke noch der rechte Fuß mit der Erde in Berührung steht. Der Sinn des Laufens ist es, ganz kurz zu fliegen. Wenn Sie jetzt einmal bei dieser geringen Geschwindigkeit »laufen«, werden Sie bemerken, dass es kurz nach dem Übergang vom Gehen noch keine Flugphase gibt, Sie also per definitionem noch nicht Laufen. Trotzdem federn Sie von einem Vorfuß zum andern, so wie man das beim Laufen macht. Und genau diese Zwischenstufe nenne ich GAUFEN: nicht mehr ganz gehen und noch nicht ganz laufen. Wenn Sie danach etwas schneller ihre Bewegung ausführen, wird irgendwann ganz unscheinbar auch die Flugphase dazukommen. Sie werden, wie beim Laufen, bei jedem Schritt ganz kurz fliegen. Auch das ist GAUFEN. Sie dürfen ruhig fliegen! Wichtig ist nur, diesen entspannten Zustand der Bewegung von einem Vorfuß auf den anderen mit der beschriebenen Feder beizubehalten. Sie werden den Unterschied, ob Flugphase oder nicht, kaum bemerken. Sie bewahren sich das Gefühl des anstrengungsfreien Schwebens. Was passiert mit den Knien? Sie sind leicht gebeugt und tragen zur Federwirkung bei. Was passiert mit Hüfte und Lendenwirbelsäule? Diese sind mehr nach vorne ausgerichtet und halten Stabilität. Je mehr es vom Tempo her in Richtung Gehen geht, desto angenehmer ist das »Model-Hüftschwingen«. Je schneller Sie werden und schon fliegen, desto angenehmer ist eine gestützte Hüfte mit einer Federwirkung in der Lendenwirbelsäule. Da können Sie probieren, bei jedem Schritt etwas ins Hohlkreuz zu gehen, das heißt den Bauch nach vorne zu schieben , und je nachdem, wie beweglich ihre Wirbelsäule ist, werden Sie das »Bauch nach vorne« als angenehme Federung in der Wirbelsäule (eher die Variante bei uns Männern) oder als zu viel (eher die Variante bei vielen Frauen, die dann leicht ins Hohlkreuz fallen) und damit unangenehm empfinden. Die Hüfte mit dem (Ileosakral) Gelenk und die Lendenwirbelsäule sind eine Funktionseinheit. Das Wichtige ist, dass diese Einheit »durchlässig« ist. Und das bedeutet, dass die Bewegung ganz leicht und natürlich den Weg über ihr Bein in ihren Rücken findet. Wenn Sie dann länger gaufen, kann es sein, dass ihr Vorfuß auf den Boden »klatscht«, also ein Geräusch macht. Das ist gut so! Beim Fersenlaufen mit Schuhen achten die meisten Läufer darauf, nur ja kein Geräusch zu machen. Dann laufen Sie so richtig rund, meinen Sie, und das wäre optimal, meinen Sie. – Nein, klatschen Sie ruhig mit ihrem Vorfuß auf den Boden! Beobachten Sie einmal Kinder, wenn sie laufen. Kinder denken nicht darüber nach, sie laufen einfach, und da klatscht’s von einem Fuß zum anderen, obwohl sie Schuhe oder Sportschuhe haben. Kinder schaffen es meist noch, trotz ihrer Schuhe die natürliche Lauftechnik anzuwenden! Das Klatschen aktiviert einfach ihren Fuß, sodass er den Untergrund gut spürt, es durchblutet ihn besser und weckt ihn auch gleich auf, damit er wach und achtsam bleibt. Die Federwirkung des Fußes mit der Achillessehne funktioniert nichtsdestotrotz! Also, ruhig Klatschen! Denken Sie an ein Pferd, das in der Stadt auf Asphalt eine Kutsche zieht; in Wien haben wir da die Fiaker: Das Pferd schlägt richtig fest mit dem Huf(eisen) auf den harten Untergrund. Früher habe ich mir immer gedacht, dass das Traben der Pferde in der Stadt die Beine ja total überbeanspruchen müsste, weil die Hufe so hart aufschlagen. Doch die Evolution hat ein geniales Pferdebein erschaffen! Das Pferd läuft nicht nur auf dem Vorfuß, sondern noch weiter vorne am Fuß, auf jeweils einer Zehe! Damit es durch den harten Untergrund keine Verletzungen gibt, stülpt sich die harte Hornschicht, die wir Huf nennen, darüber (der Huf entspricht also unserem Zehennagel). Der Mensch nagelt dann noch ein Hufeisen darauf, damit der harte Untergrund den Huf nicht beschädigt. Und dann schwebt das Pferd von Zehe zu Zehe. Beim Trab, der unserem Laufen entspricht, kommen immer die schräg gegenüberliegenden Hufe gemeinsam auf. Das Pferd wippt quasi diagonal durch seinen Schwerpunkt. Um den Aufprall des Hufes mit all seiner Energie aufzufangen und wieder in die Bewegung zurückzuführen, verwendet das Pferdebein einerseits »unsere« Feder mit Fuß und Achillessehne und dann auch noch die Federung der Finger mit den Gelenken und deren Sehnen, die beim Pferd so entwickelt sind, dass sie jeweils wie eine zusätzliche Achillessehne funktionieren. Die perfekte Federkette! Und noch ein Tier hat die Vorfußlauftechnik perfektioniert: der Hund. Auch er trabt auf seinen Zehen. Das Hundebein federt auf vier Zehen, der »Daumen« ist durch die Evolution am Bein entlang hinten hochgezogen worden, sodass der Schwerpunkt des Beins gut nach vorne auf die vier Zehen geht und nicht mehr nach hinten auf den Daumen. Versuchen Sie das, was ich gerade umständlich erklärt habe, mit ihrer Hand am Tisch nachzuspielen: Zunächst »laufen« ihre beiden Hände mit fünf Fingern nach vorne gestreckt, und dann ziehen Sie den Daumen nach hinten hinauf (wie wenn Sie einen großen Ball greifen wollen) und »laufen« jetzt mit ihren Händen mit vier Fingern. Sie merken, dass der Arm mehr nach vorne kippt und dass die Finger und deren Sehnen viel aktiver in den Bewegungsprozess integriert sind. Sie »bauen« quasi zusätzliche Federn ein. Genau diese beiden Tiere, Pferd und Hund, sind uns auch beim Ausdauerlaufen überlegen. Die idealste Lauftechnik ist immer die natürlichste! Dann nutzen wir alle Ressourcen des Körpers perfekt aus und laufen so anstrengungsfrei wie möglich. Zur Wiederholung: Beim Gehen gehen Sie über die Ferse, beim Barfußlaufen laufen Sie über den Vorfuß. Da Sie beim Gehen ja nicht fliegen und damit nicht so starke Kräfte frei werden, wenn Sie wieder landen, genügt die weiche Ferse, um abzufedern. Das geniale System der Federung über die Achillessehne (mit Energiespeicherung beim Abheben und Energierückführung beim Landen) ist beim Gehen nicht notwendig und funktioniert auch nicht.



5.Und jetzt zum nächsten Schritt. Ziehen Sie bitte ihre gewohnten Gehschuhe an, schöne Schuhe mit Absatz zum Beispiel, und jetzt machen Sie die gleichen Übungen wie zuvor, jedoch mit ihren Gehschuhen: Gehen Sie zunächst langsam durch den Raum. Auch mit Ihren Schuhen wird ihr Fuß mit der Ferse auf dem Boden aufsetzen, unter ihrem Körper durchwandern und so weiter. Die Gehbewegung funktioniert. – Und jetzt beginnen Sie langsam zu laufen, indem Sie sich etwas nach vorne lehnen, ihren Schwerpunkt etwas nach vorne verlagern, ohne die Stabilität in ihrem Becken aufzugeben. Was passiert? Mit welchem Teil des Fußes setzen Sie am Boden auf? Mit dem Vorfuß? Mit der Mitte, dem Fußgewölbe? Mit der Ferse? Bei meinen Gehschuhen setze ich sofort mit der Ferse auf. Das heißt, mein Gehschuh verhindert meine natürliche Laufbewegung. Der Fuß ist wie in Gips gegossen und ich kann nicht mit den Vorderfüßen aufsetzen, ich kann meine natürlichen Federn aus Fuß und Achillessehne nicht einsetzen. Von Weichheit und Abfedern ist beim langsamen Laufen keine Spur. Bei mir kommt die Ferse hart am Untergrund auf und da ich den Schwerpunkt nicht nach vorne bekomme, holpere ich dahin … Und bei Ihnen? Wie gut lassen Ihre Gehschuhe Ihr langsames Laufen zu? Wie weit können Sie mit Ihren Gehschuhen auf dem Vorfuß landen und ihre sanfte Barfuß-Langsamlauftechnik anwenden? Gar nicht? Vielleicht denken Sie jetzt: Na ja, diese Schuhe sind auch nicht dazu da, dass ich damit laufe. Da haben Sie Recht. Aber denken Sie an die Erfahrungen, die Sie beim Gehen in der Stadt mit diesen Schuhen schon gemacht haben. Erinnern Sie sich zum Beispiel an eine Situation, in der Sie es so richtig eilig haben, weil Sie verschlafen haben, morgens zu lange herumgetrödelt haben, weil die U-Bahn so lange nicht gekommen ist, weil die Kinder einfach nicht aus dem Bett zu kriegen waren, und, und, und. – Und weil Sie es so eilig und gerade den chinesischen Spruch »Wenn man es eilig hat, soll man langsam gehen« nicht parat haben, gehen Sie so schnell wie möglich. Sie bleiben also zunächst in der »Gehtechnik« (Sie erinnern sich: mit den Fersen aufsetzen, gestrecktes Bein und durchgestrecktes Knie. Und weil Sie es eilig haben werden Sie ihre Hüften auch nicht anmutig catwalk-like schwingen sondern das Becken »erstarren« lassen). Sehr bald merken Sie, dass ihre Beinmuskulatur zu schmerzen und sich zu verkrampfen beginnt (vor allem der Musculus Peroneus, das ist jener Muskel vorne und seitlich am Unterschenkel, und je nach Ihrer persönlichen Stresslikeschnellgehtechnik noch so manch anderer Muskel von der Zehe über den Rücken bis zum Kopf hinauf!). Ihre Schuhe sind offensichtlich für »langsames entspanntes Gehen« geschaffen, aber sobald Sie unnatürlicherweise zu schnell mit ihnen werden, verhindern sie, dass sich ihr Bewegungsapparat an die neue Bewegungsform optimal anpassen kann. Und weil gerade ihre Unterschenkelmuskel schmerzen, sie auf ihre Armbanduhr (oder heute eher ihr Handy) schauen und deshalb auch zu Schwitzen anfangen, beginnen Sie zu traben, so wie ein Pferd oder ein Hund zu traben beginnt, sobald die Geschwindigkeit zu hoch wird für den Gang »Gehen«. Und was passiert dann mit Ihnen? »Platschplatsch« schlagen ihre Fersen den Asphalt, so als wollten sie ihn wegstemmen, und Sie erhöhen ihr Tempo immer mehr. Sie verlängern die Flugphase des Laufens immer mehr, und irgendwann funktioniert es, trotz anstrengender Bodentechnik, aber eben deshalb, weil Sie den Kontakt mit dem Boden so gering wie möglich halten. Und endlich sind Sie am Ziel, endlich bei Ihrem Termin, durchgeschwitzt, außer Atem, aber da. Und vielleicht denken Sie in diesem Moment, dass Sie beim nächsten Mal, wenn Sie es so richtig eilig haben, wohl besser Ihre Laufschuhe anziehen … Und genau das machen Sie jetzt:

 


6.Bitte ziehen Sie ihre Laufschuhe an. Zunächst langsames Gehen. Wie fühlt es sich an im Vergleich zu barfuß gehen, mit den Gehschuhen zu gehen? Gut? – Machen Sie sich ihren Fersengang bewusst: Der Fuß setzt mit der Ferse auf, das Bein streckt durch, nächster Fuß und »Hüften schwingen«. Den gesamten Aufprall ihres Körpergewichts auf den Boden, bedingt durch die Schwerkraft, übernimmt ihre Ferse. Daher ist es eine sehr gute und clevere Idee, die Ferse stark zu polstern, wenn man dann mit ihr »aufschlagen« möchte. Und warum ist das notwendig? – Weil die Federwirkung des Fußes mit der Achillessehne beim Fersengang nicht funktioniert. Da wird keine Energie gespeichert in der Achillessehne, wenn diese gar nicht gespannt wird, keine Energie dem Körper wieder rückgeführt, wenn er bei der Fortbewegung abhebt. Vielleicht sollten Sie jetzt gleich noch ausprobieren, wie es sich anfühlt, wenn Sie mit ihren Laufschuhen schnell gehen, so wie gerade zuvor in dem Beispiel mit dem spät dran sein (und vielleicht ist es eine gute Idee, nun doch das Wohnzimmer zu verlassen und hinauszugehen, um ein wenig mehr Platz zur Verfügung zu haben …): Es funktioniert, über die Ferse, ohne energie- und verschleißschonende Federwirkung der Füße, mit durchgestreckten Beinen, ohne Flugphase. Denken Sie an Hunde und Pferde: Bei diesem Tempo wäre ein Hund schon längst in Trab gefallen, weil es ab einem bestimmten Tempo die natürlichere Bewegung ist. Und dieser Trab entspricht unserem Laufen.

Also nächste Übung, ruhig gleich aus dem schnellen Gang heraus: Neigen Sie den Körper etwas nach vorne und beginnen Sie langsam zu traben, zu laufen. Und, wo kommen Sie mit den Füßen auf? Erinnern Sie sich an die natürliche Lauftechnik: mit dem Vorderfuß aufkommen. Können Sie bei langsamem Lauf mit ihren Laufschuhen vorne beim Fuß aufsetzen ohne dass es sich »sehr komisch« anfühlt? Ich kann’s bei meinen Schuhen nicht. Meine »teuren« Laufschuhe sind vor allem im Fersenbereich so gut gepolstert und stabilisiert, dass ich über die Ferse irgendwie nicht auf meinem Vorfuß landen kann, sondern immer bei der Ferse »hängen« bleibe. »Teure und gute« Laufschuhe sind so konzipiert, dass Sie automatisch über die Ferse laufen, mit der Ferse aufkommen. Und Sie sind dann so gut gepolstert, dass der Aufschlag der Ferse auf dem Boden aus dem Flug heraus so wenig wie möglich Erschütterung an den Körper weiterleitet. DAS können diese Schuhe gut, nur dass der Fersenlauf NICHT unser natürlicher Laufstil ist: Was ist mit der so aufwendig von der Natur erschaffenen »Fußfederung«? Diese Erfindung ist so genial, dass Lauftiere wie Pferd und Hund gleich auf den Zehen gehen, um nicht nur die Achillessehne, sondern auch die Zehen und anderen Fußsehnen als Energiespeicher, als Federn nutzen zu können. Also, ich kenne ihren Laufstil natürlich nicht, aber aus Erfahrung, wenn Sie in unserer Übung ganz langsam zu laufen beginnen, werden Sie nicht auf dem Vorfuß landen wie beim Barfußlaufen, sondern über die Ferse abrollen, WENN Sie »teure und gute« Laufschuhe verwenden. Und warum ist das so schlimm? Weil es nicht natürlich ist, so zu laufen. Und wenn Sie ihren Körper längere Zeit hindurch eine unnatürliche Bewegung ausführen lassen, wird sich ihr Körper wehren und Sie werden Beschwerden bekommen wie zum Beispiel Schmerzen und Entzündungen irgendwo in ihrem Bewegungsapparat, von der Zehe über das Fußgewölbe über das Sprunggelenk über den Unterschenkel über das Knie über den Oberschenkel über das Becken mit Hüftgelenk und das Ileosakralgelenk über Lendenwirbelsäule, Brustwirbelsäule, Halswirbelsäule, Schultern bis zum Kopf. Suchen Sie sich einfach eine Stelle aus, ihre Schwachstelle, und dort wird es dann Probleme geben …

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