Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme

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Sagr. Signore Salviati, verzeiht mir, wenn ich Eure Erörterung unterbreche, die mir zwar außerordentlich gefällt, weil auch ich in diese Zweifel verstrickt bin, die uns aber schwerlich zu einem Ziele führen wird, wenn wir nicht ganz und gar unseren Hauptgegenstand fallen lassen wollen. Könnten wir daher unseren ursprünglichen Gegenstand weiterführen, so würde ich es für zweckmäßig halten, die Frage des Entstehens und Vergehens ein anderes Mal einer besonderen und eingehenden Prüfung zu unterwerfen, und, wenn es Euch und Signore Simplicio genehm ist, wollen wir es auch mit den anderen speziellen Fragen so halten, die im Laufe unserer Überlegungen auftauchen. Ich will mir diese sorgfältig merken, um sie künftig einmal zur Sprache zu bringen und sie gründlich zu untersuchen. Was nun den vorliegenden Fall anlangt, so sagt Ihr ja, wenn man dem Aristoteles bestreite, dass im Gegensatze zu den anderen Himmelskörpern die Erde der kreisförmigen Bewegung unteilhaftig sei, dass dann das Verhalten der Erde bezüglich des Entstehens, der Veränderungen u. s. w. auch auf die Himmelskörper auszudehnen sei. Wir können also dahingestellt sein lassen, ob ein Entstehen und Vergehen in der Natur tatsächlich vorkomme, und wollen zu ergründen versuchen, was die Erde tut.

Wenn man die Axiome bestreitet, lässt sich jede widersinnige Behauptung verteidigen.

Simpl. Ich kann unmöglich ohne Widerspruch mit anhören, wenn das Vorhandensein von Entstehung und Vernichtung in der Natur in Zweifel gezogen wird, von Dingen, die wir fortwährend vor Augen haben und über die Aristoteles zwei ganze Bücher geschrieben hat.49 Wenn man freilich die Axiome der Wissenschaften bestreiten und die offenkundigsten Tatsachen in Zweifel ziehen will, so kann man – wer wüsste das nicht? – alles beweisen, was man will, und jeden beliebigen Unsinn verteidigen. Und wenn Ihr nicht Tag aus, Tag ein Kräuter, Bäume und Tiere entstehen und vergehen seht, so weiß ich nicht, was Ihr seht. Seht Ihr denn nicht, wie fortwährend die Gegensätze miteinander ringen, wie die Erde sich in Wasser verwandelt, das Wasser zu Luft wird, die Luft in Feuer übergeht und wie wiederum die Luft sich verdichtet zu Nebeln, Regen, Hagel und Gewitter?

Sagr. Ja, gewiss sehen wir alles das und darum wollen wir der aristotelischen Untersuchung in diesem Punkte, nämlich dem Bedingtsein von Entstehen und Vergehen durch die Gegensätze, beipflichten. Wenn ich Euch aber aufgrund eben dieser dem Aristoteles zugestandenen Prämissen beweisen werde, dass die Himmelskörper ihrerseits, ebenso gut wie die elementaren, gleichfalls erzeugbar und zerstörbar sind, was werdet Ihr dann sagen?

Simpl. Dann werde ich sagen, dass Ihr das Unmögliche möglich gemacht habt.

Sagr. Sagt mir doch, Signore Simplicio: Sind nicht jene Eigenschaften einander entgegengesetzt?

Simpl. Welche?

Sagr. Ich meine: veränderlich, unveränderlich, beeinflussbar, unbeeinflussbar, zerstörbar, unzerstörbar?

Simpl. So entgegengesetzt, wie möglich.

Sagr. Wenn dies der Fall ist und wenn es außerdem richtig ist, dass die Himmelskörper unerzeugbar und unzerstörbar sind, so beweise ich Euch mit zwingenden Gründen, dass die Himmelskörper erzeugbar und zerstörbar sind.

Simpl. Das kann nur durch einen Sophismus geschehen.

Himmelskörper erzeugbar und zerstörbar, weil sie unerzeugbar und unzerstörbar sind.

Sagr. Hört den Beweis mit an, dann mögt Ihr ihm einen Namen geben und ihn widerlegen. Zu den Himmelskörpern, da sie unerzeugbar und unzerstörbar sind, existieren in der Natur Gegensätze, nämlich die erzeugbaren und zerstörbaren Körper. Wo aber ein Gegensatz vorhanden ist, gibt es ein Entstehen und Vergehen. Also sind die Himmelskörper erzeugbar und zerstörbar.

Scheinbeweis, sonst Sorites genannt.

Simpl. Sagte ich Euch nicht, dass Euer Beweis nur auf einem Sophismus beruhen könne? Es ist das einer jener Scheinbeweise, die man sonst wohl Sorites nennt, wie der vom Kreter.50 Ein Kreter sagte, alle Kreter seien Lügner; daher musste er, da er selbst ein Kreter war, eine Lüge gesagt haben, als er sagte, die Kreter seien Lügner; also müssen die Kreter die Wahrheit sagen; folglich musste er, als Kreter, die Wahrheit gesagt haben; daher war sein Ausspruch, dass die Kreter Lügner seien, die Wahrheit; und da er, als Kreter, von diesem Ausspruch mitbetroffen war, so musste er ein Lügner sein. So könnte man in Ewigkeit mittels dieser Art von Trugschlüssen weiter sich im Kreise drehen, ohne jemals zum Ziele zu gelangen.

Sagr. Bis jetzt habt Ihr der Sache nur einen Namen gegeben; es erübrigt noch, den Trugschluss zu widerlegen, indem Ihr den Fehler nachweist.

Unter den Himmelskörpern herrschen keine Gegensätze.

Simpl. Was die Widerlegung und den Nachweis der Fehlerhaftigkeit betrifft, merkt Ihr denn nicht erstens den offenkundigen Widerspruch: Die Himmelskörper sind unerzeugbar und unzerstörbar, also sind die Himmelskörper erzeugbar und zerstörbar? Sodann hat der Gegensatz nicht unter den Himmelskörpern seinen Sitz, sondern unter den Elementen, welchen die Gegensätze der Bewegungen nach oben und nach unten sowie die Gegensätze des Leichten und Schweren zukommen. Der Himmel hingegen, welcher sich kreisförmig bewegt, also in einer Weise, zu der kein Gegensatz vorhanden ist, entbehrt des Gegensatzes und ist also unzerstörbar.

Die Gegensätze, welche die Zerstörung bewirken, haben ihren Sitz nicht in dem Körper selbst, der der Zerstörung anheimfällt.

Sagr. Sachte, Signore Simplicio; hat jener Gegensatz, vermöge dessen Ihr gewissen einfachen Körpern Vergänglichkeit zuschreibt, seinen Sitz in dem vernichteten Körper selbst oder bezieht er sich auf einen fremden Körper? Ich meine, ob z. B. die Feuchtigkeit, durch die ein Teil der Erde zerstört wird, ihren Sitz in der Erde selbst hat oder vielmehr in einem anderen Körper, etwa der Luft oder dem Wasser? Ich glaube doch, dass Ihr, ebenso wie bei den auf- und abwärts gerichteten Bewegungen, wie bei der Schwere und Leichtigkeit, welches Eurer Ansicht nach die ursprünglichen Gegensätze sind, annehmen werdet, es könne unmöglich das Feuchte und Trockene, das Warme und Kalte an demselben Subjekte auftreten. Ihr müsst also notgedrungen annehmen, dass, wenn ein Körper zerstört wird, dies durch den Gegensatz der eigenen Eigenschaft zu der eines fremden Körpers geschieht. Damit demnach die himmlische Substanz zerstörbar sei, genügt die Existenz von Körpern in der Natur, die im Gegensatz zu der himmlischen Substanz stehen; solche aber sind die Elemente, wenn es wahr ist, dass Zerstörbarkeit und Unzerstörbarkeit Gegensätze sind.

Die Himmelskörper berühren die Elemente, werden aber nicht von diesen berührt.

Simpl. Nein, das genügt nicht, lieber Herr. Die Elemente sind nur deshalb Veränderungen und der Zerstörung ausgesetzt, weil sie in gegenseitiger Berührung und Mischung sind und so ihre Gegensätze aufeinander wirken lassen können. Die Himmelskörper aber sind von den elementaren getrennt; sie werden von diesen nicht berührt, obgleich sie wohl die Elemente berühren. Wenn Ihr ein Entstehen und Vergehen bei den Himmelskörpern nachweisen wollt, müsst Ihr zeigen, dass die Gegensätze bei ihnen ihren Sitz haben.51

Schwere und Leichtigkeit, Dünne und Dichtigkeit sind entgegengesetzte Qualitäten.

Sterne an Dichtigkeit dem übrigen Himmel unendlich überlegen.

Sagr. Hört, wie ich Euch die Gegensätze auch bei ihnen nachweise. Die erste Quelle, aus der Ihr die Gegensätze der Elemente schöpft, ist der Gegensatz ihrer Bewegungen nach oben und nach unten. Also müssen notwendigerweise auch diejenigen Prinzipien im Gegensatze zueinander stehen, von welchen diese Bewegungen bedingt werden. Da nun die Aufwärtsbewegung des einen eine Folge seiner Leichtigkeit, die Abwärtsbewegung des anderen eine Folge seiner Schwere ist, so sind notwendig Leichtigkeit und Schwere einander entgegengesetzt. Mit demselben Rechte muss man weiter annehmen, dass diejenigen Prinzipien, welche wiederum die Ursache für die Schwere des einen und die Leichtigkeit des anderen abgeben, zueinander im Gegensatze stehen. Nach der Ansicht Eurer eigenen Schule aber rührt Leichtigkeit und Schwere von Dünne und Dichtigkeit her: Also werden Dichtigkeit und Dünne gleichfalls Gegensätze bilden. Diese letzteren Eigenschaften haben aber in so ausgedehnter Weise bei den Himmelskörpern statt, dass Ihr die Sterne für nichts Anderes als für dichtere Teile ihrer Himmelssphären haltet. Dies zugegeben, muss die Dichtigkeit der Sterne sozusagen unendlich mal größer sein als der Rest der Himmelssphäre. Es geht dies aus der außerordentlichen Durchsichtigkeit des Himmels gegenüber der völligen Undurchsichtigkeit der Sterne hervor, sowie aus dem Umstande, dass in jenen Höhen außer der größeren oder geringeren Dichtigkeit bzw. Dünne keine sonstigen Eigenschaften sich finden, welche die Ursache für die größere oder geringere Durchsichtigkeit abgeben könnten. Finden sich also solche Gegensätze unter den Himmelskörpern, so müssen auch sie notwendigerweise erzeugbar und zerstörbar sein in derselben Weise, wie es die elementaren Körper sind, oder aber es ist nicht das Vorhandensein der Gegensätze die Ursache der Zerstörbarkeit.

Dünne und Dichtigkeit der Himmelskörper von der der Elemente verschieden. (Nach Cremonini.)

Simpl. Keines von beiden braucht der Fall zu sein; denn Dichtigkeit und Dünne sind bei den Himmelskörpern keine Gegensätze, wie sie es bei den elementaren Körpern allerdings sind; sie werden dort nämlich nicht von den ursprünglich einander entgegengesetzten Eigenschaften des Warmen und Kalten hervorgerufen, sondern von der im Verhältnis zum Umfange größeren oder geringeren Menge von Materie. Nun sagen Viel und Wenig nur eine relative Verschiedenheit aus, dies ist aber der geringste Grad von Verschiedenheit und hat mit der Erzeugung und Zerstörung nichts zu tun.

 

Aristoteles’ Erklärung der Erzeugbarkeit und Zerstörbarkeit der Elemente ungenügend.

Sagr. Danach ist Eure Ansicht diese:52 Damit die Dichtigkeit und Dünne, welche die Schwere und Leichtigkeit der Elemente verursachen, die entgegengesetzten Bewegungen sursum et deorsum bewirken können, welche ihrerseits wieder die zur Erzeugung und zur Vernichtung notwendigen Gegensätze hervorrufen, genügt es nicht, dass das Dichte und Dünne bloß durch die in ein und demselben Umfange oder, besser gesagt, in ein und demselben Volumen enthaltene Menge von Materie gekennzeichnet sei als dicht und dünn; sondern die Dichtigkeit und Dünne muss eine Folge der ursprünglichen Gegensätze von Kalt und Warm sein, andernfalls würden sich nicht die angegebenen Folgen einstellen. Wenn dies wirklich der Fall ist, so hat uns Aristoteles hintergangen, da er uns das von Anfang an hätte sagen sollen. Es müsste dann so bei ihm heißen: Erzeugbar und zerstörbar sind diejenigen einfachen Körper, die einfacher Bewegungen nach oben und nach unten fähig sind, welche Bewegungen durch die Leichtigkeit und Schwere bedingt sind, welch letztere durch die Dichtigkeit und Dünne verursacht werden, welche ihrerseits von dem Mehr oder Weniger des Stoffes herrühren und zwar vermöge des Warmen und Kalten. Nicht aber hätte er bei der einfachen Bewegung nach oben und nach unten stehen bleiben dürfen; denn ich kann Euch versichern, dass, um die Körper schwer oder leicht zu machen und sie infolge dessen zu entgegengesetzten Bewegungen zu veranlassen, jede beliebige Art von Dichtigkeit und Dünne genügt, mag sie durch Wärme und Kälte hervorgerufen sein oder durch irgend sonst etwas; Kalt und Warm haben mit dieser Erscheinung nichts zu tun. Ihr werdet finden, dass ein glühendes Stück Eisen, das doch gewiss warm genannt werden darf, ebenso schwer ist und sich ebenso bewegt wie ein kaltes. Aber auch abgesehen davon: Woher wisst Ihr, dass die Dichtigkeit und Dünne bei den Gestirnen nicht durch Kälte und Wärme bedingt sind?

Simpl. Daher, weil solche Eigenschaften im Reiche der Himmelskörper nicht existieren, weil diese weder warm noch kalt sind.

Salv. Ich sehe, dass wir abermals von einer Flut von Schwierigkeiten auf Nimmerwiedersehen verschlungen werden; denn wir fahren einher ohne Kompass, ohne Sterne, ohne Ruder, ohne Steuer; da ist es natürlich, dass wir von Klippe zu Klippe geworfen werden, auf Sandbänke auflaufen oder ziellos ohne Ende einhersegeln. Wenn wir also, Eurem Rate folgend, in unserem Hauptgegenstande weiter kommen wollen, müssen wir einstweilen diese allgemeine Erörterung fallen lassen, ob die geradlinige Bewegung in der Natur notwendig sei und gewissen Körpern zukomme; wir müssen vielmehr zu den speziellen Beweisen, Beobachtungen und Versuchen übergehen. Zuerst wollen wir alles das, was Aristoteles, Ptolemäus und andere bisher für die Unbeweglichkeit der Erde angeführt haben, zur Sprache bringen; zweitens versuchen, dies zu widerlegen; endlich solche Tatsachen beibringen, aufgrund deren man zur Überzeugung gelangen kann, die Erde sei, so gut wie der Mond oder ein anderer Planet, unter die von Natur kreisförmig bewegten Körper zu rechnen.

Sagr. Ich gehe umso lieber darauf ein, als ich weit mehr mit Eurer grundlegenden allgemeinen Erörterung einverstanden bin als mit der des Aristoteles: Die Euere befriedigt mich, ohne mir irgendwie Anstoss zu geben, die andere lässt mich bei jedem Schritte straucheln. Auch weiß ich nicht, warum Signore Simplicio nicht gleich durch den einen von Euch angeführten Beweisgrund für die Unmöglichkeit der geradlinigen Bewegung überzeugt worden ist, dass nämlich diese Bewegung unverträglich ist mit der Annahme, die Teile der Welt seien in bester Verteilung und vollkommener Ordnung.

Aristoteles und Ptolemäus behaupten die Unbeweglichkeit des Erdballs.

Natürlicher Zustand des Erdballs verdient eher die Ruhe als die geradlinige Bewegung nach unten zu heißen.

Geradlinige Bewegungen eher den Teilen als den Elementen im Ganzen zuzuschreiben.

Peripatetiker schreiben unbegründeterweise den Elementen als natürliche Bewegungen solche zu, die sie niemals ausführen, als widernatürliche solche, die sie immer ausführen.

Salv. Bitte, haltet ein, Signore Sagredo,53 denn soeben fällt mir ein Weg ein, mit dem auch Signore Simplicio einverstanden sein könnte, freilich nur dann, wenn er sich nicht dergestalt an jedes Wort des Aristoteles bindet, dass er es für einen Frevel hält, auch nur von einem einzigen abzugehen. Unzweifelhaft gibt es, um die beste Verteilung und die vollkommene Ordnung der Teile der Welt aufrecht zu erhalten, keine anderen Mittel als die Kreisbewegung und die Ruhe. Die geradlinige Bewegung hingegen kann, soviel ich sehe, zu nichts anderem dienen, als irgendein Teilchen der Hauptkörper, das durch irgendwelchen Zufall von seinem Ganzen getrennt und losgelöst wurde, zu diesem Ganzen zurückzubringen, wie wir früher bemerkten. Betrachten wir nun den ganzen Erdball und überlegen, wie es mit ihm stehen kann, sobald er und die anderen Weltkörper in bester und natürlicher Ordnung beharren sollen. Man muss notgedrungen sagen, dass er entweder ruhe und unbeweglich an seinem Orte beharre oder dass er, gleichfalls an derselben Stelle bleibend, sich um sich selber drehe, oder endlich, dass er um einen Mittelpunkt auf der Peripherie eines Kreises herumlaufe. Betreffs dieser Möglichkeiten sagen Aristoteles, Ptolemäus und alle ihre Anhänger bloß, dass er stets die erste Weise inne gehalten hat und sie in Ewigkeit beibehalten wird, nämlich eine beständige Ruhe an demselben Orte. Warum also nicht lieber von vornherein sagen, dass seine natürliche Eigenschaft die Unbeweglichkeit ist, als die Bewegung nach unten für die natürliche ausgeben, eine Bewegung, die er niemals ausgeführt hat und niemals ausführen wird? Die geradlinige Bewegung aber, man gestehe es ein, benutzt die Natur nur, um die Teile der Erde, des Wassers, der Luft und des Feuers und jedes anderen Hauptweltkörpers zu ihrem Ganzen zurückzuführen, sobald einer von ihnen zufällig von ihm getrennt und also an ungehörige Stelle versetzt ist: Es sei denn, dass auch in diesem Falle zur Wiederherstellung der Ordnung eine Art von Kreisbewegung sich zweckmäßiger erwiese. Mir scheint, dass diese ursprüngliche Annahme auch vom Standpunkte des Aristoteles den sämtlichen übrigen Folgerungen sich weit besser anpasst, als wenn man die geradlinigen Bewegungen für das den Elementen innewohnende ursprüngliche Prinzip ausgibt. Dies ist augenscheinlich der Fall; denn wenn ich den Peripatetiker frage, ob er, der die Himmelskörper für unzerstörbar und ewig hält, der Meinung sei, dass die Erde das nicht ist, sondern vergänglich und dem Untergang geweiht, und ob er glaube, es werde dereinst eine Zeit kommen, wo zwar Sonne, Mond und die übrigen Gestirne noch immer, die Erde aber nicht mehr existiere, diese vielmehr samt den übrigen Elementen zerstört und in nichts aufgelöst sei, so bin ich fest überzeugt, er wird dies verneinen. Die Zerstörung und Erzeugung betrifft also nur die Teile und nicht das Ganze und zwar die allerkleinsten, oberflächlichen Teile, die fast unmerklich sind im Vergleich mit dem Gesamtvolumen. Da Aristoteles die Erzeugung und Vernichtung aus dem Gegensatz der geradlinigen Bewegungen erklärt, nun so lasse man diese Bewegungen den Teilen, die allein sich ändern und zerstört werden, dem ganzen Ball, der ganzen Sphäre der Elemente aber schreibe man entweder die Kreisbewegung oder eine fortwährende Ruhe an demselben Orte zu, Eigenschaften, die allein zur Bewahrung und Aufrechterhaltung der vollkommenen Ordnung geeignet sind. Was von der Erde gilt, gilt mit demselben Rechte vom Feuer und dem größten Teile der Luft. Nach peripatetischer Ansicht wird diesen Elementen als immanentes natürliches Prinzip eine Bewegung zugeschrieben, die sie niemals ausgeführt haben und niemals ausführen werden, während man widernatürlich bei ihnen die Bewegung nennt, die sie ausführen, ausgeführt haben und in Ewigkeit ausführen werden. Die Peripatetiker weisen nämlich der Luft und dem Feuer die Aufwärtsbewegung zu, in welcher diese Elemente sich niemals befunden haben, sondern nur eines ihrer Teilchen, und auch dies nur darum, um sich an die ihm natürliche Stelle zurückzubegeben, nachdem es an einer unnatürlichen sich befunden hat. Andererseits betrachten sie die Kreisbewegung als ihrer Natur widersprechend, während sie doch diese fortwährend ausführen; sie vergessen gewissermaßen den öfters wiederholten Ausspruch des Aristoteles, ein Gewaltsames könne niemals lange währen.

Sinnliche Erfahrungen verdienen den Vorzug vor menschlichen Spekulationen.

Simpl. Auf all das haben wir die schlagendsten Entgegnungen bereit; doch will ich sie für jetzt unterdrücken, um auf die spezielleren Gründe und sinnlichen Erfahrungen zu kommen, welche schließlich, wie Aristoteles mit Recht sagt, den Vorzug verdienen vor allem, was durch menschliche Spekulation uns an die Hand gegeben werden kann.

Sagr. Die bisher vorgebrachten Argumente mögen uns also dienen als Anregung zu der Erwägung, welche von den beiden allgemeinen Erörterungen größere Wahrscheinlichkeit besitzt, die des Aristoteles, welche uns erweisen soll, dass die Natur der sublunarischen Körper erzeugbar, vergänglich u. s. w. ist und deshalb ganz verschieden von dem Wesen der Himmelskörper, welche unbeeinflussbar, unerzeugbar, unvergänglich sind, wie aus der Verschiedenheit der einfachen Bewegungen sich ergibt; oder die des Signore Salviati, der infolge seiner Voraussetzung, die Hauptteile der Welt seien bestens geordnet, folgerichtig den Naturkörpern die geradlinige Bewegung als völlig nutzlos abspricht und der Meinung ist, auch die Erde sei ein Himmelskörper und sei mit allen Vorzügen ausgestattet, die diesen zukommen. Diese Auffassung steht mir bis jetzt weit mehr an als die andere. Signore Simplicio mag also die Güte haben, alle die besonderen Gründe, Versuche, Natur- und Himmelsbeobachtungen vorzubringen, welche die Ansicht bestätigen, die Erde sei von den Himmelskörpern verschieden, unbeweglich, in den Mittelpunkt der Welt gestellt oder aus irgend sonst einem Grunde verhindert sich zu bewegen nach Art der Planeten, wie der Jupiter oder der Mond; Signore Silviati hingegen wird die Güte haben, Punkt für Punkt zu beantworten.

Simpl. Hier hört zunächst zwei sehr schlagende Beweise dafür, dass die Erde grundverschieden von den Himmelskörpern ist. Erstens: Die Körper, die erzeugbar, vergänglich, veränderlich u. s. w. sind, sind grundverschieden von den unerzeugbaren, unvergänglichen, unveränderlichen u. s. w.; die Erde ist erzeugbar, vergänglich, veränderlich u. s. w., die Himmelskörper sind unerzeugbar, unvergänglich, unveränderlich u. s. w.; also ist die Erde von den Himmelskörpern grundverschieden.

Sagr. Als erstes Argument tischt Ihr uns das nämliche Gericht auf, das heute schon einmal da war und eben erst abgetragen worden ist.

Der Himmel unveränderlich, weil niemals eine Veränderung an ihm beobachtet worden ist.

Von Natur leuchtende Körper sind von finsteren verschieden.

Simpl. Nicht so hitzig, mein Herr! Hört mich zu Ende, und Ihr werdet die Verschiedenheit schon merken. Vorher wurde der Untersatz a priori gefunden, jetzt werde ich ihn a posteriori beweisen. Seht zu, ob das nicht etwas Anderes ist. Ich beweise also den Untersatz, denn der Obersatz ist ganz offenbar. Die sinnliche Erfahrung lehrt uns, dass auf Erden ein beständiges Entstehen, Vergehen, Verändern u. s. w. vor sich geht, wie es weder nach eigener Erfahrung noch nach Überlieferungen und Berichten unserer Vorfahren jemals am Himmel beobachtet wurde. Also ist der Himmel unveränderlich u. s. w., die Erde aber veränderlich u. s. w. und darum vom Himmel verschieden. – Den zweiten Beweis entnehme ich einer fundamentalen und wesentlichen Tatsache, der folgenden nämlich: Ein von Natur dunkler, des Lichts ermangelnder Körper ist von jedem leuchtenden und glänzenden verschieden; die Erde ist ohne Licht und finster, die Himmelskörper glänzend und voll Lichtes, also u. s. w. Man möge mir vorerst darauf antworten, um die Menge des Stoffes nicht zu sehr anwachsen zu lassen, dann werde ich noch anderes beibringen.

Salv. Den ersten Beweisgrund anlangend, dessen Kraft auf der Erfahrung beruht, möchte ich bitten, dass Ihr mehr ins Einzelne die Änderungen aufführtet, die Ihr auf Erden, nicht aber am Himmel vor sich gehen seht, und derentwegen Ihr die Erde als veränderlich betrachtet, den Himmel aber nicht.

 

Simpl. Ich sehe auf Erden beständig Kräuter, Bäume, Tiere entstehen und vergehen; Winde, Regen, Gewitter und Stürme sich erheben; kurz das Aussehen der Erde in fortwährendem Wandel begriffen. Von allen diesen wechselnden Erscheinungen aber ist bei den Himmelskörpern nichts zu sehen; ihre Stellung und Gestalt ist seit Menschengedenken aufs Genaueste sich gleich geblieben, ohne dass etwas Neues erzeugt, noch von Früherem etwas zerstört worden ist.

Salv. Nun, da für Euch die bloße Wahrnehmbarkeit oder, besser gesagt, die wirkliche Wahrnehmung der Erscheinungen entscheidend ist, so müsst Ihr notwendig China und Amerika für Himmelskörper halten; denn zuverlässig habt Ihr dort niemals jene Änderungen beobachtet, die Ihr hier in Italien beobachtet; sie müssen demnach, soweit Eure Wahrnehmung reicht, unveränderlich sein.

Simpl. Wenn ich auch diese Veränderungen an jenen Orten nicht sinnlich wahrgenommen habe, so gibt es doch zuverlässige Berichte darüber, abgesehen davon, dass nach dem Satze eadem est ratio totius et partium diese Länder ebenso gut wie die unsrigen notwendig veränderlich sind, da sie, ebenso gut wie diese, Teile der Erde sind.

Salv. Und warum habt Ihr nicht selbst mit eigenen Augen diese Vorgänge beobachtet und wahrgenommen, ohne Euch erst auf die Glaubwürdigkeit fremder Berichte verlassen zu müssen?

Simpl. Abgesehen davon, dass jene Länder unseren Blicken entzogen sind, ist ihre Entfernung so groß, dass die Sehkraft nicht ausreichen würde, um dergleichen Änderungen zu entdecken.

Salv. Da seht, wie Ihr von selber beiläufig das Trügerische Eures Beweisgrundes aufgedeckt habt. Denn wenn Ihr zugebt, dass man die bei uns auf Erden wahrnehmbaren Änderungen in Amerika wegen der großen Entfernung von hier aus nicht bemerken kann, so könnt Ihr sie noch viel weniger auf dem Monde sehen, der soviel hundertmal weiter entfernt ist. Wenn Ihr aber an die Veränderungen in Mexiko aufgrund der Nachrichten von dort glaubt: Welche Kunde ist Euch vom Monde zugegangen, die Euch meldet, dort gingen keine Veränderungen vor sich? Daraus also, dass Ihr am Himmel keine Änderungen seht, während Ihr die etwa stattfindenden wegen der zu großen Entfernung nicht bemerken würdet, oder daraus, dass Ihr keinen Bericht von ihnen habt, wo ein solcher doch unmöglich ist, könnt Ihr nicht schließen, dass sie nicht stattfinden; wie Ihr andererseits ganz richtig aus dem Gesehenen und Gehörten auf Veränderungen unserer Erde schließen dürft.

Entstehung des mittelländischen Meeres durch die Trennung von Abila und Calpe.

Simpl. Ich will Euch auf Erden stattgefundene Änderungen ausfindig machen, die so groß sind, dass, fänden sie auf dem Monde statt, sie sehr wohl von hienieden beobachtet werden könnten. Wir wissen aufgrund uralter Überlieferungen, dass einst an der Meerenge von Gibraltar die Felsen Abila und Calpe durch andere kleinere Berge zusammenhingen, welche einen Damm gegen den Ozean bildeten.54 Da sich aber, aus welcher Ursache auch immer, die beiden Berge trennten, und den Wassern des Meeres der Zutritt geöffnet wurde, strömten diese in solcher Menge ein, dass sie das ganze mittelländische Meer bildeten. Ziehen wir dessen Größe in Betracht und das verschiedenartige Aussehen zwischen einer aus der Ferne beobachteten Fläche von Wasser und Land, so hätte unzweifelhaft ein solcher Vorgang sehr wohl von jemand, der auf dem Monde gewesen wäre, beobachtet werden können, ebenso wie wir Erdbewohner dergleichen Änderungen auf dem Monde bemerken müssten. Es verlautet aber nichts davon, dass man je so etwas gesehen hätte. Also haben wir keinen Anhalt, um einen der Himmelskörper für veränderlich u. s. w. erklären zu dürfen.

Salv. Dass so weitgreifende Veränderungen auf dem Monde stattgefunden haben, will ich mich nicht erkühnen zu behaupten; aber ebenso wenig bin ich überzeugt, dass solche nicht stattgefunden haben können. Eine solche Umwälzung würde uns nur als eine veränderte Abstufung von Helligkeit und Dunkelheit gewisser Mondpartien erscheinen und doch weiß ich nichts von wissbegierigen Selenographen auf Erden, die eine sehr lange Reihe von Jahren hindurch uns so genaue Mondbeschreibungen geliefert hätten, dass man auf ihre Aussage hin mit Bestimmtheit die Tatsache einer solchen Veränderung der Mondoberfläche in Abrede stellen könnte. Über das Aussehen der letzteren finde ich keine eingehenderen Angaben, als dass der eine sagt, sie stelle ein menschliches Gesicht vor, der andere, sie gleiche einer Löwenschnauze, und der dritte, man erblicke auf ihr Kain mit einem Bündel Reisig auf der Schulter. Die Unveränderlichkeit des Himmels also darauf zu gründen, dass man auf dem Monde oder auf einem anderen Himmelskörper keine von der Erde aus sichtbaren Änderungen wahrgenommen hat, ist ein gänzlich unzuverlässiger Schluss.

Sagr. Mich beschäftigt noch ein anderes Bedenken gegen diesen Beweis des Signore Simplicio, welches ich gerne beseitigt sähe. Darum frage ich ihn, ob die Erde vor dem Einbruch des mittelländischen Meeres erzeugbar und zerstörbar war, oder ob sie damals erst anfing es zu sein.

Simpl. Ohne Zweifel war sie schon vorher erzeugbar und zerstörbar; dieses war nur eine so gewaltige Katastrophe, dass sie auch auf dem Monde hätte beobachtet werden können.

Sagr. O, wenn die Erde vor besagter Überschwemmung schon erzeugbar und zerstörbar war, was steht im Wege, dass der Mond es gleichfalls ist, auch ohne eine solche Umwälzung? Warum soll auf dem Monde das unbedingt erforderlich sein, was auf Erden nicht von entscheidender Bedeutung war?

Salv. Ein sehr scharfsinniger Einwurf. Ich möchte aber glauben, dass Signore Simplicio in die Stellen bei Aristoteles und den anderen Peripatetikern einen etwas veränderten Sinn hineinlegt. Diese sagen, dass sie darum den Himmel für unveränderlich halten, weil an ihm niemals die Entstehung oder Zerstörung irgendwelchen Sternes beobachtet worden ist, der im Vergleich zum ganzen Himmel vielleicht kleiner sei als eine Stadt im Verhältnis zur Erde; und doch seien von diesen letzteren unzählige so völlig zerstört worden, dass keine Spur von ihnen übrig geblieben.

Untergang eines Sternes ebenso unmöglich wie der des ganzen Erdballs.

Sagr. Ich war vom Gegenteile überzeugt und glaubte, Signore Simplicio verleugne diese Auslegung des Textes, um seinen Meister und seine Mitjünger nicht mit einem Vorwurf zu belasten, der noch hässlicher ist als der andere. Wie nichtig ist doch die Behauptung: Der Himmel ist unveränderlich, weil keine Sterne an ihm entstehen und vergehen! Gibt es etwa jemanden, der einen Erdball hätte vergehen und einen neuen entstehen sehen? Wird nicht von allen Philosophen zugegeben, dass nur ganz wenige Sterne am Himmel kleiner sind als die Erde, wohl aber sehr viele weit, weit größer? Der Untergang eines Sternes am Himmel ist demnach nichts Geringeres als die Zerstörung des gesamten Erdballs. Wenn daher notwendig so gewaltige Körper wie ein Stern vergehen und wieder entstehen müssen, um ein Entstehen und Vergehen im Weltall mit Recht behaupten zu können, so lasst nur diesen Gedanken ganz fallen, denn ich versichere Euch, die Zerstörung des Erdballs oder eines anderen Hauptweltkörpers wird niemals beobachtet werden; niemals wird ein solcher, nachdem man ihn viele verflossene Jahrhunderte hindurch beobachtet hat, sich auflösen und spurlos verschwinden.

Aristoteles würde aufgrund der neuen Entdeckungen in unserer Zeit seine Ansicht ändern.

Salv. Um aber den Wünschen des Signore Simplicio noch mehr als nötig entgegenzukommen und ihn, wo möglich, von seinem Irrtum zu überzeugen, bemerke ich, dass wir in unserer Zeit neue Vorgänge und Beobachtungen kennen, die, wie ich nicht bezweifle, Aristoteles umstimmen würden, wenn er heutigen Tages lebte. Dies geht aus seiner eigenen Weise zu philosophieren hervor. Denn, wenn er schreibt, er halte den Himmel für unveränderlich u. s. w., weil man niemals dort etwas Neues hätte entstehen oder etwas Früheres verschwinden sehen, so deutet er implicite an, dass er im Falle einer solchen Beobachtung zur gegenteiligen Ansicht sich bekennen würde und der sinnlichen Erfahrung mit Recht vor naturphilosophischen Erwägungen den Vorzug gegeben hätte. Wenn er den sinnlichen Beobachtungen keinen Wert beigelegt hätte, würde er die Unveränderlichkeit jedenfalls nicht aus den fehlenden Beobachtungen über irgendwelche Veränderung geschlossen haben.

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