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Werner von Siemens

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Die Überwindung des Ozeans

Die Brüder Werner und Wilhelm Siemens haben bei der Herstellung der telegraphischen Verbindung zwischen der Alten und der Neuen Welt Leistungen von grundlegender Bedeutung vollbracht, obgleich sie auch hier nicht die ersten waren, die den Versuch wagten.

Der Pionier ist vielmehr der amerikanische Kaufmann Cyrus W. Field gewesen. Er erkannte die Größe der Aufgabe und hat ihrer Lösung seine Lebensarbeit gewidmet.

Zunächst suchte er die amerikanische und die englische Regierung dazu zu bewegen, das Geld für eine transatlantische Kabellegung herzugeben. Aber die Verhandlungen führten zu keinem Erfolg. Da gründete Field im Jahre 1854 eine Aktiengesellschaft unter dem Namen Atlantic Telegraph Company mit einem Kapital von 7 Millionen Mark. Drei Jahre nach der Errichtung der Gesellschaft war das 4025 Kilometer lange Kabel fertiggestellt, und es konnte mit der Auslegung an der schmalsten Stelle des Atlantischen Ozeans, zwischen Valentia auf Irland und St. Johns an der Ostküste der kanadischen Insel Neufundland, begonnen werden.

Das Kabel war, nach Biedenkapp, folgendermaßen gebaut: der eigentliche Leitungsdraht bestand aus sieben zu einer Litze zusammengedrehten Kupferdrähten; um diese waren drei Lagen Guttapercha gepreßt, dann kam eine Lage geteerten Hanfs, und außen waren 18 schützende Eisendrähte schraubenförmig herumgewunden. Für die Auslegung wurde das Kabel auf zwei Schiffen, »Agamemnon« und »Niagara«, den größten Fahrzeugen der englischen und amerikanischen Marine, untergebracht. Man begann mit der Auslegung an der irischen Küste. Schon hatte man 450 Kilometer glücklich gelegt, da kam man an eine Stelle, wo der Meeresboden ziemlich plötzlich bis zu einer Tiefe von 3600 Metern abfiel. Das Kabel lief nun so schnell vom Schiff, daß die Trommel nicht folgen konnte, es riß daher und ging verloren.

Zwei Jahre später wurde wieder ein Legungsversuch mit einem neuen Kabel unter Mitwirkung derselben Schiffe gemacht. Diesmal fuhren die Fahrzeuge bis zur Mitte des Ozeans, dort wurden die Kabelenden miteinander verspleißt, »Niagara« ging darauf nach Neufundland, »Agamemnon« nach Irland ab. Es ereigneten sich bei den Fahrten mancherlei aufregende Zwischenfälle. So war es einmal notwendig, eine schadhafte Stelle mit äußerster Geschwindigkeit auszubessern, während das Kabelstück schon abrollte. Dann wurde die moderne Seeschlange von einem Riesenwalfisch angegriffen, der sie beinahe zur Strecke gebracht hätte. Aber schließlich kam das große Werk doch zu glücklichem Ende.

Am 4. August 1858 fuhr der »Agamemnon«, während die Geschütze donnerten, in Valentia ein, am nächsten Tag erhielt man die Nachricht, daß auch »Niagara« glücklich den Trinitybusen, den diesmal gewählten Endpunkt auf Neufundland, erreicht hätte. Die Kabelenden konnten auf beiden Seiten ans Ufer gezogen und mit den bereits vorbereiteten Landlinien verbunden werden. Der große englische Elektriker William Thomson, der spätere Lord Kelvin, war der wissenschaftliche Leiter des großen Versuchs. »Freut Euch,« rief er damals aus, »Europa und Amerika sind nicht mehr durch das große Wasser getrennt, wir haben sie einander bis auf wenige Minuten näher gebracht.« Die Königin Viktoria und der Präsident der Vereinigten Staaten tauschten Glückwunschtelegramme als erste transatlantische Depeschen aus. Field wurde in England begeistert gefeiert.

Doch die Freude dauerte nicht lange. Schon am 1. September gingen keine Zeichen mehr durch das Kabel, und es konnte niemals wieder ausgebessert werden. Da während der kurzen Gebrauchszeit des Kabels im ganzen 4359 Worte durch dieses telegraphiert worden waren, so hatte, wie man in Anbetracht der Kabelkosten ausrechnete, jedes Wort 1800 Mark gekostet.

Der Verlust auch dieses Kabels war zwar sehr schmerzlich, aber die gewechselten Telegramme hatten immerhin deutlich gezeigt, von welch außerordentlichem Wert eine solche Verbindung zwischen den beiden Weltteilen ist. Man bemühte sich nun, die Ursache des zweimaligen Mißlingens zu ergründen. Die englische Regierung setzte ein besonderes Komitee ein, das ausfindig machen sollte, wie die Methoden bei der Herstellung und Verlegung von Kabeln zu vervollständigen seien. Schließlich kam man dazu, die Grundsätze, die ein Deutscher, nämlich Werner Siemens, aufgestellt hatte, als maßgeblich anzunehmen. Was Siemens selbst durch die Verlegung der Mittelmeerkabel gelernt, und was er auf Grund seiner theoretischen Ergründungen theoretisch gelehrt hatte, wurde vorbildlich auch für die Überbrückung des Ozeans. So wirkte er auf diesem Gebiet schon geistig, während er persönlich an dem Werk noch nicht beteiligt war.

Gestützt auf die wissenschaftlich nunmehr besser geklärte Situation, an deren Aufstellung auch William Thomson ein lebhaftes Verdienst hatte, vermochte der unermüdliche Field nochmals ein Kapital von 12 Millionen Mark für ein Ozeankabel aufzubringen. Es wurde eine besondere Gesellschaft, »The Telegraph Construction and Maintenance Company«, gebildet, welche die Herstellung und Verlegung des Kabels ausführen sollte.

Unter Teilnahme der ganzen Welt wurde der riesenhafte Leitungsdraht auf dem »Imperator« der damaligen Zeit, dem größten Schiff, das man hatte, dem »Great Eastern«, untergebracht. Es war dies ein Dampfer von 200 Metern Länge, dessen vier tausendpferdige Maschinen Schaufelräder und eine Schraube antrieben. Das große Schiff konnte bei dieser Fahrt nicht allein auslaufen, da die kolossalen Eisenmassen, welche die Umwehrung des Kabels darstellten, seinen Kompaß unzuverlässig machten. Es mußte daher von zwei anderen Schiffen begleitet werden, die ihm die Richtung zeigten. Als fast 2400 Kilometer ausgelegt waren, riß das Kabel von neuem und versank in unergründliche Tiefe.

Es ist sehr erstaunlich, daß es trotz all dieser Mißerfolge Field dennoch wieder gelang, Kapital aufzubringen, um einen vierten Legungsversuch zu unternehmen. Schon im nächsten Jahr ging der »Great Eastern« wieder in See, und diesmal glückte es wirklich, innerhalb zehn Tagen die Kabellegung zu Ende zu führen. Am 5. August 1866 wurde die Leitung in Neufundland ans Ufer gebracht, und am 2. September gelang es noch dazu, das im vorigen Jahr verlorene Kabel aufzufischen und gleichfalls bis Neufundland zu verlängern. Auf diese Weise hatte man nun gleich zwei transatlantische Telegraphenleitungen, und fortab sind die beiden Weltteile in ununterbrochenem elektrischen Verkehr miteinander geblieben.

Aber bisher hatte man den Atlantischen Ozean nur an einer verhältnismäßig schmalen Stelle überquert. Es fehlte noch die direkte Verbindung zwischen England und den Vereinigten Staaten, da die Kabel auf der amerikanischen Seite bisher alle in Neufundland, also auf kanadischem Gebiet, gelandet waren, von wo die Linien über Land nach dem Gebiet der Vereinigten Staaten geführt wurden. Die Legung und Herstellung eines solchen direkten Kabels stellte wegen seiner sehr viel größeren Länge eine neue schwierige Aufgabe dar. Das Unternehmen wurde darum der Fabrik übertragen, die den nun auch in England schon lebhaftest bewährten Namen Siemens trug. Das erste der ganz großen transatlantischen Kabel ist also in der Fabrik zu Charlton bei Woolwich hergestellt worden. Ihm wurde alle Sorgfalt zugewendet, die möglich war, und die ganzen Erfahrungen der Brüder Werner und Wilhelm halfen mit, ein vorzügliches Fabrikat herzustellen. Der Erfolg ist denn auch dementsprechend gewesen.

Auftraggeberin für das Kabel war die »Direct United States Telegraph Company«, die sich im Jahre 1873 mit einem Kapital von 26 Millionen Mark bildete und Wilhelm Siemens zu ihrem Consulting Director machte. Die Leitung sollte in Ballinskellig-Bai in Irland beginnen und in Torbay auf Neuengland enden. Von dort aus sollte die Linie gleichfalls durch ein Unterseekabel nach Ray Beach in New Hampshire weitergeführt werden, wo der Anschluß an die amerikanischen Landleitungen erreicht wurde.

Wilhelm Siemens konstruierte für diese Kabellegung ein besonderes Schiff, den auf der ganzen Erde berühmt gewordenen Dampfer »Faraday«, der so viele und so vortrefflich gelungene Kabellegungen ausführen sollte und mit seinem Erscheinen die glückliche Periode der drahtlichen Ozeanüberquerungen einleitete. Wenngleich Wilhelm die Frage der transatlantischen Kabeltelegraphie nach allen Richtungen hin studiert hatte, so ist es doch recht erstaunlich, daß es ihm als einem Mann, der sich niemals mit Schiffbau näher beschäftigt hatte, gelang, ein so vorzügliches und noch nach langer Zeit unübertroffenes Spezialschiff zu konstruieren.

Der »Faraday« wurde auf der Werft von Mitchell & Co. in Walker bei Newcastle-on-Tyne erbaut. Er hatte einen Inhalt von 5000 Registertonnen und war 360 Fuß lang. In seinem Innern barg er drei riesige Trommeln, auf denen ein Kabel von 3500 Kilometern Länge aufgerollt werden konnte. Es war auch eine Einrichtung getroffen, die gestattete, das Kabel im Schiff stets unter Wasser zu halten, da man die Erfahrung gemacht hatte, daß es sich im Trockenen selbst erhitzte, wodurch die Isolierung schmelzen konnte. Der Dampfer war mit zwei Schrauben ausgerüstet, deren Wellen schräg zueinander standen, was ihm eine vorzügliche Manövrierfähigkeit verlieh. Nach dem Urteil aller Zeitgenossen war das Schiff wie kein anderes geeignet, bei Kabellegungen und auch bei Hebungen vortreffliche Dienste zu leisten.

Am 16. Mai 1874 ging der »Faraday« zum erstenmal in See. Diesmal hatte er jedoch nur die Küstenkabel für die englische und auch für die amerikanische Seite an Bord.

Anfang Juni begann er seine Tätigkeit auf der amerikanischen Seite, wo er bald durch starken Nebel aufgehalten wurde.

Am 2. Juli brachten die »Times« folgende sensationelle Depesche des Reuterschen Telegraphenbureaus: »Der Dampfer »Faraday« ist in der Nähe von Halifax mit einem Eisberg zusammengestoßen und vollständig gescheitert.«

 

Die Unglücksbotschaft gelangte natürlich auch sofort nach Deutschland, und sie traf Werner Siemens in einem höchst ungeeigneten Augenblick.

Es war in dem Jahr, als er zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin ernannt worden war, und an jenem Tag hatte er in einer Festsitzung der Akademie seine Antrittsrede zu halten. Gerade als er zu diesem Zweck von Hause fortgehen wollte, erhielt er die Nachricht von dem Untergang des »Faraday«.

»Es erforderte,« so schreibt er darüber, »nicht geringe Selbstbeherrschung von meiner Seite, niedergedrückt von dieser schrecklichen Kunde, doch meinen nicht verschiebbaren Vortrag zu halten! Nur wenige intime Freunde haben mir die gewaltige Erregung angesehen.«

Glücklicherweise stellte sich bald heraus, daß die Nachricht von den Gegnern der Siemens fälschlich aufgebracht worden war, um diese zu schädigen. Der »Faraday« kehrte wohlbehalten zurück und konnte am 1. September von neuem in See gehen, um die Hauptlegung auszuführen.

Sie geschah unter Leitung von Karl Siemens, der sich zu diesem Zweck an Bord befand. Aber auch Werner wollte persönlich diesen wichtigen Vorgang überwachen. Deshalb hielt er sich während der Legung in Ballinskellig-Bai auf, wo in der Landungsstation die Instrumente zur ständigen Beobachtung des Kabels während der Auslegung aufgestellt waren. Man konnte an ihnen genau den Isolationszustand der gesamten Leitung, soweit sie ins Meer hinabgelassen war, erkennen.

»Es war ziemlich günstiges Wetter,« so schreibt Werner Siemens über die aufregende Zeit seiner Beobachtungen zu Ballinskellig-Bai in den »Lebenserinnerungen«, »und alles ging zunächst gut vonstatten. Der schwierige steile Abfall der irischen Küste zu großer Meerestiefe war glücklich überwunden und den elektrischen Prüfungen zufolge der Zustand des Kabels untadelhaft.

»Da trat plötzlich ein kleiner Isolationsfehler ein, so klein, daß nur außerordentlich empfindliche Instrumente, wie wir sie anwendeten, ihn konstatieren konnten. Nach bisheriger Kabellegungspraxis würde man diesen Fehler unberücksichtigt gelassen haben, da er ohne jeden Einfluß auf die telegraphische Zeichenbildung war. Doch wir wollten eine ganz fehlerfreie Kabelverbindung herstellen und beschlossen daher, das Kabel bis zu dem Fehler, der noch dicht hinter dem Schiffe liegen mußte, wieder aufzunehmen.

»Dies ging auch zunächst trotz der großen Meerestiefe von 18000 Fuß ganz gut vonstatten, wie uns vom Schiffe fortlaufend telegraphiert wurde. Plötzlich flog aber die Skala unseres Galvanometers aus dem Gesichtsfelde – das Kabel war gebrochen! Gebrochen in einer Tiefe, aus der das Ende wieder aufzufischen ganz unmöglich erschien.

»Es war ein harter Schlag, der unser persönliches Ansehen wie unseren geschäftlichen Kredit schwer bedrohte. Die Nachricht durchlief noch in derselben Stunde ganz England und wurde mit sehr verschiedenen Empfindungen aufgenommen. Niemand glaubte an die Möglichkeit, aus so großer Tiefe ein abgerissenes Kabelende wieder aufzufischen, und auch Bruder Wilhelm riet telegraphisch, das verlegte Kabel aufzugeben und die Legung von neuem zu beginnen.

»Ich war überzeugt, daß Karl, ohne den Versuch der Auffischung gemacht zu haben, nicht zurückkehren würde, und beobachtete ruhig die steten Schwankungen der Skala des Galvanometers, um Anzeichen zu finden, die auf Bewegung des Kabelendes durch den Suchanker hindeuteten. Solche Anzeichen traten auch häufig ein, ohne weitere Folgen zu haben, und es vergingen zwei bange Tage, ohne irgendwelche Nachricht von dem Schiffe.

»Auf einmal heftige Spiegelschwankung! Das Ende des Kupferdrahtes mußte metallisch berührt sein. Dann mehrere Stunden lang schwaches, regelmäßiges Zucken des Spiegelbildes der Skala, woraus ich auf stoßweises Heben des Kabelendes durch die Ankerwinde schloß. Doch stundenlange, darauffolgende Ruhe ließ die Hoffnung wieder sinken. Da wiederum starke Spiegelschwankung durch Schiffsstrom, die mit nicht enden wollendem Jubel des Stationspersonals begrüßt wurde.

»Das Unglaubliche war gelungen. Man hatte aus einer Tiefe, die die Höhe des Montblanc über dem Meeresspiegel übertraf, in einer einzigen Operation das Kabel gefunden und, was noch viel mehr sagen will, ungebrochen zutage gebracht. Es mußten viele günstige Verhältnisse zusammentreffen, um dies möglich zu machen. Guter, sandiger Meeresgrund, gutes Wetter, zweckmäßige Einrichtungen für das Suchen und Heben des Kabels und ein gutes, leicht lenkbares Schiff mit einem tüchtigen Kapitän fanden sich hier glücklich zusammen und machten mit Hilfe von viel Glück und Selbstvertrauen das unmöglich Erscheinende möglich.

»Bruder Karl bekannte mir aber später, daß er während des ununterbrochenen Niederlassens des Suchankers, der sieben Stunden brauchte, um den Meeresgrund zu erreichen, was ihm erst eine klare Anschauung von der Größe der bekannten Meerestiefe gegeben habe, doch die Hoffnung auf guten Erfolg schon verloren hatte und dann selbst von diesem überrascht wurde.«

Nachdem der Fehler beseitigt war, wurde die Legung zu Ende geführt. Es hatten sich jedoch einige weitere Fehlerstellen gezeigt, und diese wollte man ausbessern, bevor das Kabel in den Betrieb kam. Diese Fehlersuche machte viel Mühe und kostete viel Kabel, so daß der »Faraday« noch zweimal nach England fahren und wieder auslaufen mußte. Das Ergebnis war jedoch schließlich ein so vorzügliches Kabel, wie es vorher von niemanden gebaut und verlegt worden war.

»Der Grundsatz,« so schreibt William Pole, der englische Biograph von Wilhelm Siemens, »alle, auch die unbedeutendsten Fehler zu beseitigen, ist bei diesem Kabel auf das gewissenhafteste befolgt worden, obgleich die Vollendung der Legung des Kabels dadurch bedeutend verzögert wurde. Seitdem das Kabel aber im Besitz der Auftraggeber ist, hat es sich als eins der besten von allen Kabeln, welche überhaupt je verlegt worden sind, erwiesen, und seine Sprechfähigkeit ist der anderer Kabel, in welchen unscheinbare Fehler unberücksichtigt geblieben sind, ganz bedeutend überlegen.« Auch die Prüfung durch Sir William Thomson, die höchste Autorität auf diesem Gebiet in England, ergab, daß die Leitung durchaus fehlerfrei war und eine sehr hohe Leitungsfähigkeit besaß.

Durch diese vorzügliche Leistung stand die Fabrik von Siemens Brothers nunmehr an der Spitze der Kabelfabriken. Im Jahre 1881 bestellte der amerikanische Eisenbahnkönig Gould ein Doppelkabel nach Amerika durch einfaches Kabeltelegramm. Nach einiger Zeit schon hatte der Dampfer »Faraday« sechs transatlantische Kabel aus der Siemensschen Fabrik verlegt, und damit war auch dieser Zweig der Technik in seine Reifejahre eingetreten.

Intermezzo

Es muß hier noch eine durch das Haus Siemens Brothers in London ausgeführte Kabellegung geschildert werden, weil sie zu ihrer Zeit auf der ganzen Erde sehr großes Aufsehen erregt hat. Das Interesse, das sie erweckte, ist nicht durch besondere technische Vorgänge hervorgerufen worden, sondern durch äußere Begleitumstände, die glücklicherweise für Kabellegungen nicht charakteristisch sind.

In demselben Jahr, in welchem die glückliche Auslegung des ersten direkten atlantischen Kabels durch den Dampfer »Faraday« gelang, war die Fabrik in Charlton auch mit der Herstellung eines Kabels beschäftigt, das die Brazil and River Plate Telegraph Company bei ihr bestellt hatte. Es sollte zur Herstellung einer Telegraphenlinie zwischen Rio de Janeiro und der Küste von Uruguay dienen. Hierfür mußten 2260 Kilometer Kabel ausgelegt werden. Obgleich es sich hierbei durchaus nicht um die Durchquerung gefährlicher Gewässer handelte, auch um gar keine in irgendeiner anderen technischen Beziehung besonders beschwerliche Aufgabe, griff doch das Verhängnis besonders hart in den Gang der Dinge ein. Zwei gute, große Schiffe gingen bei der Kabellegung verloren, und 58 Menschen kamen dabei ums Leben.

Als das Kabel fertiggestellt war, wurde es auf den Dampfer »Gomos« geladen, der nach Brasilien abging. Er legte ein ziemlich bedeutendes Stück der Kabelstrecke glücklich aus, aber in der Nacht zum 25. Mai 1875 geriet er in der Nähe von Rio Grande do Sul auf eine Sandbank, von der er nicht mehr freizukommen vermochte. Das Schiff wurde gänzlich wrack und mußte verlassen werden. Über 400 Kilometer Kabel gingen mit ihm verloren.

In Charlton wurde darauf ein Ersatzkabel hergestellt und für dessen Überführung nach Südamerika der Dampfer »La Plata« gechartert, der, mit dem Ersatzkabel und Hilfsmaterialien an Bord und mit den besten Wünschen versehen, am 26. November 1874 Gravesend verließ. Das Schiff war ein eiserner Schraubendampfer von fast 1000 Registertonnen Gehalt. Es war vorzüglich ausgerüstet, stand unter dem Kommando eines bewährten Seemanns, des Kapitäns Dudden, und hatte 75 Personen an Bord, darunter den Ingenieur Ricketts, der bei der Auslegung des Kabels die Oberleitung innehaben sollte. Niemand konnte ahnen, daß auch dieses zweite Kabel in ganz anderer Weise den Grund des Meers erreichen sollte, als beabsichtigt war.

Als der »La Plata« sich der Bai von Biskaya näherte, geriet er in einen heftigen Sturm. Das Schiff wurde sehr stark hin und her geworfen und zwei seiner Boote gingen über Bord. Am Morgen wurde dem Kapitän aus dem Maschinenraum mitgeteilt, daß Wasser in diesen eindringe. Er ließ darauf, um das Schiff zu erleichtern, einen Teil des Kabels über Bord laufen. Aber um 10 Uhr war das Wasser im Maschinenraum doch bereits so hoch gestiegen, daß die Feuer erloschen. Die Maschine blieb stehen, und damit war das Schiff verloren. Man ließ die Boote hinunter, und jeder versuchte einen Platz darin zu gewinnen.

Es waren nur noch drei Boote vorhanden. Zwei von diesen scheiterten alsbald in dem hohen Seegang. Eines aber mit 15 Personen wurde nach schweren Erlebnissen von dem Dampfer »Gare Loch« gesichtet, der die Schiffbrüchigen rettete und an Bord nahm. Einer der Überlebenden hat den Untergang des Schiffs geschildert. Wir geben diesen Bericht wie auch den später folgenden auszugsweise nach Pole wieder:

»Ich sah das Schiff untergehen; es war 25 Minuten vor 1 Uhr. Einige Minuten hindurch sank das Schiff nur ganz allmählich, dann verschwand es plötzlich, mit dem Stern nach unten gerichtet. Es war ein entsetzlicher Anblick. Das Deck des Dampfers zersprang kurz vor seinem Untergang, und er war überhaupt in einem schrecklichen Zustand. Der Kapitän aber war noch immer auf seinem Posten; er stand da, allem Anschein nach ruhig und gefaßt, und ich glaube, er hat uns sogar noch ein Lebewohl zugewinkt in dem Augenblick, als er mit dem Schiff versank. Dann noch ein Mark und Bein erschütternder Schrei von den an Bord zurückgebliebenen Mannschaften – solch ein Schrei, wie ich ihn hoffentlich nie wieder hören werde. Wir fischten noch zwei Jungen und einen Mann auf, konnten jedoch sonst niemand mehr retten …

»Wir erlebten eine schreckliche Nacht. Ich war während der ganzen Zeit auf meinen Knien damit beschäftigt, Wasser aus dem Boot zu schöpfen, wobei ich so fürchterlich ausstand, daß ich wünschte, ich wäre ertrunken. Einige andere von meinen Unglücksgenossen wurden von Fieber und Durst noch schlimmer geplagt. Oft hörte ich den einen oder anderen von ihnen ausrufen: »O mein Gott, was würde ich jetzt nicht für einen Trunk Wassers geben!« Seewasser war genug da; aber davon trank man nur, wenn die Verzweiflung dazu trieb, und der Durst wurde dadurch nur um so qualvoller.«

Die Schiffbrüchigen langten am 2. Dezember 1874 wieder in London an und brachten erst die Nachricht von dem Untergang des Dampfers »La Plata« dorthin. Die Brüder Siemens gaben sofort auf telegraphischem Weg Anordnung, daß Schiffe an die Unglücksstelle fahren sollten, um vielleicht noch Überlebende zu retten. Das hatte jedoch keinen Erfolg. Indessen gelang es einem fremden Schiff, noch zwei Überlebende aufzufinden und zu bergen. Diese beiden hatten eine Leidensgeschichte durchgemacht, wie sie in der Geschichte der Schiffahrt nicht allzuoft vorkommt.

»Sie befanden sich in einem der verloren gegangenen Boote und wurden von der Sturzsee über Bord geschwemmt. Gerade in dem Augenblick, als sie wieder auf der Oberfläche erschienen, versank das Schiff plötzlich in die Tiefe, wodurch sie abermals mit nach unten gezogen wurden. Als sie zum zweitenmal nach oben kamen, erblickten sie ganz in ihrer Nähe ein auf dem Wasser umherschwimmendes beschädigtes Luftrettungsfloß, von dem sie Besitz zu ergreifen sich bemühten. Dieses Floß war aus Gummi gefertigt und bestand aus mehreren mit Luft angefüllten Abteilungen, die durch ein einen Sitz bildendes Segeltuch verbunden waren. Auf diesem Sitz befanden sie sich wie in einem Wassertrog; das Wasser spielte bis an ihre Hüften, so daß ihr unterer Körperteil allmählich von der Kälte erstarrte. Ihre einzige Hoffnung, einem langsamen Tode zu entrinnen, bestand darin, daß sie vielleicht von einem der vorübersegelnden Schiffe bemerkt würden, eine Hoffnung, die nur sehr wenig Aussicht auf Erfüllung hatte, da ein Schiff, das nicht ganz dicht an ihnen vorbeifuhr, sie nur mit Hilfe eines Fernrohrs hätte erblicken können, wenn sie sich gerade auf dem Kamm einer Welle befanden. Dabei wusch die See beständig über sie hin, und wenn sie nicht beide Männer von sehr kräftiger und gesunder Körperkonstitution gewesen wären, so würden sie wohl kaum diese drei Tage bis zu ihrer endlichen Erlösung überlebt haben.«

 

Häufig sahen sie in der Tat Schiffe in ihrer Nähe vorüberfahren, von denen kein einziges ihre Notschreie hörte, und sie versanken allmählich in einen Zustand, in dem sie zwischen Wachen und Schlafen dahindämmerten.

»Am Mittwoch gegen 4 Uhr morgens sah der eine der Schiffbrüchigen, der eben munter war, trotz der Dunkelheit in der Ferne ein Schiff gerade auf das Floß zusteuern und weckte sofort seinen Leidensgefährten. Das Fahrzeug näherte sich ihnen sehr rasch bis auf eine Entfernung von etwa 100 Yards. Mit der ganzen noch übrigen Kraft ihrer Lungen schrien beide wiederum um Hilfe, und nach einigen Sekunden banger Erwartung kündigte ihnen ein helles Licht an, daß sie gehört worden seien. Zwei Stunden lang leuchtete das Licht wie ein Rettungsstrahl vor ihren Augen, verschwand jedoch kurz vor der Morgendämmerung, und als der Tag anbrach, war nirgendwo mehr ein Schiff zu sehen. Ihre Hoffnung war fast der Verzweiflung gewichen, als sie plötzlich etwa zwei Stunden, nachdem es vollständig hell geworden war, das heiß ersehnte Schiff gerade auf sich zusteuern sahen. Es war der holländische Schoner »Wilhelm Blenkelszoon«. Der Eigentümer, Kapitän J. van Dorp, hatte unmittelbar, nachdem er den Notschrei vernommen, sein Schiff aufgebracht und bis zum Morgen vor Anker gelegt. Inzwischen war das Luftfloß leewärts getrieben. Als der Holländer bei Tagesanbruch nirgends mehr etwas sehen konnte, folgerte er aus der Strom- und Windrichtung genau den Ort, wohin ein schwimmender Schiffstrümmer oder ein Boot getrieben sein könnten, und wandte sofort nach jener Richtung.«

Die Rettung bot jedoch noch besondere Schwierigkeiten, da das Schiff wegen der hochgehenden See nicht unmittelbar an die Seite des Floßes gebracht werden konnte. Ebensowenig konnte man ein Boot hinunterlassen. Die Schiffbrüchigen wurden also aufgefordert, die kurze Strecke zu durchschwimmen. Dem Hochbootsmann Lamont gelang dies glücklich. Nun sollte auch sein Genosse Hooper den Versuch wagen.

»Dieser war noch mehr erschöpft als Lamont; aber in dem Gedanken, daß es am Ende nicht schlimmer sei, auf dem Wege vom Floß nach dem Schiff zu ertrinken, als allein auf dem Floß hilflos auf dem Meere umherzutreiben und schließlich elendiglich umzukommen, wagte er den verzweifelten Versuch und schwamm für sein Leben auf den Schoner zu. Als er jedoch bis an dessen Seite herangekommen war, waren seine Hände so erstarrt, daß er selbst das ihm zugeworfene Seil nicht einmal mehr ergreifen konnte, und so erfaßte er es daher mit den Zähnen. Der kleine Schoner lag tief im Wasser, einige von seiner Bemannung lehnten sich sofort über, und es gelang ihnen, Hooper bei den Händen zu ergreifen und ihn sodann an Bord zu ziehen.

»Die armen Leute waren nicht mehr imstande zu stehen und fast tot vor Nässe, Kälte und Hunger; denn es war damals beinahe Mittwoch mittag, und seit dem vorhergegangenen Samstagabend hatten sie keine Nahrung mehr zu sich genommen. Doch die Menschenfreundlichkeit und sorgsame Pflege des Kapitäns van Dorp und seiner braven Mannschaft, die nicht hoch genug gepriesen werden kann, brachte sie allmählich wieder zu sich.

»Ihre Namen waren mit unter denen veröffentlicht worden, die mit dem Dampfer »La Plata« zugrunde gegangen waren; es muß daher für ihre Familien, als sie plötzlich wieder erschienen, gewesen sein, als ob sie von den Toten auferstanden wären.«

Damit waren also 17 Personen gerettet, 58, darunter auch der Leiter der Expedition, Ricketts, hatten ihren Tod gefunden. Die Feinde des Hauses Siemens benutzten die Gelegenheit, um eine lebhafte Agitation gegen die Brüder einzuleiten. Es wurde behauptet, der Dampfer »La Plata« sei mit schwerer Überlastung in See gegangen. Das Handelsministerium ließ die Angelegenheit auf das genaueste untersuchen, worauf sich die vollkommene Grundlosigkeit aller Beschuldigungen herausstellte, ja Wilhelm Siemens konnte bei seiner Vernehmung glaubwürdig nachweisen, daß er das Schiff mit weit mehr Rettungseinrichtungen versehen hatte, als gesetzlich nötig gewesen war. Durch öffentliche Sammlung wurde zum Besten der Witwen und Waisen der zugrunde gegangenen Mannschaft ein Fonds aufgebracht, zu dem die Brüder Siemens 10000 Mark beisteuerten; ferner sorgten sie reichlich für die Familien der Angestellten ihres eigenen Hauses, die bei der »La-Plata«-Katastrophe ertrunken waren.

Das brasilianische Unglückskabel wurde endlich im Anfang des Jahres 1875 durch ein drittes ausgesandtes Schiff, den »Ambassador«, ausgelegt.

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