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Die Welt auf Schienen

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17. Auf Zug und Stoß

Das Vorstellungsvermögen hat vor dem Leser dieses Buchs bereits öfter das Bild der über die Strecke dahinrollenden Züge erstehen lassen. Technisch aber sind die Fahrzeuge bisher nur als Einzelwesen behandelt worden. Wir haben die Glieder der Kette betrachtet, aber unsere Aufmerksamkeit noch nicht den Vorkehrungen zugewendet, welche diese einzelnen Glieder zu einem Ganzen zusammenfügen und dem Zug, obgleich er aus starren Stücken besteht, die Geschmeidigkeit einer Schlange verleihen.

Die in einem Zug vereinigten Fahrzeuge üben zwei verschiedenartige Kraftwirkungen aufeinander aus: den Zug und den Stoß. Wenn die Wagenreihe anfährt, reißt der eine Wagen den nächsten hinter sich fort, beim Bremsen und Anhalten stoßen die Fahrzeuge mehr oder weniger heftig aufeinander. Die Verbindungen zwischen ihnen müssen daher so gestaltet sein, daß sie beide Angriffe auszuhalten und so aufzunehmen vermögen, daß die Wagen selbst möglichst wenig erschüttert werden.

Zur Aufnahme der Stöße dienen die Puffer, zur schonenden Übertragung der Zugkräfte die Kupplungen.

Puffer sind als weitest vorspringende Teile zwischen die einzelnen Fahrzeuge geschaltet. Die Schäfte ihrer Teller setzen sich gegen sehr kräftige Wickelfedern, die bei jedem Stoß zusammengedrückt werden und so den Anprall von dem Wagen selbst fernhalten oder ihn doch nur in verminderter Stärke übertragen. Damit die Puffer in Krümmungen, wenn die Wagen sich schief gegeneinander einstellen, nicht abbrechen, ist durch eine besondere Vorschrift bewirkt, daß einem flachen Teller stets ein gewölbter Pufferkopf gegenübersteht. Dies wird durch die einfache Anordnung herbeigeführt, daß der beim Anschauen der Stirnseite jedes Fahrzeugs rechts stehende Puffer stets eben, der linke jedoch gewölbt sein muß.

Für die schweren D-Wagen genügt die einfache Pufferfederung nicht mehr. Hier ist hinter der Pufferbohle, die das Untergestell nach vorn abschließt, noch eine zweite, schwächere Federung eingefügt. Da infolge der sehr langen Kasten der Drehgestellfahrzeuge die Schiefstellung in den Krümmungen sehr groß ist, der innen liegende Puffer also sehr kräftig eingedrückt wird, während der andere fast gänzlich entlastet ist, sind Ausgleichhebel eingeschaltet; sie übertragen die auf den einen Puffer ausgeübte Kraft auf den anderen und zwingen ihn zur Mitwirkung.

Auf den deutschen Vollbahnen werden ausschließlich Seitenpuffer verwendet. Auf Schmalspurstrecken mit ihren leichteren Fahrzeugen trifft man häufig Mittelpufferung mit nur Einem Pufferkörper an. Diese Anordnung ist heute in Amerika auch auf den großen Strecken die Regel.

Sehr viel wichtiger noch ist betrieblich die Tätigkeit, welche die Kupplungen zu leisten haben. Diese sind es ja eigentlich, welche die Einzelfahrzeuge zu dem Ganzen des Zugs vereinigen.

Die heutige Form der Kupplungen ist mit großer Ausdauer allmählich so gestaltet worden, daß die Verbindungsglieder durchaus haltbar und zuverlässig sind. Mit diesen Eigenschaften muß die Kupplung aber auch rasche Lösbarkeit vereinigen, damit das Anhängen und Absetzen von Wagen möglichst geschwind vor sich gehen kann. Die Kupplungen dürfen nicht starr mit den Fahrzeugen verbunden sein, sondern müssen federnd an diesen angebracht werden, um ein Anziehen ohne Ruck zu ermöglichen.

Federnde Kupplungen erleichtern der Lokomotive das Anfahrgeschäft dadurch, daß nicht sofort der ganze Zug in Bewegung gesetzt zu werden braucht, sondern infolge des Federspiels ein Wagen nach dem anderen sich fest an den Zughaken der Maschine hängt. Namentlich bei den schweren Güterzügen ist dies wichtig. Um hier ein ganz allmähliches Anziehen zu ermöglichen, werden die Kupplungen an Güterzügen nicht fest angespannt, man läßt vielmehr einen kleinen Spielraum zwischen den Puffern bestehen, so daß der Zug beim Anfahren sich streckt, der letzte Wagen erst angezogen wird, wenn die vordersten sich bereits in Fahrt befinden. Bei Zügen für Personenbeförderung ist ein gleiches Verfahren nicht möglich, weil die Wagen bei loser Kupplung leicht in ein Schwanken geraten, das empfindlichen Reisenden ein der Seekrankheit ähnliches Gefühl verursachen würde. Allzu kräftiges Anziehen der Kupplung ist jedoch auch hier zu vermeiden, damit der Zug keinen starren Block bildet.

Wegen der Schiefstellung der Wagenenden in den Krümmungen werden die Kupplungsköpfe bei langen Wagen meist so angeordnet, daß sie sich in der wagerechten Ebene um ein Gelenk drehen können. Die Öffnung in der Pufferbohle, durch welche der Kupplungsschaft hindurchgreift, ist dann schlitzartig ausgebildet.

In Europa wird heute allgemein die Schraubenkupplung verwendet und zwar in der Form, wie sie darstellt. Die Vorrichtung ist spannbar, gestattet also, die Vereinigung der aufeinanderfolgenden Fahrzeuge verschiedenartig, fest oder lose, zu gestalten. Die an jedem Hakenschaft aufgehängte Schraubspindel wird mittels eines Bügels mit dem Haken des nächstfolgenden Fahrzeugs verbunden. Alsdann wird mit Hilfe eines Schwengels die Schraubspindel gedreht. Sie hat Rechts- und Linksgewinde, so daß die von beiden Seiten her auf das Gewinde der Spindel gesteckten Muttern sich gleichzeitig nach der Mitte der Spindel bewegen. Bei Zügen für Personenbeförderung wird die Kupplung so angespannt, daß die Puffer eine mäßige Spannung gegeneinander haben.

Da jedoch trotz des vorzüglichen Stoffs, aus dem die Kupplungen gebaut sind, ein Zerreißen vielmals außerhalb des Bereichs der Möglichkeit liegt, ist noch eine Hilfskupplung vorgeschrieben. Zu diesem Zweck ist an jeden festen Haken noch ein lose herabhängender Haken angelenkt. Da beim Kuppeln zweier Wagen stets ein Schraubengehänge frei ist, so ergibt dessen Vereinigung mit dem hängenden Haken ohne weiteres die Doppelkupplung. Sie ist für gewöhnlich ganz lose, strafft sich jedoch sofort von selbst an, wenn die eigentliche Kupplung reißt.

Durch Bügel, die weiter an die Hilfskupplungshaken angehängt sind, kann auch nach Bruch beider Schraubspindeln noch eine Verbindung hergestellt werden.

In früheren Jahrzehnten wurde die Hilfskupplung durch zwei Kettenpaare bewirkt, die unter den Puffern angebracht waren. Es hat sich jedoch gezeigt, daß die Ketten, sobald sie nach Bruch der Kupplung straff gezogen wurden, meistens durchrissen. Man ist daher zu der heute üblichen, weit festeren Hilfskupplung übergegangen.

Wenn die Enden der Kupplungen an den Pufferbohlen befestigt sind, so müssen notwendigerweise die Untergestelle der Wagen alle auftretenden Zugkräfte aufnehmen. Das Untergestell des ersten unmittelbar hinter der Lokomotive laufenden Wagens hat also das gesamte sehr bedeutende Zuggewicht fortzuziehen. Das ergibt eine Beanspruchung der Wagenuntergestelle, die diesen nicht günstig ist. Der Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen hat darum bereits im Jahre 1866 die Anordnung eines Zwischenglieds eingeführt, das die Untergestelle vollkommen entlastet. Es ist dies die durchgehende Zugstange.

Die Kupplungen werden seitdem nicht mehr am vorderen und hinteren Querträger der Untergestelle angebracht, sondern sie sind durch eine Stange miteinander verbunden, die unter dem ganzen Wagen durchläuft. Hierdurch wird über die Einzelkupplungen hinweg eine gesonderte Zugverbindung vom Tenderhaken bis zum letzten Wagen geschaffen. Die Einrichtung hat sich als außerordentlich günstig erwiesen. Selbstverständlich muß jede Zugstange an einer Stelle mit dem Untergestell ihres Wagens in Verbindung stehen, damit dieser mitgenommen wird, und diese Verbindung, die sich in der Mitte der Wagenlängsachse befindet, muß federnd sein. In welcher Form sie ausgeführt wird, zeigt. Die Zugstangen und auch die Kupplungen selbst sind so zu berechnen, daß jede von ihnen das höchste Zuggewicht zu ziehen vermag, da ja jeder Wagen imstande sein muß, als erster im Zug zu laufen.

Der Kupplungshaken greift mit einem Vierkant durch die Pufferbohle hindurch, während die Zugstangen rund sind. Durch den Vierkant wird ein senkrechter Keil gesteckt, der sich beim Bruch der Zugstange gegen die Pufferbohle legt und den beschädigten Wagen mit seinem Vorgänger in Verbindung hält, solange der Kupplungshaken selbst nicht bricht und der Keil die Belastung aushält. Manche Zugzerreißung, die ja stets von schweren Folgen begleitet sein kann, ist durch diese kleine Noteinrichtung bereits verhindert worden.

Das Vorderende der Lokomotive und das Hinterende des Tenders müssen gleichfalls Kupplungen gewöhnlicher Bauart besitzen. Ganz besonders geartet aber ist die Verbindung zwischen Lokomotive und Tender. Sie muß sehr kräftig ausgestaltet sein, damit ein Bruch vollständig ausgeschlossen ist. Dieser würde ja nicht nur ein Zerreißen des Zugs an ungünstigster Stelle bewirken, sondern wahrscheinlich auch den Absturz der Lokomotivmannschaft herbeiführen. Die Kupplung zwischen Maschine und Tender hat ferner die Aufgabe, die schlingernden Bewegungen, die jede Lokomotive gern macht, dadurch einzuschränken, daß die Tenderlast fest an das Ende der Lokomotive gehängt wird.

Aus diesem Grund werden, wie zeigt, Tender und Lokomotive unter Zwischenschaltung eines federnden Glieds dreifach gegeneinander verspannt. Die im Querschnitt dreieckigen Kopfplatten der kleinen Puffer am Tender, die sich gegen entsprechend geformte, aus hartem Stahl gefertigte Gehäuse an der Lokomotive legen, stehen unter einem Druck von mindestens 5000 Kilogramm, der von einer gemeinschaftlichen Blattfeder auf sie ausgeübt wird. In der Längsachse beider Fahrzeuge ist das Hauptzugeisen befestigt, durch das auf beiden Seiten sehr kräftige Bolzen gesteckt sind. Rechts und links davon liegt je ein weiteres Zugeisen als Notkuppelung; diese Verbindungsstücke besitzen auf der Lokomotivseite längliche Augen, damit die durchgesteckten Bolzen in den Krümmungen genügendes Spiel haben.

Die Verbindung zwischen Tender und Lokomotive ist eine Kurzkupplung. Derartige Einrichtungen findet man auf der Berliner Stadtbahn und zahlreichen Vorortstrecken auch an anderen Stellen der Züge. Hier werden nämlich je zwei Wagen kurz miteinander gekuppelt, damit die Länge der Züge geringer ausfällt. Die so verbundenen Wagen bilden betrieblich eine Einheit, da sie nur in der Werkstatt voneinander getrennt werden können.

 

Die Ausgaben für die Unterhaltung der Kupplungen sind bei allen Eisenbahnverwaltungen sehr groß. Wie Steinbiß im „Deutschen Eisenbahnwesen der Gegenwart“ mitteilt, haben die preußisch-hessischen Staatseisenbahnen in dem Betriebsjahr 1908-1909 rund 300 000 Ersatzkupplungen verbraucht. Für deren Beschaffung und Anbringung wurden rund drei Millionen Mark ausgegeben. Unter Hinzurechnung der Kosten für die in den Werkstätten ausgebesserten Kupplungen schätzt Steinbiß den jährlichen Gesamtaufwand für Kupplungsunterhaltung im Bereich der preußisch-hessischen Staatsbahnen auf mindestens fünf Millionen Mark.

Keine Arbeit ist im Bezirk der Schienenwelt so häufig vorzunehmen, wie das Kuppeln. Milliardenfach wiederholt sich alljährlich das Verbinden und Lösen der Wagen. Leider stellt diese Einrichtung zugleich eine der gefährlichsten Handhabungen dar. Die größte Zahl der im Betrieb Verunglückten kommt auf die Wagenkuppler. Sind sie doch gezwungen, zwischen Fahrzeuge zu treten, die sich in Bewegung befinden, wobei ihnen besonders die weit vorspringenden Seitenpuffer Gefahr bringen. Man ist daher bereits seit Jahrzehnten bestrebt, die heute bei uns noch ausschließlich vorhandene Zug- und Stoßverbindung mit Seitenpuffern und gesonderter Mittelkupplung durch Vereinigung beider Glieder einfacher und durch Selbsttätigkeit der Kupplungen vollkommen gefahrlos zu gestalten.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist bereits vor mehr als 20 Jahren eine selbsttätige Kupplung mit Mittelpuffer zwangsweise auf allen Bahnen eingeführt worden. Die öffentliche Meinung war damals über die vielen Unfälle, von denen die Wagenkuppler getroffen wurden, so erregt, daß die Gesetzgebung sich der Angelegenheit bemächtigte. Nun ist es leicht, die Einführung einer technischen Anordnung durch Gesetz zu befehlen, schwerer aber, eine wirklich brauchbare Ausführungsform zu finden. Trotz der großen Sorgfalt, welche die deutschen Eisenbahnen dem Wohlergehen ihrer Beamten zuwenden, haben sie sich dennoch bis zum heutigen Tag zur Einführung der amerikanischen selbsttätigen Kupplung nicht entschließen können, da diese gar zu viele technische Mängel zeigt. Das Bestreben aber, hier etwas wirklich Brauchbares zu finden, ist nach wie vor sehr lebhaft und wird sicherlich in absehbarer Zeit zum Erfolg führen.

Eine selbsttätige Kupplung muß nicht nur die in ihrem Namen liegende Eigenschaft besitzen, das heißt, eine Verbindung der Wagen ohne menschliche Mitwirkung herstellen, sie muß auch von der Seite her lösbar sein, so daß das Treten zwischen die Wagen ganz fortfällt. Ferner aber hat sie die Aufgabe, ein wirklich verläßliches Bindeglied darzustellen. Sie muß außerdem so gestaltet sein, daß sich jede Kupplung nach der Lostrennung in einer solchen Stellung befindet, daß eine neue Zusammenkupplung ohne weiteres vollzogen werden kann.

Bereits im Jahre 1873 erließ der Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen ein Preisausschreiben für eine selbsttätige Mittelpufferkupplung. Seitdem sind auf diesem Gebiet zahllose Erfindungen gemacht worden. Ein Wettbewerb, der im Jahre 1909 ausgeschrieben wurde, brachte allein den Einlauf von mehr als 2000 Entwürfen. Als wirklich brauchbar hat sich keiner von diesen erwiesen. Es kommt hinzu, daß die europäischen Eisenbahnverwaltungen hier nur gemeinsam vorgehen können. Die zwischenstaatlichen Vereinbarungen schreiben die Kupplungsform für alle Staaten vor, über deren Grenzen Wagen hinweggehen sollen. Die Ausgaben bei Einführung einer neuen Kupplung sind außerordentlich hoch. In der Übergangszeit werden sich nicht unbedeutende Schwierigkeiten ergeben, da ja nicht alle Wagen gleichzeitig mit der neuen Vorrichtung versehen werden können; diese muß vielmehr imstande sein, auch mit der alten Schraubenkupplung zusammenzuarbeiten. Aus all diesem ergibt sich, daß ernstlich an die Einführung einer selbsttätigen Kupplung erst herangegangen werden kann, wenn eine große Eisenbahnverwaltung nach langer Erprobung eine Form gefunden hat, die auch nach Meinung der anderen beteiligten Verwaltungen – und das sind die Eisenbahngesellschaften in fast allen Ländern Europas – unbedingt einwandfrei, zuverlässig und allen billigen Anforderungen gewachsen ist.

Augenblicklich werden in Preußen hauptsächlich zwei selbsttätige Kupplungen erprobt, deren Einrichtungen hier kurz geschildert sein mögen. Es sind die Kruppsche Kupplung und die Scharfenberg-Kupplung, die von der Eisenbahnwagenfabrik Steinfurt in Königsberg gebaut wird.

Die Krupp-Kupplung schließt sich eng an die amerikanische Bauart nach Janney an. Ihre Form zeigt. Die Klauen sind beweglich. Sobald die an ihnen angebrachten seitlichen Vorsprünge nach innen gestoßen werden, was beim Aufeinanderprallen der Wagen geschieht, schließen sich die Klauen, und die Vorsprünge werden durch Bolzen, hinter die sie geglitten sind, festgehalten. Nunmehr liegt eine Klaue fest in der anderen, die Kupplung ist vollzogen. Die Lösung kann von der Seite her leicht durch Anheben des Festhaltebolzens mittels einer durch Kurbel drehbaren Stange geschehen. Der Kupplungskopf stellt gleichzeitig den Mittelpuffer dar. Die Seitenpuffer sind dann also nicht mehr notwendig.

Die und zeigen den Einbau während der Übergangszeit, wobei der Kupplungskopf schwenkbar angeordnet ist, so daß nach seiner Umlegung zur Seite die nun vorn liegende Schraubenkupplung benutzt werden kann.

Sehr viel beachtet wird die Scharfenberg-Kupplung. Sie besteht aus einem eigentümlichen, trichterförmigen Gehäuse, in dem ein drehbares, rundes Herzstück befestigt ist. Dieses hat an der einen Seite einen Haken, an der anderen einen hinausragenden Bügel. Stoßen zwei Scharfenberg-Kupplungen aufeinander, so dreht jeder der beiden Bügel sein Herzstück herum, weil er von dem gegenüberliegenden in den Trichter gepreßt wird, und hierbei spannt sich zugleich eine kräftige Zugfeder an. Nach genügender Drehung der Herzstücke fallen die Bügel in die Haken, die Herzstücke schnellen zurück, und nun sind die Wagen gekuppelt. Die Verbindung wirkt sehr zuverlässig, weil jedes Herzstück jetzt von beiden Seiten mit gleicher Kraft gezogen wird, also keine Drehung mehr vollführen kann. Das Lösen der Kupplung geschieht dadurch, daß von der Seite her ein Herzstück so lange nach außen gedreht wird, bis beide Bügel gleichzeitig aus den Haken springen. Alsdann zieht die Zugfeder die Herzstücke wieder in die Kuppelstellung zurück. Auch die Scharfenberg-Kupplung besitzt einen Schwenkkopf für die Übergangszeit.

Man muß hoffen, daß auf die eine oder die andere Weise recht bald eine Lösung der Kupplungsfrage in zufriedenstellender Weise gelingt. Das Leben vieler arbeitsamer Männer würde hierdurch geschont werden. Die Zahl der Betriebsunfälle auf den Bahnen würde sich bedeutend vermindern, ein dunkler Fleck auf dem blanken Schild des Eisenbahnwesens damit verschwinden.

18. Der Zügel

Der Zweck einer jeden Zugfahrt ist Beförderung. Der Zug hat die Aufgabe, Menschen oder Güter möglichst rasch von Ort zu Ort zu bringen. Zu diesem Ende muß er geschwinde Fahrt machen können, aber er muß ebenso in der Lage sein, genau am vorausbestimmten Ort anzuhalten. Wenn die Züge nur Vorkehrungen besäßen, die gestatten, sie in Bewegung zu setzen und diese Bewegung nach Willkür zu beschleunigen, nicht aber Einrichtungen hätten, um die erreichte Geschwindigkeit nach Belieben abzudrosseln und genau am gewollten Ort ganz aufzuheben, dann wäre die Eisenbahn nicht in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen. Das vermag sie nur, wenn ebenso wie der Beginn jeder Fahrt auch deren Ende an bestimmter Stelle des Zielbahnhofs gesichert ist. Ebenso muß unterwegs nach freiem Entschluß des Führers jederzeit angehalten werden können.

Nicht weniger wichtig als die Lokomotive, die den Zug vorwärts bringt, sind also die Vorrichtungen, die seinen Lauf hemmen. Wo ein Sporn ist, da muß auch ein Zügel sein.

Ein D-Zug mit 40 Achsen stürmt über die Schienen. Da plötzlich nimmt der Lokomotivführer ganz hinten am Ende seines Gesichtsfelds ein Signal wahr, das auf Halt liegt. Er ist noch eine beträchtliche Strecke, etwa 800 Meter, von dem warnenden Arm entfernt, hinter dessen Aufstellungsort dem Zug Gefahr droht. Wenn der Führer nun nichts weiter tun könnte, als den Dampf abstellen, so würde die Wagenreihe, deren physikalisch kleinste Teilchen ganz mit der ungeheuren Geschwindigkeit von 100 Kilometern in der Stunde durchtränkt sind, trotzdem weiter und weiter rollen, lange über das Signal hinaus, wahrscheinlich bis zum Aufstoßen auf das Hindernis, vor dem gewarnt wurde. Ein ungehemmter Schnellzug unserer Tage läuft nach Aufhebung der Zugkraft auf ebener Strecke noch zwei bis drei Kilometer weit. Höchst selten nur kann der Lokomotivführer die Strecke so weit übersehen. Ein rechtzeitiges Abstoppen bei Gefahr wäre also unter solchen Umständen unmöglich.

Man bedenke ferner, in welcher Art ein Zug ohne Anwendung von Hemmungsvorrichtungen zum Stehen kommen würde.

Nach Abstellen des Dampfs sinkt die Geschwindigkeit ganz allmählich. Beim Beginn des letzten halben Kilometers ist sie bereits außerordentlich gering geworden. Der Zug schleppt sich ganz langsam über die Strecke, aber er steht noch nicht still. Er verbraucht eine sehr lange Zeit für das Geschäft des Anhaltens. Die Folge ist eine durchaus unstatthafte Verzögerung des gesamten Verkehrs. Die Strecke bleibt durch jeden Zug während einer unverhältnismäßig langen Zeit besetzt, der nächstfolgende muß eine kleine Ewigkeit warten, bis er nachfolgen kann. Der neuzeitliche Eisenbahnbetrieb würde auch hierdurch unmöglich gemacht.

Aus all diesen Gründen eben versieht man jeden Zug mit einem kräftig wirkenden Zügel. Der Zeitpunkt und die Stärke seiner Anwendung werden allein von dem Mann bestimmt, der am ehesten den Zustand der Strecke zu überschauen vermag, der pflichtgemäß über die Sicherheit des Zugs zu wachen hat: vom Lokomotivführer. Erst dadurch, daß er nicht nur die Peitsche, in Form des Reglerhebels, sondern auch den Zügel, nämlich die Bremse, zur Hand hat, wird er zum wirklichen Beherrscher des Zugs.

Freilich kann der Führer keine unumschränkte Herrschaft ausüben. Seine Regierungsmaßnahmen sind vielmehr abhängig von der Verfassung, welche die Natur dem Schienenreich gegeben hat. Der Zügel mag noch so kräftig, seine Wirkung so rasch wie nur irgend möglich sein, er darf nicht in einer Weise angezogen werden, die ein augenblickliches Anhalten des mit voller Geschwindigkeit laufenden Zugs bewirkt. Denn in diesem wohnt die lebendige Kraft. Sie kann, je nach ihrer Stärke, nur nach Ablauf einer längeren oder kürzeren Zeit zum Verschwinden gebracht werden, wenn der Zug nicht schwer gefährdet werden soll.

Die lebendige Kraft, die einem Schnellzug unserer Tage eigen ist, gleicht der eines Geschosses, das aus weitem Rohr abgefeuert ist. Trifft ein solches mitten auf seinem Weg ein festes Ziel, etwa einen Schiffspanzer, der seine Bewegung plötzlich aufhebt, so wird sein Mantel innerhalb des Bruchteils einer Sekunde rotglühend. Die lebendige Kraft kann eben nach dem Gesetz über ihre Erhaltung, das wir durch Julius Robert Mayer und Helmholtz kennen, auf keine Weise restlos vernichtet werden. Mit Vorliebe wandelt sie sich in Wärme um. Alle Teile eines in rascher Bewegung befindlichen, jählings gehemmten Körpers aber, die nicht unverrückbar festgehalten werden, setzen mit außerordentlicher Kraft die Bewegung fort. Gelänge es also auch, die Wagen eines Schnellzugs so machtvoll zu zügeln, daß sie auf der Stelle stehen blieben, so würde doch alles, was sich in den Abteilen befindet, mit ungeheurem Stoß gegen die Vorderwand geschleudert werden. Die Gepäckstücke würden wie Kanonenkugeln durch die Luft sausen, die Menschen mit fürchterlicher Gewalt von den Sitzen geschleudert werden. Alle Erscheinungen eines Eisenbahnzusammenstoßes würden auftreten, denn dessen zerstörende Wirkung entsteht ja durch nichts anderes, als eben durch die plötzliche Abdrosselung der lebendigen Kraft des Zugs.

Aus diesem Grund sind die Bemühungen all der zahllosen Erfinder unsinnig, die sich immer von neuem damit abquälen, Vorrichtungen zum augenblicklichen Anhalten von Schnellzügen zu erdenken. Was sie durch ihre Erfindung verhindern wollen, die Folgen eines urplötzlichen Stoßes, würde gerade durch diese Art der Zügelung herbeigeführt werden.

Es kann sich also nicht darum handeln, zur Hemmung der Züge etwa Pfähle von der Lokomotive oder den Wagen aus senkrecht in die Bettung zu stoßen, sondern man muß für die Beendigung der Zugbewegung ein Mittel anwenden, das zwar rasch wirkt, aber die lebendige Kraft doch nur allmählich vernichtet. Man muß ihr unbedingt eine gewisse Zeit lassen, eines natürlichen Todes zu sterben. So will es die Allmeisterin Natur, gegen deren Verfügungen es keine Berufung gibt.

 

Als bestes Mittel zum Anhalten der Züge in dieser Art hat sich das Andrücken von Bremsklötzen gegen die Laufkränze der Räder erwiesen. Hierbei tritt eine Umwandelung der lebendigen Kraft des Zugs in Wärme ein. Klötze und Radreifen erhitzen sich.

Früher einmal hat man versucht, die Schlittenbremse zu verwenden, bei der Platten gegen die Schienenköpfe gepreßt wurden. Aber diese Platten richteten beim Schleifen über Weichenzungen und Herzstücke böse Zerstörungen im Gleis an, sie entlasteten ferner die Achsen der Fahrzeuge, so daß Entgleisungsgefahr entstand. Heute ist darum ausschließlich die Räderbremse in Anwendung.

Mit ihrer Hilfe ist man imstande, selbst die schwersten Schnellzüge aus der Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometern in der Stunde mit einem Bremsweg von 500 bis 600 Metern zum Halten zu bringen. Als Bremsweg bezeichnet man die Strecke, die der Zug vom ersten Anstellen der Bremse bis zum völligen Stillstand durchläuft. Sie darf keinesfalls um ein beträchtliches größer sein, als eben angegeben, da sonst die Stellung der Signale in einer Weise geändert werden müßte, die nicht angängig ist. Darüber werden wir in Abschnitt 21 noch Näheres hören.

Die bei den heutigen Bremsen unmittelbar wirkenden Teile, die Bremsklötze, werden aus Gußeisen hergestellt, das mit Stahlabfällen zusammengeschmolzen ist. Werden ihre Oberflächen gegen die stählernen Radreifen gepreßt, so ergibt das eine genügend starke Reibung, um die Geschwindigkeit der Fahrzeuge hinunterzusetzen.

Die Stärke der Bremsung ist abhängig von dem Grad der Reibung zwischen Klötzen und Rädern. Dessen Größe aber bleibt bei gleichem Bremsdruck nicht unverändert. Der Wert der Reibung zwischen Klotz und Radreifen wächst nämlich mit sinkender Geschwindigkeit. Drückt man im Anfang die Bremsen auch nur sanft an, so entsteht hierdurch, wenn der Zug sich dem Stillstand nähert, ganz von selbst eine sehr starke Bremskraft. Die Bremsung darf also nicht zu kräftig einsetzen, was an sich wünschenswert wäre, da sonst ein ruckendes Anhalten des Zugs stattfinden würde. Und dies ist um so mehr zu befürchten, als die heute bei uns üblichen Bremsbauarten ein Verringern des Bremsdrucks innerhalb eines und desselben Bremsvorgangs nicht gestatten. Schon hieraus geht hervor, daß das Bedienen der Bremsen keine rein handwerksmäßige Arbeit ist, sondern eine recht bedeutende Kunstfertigkeit erfordert.

In ganz besonders sorgfältiger Weise muß darauf geachtet werden, daß die Räder durch die Klötze nicht vollkommen festgestellt werden. Sie müssen sich, solange der Zug in Bewegung ist, immer noch etwas drehen können. Die Erfahrung hat nämlich die eigenartige Tatsache gelehrt, daß die Reibung eines auf der Schiene wenn auch noch so langsam rollenden Rads weit größer ist als die des nur gleitenden Rads. Die kräftigste Reibung, also die Vollbremsung, tritt ein, wenn die Räder sich nur noch ganz sacht drehen. Da gerade am Ende der Bewegung die höchste Bremskraft ausgeübt werden muß, damit genau an der bestimmten Stelle gehalten werden kann, müssen die Klötze so eingestellt werden, daß die Rollgrenze der Räder nicht überschritten wird. Wenn dies der Fall ist, sinkt die Bremswirkung plötzlich sehr bedeutend. Außerdem würde das Gleiten ein Unrundwerden der Räder verursachen, das beim Fahren sehr unangenehme Bewegungen der Fahrzeuge hervorruft, und auch die Schienen würden in ungünstiger Weise abgenutzt. Hierauf also hat der Lokomotivführer sehr genau zu achten.

Er muß auch unmittelbar vor dem Stillstand des Zugs die Bremsen wieder lösen. Tut er dies nicht, so schwingen die Wagenkasten, wenn das Laufwerk bereits stillsteht, auf ihren nachgiebigen Federn noch ein Stück weiter nach vorn. Alsbald aber reißen die Federn die Kasten wieder zurück, wodurch der bekanntlich sehr unangenehme Rückstoß beim Anhalten entsteht. Ein Lokomotivführer, der das Bremshandwerk gut versteht, kann diesen Stoß vermeiden, indem er durch rechtzeitiges Lösen der Bremsen einen etwas längeren Auslauf herbeiführt.

Die Klötze werden nicht aus vollem Eisen hergestellt, sondern haben in ihrem Rücken einen tiefen Einschnitt. Dieser wird angebracht, damit die Klötze eine möglichst große Oberfläche erhalten. Je ausgedehnter diese ist, desto rascher können die Eisenstücke die Wärme ausstrahlen, die ihnen durch die Reibung bei der Bremsung zugeführt wird.

Im gelösten Zustand sollen alle Teile der kreisförmig gebogenen Klotzoberflächen sich in einem Abstand von etwa einem Zentimeter vom Radreifen befinden. Da die Klötze sehr stark abgenutzt werden, so müssen im Bremsgestänge, das die Kraft des Bremsmittels zu den Klötzen überträgt, Vorrichtungen zum Nachstellen vorhanden sein. Viele Gestänge sind so eingerichtet, daß diese Nachstellung selbsttätig erfolgt. Wenn der Verschleiß weit vorgeschritten ist, müssen die Klötze natürlich ausgewechselt werden. Durch die in den Vorschriften für die Wagen festgelegten Untersuchungen ist eine genügende Beaufsichtigung unbedingt gewährleistet. Das Gestänge sorgt dafür, daß sämtliche Bremsklötze eines Wagens mit gleicher Kraft angedrückt werden. Es steigert den Bremsdruck um ein Mehrfaches, indem es ihn durch ungleicharmige Hebel auf die Klötze überträgt.

Man bringt heute an jedem Rad stets zwei Klötze an, die einander in der Durchmesserlinie gegenüberstehen. Hierdurch wird verhindert, daß ein einseitiger Druck gegen die Achsen entsteht, wodurch diese verbogen werden könnten. Auch ein Heißlaufen der Lager durch einseitige Beanspruchung wäre sonst zu befürchten.

Die Bremswirkung, die auf einen Zug ausgeübt werden kann, hängt ab von der Zahl der bremsbaren Achsen. Am raschesten wird man ohne Stoß anhalten können, wenn alle Achsen bremsbar sind. Dies ist daher in Deutschland für alle rascher fahrenden Züge vorgeschrieben.

Bei gewöhnlichen Güterzügen mit ihrer geringen Fahrgeschwindigkeit wird die Bremsbarkeit aller Achsen nicht als notwendig erachtet. Damit aber auch jeder von diesen Zügen mit einem Bremsweg von 600 bis höchstens 700 Metern stets mit Sicherheit zum Stillstand gebracht werden kann, muß jeder eine bestimmte Zahl bremsbarer Achsen haben. In Bremstafeln, die auf Grund langer Erfahrungen und wissenschaftlicher Erkenntnis berechnet sind, ist vorgeschrieben, wieviel Bremsachsen für jede der wechselnden Gesamtachsenzahlen der Güterzüge notwendig sind. Ferner ist bei dieser Bestimmung auch die stärkste Neigung in Betracht zu ziehen, die sich auf der vom Güterzug zu durchfahrenden Strecke befindet. Je stärker die Strecke abfällt, desto mehr Bremsachsen müssen sich im Zug befinden. Bei Gebirgsbahnen ist daher auch in Güterzügen stets eine sehr erhebliche Zahl der Achsen gebremst. Der Güterwagenpark ist in bremsbare und in nicht bremsbare Wagen geteilt. In Preußen sowohl wie in ganz Deutschland ist nicht mehr als ein Drittel aller Güterwagen mit Bremsvorrichtungen versehen.

Neben der Kraft der Bremsung, die auf das Einzelfahrzeug ausgeübt wird, kommt ferner die Art ihres Auftretens im Verlauf des ganzen Zugs in Betracht. Am besten wird eine solche Bremse wirken, die ihre Kraft ganz gleichmäßig und gleichzeitig an allen Zugteilen äußert, alle bremsbaren Fahrzeuge gleichmäßig verlangsamt.

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