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Die Welt auf Schienen

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13. Der stählerne Pfad

Tack! Tack! Tack! machen die Räder unseres nach Halle fahrenden Schnellzugs.

Es ist ein eintöniges, in gleichen Abständen immer wiederkehrendes Geräusch, das seltsam einschläfernd auf die Nerven wirkt. Die Gleichmäßigkeit dieses ewig klingenden Tons weckt die Erinnerung an manche gern gehörte Weise; während der auf seinen Federn sich schaukelnde Wagen uns langsam einwiegt, scheint es einem jeden, als sängen die Räder sein Lieblingslied.

Der Zug fliegt über den blanken, stählernen Pfad, über die Schienen, wie man einfach sagt. Nichts scheint leichter als die Ausstreckung der vier silberigen Stränge vor der Maschine. Und doch ist die Arbeit von vielen Geschlechtern, die angestrengte Tätigkeit unzähliger Geister notwendig gewesen, um nur den heutigen Zustand zu erreichen, der von Vollkommenheit noch weit entfernt ist.

Die Unterlage für die Fahrbahn haben wir bereits besprochen. Es bleibt uns übrig, Bettung, Schwellen, Schienen und das zugehörige Kleineisenzeug in den Arten und Formen, wie sie heutzutage angewendet werden, erst im einzelnen, dann in ihrem Zusammenhang, also den Oberbau zu betrachten. Es ist ein weites Feld, wie Effi Briests Vater in Fontanes Roman zu sagen pflegt.

Wir wissen aus Abschnitt 5, daß es die Aufgabe der Bettung ist, für die Schwellen einen Lagerbezirk zu schaffen, in dem diese fest und möglichst trocken liegen. Der Bettungsstoff muß daher Wasser sehr leicht durchlassen und doch fest genug sein, um die sehr großen Kräfte, die von oben und von den Seiten her gegen die Schienen und Schwellen wirken, aufnehmen und über eine weite Fläche verteilen zu können. Außerdem muß die Form der einzelnen Bettungsstücke so beschaffen sein, daß man sie leicht unter die Schwellen schlagen kann, um deren durch den Betrieb immer wieder bewirkte Senkung auszugleichen.

Die deutschen Bahnen sind entweder in Kies oder in Steinschlag verlegt. Die tiefste Lage der Bettung auf dem Unterbau, die nur zu tragen, aber keine seitlichen Kräfte aufzunehmen hat, wird auch öfter aus gut zusammengesetzten, größeren Steinen, der sogenannten Packlage, gebildet. Der Steinschlag besteht bei uns zumeist aus Basalt, Porphyr, Quarzit oder Grauwacke und zwar in Form von scharfkantigen kleinen Stücken mit einer Seitenlänge von drei bis vier Zentimetern.

Die Längsschwellen, mit denen der Eisenbahnoberbau einst begann, sind heute als überlebt zu betrachten. Der Querschwellenbau herrscht vor. Er wird aus hölzernen oder eisernen Stücken zusammengesetzt, neuerdings hat man auch Versuche mit Schwellen aus Beton mit Eiseneinlage gemacht. Auch die Schwellenschiene, das heißt eine Schiene mit sehr breit ausladendem Fuß, der die Schwelle ersetzt, kommt vor, jedoch nur selten und meist in Nebengeleisen.

Die Bevorzugung des Querschwellengleises ist leicht begreiflich durch die großen Vorteile, die es bietet: die sichere Festhaltung der Spur ohne besondere Vorkehrungen und die leichte Möglichkeit des Erneuerns einzelner Stücke. Bei dieser Bauart kann man auch in einfacher Weise eine Verstärkung der Tragfähigkeit des Gleises bewirken, da man in solchem Fall nur nötig hat, die Zahl der Schwellen für die Längeneinheit zu erhöhen.

Auf den preußischen Bahnen, deren Verhältnisse auch hier wieder als Beispiel herangezogen werden sollen, ist der Querschnitt der Schwellen stets ein Rechteck, meist mit abgeschrägten Kanten an der oberen Fläche. Bei den Holzschwellen, die wir nun zunächst betrachten, entstehen diese sogenannten Waldkanten, die man aus Gründen der Holzersparung zuläßt, meist von selbst; sie ergeben sich für viele Schwellen durch die Art, wie diese aus dem vollen Baumstamm herausgeschnitten werden. Die beiden Schwellen oben und unten auf können keinen voll rechteckigen Querschnitt mehr erhalten.

Die üblichen Abmessungen für die Schwellen sind: Breite 26 Zentimeter, Höhe 16 Zentimeter, Länge 2,70 Meter. Eine Bearbeitung der Oberfläche findet heute für gewöhnlich nicht mehr statt, da die seitliche Neigung der Schienen durch Zwischenlegen von Unterlagsplatten hergestellt wird. Die Löcher, welche später die Befestigungsmittel für die Schienen, Nägel oder Schrauben, aufzunehmen haben, werden vor dem Verlegen auf einer Seite vorgebohrt, auf der anderen Seite geschieht das Bohren erst während des Auslegens, damit man imstande ist, die häufig vorkommenden, kleinen Abweichungen von der Regelspur auszuführen.

Bei uns werden in der Hauptsache Eiche, Buche, Fichte, Tanne und Kiefer, diese letzte in größter Zahl, zu Schwellen verarbeitet. Unter ihnen ist seltsamerweise das Buchenholz, obgleich es zu den sonst besonders widerstandsfähigen Harthölzern gehört, am leichtesten vergänglich. Die Buchenschwellen faulen so rasch, daß sie ohne die Anwendung besonderer Erhaltungsverfahren gar nicht verwendet werden können. Da es durch dieses Verfahren gelungen ist, auch die Weichhölzer sehr haltbar zu machen, so geht der Verbrauch der teuren Eiche allmählich immer weiter zurück. In neuerer Zeit wird die Brauchbarkeit der Weichholzschwellen auch dadurch erhöht, daß man die Nägel und Schrauben nicht mehr unmittelbar in ihren Körper einsetzt, sondern an den in Betracht kommenden Stellen zunächst sehr starke, in der Mitte durchbohrte Bolzen aus Hartholz einschraubt. Diese Dübel erst nehmen die eisernen Befestigungsmittel auf.

Die Holzschwellen verderben im natürlichen Zustand deshalb leicht, weil der Holzsaft Eiweiß und andere Stoffe enthält, die sich im toten Holz zersetzen und das Gefüge locker machen. Ferner ist die Schwelle der Gefahr des Faulens so stark wie kaum ein anderer Baustoff gleicher Art ausgesetzt, da Trockenheit und Feuchtigkeit im Bahnbett unaufhörlich miteinander abwechseln. Man macht die Schwellen standhaft gegen diese schweren Angriffe, indem man sie mit fremden Stoffen vollkommen durchtränkt. Durch besondere Verfahren wird der Holzsaft ausgesogen, und an seine Stelle werden unter sehr kräftigem Druck Kreosot, Chlorzink oder kreosothaltiges Teeröl zwischen die Fasern gepreßt. Die Lebensdauer der Schwellen steigt dadurch sehr bedeutend. Eichenholz hält roh 14 bis 16 Jahre, getränkt 20 Jahre; bei Buchenholz ist der Unterschied sehr viel größer, nämlich 3 Jahre gegen 12-18. Die Zahlen für Kiefernholz lauten 7-8 Jahre gegen 14-18. Die Einführung des Tränkens bedeutet also eine außerordentlich große Ersparnis bei der Unterhaltung des Gleisoberbaus und dies um so mehr, als man die Beobachtung gemacht haben will, daß das Tränken die Schwellen auch widerstandsfähiger gegen äußere Angriffe macht.

Es wurde in dem Abschnitt über die Geschichte des Gleises bereits kurz angedeutet, daß die eisernen Schwellen erst brauchbar wurden, nachdem man ihnen eine vollkommen geschlossene, trogförmige Gestalt gegeben hatte. Sie sind dadurch imstande, einen großen Teil der Bettung vollkommen zu umgreifen und sich gegen jede Verschiebung zu sichern, indem sie diesen Bettungsteil zwingen, sich bei Bewegungen auf der darunter liegenden Fläche zu reiben. Die Eisenschwellen werden heute sämtlich aus Flußeisen oder Flußstahl gewalzt. Die am meisten gebräuchlichen Formen zeigt unser; die Kreuzschwelle wird jedoch immer seltener verwendet. Damit man die Befestigungsmittel für die Schienen durch die Eisenschwellen hindurchstecken kann, müssen diese an der Decke durchlocht werden. (Siehe auch auf Seite 78.)

Ausschlaggebend für die Stärke des Oberbaus ist die Schwellenteilung, das heißt der im allgemeinen stets gleichmäßige Abstand der einen Schwellenmitte von der anderen. Bei stark befahrenen Hauptbahnen pflegen in Preußen auf einem Kilometer 1675 Schwellen zu liegen. Nur am Stoß werden die Schwellen näher zusammengelegt, als der gewöhnliche Abstand beträgt. Auch die drei nächsten Schwellen werden noch etwas herangerückt. Bei Eisenschwellen bildet man am Stoß eine zusammenhängende Doppelschwelle aus.

Alle die bisher erwähnten Vorkehrungen im Unterbau und Oberbau haben doch zuletzt nur den Zweck, die Schienen unverrückbar festzuhalten. Diese selbst werden heute ausschließlich aus Flußstahl bereitet. Zur Herstellung dieses Stoffs wird das aus dem Hochofen gewonnene Roheisen im Siemens-Martin-Ofen oder in der Thomasbirne von dem zu starken Kohlenstoffgehalt befreit. Es ist ein prächtiges Schauspiel, dem Arbeiten von Thomasbirnen in einem großen Eisenwerk zuzuschauen. In seinem Buch „Das Reich der Kraft“ schreibt der Verfasser über die Eindrücke, die er bei dem Besuch einer Schienenfabrik empfing:

Die unter dem hochgewölbten Dach einer großen Halle aufgehängten Birnen für die Stahlbereitung werden von außen nicht geheizt. Denn das Eisen wird in flüssigem Zustand eingefüllt und Preßluft hindurchgedrückt, so daß drinnen eine rasende Glut entsteht. Von Zeit zu Zeit räuspert sich eines der Ungeheuer und bläst einen Klumpen flüssigen Feuers hinaus, der, von einem Funkenregen begleitet, dumpf zur Erde niederfällt. Dann schlägt die Lohe mit erneuter Kraft aus dem glühenden Maul und ein rollendes Geräusch dringt hervor.

Wenn der Vulkan dort drinnen ein paar Stunden lang getobt hat, wird durch elektrische Kraft ein großer Bottich hinzugefahren. Mit einem plötzlichen Ruck senkt das flammengekrönte Haupt sich abwärts, und das Ungeheuer speit seine ganze Flammenseele aus. Weithin wird alles von einem blendenden Licht übergossen. Eine schwere, breite, mächtig flutende Feuerwelle gleitet in den Bottich, ein Schwarm blendend weißer Funkensterne fliegt weit hinaus. Minutenlang rinnt das Feuer in kräftigem Strom und verbreitet eine kaum zu ertragende Hitze, ein Licht, heller als tausend Bogenlampen. Dann endlich hört die ungeheure Birne auf zu speien und zu brausen, richtet sich langsam und stolz wieder in die Höhe, und der mit dem feuerflüssigen Eisen bis an den Rand gefüllte Bottich fährt, ächzend unter seiner Last, davon. Sein Inhalt wird in eiserne Gefäße gegossen; es entstehen mehrere Walzblöcke, die darauf von kleinen Lokomotiven auf einer Feldeisenbahn dem großen Kran in der Walzhalle zugeführt werden.

 

Wir folgen solch einem Block, aus dessen Leib Eisenbahnschienen hergestellt werden sollen, auf seinem Weg und haben nun Gelegenheit, einem Vorgang beizuwohnen, der an Pracht und Großartigkeit von wenigen auf Erden übertroffen wird.

Im Sonnenglanz dunkelt die mächtige, nach allen Seiten hin weit geöffnete Halle. Unter dem großen Wellblechdach ist alles Leuchten des Tags erloschen. Man steht in einer silbergrauen Wolke, die leicht auf und ab wallt und den Blick einschließt. Doch das Auge gewöhnt sich rasch an den feinen Nebel und vermag ihn zu durchdringen.

Menschen mit ledernen Panzern, große spitze Eisenstangen, abenteuerlich geformte Zangen gleich Waffen in den Händen, bewegen sich lautlos und mit seltsamen Gebärden um ein hochragendes schwarzes Gerüst, das in erhabener Größe dasteht.

Ein dumpfes Rollen ertönt.

Langsam heranbewegt, erscheint hoch droben, dicht unter dem Hallendach, der glühende, funkensprühende Eisenblock. Der Kran, der ihn vom Wagen genommen hat, fährt leicht auf hochliegendem Gleis; sein Gerüst biegt sich nicht unter der Last der zweitausend Kilogramm. Der Block ist dunkelrot. Man merkt, daß sein Bau, der eben erst aus flüssigem Eisen gefügt wurde, sich noch nicht bei sich selbst zu Hause fühlt. Knisternd springen Funken auf, hier und da zischt eine kleine Feuergarbe an ihm empor. Wechselnde Farbenschattierungen laufen über die Eisenmasse. Es ist als fröre sie in der kalten Welt; man könnte denken, der mächtige Klotz atme. Eine ungeheure Glut entströmt ihm. Noch in weiter Entfernung glaubt man die Augen versengt, man weiß nicht ob von der Hitze oder von der Flut des hereinströmenden Lichts. Es dringt durch den Dunst der Halle und macht tausend Einzelheiten deutlich. Eine neue künstliche Sonne ist hier drinnen unter dem Wellblechdach aufgegangen.

Aber sie hat keine Ewigkeit. Sie bleibt nicht lange droben an dem wellblechenen Himmel.

Der Kran ist an den mächtigen dunklen Eisenbau herangefahren, vor dem die Arbeiter mit ihren Werkzeugen wartend stehen, wie die Priester vor dem Hochaltar, um das Opfer in Empfang zu nehmen. Langsam steigt die Krankette nieder. Der rote, frierende Eisenblock wird sanft und fast geräuschlos niedergelegt. Von selbst lösen sich die Klemmbacken, die Kette rollt in die Höhe, der Kran zieht sich ruhig und langsam, wie er gekommen, zurück, ganz ungerührt davon, daß er eben um eine Riesenlast erleichtert worden ist. Leise sprühen kleine weiße Funken vom roten Block.

Plötzlich ein dumpfes Dröhnen. Aus der breiten eisernen Brücke, die von dem Ruheplatz des Blocks zur Walze führt, ragen in kurzen Zwischenräumen die Rücken kräftiger stählerner Rollen um wenige Zentimeter heraus. Diese Rollen haben sich in Bewegung gesetzt, und sie schieben nun, indem eine ihn der andern zuführt, den schweren Block mit einer Schnelligkeit und spielenden Leichtigkeit vorwärts, die aufs höchste überrascht. Von Rolle zu Rolle tanzend, stürzt der Block rasend wie ein wildes Tier vorwärts.

Da läßt ein donnerndes Getöse den Boden und die Halle erbeben. Jenes hohe schwarze Gerüst beginnt zu leben. Die Walze hat sich in Bewegung gesetzt. Eine Dampfmaschine von dreitausend Pferdestärken dreht mit großer Geschwindigkeit die schweren, stählernen Walzenräder, zwischen denen der Eisenblock hindurchgetrieben werden soll, um an Dicke zu verlieren, an Länge und innerer Festigkeit zu gewinnen. In tollem Lauf wirbeln die Massen an der Walze um und um, der rotglühende Block faucht und prasselt über den Rollgang, die Erde bebt, das Hallendach zittert.

Jetzt hat der Block die Walze erreicht, er fährt gegen die beiden Walzenräder, die zwischen sich einen Spalt offen lassen, niedriger als die Höhe des Blocks. Dieser will sich hineinzwängen, die Walzenräder packen ihn – und nun kommt ein Augenblick, der dem Zuschauer den Atem stocken läßt, wo er mit aufgerissenen Augen erwartet, daß ein verheerendes Unglück eintritt.

In dem Augenblick, als die Walzen den Block faßten, ist plötzlich lautlose Stille eingetreten. Die gewaltige Maschine ist mit einem Ruck stehengeblieben, dreitausend Pferdestärken wurden im Bruchteil einer Sekunde angehalten und vernichtet. Man meint, daß der ungeheure Stoß, der eine Quadermauer umstürzen würde, auch die Walzmaschine zersprengen müßte. Doch diese hält mit ihrer wuchtigen Kraft ruhig stand. In drei Sekunden hat die Zugmaschine auch schon genügend Kraft aufgeholt, Gebrüll und Getöse erheben sich von neuem, die Walzräder wirbeln, der Eisenklotz wird durch den Spalt gequetscht, und schon liegt er, gereckt und immer noch Funken sprühend, auf der andern Seite der Walze.

Wieder ein Augenblick der Stille. Lautlos drehen sich die mächtigen Schraubenspindeln am Kopf der Walzmaschine und schieben die beiden langen Walzräder ein wenig enger aneinander, so daß der Spalt zwischen ihnen niedriger wird. Dann fährt der Rollgang, in umgekehrter Richtung, von neuem an, der Block saust wieder durch den Spalt, um nun schon als eine dicke Stange hervorzukommen.

Dieser Vorgang wiederholt sich noch mehrere Male. Bald treiben dreitausend Pferdestärken die Walzräder rechts herum, bald laufen sie in umgekehrter Richtung, unsichtbare Hände spielen mit den ungeheuren Kräften wie Kinder mit ihrem Fangeball. Es ist, als sei der Mensch Herr jeder Stärke, jeder Kraft, als könne er Berge von ihrem Platz rücken und Weltenkörper aus ihrer Bahn zwingen. Man sieht hier eine bewundernswerte Beherrschung des Stoffs, ein freies Schalten mit Kräften, die des Menschen geringe Muskelstärke so unendlich weit überragen.

Es dauert nicht fünf Minuten, und aus dem kurzen gedrungenen Block ist eine mehr als dreißig Meter lange, in roter Glut strahlende Eisenbahnschiene geworden. Der Rollgang, der das fertige Walzerzeugnis aus der Maschine empfängt, gibt es sofort weiter in die Halle hinein, wo an einer Stelle schon eine klobige Kreissäge wartet, die von der glühenden Schienenstange mit Gekreisch und Gesprühe Stücke in der vorgeschriebenen Länge einer preußischen Staatsbahnschiene abschneidet.“

Bei dieser ersten Bearbeitung der neugeborenen Schiene muß darauf acht gegeben werden, daß der Stahl jetzt noch heiß ist. Die Abschnitte sind also so zu bemessen, daß nach dem Erkalten die richtige Schienenlänge vorhanden ist, das heißt, daß man ein Stück für die Verkürzung beim Erkalten, das sogenannte Schwindmaß, zugeben muß. Alsdann wird jede Schiene noch aufs genaueste ausgerichtet, da beim Walzen doch hier und da Verbiegungen vorkommen. Man bearbeitet sie in noch glühendem Zustand auf einer großen eisernen Unterlage, dem Warmlager, mit Holzhämmern und fügt später, wenn es nötig ist, noch ein Kaltrichten hinzu, damit eine vollkommen gerade Erstreckung unbedingt erreicht wird.

Die Ansprüche, welche eine Schiene für Eisenbahnen zu erfüllen hat, sind nicht gering. Der Kopf soll, da er fortwährend den gewaltigen Schlägen der Räder ausgesetzt ist, eine möglichst große Härte besitzen; der Fuß aber, der auf Biegung beansprucht wird, muß möglichst zäh sein. Beide einander fast entgegengesetzte Eigenschaften lassen sich in einem gleichmäßigen Stahlstück natürlich nicht erwirken, und darum muß man den Schienenstoff so wählen, daß seine Eigenschaften die Mitte zwischen den beiden begehrten halten. Es gelingt heute, einen Schienenstahl herzustellen, der Härte und Zähigkeit zugleich besitzt.

Bei der Abnahme durch die Eisenbahnverwaltung werden die Schienen einer schweren Prüfung durch Schlag-, Biege- und Zerreißproben unterzogen. Kugeln, die man mit einer bestimmten Kraft gegen den Kopf drückt, dürfen nicht allzu tief eindringen, kalt gebogene Schienen dürfen bis zu einer bestimmten Krümmung nicht bersten, und bei den Zerreißproben muß jedes Quadratmillimeter des Querschnitts einen Zug von 60 bis 70 Kilogramm aushalten können. Von der vorgeschriebenen Höhe darf keine der Schienen um mehr als ein halbes Millimeter abweichen. Man sollte meinen, daß eine solche Genauigkeit bei dem recht groben Verfahren, welches das Walzen immerhin darstellt, nicht leicht einzuhalten sei; sie gelingt heute jedoch fast stets.

Die Form des Kopfs der heutigen Schiene ist in engem Zusammenhang mit der Form des Radreifens durchgebildet. Die Lauffläche ist eben, um dem Reifen als Auflager zu dienen. Der Übergang zur Seite wird, entsprechend der Hohlkehle am Rad, abgerundet; die Seitenfläche selbst hat die Aufgabe, den Spurkranz zu führen. Nicht selten, insbesondere in Krümmungen, kommt es vor, daß das Rad sich vollständig gegen die Schiene preßt. Alsdann muß eine überall passende Auflagefläche vorhanden sein, damit keine Stöße entstehen. Die Übergänge vom Kopf zum Steg und von dort zum Fuß müssen scharf unterschnitten sein, damit die Lasche am Stoß sich fest zwischen Kopf und Fuß pressen kann.

An sich scheint es begehrenswert, im Gleis so lange Schienen zu verlegen, wie sie durch das Walzverfahren nur irgend herzustellen sind. Denn die Zahl der Stöße wird ja dadurch herabgesetzt. Wir haben aber eben gehört, daß der aus der Walze hervorgehende Schienenstahl zerschnitten wird. Diese Kürzung ist um so bedauerlicher, als eine lange Schiene mit ihren zahlreichen Befestigungen weit besser geeignet wäre, die sehr starken, auf sie einwirkenden Seitenkräfte aufzunehmen. Erfahrungsgemäß ist selbst das Niederbeugen des Schienenendes beim Befahren eines Stoßes bei langen Schienenstücken geringer als bei kürzeren. Leider aber ist es nicht möglich, in der Schienenlänge über ein gewisses Maß hinauszugehen. Der Hinderungsgrund sind die Witterungsverhältnisse und die aus den Wärmeschwankungen folgenden Längenveränderungen jeder Schiene.

Die Wärme unter freiem Himmel schwankt in unseren Breiten zwischen etwa -25 Grad Celsius im kältesten Winter und +60 Grad Celsius bei stärkstem Sonnenbrand, also um nicht weniger als 85 Grad. Eisen und Stahl verändern bei wechselnden Wärmegraden wie alle andern Körper ihre Ausdehnung. Bei einer Erwärmung um 100 Grad dehnt sich ein jeder Stahlstab um 1900 seiner Länge aus. Eine 9 Meter lange Schiene würde also in einem solchen Fall 10 Millimeter länger werden. Da infolge der eben erwähnten Verhältnisse mit einer Wärmeschwankung von 85 Grad im Gleis zu rechnen ist, so muß schon bei 9 Metern Länge der Abstand des einen Schienenendes vom nächsten bei stärkster Kälte mindestens 85100 × 10 = 812 Millimeter betragen. Bei einer Schienenlänge von 18 Metern müßte die Wärmelücke bereits 19 Millimeter groß sein, und da man für Ungenauigkeiten in der Bearbeitung des Schienenendes und für Schieflagen bei Krümmungen stets noch 2 Millimeter zugeben muß, sogar 21 Millimeter.

Eine so große Lücke im Gleis ist jedoch bereits nicht mehr zulässig. Um ein Einsinken der Räder in die Wärmelücke zu verhüten, darf diese 15 bis 18 Millimeter keinesfalls überschreiten. Demzufolge können bei uns Schienen von 18 Metern Länge nur in Tunneln oder unter Bahnhofshallen verwendet werden, wo die Wärmeschwankungen nicht so groß sind. Auf freier Strecke sind 9 oder 12, höchstens 15 Meter zulässig. Würde man eine genügende Wärmelücke nicht offen lassen, so daß im Sommer die Schienenenden fest aneinander stießen, bevor die ganze Dehnung ausgeführt ist, dann wären die Züge größten Gefahren ausgesetzt, da durch Werfen der Schienen Spurerweiterungen oder Spurverengungen eintreten würden, die beide gleich bedrohlich sind.

Die Kraft der Wärmespannung in einem Körper ist außerordentlich groß. Wir haben kein Mittel, ihre Wirkung in einem offen daliegenden Gleis anders aufzuheben, als daß wir ihr durch Fugen freies Spiel lassen. Anders liegen die Verhältnisse bei ganz eingebetteten Geleisen, wie z. B. denen der Straßenbahnen. Diese sind dem Sonnenbrand zum größten Teil entzogen, da nur der Kopf frei liegt, und außerdem verhindert die allseitig fest anliegende Straßenbettung auch die Verwerfung. Straßenbahnschienen können darum zu einem einheitlichen Strang zusammengeschweißt werden, was leider beim Eisenbahngleis unmöglich ist. So ist nicht darauf zu rechnen, daß hier der Stoß, dieser böse Feind, jemals verschwinden wird.

Die Verbindung der Schienen mit den Schwellen durch Befestigungsmittel, auch Kleineisenzeug genannt, erfolgt heute nicht mehr, wie zu Beginn, nur am Stoß, sondern wird bei jeder Schwelle sorgfältig vorgenommen. Das Einschieben von Unterlagsplatten zwischen Schiene und Schwelle ist heute in Deutschland allgemein üblich. Durch Abschrägung der eisernen Plattenoberfläche wird in bequemster Weise die Neigung der Schiene nach innen mit einem Abfall der Kopffläche von 1: 20, entsprechend der kegelförmigen Abdrehung des Radkranzes, hergestellt. Die feste Platte bewirkt ferner dadurch, daß alle in die Schwelle zu treibenden Befestigungsmittel durch sie hindurchgehen, deren Zusammenwirken gegen Verschiebungen durch die auftretenden Kräfte. Ferner wird durch die Unterlagsplatte die Auflagefläche der Schiene auf der Schwelle vergrößert, und so das Einpressen des Schienenfußes am wirksamsten verhindert. In Frankreich, wo man Unterlagsplatten weniger gern verwendet, müssen die Schwellen unter dem Schienenfuß ausgearbeitet, gedechselt, werden, was erfahrungsgemäß ihre Lebensdauer durch Begünstigung der Fäulnis verkürzt.

 

Durch Versuche von Sarrazin ist festgestellt worden, daß innerhalb sechs Jahren von Schwellen mit Unterlagsplatten 91,8 vom Hundert wegen mechanischer Zerstörung und nur 8,2 vom Hundert wegen fortgeschrittener Fäulnis ausgewechselt werden mußten. Durch die Anwendung der Platten erhöhte sich die Lebensdauer der Eichenschwellen von 10,3 auf 16,6 Jahre, der Kiefernschwellen von 12,8 auf 15,5 Jahre.

Auf Stoßwellen verwendet man in Preußen heute stets Hakenplatten, bei denen der außen um den Schienenstoß greifende Haken die sonst notwendigen anderen Befestigungsmittel ersetzt. Bei Mittelschwellen kommen noch häufig offene Unterlagsplatten zur Verwendung.

Die eigentliche Verbindung zwischen Schienen und Schwellen geschieht durch eingetriebene Hakennägel oder durch Schrauben. In durchgehenden Geleisen werden jetzt ausschließlich Schrauben verwendet, bei leichterem Oberbau in Nebengeleisen überwiegen mehr die Nägel. Diese können natürlich durch die unvermeidliche Auf- und Abwärtsbewegung der Schiene beim Befahren leichter ausgezogen werden als Schrauben, da ihre Verbindung mit dem Schwellenholz weniger innig ist. Man gibt den Nägeln am Kopf seitliche, über den Schaft hinausragende Verbreiterungen, damit sie mit einfachen Klauen bequem ausgezogen werden können. Der heutige Schienennagel hat keine Spitze, sondern besitzt eine Schneide, die mit der Schienenerstreckung gleichgerichtet ist. Sie durchschneidet beim Einschlagen die Holzfasern, ohne ein Spalten der Schwelle zu bewirken, was als das vorteilhafteste erkannt ist.

Die Schwellenschrauben haben am Kopf einen quadratischen oder rechteckigen Aufsatz, auf den der Schlüssel für das Eindrehen gesteckt werden kann. Über dem Aufsatz befindet sich eine Spitze, manchmal auch ein Buchstabe, deren Beschaffenheit nach fertig eingezogener Schraube deutlich erkennen läßt, ob diese nicht etwa aus Bequemlichkeit mit Hammerschlägen eingetrieben worden ist. Das darf natürlich nicht geschehen, weil das für die Festigkeit so wichtige Einlagern des Gewindes in das Schwellenholz sonst nicht stattfinden würde. Damit die Schrauben nicht nur einseitig auf dem Schienenfuß aufsitzen, damit also die Unterfläche des Kopfs ein vollständiges Auflager findet, werden häufig noch Klemmplatten auf die Unterlagsscheibe gelegt. Auf diese Weise wird ein Verbiegen des Schraubenschafts verhindert.

Die Zahl der Verbindungsmittel bei eisernen Schwellen ist durch eine Erfindung von Haarmann stark verringert worden. Er schuf eine Unterlagsplatte mit einem Haken an der Unterfläche, der unter die Decke der eisernen Schwelle greift und jede weitere Befestigung der Schiene an der Außenseite unnötig macht. Innen wird die Schiene durch einen Bolzen mit Mutter festgemacht, dessen rechteckiges Schaftende durch eine gleichfalls rechteckige Öffnung in der Schwellendecke hindurchgesteckt und dann um 90 Grad gedreht wird, so daß die breite Ausladung des Schafts nunmehr über die schmale Erstreckung der Öffnung hinübergreift und sich gegen die Unterseite der Schwellendecke legt. Die Muttern müssen gegen das Losrütteln durch besondere Mittel gesichert werden.

Die Ausrüstung des Stoßes selbst beruht heute auf dem Gedanken, die an dieser Stelle unterbrochene Schiene durch einen anderen Träger zu ersetzen. Nach vielerlei Versuchen hat sich als die am wenigsten schlechte Bauart das kräftige Einklemmen von Laschen zwischen Kopf und Fuß, ohne Berührung des Stegs auf beiden Seiten der Schiene erwiesen. Eine wirkliche Lösung dieser so wichtigen Aufgabe wird, wie wir ja alle an unserm eigenen Körper oft genug erfahren haben, auch hierdurch nicht erreicht. Es ist nun einmal nicht zu verhindern, daß die Schiene, von der das Rad beim Fahren abläuft, etwas nach unten sinkt. Der Kopf der Auflaufschiene ragt dadurch etwas höher empor, und ein geradezu furchtbarer Schlag eines jeden Rads gegen den Kopf der Auflaufschiene ist, insbesondere bei schnell fahrenden Zügen, unvermeidlich. Hierbei wird die Auflaufschiene nicht nur wie durch einen Hammer jählings nach unten geschlagen, sondern sie erhält auch einen Stoß in wagerechter Richtung, der sie vorwärts treiben will. Dadurch entsteht das so gefürchtete Wandern der Schienen in der Fahrtrichtung, das aber auch durch die Bewegung der Räder auf der glatten Lauffläche verursacht wird, insbesondere an Stellen, wo häufig gebremst werden muß.

Die Stoßausrüstung hat also eine doppelte Aufgabe: sie muß den Übergang von einem Schienenstück zum andern möglichst glatt gestalten und das Wandern der Schienen verhindern, das leicht zu Spurveränderungen und zu einer gefährlichen Aufhebung der Wärmelücken führen kann. In den Laschen selbst sind die Löcher zur Aufnahme der Bolzen länglich geformt, damit die Wärmeausdehnung der Schienen ohne Verbiegung der Bolzen stattfinden kann.

Daß heute allgemein der schwebende Stoß, also eine Lage der Stoßlücke zwischen zwei Schwellen, nicht auf einer von diesen, üblich ist, wurde bereits in Abschnitt 5 erwähnt. Die Vorzüge dieser Anordnung gegenüber dem ruhenden Stoß sind folgende. Bei guter Laschenverbindung wird die Last durch zwei Schwellen auf die Bettung übertragen statt durch eine. Das hammerartige Niederschlagen des Kopfs der Auflaufschiene trifft keine Schwelle unmittelbar. Die Laschenverbindung kann wegen der größeren wirksamen Längserstreckung weit kräftiger ausgebildet werden.

Um die sehr unangenehmen Wirkungen des Stoßes zu verringern, hat man auch versucht, der Fuge selbst eine andere Form zu geben als die, welche bisher ausschließlich erwähnt worden ist. So hat die preußische Staatsbahn eine Zeitlang den Versuch gemacht, den stumpfen Stoß durch den Blattstoß zu ersetzen. Hierbei ist jedes Schienenende rechteckig ausgeklinkt, und die eine Schiene überblattet die andere um ein mehr oder weniger langes Stück. Dieser von Haarmann im Anschluß an einen Gedanken Stephensons erfundene Blattstoß, der lange Zeit auf der Berliner Stadtbahn lag, wo es ganz besonders auf Verminderung des Geräuschs der fahrenden Züge ankommt, hat sich jedoch, wie alle ähnlichen Bauarten, im Betrieb nicht bewährt. Zunächst scheint es bestechend, daß das Rad bereits von der Auflaufschiene getragen wird, während es noch auf der Ablaufschiene ruht. Eine günstige Wirkung trat jedoch nur bei neuen Stößen und bei nicht abgenutzten Radreifen ein. Später zeigten sich Sprünge in der Längsfuge, die das Schlagen der Räder noch verstärkten.

Auch die Stoßfanglasche hat zu keinem durchgreifenden Erfolg geführt. Hierbei wird die Schiene an der Außenseite rechteckig ausgeklinkt, und der Laschenkopf steigt bis zur Fahrhöhe auf, so daß er das Rad über die Stoßfuge hinwegleiten kann. Trotz mancherlei Ausbildungsarten haben sich wesentliche Vorteile nicht ergeben.

Der untere Teil der auf dargestellten Lasche ist das wirksamste Mittel zur Verhinderung des Schienenwanderns. Die Bewegung der Schienen wird dadurch, daß die Lasche die Klemmplatten umfaßt, auf die Unterlagsplatten und Schwellen übertragen und durch diese unter Zuhilfenahme der Bettung aufgehalten. Damit möglichst viele Schwellen bei der Verhinderung des Wanderns mitwirken, stellt man hier und da Längsverbindungen zwischen mehreren Schwellen durch darüber genagelte Hölzer oder eiserne Bänder her. Da, wo ein besonders starkes Wandern der Schienen zu befürchten ist wie bei Gefällen, die mit stark gebremsten Rädern befahren werden, befestigt man auch an anderen Stellen der Schienen als am Stoß besondere Stemmlaschen, die an den Schienensteg geschraubt sind und die Klemmplatten oder die Haken der Unterlagsplatten umschließen. Ferner gelangen Keilklemmen zur Anwendung, die sich unter dem Schienenfuß gegen die Schwellen legen.

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