Friedrich Wilhelm Nietzsche – Gesammelte Werke

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Die Begrüssung

Am spä­ten Nach­mit­tage war es erst, dass Za­ra­thustra, nach lan­gem um­sons­ti­gen Su­chen und Um­her­strei­fen, wie­der zu sei­ner Höh­le heim­kam. Als er aber der­sel­ben ge­gen­über­stand, nicht zwan­zig Schritt mehr von ihr fer­ne, da ge­sch­ah das, was er jetzt am we­nigs­ten er­war­te­te: von Neu­em hör­te er den gros­sen Noth­schrei. Und, er­staun­lich! diess Mal kam der­sel­bi­ge aus sei­ner eig­nen Höh­le. Es war aber ein lan­ger viel­fäl­ti­ger selt­sa­mer Schrei, und Za­ra­thustra un­ter­schied deut­lich, dass er sich aus vie­len Stim­men zu­sam­men­set­ze: moch­te er schon, aus der Fer­ne ge­hört, gleich dem Schrei aus ei­nem ein­zi­gen Mun­de klin­gen.

Da sprang Za­ra­thustra auf sei­ne Höh­le zu, und sie­he! wel­ches Schau­spiel er­war­te­te ihn erst nach die­sem Hör­spie­le! Denn da sas­sen sie al­le­sammt bei ein­an­der, an de­nen er des Tags vor­über­ge­gan­gen war: der Kö­nig zur Rech­ten und der Kö­nig zur Lin­ken, der alte Zau­be­rer, der Papst, der frei­wil­li­ge Bett­ler, der Schat­ten, der Ge­wis­sen­haf­te des Geis­tes, der trau­ri­ge Wahr­sa­ger und der Esel; der häss­lichs­te Mensch aber hat­te sich eine Kro­ne auf­ge­setzt und zwei Pur­pur­gür­tel um­ge­schlun­gen, – denn er lieb­te es, gleich al­len Häss­li­chen, sich zu ver­klei­den und schön zu thun. In­mit­ten aber die­ser be­trüb­ten Ge­sell­schaft stand der Ad­ler Za­ra­thustra’s, ge­sträubt und un­ru­hig, denn er soll­te auf zu Vie­les ant­wor­ten, wo­für sein Stolz kei­ne Ant­wort hat­te; die klu­ge Schlan­ge aber hieng um sei­nen Hals.

Diess Al­les schau­te Za­ra­thustra mit gros­ser Ver­wun­de­rung; dann prüf­te er je­den Ein­zel­nen sei­ner Gäs­te mit leut­se­li­ger Neu­gier­de, las ihre See­len ab und wun­der­te sich von Neu­em. In­zwi­schen hat­ten sich die Ver­sam­mel­ten von ih­ren Sit­zen er­ho­ben und war­te­ten mit Ehr­furcht, dass Za­ra­thustra re­den wer­de. Za­ra­thustra aber sprach also:

»Ihr Verzwei­feln­den! Ihr Wun­der­li­chen! Ich hör­te also eu­ren Noth­schrei? Und nun weiss ich auch, wo Der zu su­chen ist, den ich um­sonst heu­te such­te: der hö­he­re Men­sch – :

– in mei­ner eig­nen Höh­le sitzt er, der hö­he­re Mensch! Aber was wun­de­re ich mich! Habe ich ihn nicht sel­ber zu mir ge­lockt durch Ho­nig-Op­fer und lis­ti­ge Lock­ru­fe mei­nes Glücks?

Doch dünkt mir, ihr taugt euch schlecht zur Ge­sell­schaft, ihr macht ein­an­der das Herz un­wirsch, ihr Noth­schrei­en­den, wenn ihr hier bei­sam­men sitzt? Es muss erst Ei­ner kom­men,

– Ei­ner, der euch wie­der la­chen macht, ein gu­ter fröh­li­cher Hans­wurst, ein Tän­zer und Wind und Wild­fang, ir­gend ein al­ter Narr: – was dün­ket euch?

Ver­gebt mir doch, ihr Verzwei­feln­den, dass ich vor euch mit solch klei­nen Wor­ten rede, un­wür­dig, wahr­lich!, sol­cher Gäs­te! Aber ihr er­rat­het nicht, was mein Herz muthwil­lig macht: –

– ihr sel­ber thut es und euer An­blick, ver­gebt es mir! Je­der näm­lich wird muthig, der ei­nem Verzwei­feln­den zu­schaut. Ei­nem Verzwei­feln­den zu­zu­spre­chen – dazu dünkt sich je­der stark ge­nug.

Mir sel­ber gabt ihr die­se Kraft, – eine gute Gabe, mei­ne ho­hen Gäs­te! Ein recht­schaff­nes Gast­ge­schenk! Wohl­an, so zürnt nun nicht, dass ich euch auch vom Mei­ni­gen an­bie­te.

Diess hier ist mein Reich und mei­ne Herr­schaft: was aber mein ist, für die­sen Abend und die­se Nacht soll es euer sein. Mei­ne Thie­re sol­len euch die­nen: mei­ne Höh­le sei eure Ru­he­statt!

Bei mir zu Heim-und-Hau­se soll Kei­ner ver­zwei­feln, in mei­nem Re­vie­re schüt­ze ich je­den vor sei­nen wil­den Thie­ren. Und das ist das Ers­te, was ich euch an­bie­te: Si­cher­heit!

Das Zwei­te aber ist: mein klei­ner Fin­ger. Und habt ihr den erst, so nehmt nur noch die gan­ze Hand, wohl­an! und das Herz dazu! Will­kom­men hier, will­kom­men, mei­ne Gast­freun­de!«

Also sprach Za­ra­thustra und lach­te vor Lie­be und Bos­heit. Nach die­ser Be­grüs­sung ver­neig­ten sich sei­ne Gäs­te aber­mals und schwie­gen ehr­fürch­tig; der Kö­nig zur Rech­ten aber ant­wor­te­te ihm in ih­rem Na­men.

»Da­ran, oh Za­ra­thustra, wie du uns Hand und Gruss bo­test, er­ken­nen wir dich als Za­ra­thustra. Du er­nied­rig­test dich vor uns; fast tha­test du un­se­rer Ehr­furcht wehe –:

– wer aber ver­moch­te gleich dir sich mit sol­chem Stol­ze zu er­nied­ri­gen? Das rich­tet uns sel­ber auf, ein Lab­sal ist es un­sern Au­gen und Her­zen.

Diess al­lein nur zu schaun, stie­gen gern wir auf hö­he­re Ber­ge, als die­ser Berg ist. Als Schau­lus­ti­ge näm­lich ka­men wir, wir woll­ten sehn, was trü­be Au­gen hell macht.

Und sie­he, schon ist es vor­bei mit al­lem un­sern Noth­schrein. Schon steht Sinn und Herz uns of­fen und ist ent­zückt. We­nig fehlt: und un­ser Muth wird muthwil­lig.

Nichts, oh Za­ra­thustra, wächst Er­freu­li­che­res auf Er­den, als ein ho­her star­ker Wil­le: der ist ihr schöns­tes Ge­wächs. Eine gan­ze Land­schaft er­quickt sich an Ei­nem sol­chen Bau­me.

Der Pi­nie ver­glei­che ich, wer gleich dir, oh Za­ra­thustra, auf­wächst: lang, schwei­gend, hart, al­lein, bes­ten bieg­sams­ten Hol­zes, herr­lich, –

– zu­letzt aber hin­aus­grei­fend mit star­ken grü­nen Äs­ten nach sei­ner Herr­schaft, star­ke Fra­gen fra­gend vor Win­den und Wet­tern und was im­mer auf Hö­hen hei­misch ist,

– stär­ker ant­wor­tend, ein Be­feh­len­der, ein Sieg­rei­cher: oh wer soll­te nicht, sol­che Ge­wäch­se zu schaun, auf hohe Ber­ge stei­gen?

Dei­nes Bau­mes hier, oh Za­ra­thustra, er­labt sich auch der Düs­te­re, der Miss­rat­he­ne, an dei­nem An­bli­cke wird auch der Un­stä­te si­cher und heilt sein Herz.

Und wahr­lich, zu dei­nem Ber­ge und Bau­me rich­ten sich heu­te vie­le Au­gen; eine gros­se Sehn­sucht hat sich auf­ge­macht, und Man­che lern­ten fra­gen: wer ist Za­ra­thustra?

Und wem du je­mals dein Lied und dei­nen Ho­nig in’s Ohr ge­träu­felt: alle die Ver­steck­ten, die Ein­sied­ler, die Zwei­sied­ler spra­chen mit Ei­nem Male zu ih­rem Her­zen:

»Lebt Za­ra­thustra noch? Es lohnt sich nicht mehr zu le­ben, Al­les ist gleich, Al­les ist um­sonst: oder – wir müs­sen mit Za­ra­thustra le­ben!«

»Wa­rum kommt er nicht, der sich so lan­ge an­kün­dig­te? also fra­gen Vie­le; ver­schlang ihn die Ein­sam­keit? Oder sol­len wir wohl zu ihm kom­men?«

Nun ge­schieht’s, dass die Ein­sam­keit sel­ber mür­be wird und zer­bricht, ei­nem Gra­be gleich, das zer­bricht und sei­ne Tod­ten nicht mehr hal­ten kann. Über­all sieht man Au­fer­stan­de­ne.

Nun stei­gen und stei­gen die Wel­len um dei­nen Berg, oh Za­ra­thustra. Und wie hoch auch dei­ne Höhe ist, Vie­le müs­sen zu dir hin­auf; dein Na­chen soll nicht lan­ge mehr im Trock­nen sit­zen.

Und dass wir Verzwei­feln­de jetzt in dei­ne Höh­le ka­men und schon nicht mehr ver­zwei­feln: ein Wahr- und Vor­zei­chen ist es nur, da­von, dass Bes­se­re zu dir un­ter­wegs sind, –

– denn er sel­ber ist zu dir un­ter­wegs, der letz­te Rest Got­tes un­ter Men­schen, das ist: alle die Men­schen der gros­sen Sehn­sucht, des gros­sen Ekels, des gros­sen Über­drus­ses,

– Alle, die nicht le­ben wol­len, oder sie ler­nen wie­der hof­fen – oder sie ler­nen von dir, oh Za­ra­thustra, die gros­se Hoff­nung!«

Also sprach der Kö­nig zur Rech­ten und er­griff die Hand Za­ra­thustra’s, um sie zu küs­sen; aber Za­ra­thustra wehr­te sei­ner Ver­eh­rung und trat er­schreckt zu­rück, schwei­gend und plötz­lich wie in wei­te Fer­nen ent­flie­hend. Nach ei­ner klei­nen Wei­le aber war er schon wie­der bei sei­nen Gäs­ten, blick­te sie mit hel­len, prü­fen­den Au­gen an und sprach:

Mei­ne Gäs­te, ihr hö­he­ren Men­schen, ich will deutsch und deut­lich mit euch re­den. Nicht auf euch war­te­te ich hier in die­sen Ber­gen.

(»Deutsch und deut­lich? Dass Gott er­barm! sag­te hier der Kö­nig zur Lin­ken, bei Sei­te; man merkt, er kennt die lie­ben Deut­schen nicht, die­ser Wei­se aus dem Mor­gen­lan­de!

Aber er meint »deutsch und derb« – wohl­an! Das ist heut­zu­ta­ge noch nicht der schlimms­te Ge­schmack!«)

»Ihr mögt wahr­lich ins­ge­sammt hö­he­re Men­schen sein, fuhr Za­ra­thustra fort: aber für mich – seid ihr nicht hoch und stark ge­nug.

Für mich, das heisst: für das Uner­bitt­li­che, das in mir schweigt, aber nicht im­mer schwei­gen wird. Und ge­hört ihr zu mir, so doch nicht als mein rech­ter Arm.

Wer näm­lich sel­ber auf kran­ken und zar­ten Bei­nen steht, gleich euch, der will vor Al­lem, ob er’s weiss oder sich ver­birgt: dass er ge­schont wer­de.

Mei­ne Arme und mei­ne Bei­ne aber scho­ne ich nicht, ich scho­ne mei­ne Krie­ger nicht: wie­so könn­tet ihr zu mei­nem Krie­ge tau­gen?

Mit euch ver­dür­be ich mir je­den Sieg noch. Und Man­cher von euch fie­le schon um, wenn er nur den lau­ten Schall mei­ner Trom­meln hör­te.

Auch seid ihr mir nicht schön ge­nug und wohl­ge­bo­ren. Ich brau­che rei­ne glat­te Spie­gel für mei­ne Leh­ren; auf eu­rer Ober­flä­che ver­zerrt sich noch mein eig­nes Bild­niss.

Eure Schul­tern drückt man­che Last, man­che Erin­ne­rung; manch schlim­mer Zwerg hockt in eu­ren Win­keln. Es giebt ver­bor­ge­nen Pö­bel auch in euch.

Und seid ihr auch hoch und hö­he­rer Art: Vie­les an euch ist krumm und miss­ge­stalt. Da ist kein Schmied in der Welt, der euch mir zu­recht und ge­ra­de schlü­ge.

Ihr seid nur Brücken: mö­gen Hö­he­re auf euch hin­über schrei­ten! Ihr be­deu­tet Stu­fen: so zürnt Dem nicht, der über euch hin­weg in sei­ne Höhe steigt!

Aus eu­rem Sa­men mag auch mir einst ein äch­ter Sohn und voll­kom­me­ner Erbe wach­sen: aber das ist fer­ne. Ihr sel­ber seid Die nicht, wel­chen mein Erb­gut und Name zu­ge­hört.

 

Nicht auf euch war­te ich hier in die­sen Ber­gen, nicht mit euch darf ich zum letz­ten Male nie­der­stei­gen. Als Vor­zei­chen kamt ihr mir nur, dass schon Hö­he­re zu mir un­ter­wegs sind, –

nicht die Men­schen der gros­sen Sehn­sucht, des gros­sen Ekels, des gros­sen Über­drus­ses und Das, was ihr den Über­rest Got­tes nann­tet.

– Nein! Nein! Drei Mal Nein! Auf An­de­re war­te ich hier in die­sen Ber­gen und will mei­nen Fuss nicht ohne sie von dan­nen he­ben,

– auf Hö­he­re, Stär­ke­re, Sieg­haf­te­re, Wohl­ge­muthe­re, Sol­che, die recht­wink­lig ge­baut sind an Leib und See­le: la­chen­de Lö­wen müs­sen kom­men!

Oh, mei­ne Gast­freun­de, ihr Wun­der­li­chen, – hör­tet ihr noch Nichts von mei­nen Kin­dern? Und dass sie zu mir un­ter­wegs sind?

Sprecht mir doch von mei­nen Gär­ten, von mei­nen glück­se­li­gen In­seln, von mei­ner neu­en schö­nen Art, – warum sprecht ihr mir nicht da­von?

Diess Gast­ge­schenk er­bit­te ich mir von eu­rer Lie­be, dass ihr mir von mei­nen Kin­dern sprecht. Hier­zu bin ich reich, hier­zu ward ich arm: was gab ich nicht hin,

– was gäbe ich nicht hin, dass ich Eins hät­te: die­se Kin­der, die­se le­ben­di­ge Pflan­zung, die­se Le­bens­bäu­me mei­nes Wil­lens und mei­ner höchs­ten Hoff­nung!«

Also sprach Za­ra­thustra und hielt plötz­lich inne in sei­ner Rede: denn ihn über­fiel sei­ne Sehn­sucht, und er schloss Au­gen und Mund vor der Be­we­gung sei­nes Her­zens. Und auch alle sei­ne Gäs­te schwie­gen und stan­den still und be­stürzt: nur dass der alte Wahr­sa­ger mit Hän­den und Ge­bär­den Zei­chen gab.

Das Abendmahl

An die­ser Stel­le näm­lich un­ter­brach der Wahr­sa­ger die Be­grüs­sung Za­ra­thustra’s und sei­ner Gäs­te: er dräng­te sich vor, wie Ei­ner, der kei­ne Zeit zu ver­lie­ren hat, fass­te die Hand Za­ra­thustra’s und rief: »Aber Za­ra­thustra!

Eins ist nothwen­di­ger als das And­re, so re­dest du sel­ber: wohl­an, Eins ist mir jetzt nothwen­di­ger als al­les An­de­re.

Ein Wort zur rech­ten Zeit: hast du mich nicht zum Mah­le ein­ge­la­den? Und hier sind vie­le, die lan­ge Wege mach­ten. Du willst uns doch nicht mit Re­den ab­spei­sen?

Auch ge­dach­tet ihr Alle mir schon zu viel des Er­frie­rens, Er­trin­kens, Er­sti­ckens und and­rer Lei­bes-Noth­stän­de: Kei­ner aber ge­dach­te mei­nes Noth­stan­des, näm­lich des Ver­hun­gerns –«

(Also sprach der Wahr­sa­ger; wie die Thie­re Za­ra­thustra’s aber die­se Wor­te hör­ten, lie­fen sie vor Schre­cken da­von. Denn sie sa­hen, dass was sie auch am Tage heim­ge­bracht hat­ten, nicht ge­nug sein wer­de, den Ei­nen Wahr­sa­ger zu stop­fen.)

»Ein­ge­rech­net das Ver­durs­ten, fuhr der Wahr­sa­ger fort. Und ob ich schon Was­ser hier plät­schern höre, gleich Re­den der Weis­heit, näm­lich reich­lich und un­er­müd­lich: ich – will Wein!

Nicht je­der ist gleich Za­ra­thustra ein ge­bor­ner Was­ser­trin­ker. Was­ser taugt auch nicht für Müde und Ver­welk­te: uns ge­bührt Wein, – der erst giebt plötz­li­ches Ge­ne­sen und steg­rei­fe Ge­sund­heit!«

Bei die­ser Ge­le­gen­heit, da der Wahr­sa­ger nach Wein be­gehr­te, ge­sch­ah es, dass auch der Kö­nig zur Lin­ken, der Schweig­sa­me, ein­mal zu Wor­te kam. »Für Wein, sprach er, tru­gen wir Sor­ge, ich sammt mei­nem Bru­der, dem Kö­ni­ge zur Rech­ten: wir ha­ben Weins ge­nug, – einen gan­zen Esel voll. So fehlt Nichts als Brod.«

»Brod? ent­geg­ne­te Za­ra­thustra und lach­te dazu. Nur ge­ra­de Brod ha­ben Ein­sied­ler nicht. Aber der Mensch lebt nicht vom Brod al­lein, son­dern auch vom Flei­sche gu­ter Läm­mer, de­ren ich zwei habe:

Die soll man ge­schwin­de schlach­ten und wür­zig, mit Sal­bei, zu­be­rei­ten: so lie­be ich’s. Und auch an Wur­zeln und Früch­ten fehlt es nicht, gut ge­nug selbst für Le­cker- und Schmecker­lin­ge; noch an Nüs­sen und an­dern Räth­seln zum Knacken.

Also wol­len wir in Kür­ze eine gute Mahl­zeit ma­chen. Wer aber mit es­sen will, muss auch mit Hand an­le­gen, auch die Kö­ni­ge. Bei Za­ra­thustra näm­lich darf auch ein Kö­nig Koch sein.«

Mit die­sem Vor­schla­ge war Al­len nach dem Her­zen ge­re­det: nur dass der frei­wil­li­ge Bett­ler sich ge­gen Fleisch und Wein und Wür­zen sträub­te.

»Nun hört mir doch die­sen Schlem­mer Za­ra­thustra! sag­te er scherz­haft: geht man dazu in Höh­len und Hoch-Ge­bir­ge, dass man sol­che Mahl­zei­ten macht?

Nun frei­lich ver­ste­he ich, was er einst uns lehr­te: »Ge­lobt sei die klei­ne Ar­muth!« Und warum er die Bett­ler ab­schaf­fen will.«

»Sei gu­ter Din­ge, ant­wor­te­te ihm Za­ra­thustra, wie ich es bin. Blei­be bei dei­ner Sit­te, du Treff­li­cher, mal­me dei­ne Kör­ner, trink dein Was­ser, lobe dei­ne Kü­che: wenn sie dich nur fröh­lich macht!

Ich bin ein Ge­setz nur für die Mei­nen, ich bin kein Ge­setz für Alle. Wer aber zu mir ge­hört, der muss von star­ken Kno­chen sein, auch von leich­ten Füs­sen, –

– lus­tig zu Krie­gen und Fes­ten, kein Düs­ter­ling, kein Traum-Hans, be­reit zum Schwers­ten wie zu sei­nem Fes­te, ge­sund und heil.

Das Bes­te ge­hört den Mei­nen und mir; und giebt man’s uns nicht, so neh­men wir’s: – die bes­te Nah­rung, den reins­ten Him­mel, die stärks­ten Ge­dan­ken, die schöns­ten Fraun!« –

Also sprach Za­ra­thustra; der Kö­nig zur Rech­ten aber ent­geg­ne­te: »Selt­sam! Ver­nahm man je sol­che klu­ge Din­ge aus dem Mun­de ei­nes Wei­sen?

Und wahr­lich, das ist das Selt­sams­te an ei­nem Wei­sen, wenn er zu al­le­dem auch noch klug und kein Esel ist.«

Also sprach der Kö­nig zur Rech­ten und wun­der­te sich; der Esel aber sag­te zu sei­ner Rede mit bö­sem Wil­len I-A. Diess aber war der An­fang von je­ner lan­gen Mahl­zeit, wel­che »das Abend­mahl« in den His­to­ri­en-Bü­chern ge­nannt wird. Bei der­sel­ben aber wur­de von nichts An­de­rem ge­re­det als vom hö­he­ren Men­schen.

Vom höheren Menschen
1

Als ich zum ers­ten Male zu den Men­schen kam, da that ich die Ein­sied­ler-Thor­heit, die gros­se Thor­heit: ich stell­te mich auf den Markt.

Und als ich zu Al­len re­de­te, re­de­te ich zu Kei­nem. Des Abends aber wa­ren Seil­tän­zer mei­ne Ge­nos­sen, und Leich­na­me; und ich sel­ber fast ein Leich­nam.

Mit dem neu­en Mor­gen aber kam mir eine neue Wahr­heit: da lern­te ich spre­chen »Was geht mich Markt und Pö­bel und Pö­bel-Lärm und lan­ge Pö­bel-Ohren an!«

Ihr hö­he­ren Men­schen, Diess lernt von mir: auf dem Markt glaubt Nie­mand an hö­he­re Men­schen. Und wollt ihr dort re­den, wohl­an! Der Pö­bel aber blin­zelt »wir sind Alle gleich.«

»Ihr hö­he­ren Men­schen, – so blin­zelt der Pö­bel – es giebt kei­ne hö­he­ren Men­schen, wir sind Alle gleich, Mensch ist Mensch, vor Gott – sind wir Alle gleich!«

Vor Gott! – Nun aber starb die­ser Gott. Vor dem Pö­bel aber wol­len wir nicht gleich sein. Ihr hö­he­ren Men­schen, geht weg vom Markt!

2

Vor Gott! – Nun aber starb die­ser Gott! Ihr hö­he­ren Men­schen, die­ser Gott war eure gröss­te Ge­fahr.

Seit er im Gra­be liegt, seid ihr erst wie­der auf­er­stan­den. Nun erst kommt der gros­se Mit­tag, nun erst wird der hö­he­re Mensch – Herr!

Ver­stan­det ihr diess Wort, oh mei­ne Brü­der? Ihr seid er­schreckt: wird eu­ren Her­zen schwind­lig? Klafft euch hier der Ab­grund? Kläfft euch hier der Höl­len­hund?

Wohl­an! Wohl­auf! Ihr hö­he­ren Men­schen! Nun erst kreisst der Berg der Men­schen-Zu­kunft. Gott starb: nun wol­len wir, – dass der Über­mensch lebe.

3

Die Sorg­lichs­ten fra­gen heu­te: »wie bleibt der Mensch er­hal­ten?« Za­ra­thustra aber fragt als der Ein­zi­ge und Ers­te: »wie wird der Mensch über­wun­den

Der Über­mensch liegt mir am Her­zen, der ist mein Ers­tes und Ein­zi­ges, – und nicht der Mensch: nicht der Nächs­te, nicht der Ärms­te, nicht der Lei­dends­te, nicht der Bes­te –

Oh mei­ne Brü­der, was ich lie­ben kann am Men­schen, das ist, dass er ein Über­gang ist und ein Un­ter­gang. Und auch an euch ist vie­les, das mich lie­ben und hof­fen macht.

Dass ihr ver­ach­te­tet, ihr hö­he­ren Men­schen, das macht mich hof­fen. Die gros­sen Ver­ach­ten­den näm­lich sind die gros­sen Ver­eh­ren­den.

Dass ihr ver­zwei­fel­tet, dar­an ist Viel zu eh­ren. Denn ihr lern­tet nicht, wie ihr euch er­gä­bet, ihr lern­tet die klei­nen Klug­hei­ten nicht.

Heu­te näm­lich wur­den die klei­nen Leu­te Herr: die pre­di­gen Alle Er­ge­bung und Be­schei­dung und Klug­heit und Fleiss und Rück­sicht und das lan­ge Und-so-wei­ter der klei­nen Tu­gen­den.

Was von Weibs­art ist, was von Knechts­art stammt und son­der­lich der Pö­bel-Misch­masch: Das will nun Herr wer­den al­les Men­schen-Schick­sals – oh Ekel! Ekel! Ekel!

Das frägt und frägt und wird nicht müde: »Wie er­hält sich der Mensch, am bes­ten, am längs­ten, am an­ge­nehms­ten?« Da­mit – sind sie die Herrn von Heu­te.

Die­se Herrn von Heu­te über­win­det mir, oh mei­ne Brü­der, – die­se klei­nen Leu­te: die sind des Über­menschen gröss­te Ge­fahr!

»Über­win­det mir, ihr hö­he­ren Men­schen, die klei­nen Tu­gen­den, die klei­nen Klug­hei­ten, die Sand­korn-Rück­sich­ten, den Amei­sen-Krib­bel­kram, das er­bärm­li­che Be­ha­gen, das »Glück der Meis­ten« –!

Und lie­ber ver­zwei­felt, als dass ihr euch er­gebt. Und, wahr­lich, ich lie­be euch da­für, dass ihr heu­te nicht zu le­ben wisst, ihr hö­he­ren Men­schen! So näm­lich lebt ih­r – am Bes­ten!

4

Habt ihr Muth, oh mei­ne Brü­der? Seid ihr herz­haft? Nicht Muth vor Zeu­gen, son­dern Ein­sied­ler- und Ad­ler-Muth, dem auch kein Gott mehr zu­sieht?

Kal­te See­len, Maul­thie­re, Blin­de, Trun­ke­ne heis­sen mir nicht herz­haft. Herz hat, wer Furcht kennt, aber Furcht zwing­t, er den Ab­grund sieht, aber mit Stolz.

Wer den Ab­grund sieht, aber mit Ad­lers-Au­gen, wer mit Ad­lers-Kral­len den Ab­grund fasst: Der hat Muth. – –

5

»Der Mensch ist böse« – so spra­chen mir zum Tros­te alle Wei­ses­ten. Ach, wenn es heu­te nur noch wahr ist! Denn das Böse ist des Men­schen bes­te Kraft.

»Der Mensch muss bes­ser und bö­ser wer­den« – so leh­re ich. Das Bö­ses­te ist nö­thig zu des Über­menschen Bes­tem.

Das moch­te gut sein für je­nen Pre­di­ger der klei­nen Leu­te, dass er litt und trug an des Men­schen Sün­de. Ich aber er­freue mich der gros­sen Sün­de als mei­nes gros­sen Tros­tes. –

Sol­ches ist aber nicht für lan­ge Ohren ge­sagt. Jed­we­des Wort ge­hört auch nicht in je­des Maul. Das sind fei­ne fer­ne Din­ge: nach de­nen sol­len nicht Schafs-Klau­en grei­fen!