Moses, der Wanderer

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Nach drei knappen Stunden Wanderung, die immer beschwerlicher wurde, nicht etwa, dass der Weg schwierig war, sondern wegen der sommerlichen Hitze, die die beiden Wanderer quälte, tauchten am Horizont mehrere Hütten auf.

„Das ist das Dorf, in dem Amram mit seiner Frau wohnt, die du suchst, Herr, wir haben jetzt noch kurze Zeit zu gehen, dann hast du dein Ziel erreicht.“

Und wirklich, nach einigen Minuten kamen sie der Siedlung näher, die sich von der, die sie gestern besucht hatten, kaum unterschied. Auch hier staubige Wege zwischen den Hütten, mit Abfall bedeckt, nur, dass dahinter im Osten eine Hügelkette auftauchte, die die weite Ebene des Nildeltas abschloss. Auch hier standen überall Hebräer untätig herum, die die Ankömmlinge neugierig und feindselig musterten.

„Was machst du denn hier, Reuben, mit diesem vornehmen Ägypter im Schlepptau?“ Ein Hebräer, der Moses Begleiter mit heiserer Stimme angesprochen hatte, schob sich aus der Gruppe Dörfler, die Moses und Reuben von weitem hatten kommen sehen. Moses besah den Sprecher genauer und erschrak. Sowohl der Stimme nach als auch der gebeugten Gestalt nach war das ein alter Mann, aber das Gesicht und die Haut waren jung, der Mann konnte kaum älter als zwanzig Jahre sein, wirkte aber verbraucht, krank und zerlumpt.

„Höre, Hebräer“, Moses sprach nun selbst, „ich bin Ägypter aus Theben, von Pharao gesandt, um mich um die Bauten hier im Norden zu kümmern. Ich suche einen Hebräer, der in diesem Dorf leben soll, Amram geheißen, und seine Frau Jochebed, kannst du mir sagen, wo ich sie finde?“

„Von Pharo geschickt, welche Ehre", wieder die heisere Stimme und der Hebräer machte eine höhnische Verbeugung, „und du glaubst, wenn du Pharao sagst, verraten wir unsere Stammesgenossen? Nein, Ägypter, suche du deine Leute anderswo, aber nicht hier im Dorf.“

„Simon, hältst du wieder deine aufrührerischen Reden? Dein Vater sucht dich, geh nach Hause.“

Eine angenehme Frauenstimme kam aus der zweiten Hütte am Eingang des Dorfes und nun erschien in der Türöffnung eine ältere Frau, gebeugt, mit einem runzligen Gesicht, vielleicht vierzig Jahre alt und richtete den Blick ihrer klaren Augen fest auf Simon. „Immer führst du hier das große Wort, anstatt deinem Vater zu helfen, der nicht mehr allein für seine Nahrung sorgen kann. Geh, kümmere dich um deinen Vater, ich kann mich schon selbst beschützen.“

Zu Moses Erstaunen senkte Simon den Blick vor der Frau und ging langsamen Schrittes davon.

„Du suchst Amram, Fremder?“, richtete die Frau nun das Wort an Moses, der stumm stand und sie anblickte, „ich bin Jochebed, seine Frau, was willst du von meinem Mann?“

„Jochebed“, flüsterte Moses, noch immer in den Anblick der Frau versunken, „Jochebed“, und seine Augen belebten sich, „ich bin Moses, dein Sohn, aus Theben gekommen, um nach dir zu sehen.“

„Moses? Du bist Moses, den ich großgezogen habe, bis er fünf war und in den Palast Pharaos gerufen wurde? Moses“, fragte sie noch einmal und kam dann in die ausgebreiteten Arme Moses gelaufen, lief wie ein junges Mädchen, Tränen in den Augen und umschlang den jungen Mann, den sie als ihr damaliges Baby nicht wieder erkannte, so riesenhaft groß war er geworden und so standen sie, umarmten einander und hielten sich voneinander ab, um sich zu betrachten und fielen sich wieder in den Arm. Endlich löste sich Jochebed von ihrem Sohn und sah ihn an.

„Wie vornehm du geworden bist, in Leinen gekleidet, mit der Perücke, und sieh mich dagegen an, in Lumpen, ich bin arm, wir sind arm, Amram muss draußen bei den Ägyptern arbeiten, er wird erst heute Abend wieder kommen, aber bis dahin bist du mein Gast, komm in meine Hütte.“

„Erst lass mich diesem Reuben danken, der mich zu dir geführt hat, Reuben, hier hast du den versprochenen Lohn in Gold, aber hier ist noch ein Papyrus, den ich dir gebe, darin habe ich geschrieben, dass die Ägypter dir Schutz gewähren, wenn du Schutz brauchst, das kann dir helfen.“

Reuben bedankte sich überschwänglich. In dem bürokratischen Ägypten war ein Schutzbrief, den ein Edler ausgestellt hatte, unbezahlbar und so hatte Moses seinen Führer übermäßig bezahlt.

Moses folgte nun Jochebed in ihre Hütte, die ebenso armselig ausgestattet war wie die anderen, Stroh lag auf dem Boden, auf den sie sich setzten und der Becher, in dem Jochebed ihm Wasser bot, war aus einfachstem Ton gebrannt. Moses aber schien das Wasser wie der köstlichste Wein, immerzu sah er seine Pflegemutter an.

„Moses, mein Moses“, begann sie, „erzähle mir, wie ist es dir ergangen?“

Und Moses erzählte, wie er aufgewachsen war am Hofe, und wie ihn seine Kameraden nie als vollwertig anerkannt hatten, weil er zur Hälfte Hebräer sei.

„Wieso zur Hälfte Hebräer?“, fragte Jochebed erstaunt.

„Es geht das Gerücht, und in Theben gilt es als sicher, dass die Tochter des Pharao einen Hebräer verführt haben soll und ich die Frucht dieser Liebesnacht bin. Ich gelte daher als direkter Abkömmling Pharaos, aber eben nur zur Hälfte.“

„Was für ein Unsinn!“ rief die Frau aus und schlug die Hände zusammen, „ein vollkommener Unsinn. Willst du wissen, wo du herkommst, auch wenn deine Herkunft dann nicht mehr so edel ist?“

Moses nickte. „Deshalb bin ich hergekommen, um zu erfahren, wer ich bin“, sagte er nur.

„Hör zu, Moses, du bist mein Sohn und Amram, mein Mann, ist dein Vater.“

„Aber warum bin ich dann nicht bei dir geblieben?“, fragte Moses zurück.

„Das waren schwere Zeiten damals“, antwortete sie, „Wir Hebräer sind im Gegensatz zu den Ägyptern schon immer und auch jetzt noch sehr fruchtbar. Die ägyptischen Könige und vor allem dieser, der jetzt Pharao ist, Sethos, haben uns schon immer mit größtem Misstrauen beobachtet. Trotz der Sklavenarbeit, die wir hier tun müssen, haben wir uns immer mehr vermehrt. Ich wohnte damals mit Amram in Theben und Amram schuftete an der Baustelle für Pharaos Grab, als ich schwanger wurde. Pharao war ärgerlich und ängstlich, weil die Hebräer immer mehr wurden und befahl, dass alle neugeborenen hebräischen Jungen sofort nach der Geburt den Behörden ausgeliefert und dann ertränkt wurden. Was sollte ich tun? Ich verheimlichte also meine Schwangerschaft vor allen, auch den Hebräern, und als meine Zeit gekommen war, bist du geboren, Moses, mein Junge. Eigentlich hätte ich dich nach Pharaos Befehl den Behörden ausliefern sollen, aber ich hatte mir schon vorher vorgenommen, das sollte auf keinen Fall geschehen. Ich hatte einen Schilfkorb geflochten und den mit Pech abgedichtet, das Amram mir von der Baustelle mitgebracht hatte. Ich wusste, wann und wo Pharaos Tochter im Nil zu baden pflegte. Ihr wollte ich dich anvertrauen, sie war eine Frau, sie würde einem Neugeborenen nicht widerstehen können, so hatte ich überlegt.

Und so legte ich dich in den Schilfkorb und diesen zwischen die Papyruspflanzen, die am Nil da standen, wo die Königstochter baden ging. Ich versteckte mich in der Nähe und beobachtete, was geschah.

Tatsächlich, Pharaos Tochter Thermutis fand dich, sie zeigte dich ihren Gespielen und an ihren Freudenrufen erkannte ich, dass sie von dir bezaubert waren, wie ich das erwartet hatte. Thermutis nahm dich auf und reichte dich an eine Dienerin weiter.

Das nächste, was ich am Nachmittag hörte, war, dass am Hofe eine Amme gesucht wurde, also meldete ich mich und bekam dich so wieder in meine Obhut. Nun war alles gut und du warst gerettet.“

Moses hatte mit wachsender Spannung und atemlos zugehört.

„Dann bin ich also dein Sohn und nicht ein Königssohn?“ Seine Stimmung schwankte zwischen Enttäuschung, dass er nicht mit Pharao verwandt war und der Begeisterung, dass er nun seine wahre Herkunft kannte.

„Nein“, bestätigte Jochebed, „kein Königssohn.“

„Aber warum bin ich dann am Hof aufgewachsen und nicht bei dir geblieben?“, fragte Moses.

Eine Wolke der Trauer überschattete Jochebeds Gesicht.

„Wir lebten zufrieden zwei Jahre als kleine Familie, Amram, ich und du, unser Sohn. Nach zwei Jahren hob Pharao das Gebot auf, die hebräischen Jungen zu töten, er sah, dass dieser Befehl keinen Erfolg hatte, stattdessen wurden wir noch mehr zur Fronarbeit gezwungen. Schon mit vierzehn mussten die Jungen zur Arbeit, kaum einer wurde älter als dreißig, sie starben bei der Arbeit.

Nach drei Jahren bekam ich einen weiteren Sohn, Aaron, und drei Jahre später eine Tochter, Miriam, und wir lebten jetzt als eine kleine glückliche Familie, Eltern und drei Kinder, die Unterdrückung in Theben war nicht so grausam wie hier, in Pitom. Aber wir waren rechtlos und zu sorglos gewesen. Nach fünf Jahren klopften die Palastbeamten an unsere Tür und forderten unseren Erstgeborenen, dich, Moses, für die Pharaotochter heraus.

„Thermutis begehrt ihren Sohn zurück“, sagten sie, „damit er am Hofe aufwachse und in den Lehren der Ägypter unterrichtet werde.“

Was sollten wir tun? Einerseits wollten wir dich keinesfalls weggeben, konnten aber gegen die schwerbewaffneten Beamten nichts ausrichten. Und dann war es ja für dich eine große Chance, am Hofe unterrichtet zu werden. Wenigstens einer von uns würde Mitglied der Herrscherfamilie sein, und wer weiß, sagten wir, was daraus noch für Segen erwachsen konnte. Und so gaben wir dich schweren Herzens her.“

Jochebed schwieg und sah ihren Sohn unverwandt an, der die Augen zu Boden gerichtet hatte. Tränen tropften aus seinen Augen, Tränen der Trauer um seine Vergangenheit, um seine zweifelhafte Herkunft, die jetzt nicht mehr zweifelhaft war, aber eben doch wieder, war er doch Hebräer, Angehöriger dieses verachteten und rechtlosen Volkes.

„Und wieso seid ihr aus Theben weggezogen und hierher, nach Pitom, gekommen?“, fragte er tonlos.

„Zwei Monate später erschienen wieder die bewaffneten Palastbeamten an unserer Tür, verbannten uns nach Pitom und verurteilten Amram zur Zwangsarbeit hier. Wir konnten nicht einmal das Notwendigste packen und wurden, Vater, Mutter, Sohn und Tochter, auf ein Schiff geladen und hierher gebracht, ohne die geringste Möglichkeit der Gegenwehr.“

 

Wieder entstand eine lange Pause.

„Also habe ich einen Bruder und vor allem, eine Schwester?“, fragte Moses dann leise.

„Ja, dein Bruder ist jetzt ungefähr vierzehn, wir erwarten jeden Tag, dass er zur Arbeit geholt wird von Dan, unserem Dorfältesten, der die arbeitsfähigen Männer den Ägyptern melden muss. Miriam ist zehn, sie spielt draußen mit ihren Freundinnen.“

Der Tag verging wie im Flug mit Erzählen und Zuhören, bis am Abend Amram nach Hause kam, ächzend zog er sich den

Schurz aus, den er bei der Arbeit getragen hatte und wusch sich mit Sand, aus dem der Hüttenboden bestand.

„So, du bist also unser Sohn Moses, den sie uns in Theben weggenommen haben und dem wir verdanken, dass wir hier in Pitom schuften müssen“, sagte er finster und sah den jungen Mann vor sich scharf an, „und woher wissen wir, dass er wirklich unser Moses ist und nicht ein ägyptischer Spion?“, fragte er seine Frau, „bei uns gibt es Gerüchte, dass die täglichen Leistungen erhöht werden sollen, unser Vorarbeiter Dan hat auf dem Rückweg davon gesprochen. Hier dieser Moses kann von den Ägyptern geschickt sein, um unsere Erschöpfung am Abend zu überprüfen.“

Moses wandte sich gekränkt ab, aber er verstand, was Amram meinte und konnte ihm schlecht erwidern. Aber Jochebed stand ihm bei.

„Amram", ermahnte sie ihren Mann, „sieh ihn doch genau an, sieht so ein Ägypter aus? Haben sie so helle Haut wie dieser da? Und spricht nicht dein Herz für ihn, wie meines sofort für ihn Partei ergriffen hat? Er sieht doch tatsächlich wie unser Sohn aus, sieh nur die Ähnlichkeit mit Aaron.“

Aber Amram ließ sich nur schwer beruhigen und überzeugen, Moses verabschiedete sich, weil es schon dunkel war und er nach Pitom zurück wollte.

„Bestimmt komme ich morgen wieder, und wir reden weiter, ich will auch meine Geschwister kennen lernen.“

Mit diesen Worten und einer Umarmung für Jochebed ging er ruhigen Schrittes davon in die Dunkelheit, die ihn bald verschluckte, unbemerkt von Simon und seiner Bande, die kurz danach bei Amram nach ihm fragten und die Antwort erhielten, nein, Moses sei schon vor Stunden gegangen.

7.

Der Pharao, Sethos, war ein eindrucksvoller Mann trotz seiner, wie er glaubte, ungefähr siebzig Jahre. Groß, stattlich von Gestalt, mit einem kantigen Gesicht mit der markanten Adlernase, die ihn und seine Vorfahren auszeichnete und mit den scharfen Augen, die seine Autorität, die Autorität des Pharao, bis in die letzte Ecke seines Palastes brachten, bis zu dem kleinsten Höfling, der sich dort unsichtbar zu machen versuchte.

Alle hatte Sethos zusammen gerufen, seinen gesamten Hof, alle Würdenträger, aus allen Teilen des Reiches die höchsten Verwaltungsbeamten, und als Mitglied des Hofes hatte auch Moses den Eilbefehl erhalten, sich sofort von Pitom auf den Weg zu machen zu der großen Hofversammlung, die der König einberufen hatte. Er solle, so lautete der Befehl, nicht säumen auf der Fahrt, sondern die schnellsten Ruderer auf das schnellste Schiff befehlen und mit diesem Schiff auf dem schnellsten Wegen, ohne auch bei Nacht anzuhalten, nach Theben fahren. Erstaunt hatte Ptoma ihm den Befehl verkündet, enttäuscht auch, dass er selbst nicht eingeladen war, er hatte seine Stellung für bedeutender gehalten, aber den Befehl an Moses, diesen Hebräerfreund, hatte er ohne Zögern weitergegeben.

Moses wusste, wenn ein solcher Dringlichkeitsbefehl erging, dann war Zögern nicht angebracht, man hatte später Pharao für jede Minute Verspätung Rechenschaft abzulegen und Pharao konnte sehr unangenehm sein, wenn man seinen Befehlen nicht sofort Folge leistete.

„Welches ist deine schnellste Barke?“, hatte er Ptoma gefragt und Ptoma, ebenso an Gehorsam gegenüber dem König gewöhnt, hatte ihm sein eigenes Schiff zur Verfügung gestellt, mit seinem besten Kapitän, dem einzigen, wie er betonte, der sich trauen würde, den Nil auch bei Nacht zu befahren, den einzigen auch, der seine Mannschaft bewegen konnte, nachts weiter zu fahren.

War das eine Fahrt gewesen!

Der Kapitän des Schiffes, ein Mann namens Sesostris, war unverzüglich aufgebrochen, der Wind stand mit ihnen, aber der Strom gegen sie. Und so hatte Sesostris befohlen, den ganzen Weg lang trotz der gesetzten Segel zu rudern, er hatte drei Mannschaften Ruderer, die ununterbrochen, tags und nachts, arbeiteten. Des Nachts hallte der Fluss wider von dem Klatschen der Ruder auf dem Wasser und von dem flüsternden Gesang der Mannschaften, die alle Götter anflehten, ihnen das Vergehen, nachts auf dem Strom zu fahren, zu verzeihen. Moses stand mit Sesostris auf dem Achterdeck der Barke, beide lauschten dem Gesang der Ruderer und den Zurufen der beiden Männer, die vorne am Bug Ausguck hielten und den Kapitän warnten, wenn ein Hindernis auf dem Fluss auftauchte. Gab es kein Hindernis, riefen sie dennoch ununterbrochen ihr melodisches „Strom frei!“. Moses hatte Sesostris gefragt, warum sie ihre Stimmen nicht schonten, wenn es kein Hindernis gebe. Sesostris hatte gelacht, „damit sie mir nicht einschlafen und ich jederzeit kontrollieren kann, ob sie noch wach sind.“

Und tatsächlich, die Reise, für die Moses auf der Hinfahrt mehrere Wochen gebraucht hatte, war in wenigen Tagen beendet. Wohlbehalten kam das Schiff in Theben an, wo Sesostris an der Anlegestelle sofort vier Sänftenträger für Moses herbeigerufen hatte, die ihn in den Palast bringen sollten, nicht ohne dass Moses den tapferen Kapitän reichlich belohnt hatte.

Drei Tage später stand Moses in dem Audienzsaal des Palastes und bewunderte die großen Herren, die sich hier auf Befehl des Pharao eingefunden hatten.

Prächtig war der Saal, in dem die Zweihundert Edlen versammelt waren, geschmückt. An den Wänden zwischen massiven Rahmen aus purem Gold die Reliefs, die den König in jungen Jahren zeigten, wie er als Kronprinz erst die Hethiter am Rande der Nordgrenze besiegt hatte und dann an die Südgrenze geeilt war, um die Libyer, die den König schwach und den Kronprinzen weit im Norden wähnten und gegen Ägypten aufstanden, zu zähmen. Hier war eine Szene zu sehen, wie der junge Sethos vom Streitwagen herunterstieg und die Rücken der besiegten Feinde als Stufen benutzte, dort war er dargestellt, wie er drei Feinde im Kampf enthauptete und ein drittes Relief zeigte ihn mit einer Delegation der Hethiter, die ihm ihre Abgaben entrichteten. Zwischen diesen Kunstwerken Statuen der Götter, die die Ägypter verehrten, Amun vor allen Dingen, vor dessen Bild die Hohepriester dieses Gottes sich versammelt hatten, fast ebenso reichhaltig gekleidet wie der König selbst, aber eben nur fast. Der Schmuck vor allem fehlte ihnen, den Pharao angelegt hatte, die königliche Brustplatte aus reinem Gold, sehr schwer, aber Pharao trug sie trotz seiner Jahre ungebeugt, und die Königsschlange, die unter seiner Krone über der Stirn thronte.

„Herrschaften, Freunde und Beamte“, begrüßte Pharao Sethos die Anwesenden mit mächtiger Stimme und sofort endete das Gesumme der verschiedenen Gespräche, die vorher den Raum erfüllt hatten, „meine Hohe Gemahlin Tuja, die ihr hier neben mir seht, hat mit mir gemeinsam beschlossen, euch heute zu dieser Versammlung zu laden. Seht, ich vollende in diesen Tagen meine siebzig Jahre, fünfzehn davon war es mir vergönnt, dieses Reich zu beherrschen. Ich fühle, wie mein Leben in mir schwächer wird“, er bezähmte mit ausgebreiteten Armen den gemurmelten Protest der Versammelten, „euer Widerspruch ehrt mich, aber ich werde binnen Kurzem zur Sonne werden wie meine Väter und mich zu ihnen in der Sonne versammeln. Meine Grabstelle ist in diesen Tagen zu Ende errichtet worden und es ist an mir, euch meine Wünsche mitzuteilen, die ihr erfüllen sollt, wenn ich abberufen worden bin.

Zuerst und vor allem: Ich habe zwei Söhne, hier, mein ältester Sohn, Chenar und meinen Zweitgeborenen, Ramses, beide zu meiner Linken wie die Hohe Gemahlin zu meiner Rechten steht. Dieser hier, Ramses, wird mein Nachfolger werden, er, Ramses, wird das Reich groß machen und zusammen halten, ihm, Ramses, schwört am Ende dieses Tages Treue und den gleichen Gehorsam wie mir, dem Vater. Chenar wird seinen Bruder in allem unterstützen. Dafür wird mein zweiter Sohn, Ramses, ihm dienen wie euch allen, indem er dem Reich dient. Beide meine Söhne billigen diese Entschluss, den ich lange und wohl erwogen und mit den Göttern erörtert habe.“

Sethos machte eine Pause, die niemand zu unterbrechen wagte. Seine Söhne standen neben ihm, Ramses, der jüngere, ihm am nächsten. Ramses war, ebenso wie sein Vater, eine stattliche Erscheinung, er trug die Hakennase seiner Vorfahren und blickte stolz und hochaufgerichtet pfeilgerade in die Menge. Schwarz die Augen und kräftig der Körper, wie er sich unter dem Schurz und dem Überwurf abzeichnete. Kein Muskel regte sich in seinem Gesicht.

Neben ihm sein Bruder Chenar war kleiner und schmächtiger als Ramses, er hatte die gerade Nase seiner Mutter geerbt, mit eng zusammenstehenden Augen unter jetzt gerunzelter Stirn, die Brauen finster zusammen gezogen, ließ er Zweifel bei den Versammelten aufkommen, ob er wirklich so einverstanden war mit der Entscheidung zugunsten seines Bruders, wie Pharao soeben verkündet hatte.

Nacheinander rief Sethos nun die Hofbeamten auf und mahnte sie zur Treue gegen Pharao, gegen sich selbst, so lange er regierte und gegen seinen Nachfolger, Ramses.

„Moses“, rief plötzlich die energische Stimme des Königs, und Moses schrak auf, er hatte sich in der Betrachtung von Ramses und Chenar vertieft, der jüngere von ihnen war etwa fünfzehn Jahre älter als er selbst und hatte überlegt, ob die Entscheidung des Pharao für den Jüngeren Nachfolgekämpfe auslösen könnte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Pharao in dieser Versammlung das Wort an ihn richten würde.

„Moses", und der falkenartige Blick des Königs traf ihn, „auch du wirst diesem meinem Sohn Ramses treu dienen, hast du verstanden? Auch du wirst der Sache der Ägypter treu dienen und dich weniger um die Sache dieses Hebräervolkes sorgen, um das du dich Berichten zufolge in letzter Zeit zu viel gekümmert hast. Du wirst daher, wenn mein Sohn Ramses meinem Rat folgt, dich der Bautätigkeit meines Sohnes widmen und Aufseher der Bauten des Pharao im Norden werden. Sei meinem Sohn treu und diene den Göttern Ägyptens, dann wirst du dein Glück machen.“

Und Moses schwor, Ramses treu zu dienen, wenn er Pharao würde, ebenso treu, wie er Sethos, dem Pharao gedient habe und diene.