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Reise über Indien und China nach Japan.

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Fahrt von Penang nach Singapore

Als ich wieder behufs Weiterfahrt auf den Dampfer Marie Valerie zurückkam, erwartete mich auf dem Schiffe ein eigenartig interessanter Anblick. Es waren nämlich in der Zwischenzeit 240 Kulis (Arbeiter), meist chinesischen, dann aber auch malayischen und siamesischen Stammes, zur Ueberfahrt nach Hongkong auf das Schiff gekommen und dort auf dem Hinterdecke untergebracht worden. Jeder der Leute hatte sein ganzes Hab und Gut bei sich, darunter auch eine fein gearbeitete Strohmatte, welche ihm zur Ruhestätte diente. Alle diese Völkerschaften auf einem kleinen Raume vereint, und ihr ganzes fremdartiges Leben und Treiben boten ein höchst anregendes Bild. Nachdem sich dieser ganze Menschenknäuel in kleineren Gruppen zu drei bis vier Personen aufgelöst, die Bagage theils aufgehängt, theils nebeneinander geschichtet, und sich auf die Matten niedergelassen hatte, errichtete der chinesische Koch, den der Lloydcapitän zur Verpflegung dieser Leute aufnehmen liess, mit seinen Gehilfen auf dem Deck seine primitive Küche. Hierauf trat eine verhältnissmässig volle Ruhe ein, die auch späterhin, während der ganzen weiteren Fahrt nicht mehr gestört wurde. Die Leute plauderten zum grossen Theile fortgesetzt und lebhaft, aber nur mit halblauter Stimme unter einander, Andere lasen für sich oder lasen ihrem Nachbarn in gedämpftem Tone vor, wieder Andere spielten Karten, und zwar die Chinesen mit ihren eigenartigen, schmalen, verschiedenfärbig beschriebenen Karten, und manche sah man rauchen oder essen. Der Koch bereitete indessen in grossen Kesseln die Hauptnahrung, den Reis, dann gab es in verschiedenen kleineren Casserollen allerlei Gemüse, Bohnen, Salat, Wurzeln und dergleichen, ebenso die mitgebrachten Mehlnudeln und die hier so allgemein beliebte Currysauce; auch hatte er stets heisses Wasser vorräthig, mit welchem sich die Leute selbst in ihren mitgenommenen buntbemalten Kannen Thee bereiteten. Die einzelnen Gruppen erhielten hierauf in ihre nett geflochtenen Körbe, in welche sie ihre Porzellanteller und Schüsseln, sowie die kleinen Theekannen eingepackt hatten, eine grosse Portion Reis, und in die anderen Schüsseln Gemüse sammt dem dazu gehörigen Gemüsewasser, Mehlnudeln und Currysauce. Dann stellten die Leute die Speisen in guter Ordnung vor sich auf die Strohmatten hin, und das Mahl begann. Hierbei hielt der Essende seinen Teller in der linken Hand und schob mit zwei kleinen runden Stäbchen, welche er in die rechte Hand genommen hatte, den Reis in kleinen Partien in den Mund, dazwischen griff er auch mit den Stäbchen, wie mit einer Zange, nach dem Gemüse und den vorher in die Sauce eingetauchten Mehlnudeln, und verzehrte dieselben auf die gleiche Weise. Das Essen ging ruhig und langsam vor sich. Nach dem Mahle bereiteten sich die Leute in ihren hübschen Theekannen den Thee und tranken denselben aus ihren eigenen, kleinen, bemalten und henkellosen Schalen. Diese Mahlzeiten wiederholen sich täglich dreimal, und wird stets reichlich aufgetragen; die Speisen sehen gut aus und sollen schmackhaft zubereitet sein. Der chinesische Koch erhält dafür per Person und per Tag ungefähr 7-8 kr. und findet dabei sein gutes Auskommen.

Wie gesagt, sehen die Leute im Allgemeinen sehr gut genährt aus, und nur Jene, welche dem abscheulichen Laster des Opiumrauchens verfallen sind, haben eine fahle Gesichtsfarbe und sind so abgemagert, dass sie wirklich nur aus Haut und Knochen bestehen. Die Opiumraucher führen ihren ganzen Opiumrauchapparat stets mit sich, welcher ganz gleichartig in einem langen, braunlackirten Kistchen mit Messingschloss verwahrt ist. Ich besah den Inhalt eines solchen Kistchens. Derselbe besteht aus einer lackirten Holzdose, einem breiten Pfeifenrohre, einem Lämpchen mit dazu gehörigem Windglase und Dochte, einem Drahtstifte, und endlich aus einer Dose mit dem harzartigen Opium. Späterhin beobachtete ich einen Opiumraucher bei seiner diesbezüglichen Beschäftigung. Er nahm zuerst auf den Drahtstift ein erbsengrosses Stück Opium, liess dasselbe an dem, vom Windglase geschützten Lämpchen weich werden und schmierte dann diese Masse in den am Pfeifenrohre befindlichen kleinen Napf hinein, worauf er das Rohr so hielt, dass eben nur der mit Opium gefüllte Napf über die Flamme zu stehen kam. War dies Alles geschehen, so führte er das andere Rohrende zum Munde und zog beim Verbrennen des Opiums den Rauch ein, wobei er nur zwei Rauchzüge machen konnte. Dieselbe Procedur wiederholte sich sechs- bis siebenmal, bis der Raucher in einen todtähnlichen, ekelerregenden Zustand verfiel. Es ist wahrhaft grauenvoll, dass die anderen Leute, ja selbst die dem Opiumraucher im Leben oft nächststehenden Personen, ruhig und theilnahmslos zusehen, wie ein Mitmensch, mitunter ein naher Verwandter, wissentlich und freventlich an Geist und Körper sich schädigt und sich selbst mordet.

Ausser den besprochenen 240 Arbeitern sind aber in Penang auch sechs Passagiere erster Classe eingeschifft worden, und zwar sämmtliche mit dem Bestimmungsorte nach Singapore. Darunter befindet sich ein sehr behäbiger eingeborener Engländer mit seiner sehr stattlichen Frau, einer geborenen Französin, welcher Besitzer einer Tabakanpflanzung bei Deli in Sumatra ist. Derselbe erzählte mir später, dass er circa 20 °Chinesen ständig in Arbeit habe, und dass er jedem derselben ein Stück Land und den betreffenden Samen übergebe und jeden nach der Fechsung die Tabakblätter je nach deren Güte bezahle. Alle dortigen Pflanzer sollen, seiner Mittheilung zufolge, dieselbe Gepflogenheit der Arbeitszahlung haben, weil auf diese Art die Tabakpflanzen, welche sehr viel Arbeit, speciell durch die Reinhaltung von Käfern und Raupen erfordern, unbedingt am besten gedeihen. Er sendet dann seine Tabakblätter, welche sich, wie er anführte, hauptsächlich als Deckblatt sehr gut eignen, zum Verkaufe nach Holland. Auf mein Befragen bestätigte mir dieser eingeborene Engländer auch, dass in Sumatra in den dichtbewaldeten und unwegsamen nordöstlichen Theilen von Atjin, speciell in den Schluchten des 3400 Meter hohen Abong-Abong-Gebirges, noch heutzutage Kannibalen hausen, welche wohl von den Holländern fortwährend mit grossem Aufwande von Soldaten und Geld bekriegt werden, aber weder gefangen und civilisirt, noch vernichtet werden können.

Die Nacht vom 11. zum 12. März war fürchterlich heiss. Ich wachte nach Mitternacht auf und fand, dass meine Finger so verrunzelt waren, als ob ich dieselben stundenlang in warmem Wasser gebadet hätte. Ich liess mich aber deshalb in meiner Ruhe nicht stören, kehrte den Kopfpolster um und schlief ungestört weiter. Den andern Tag erzählte man mir, dass später in der Nacht ein heftiges Gewitter losgebrochen sei.

Am Sonntag, den 12. März, war es Morgens ein wenig kühler, aber gegen Mittag stieg die Hitze wieder auf 25° R. im Schatten. Wir fuhren durch den Settlementstreet nach Süden gegen Singapore, begegneten mehreren Dampfern und überholten ein Viermast-Segelschiff, welches in der Signalsprache bekannt gab, dass es deutscher Provenienz und seit 112 Tagen auf der Fahrt sei, dass es von Cardiff im Bristol-Canal, im Westen Englands, komme und nun nach Singapore segle. Es ist doch eine schöne Sache, auch auf dem Meere mit einfachen Mitteln auf so grosse Entfernung mit einander sprechen zu können.

Um 2 Uhr Nachmittag thürmten sich am westlichen Horizonte schwere Wolken auf, ein Sturm erhob sich und kühlte die Luft ab, und wieder kam ein wenig Leben in die durch die Hitze niedergedrückten Reisenden.

Aufenthalt in Singapore

Am 13. März, um 6½ Uhr Früh, steuerten wir gegen Singapore zu. Da mir der Capitän schon Tags zuvor gesagt hatte, dass die Einfahrt zu dieser Stadt selten schön sei, so weilte ich um diese Zeit bereits auf dem Decke. Wir fuhren mit dem Dampfer wie durch einen weit ausgedehnten Park. Zu beiden Seiten liegen die Ufer ziemlich nahe unserem Schiffe und sind mit Bäumen, Gesträuchern und Gräsern bis an den Wasserspiegel dicht bewachsen. Dieses üppige, bis zum Wasser reichende Grün, durch welches der Dampfer sich durchschlängelt, bietet in der That eine wunderschöne Scenerie. Plötzlich öffnet sich dieser grünumfasste Wasserweg und Singapore wird sichtbar.

In Singapore habe ich den südlichsten Theil meiner Reise erreicht; die Stadt liegt etwas mehr als 1 Grad nördlich des Aequators und befindet sich 47 Grad oder 5200 km südlicher als die Stadt Wien, der wir in der Zeit um sechs Stunden voraus sind. Die Strecke, welche das Dampfschiff von Triest nach Singapore zurücklegte, beträgt 12.800 km, und jene, die uns noch von Kobe in Japan trennt, beläuft sich auf 5800 km.

Nach bewerkstelligter Landung des Schiffes nahm ich mir einen dort üblichen einspännigen Wagen, für den halben Tag nach der Taxe von 2 Dollars = 2 fl. 40 kr., und fuhr vorerst in den ausser der Stadt befindlichen botanischen Garten. Auch hier gab es, wie in Penang, grosse, den grünen Teppichen gleichende Grasflächen, hohe Bäume mit mächtigen schönen Blüten in Orange, Lila, Zinnober u. s. w., buntfarbige Pflanzen und Blumen und in den Gezweigen das lustige Zwitschern der exotischen Vogelwelt; dann besichtigte ich den anschliessenden zoologischen Garten, in dem einzelne Exemplare der im Lande hausenden wilden Thiere untergebracht sind.

Bei meiner Rückkehr in die Stadt suchte ich unseren Honorarconsul, den Grossindustriellen Herrn Brandt auf, der sich hier eines grossen Ansehens erfreut. Derselbe machte mir in gefälliger Weise den Antrag, an der am heutigen Tage stattfindenden Feier der Uebergabe des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone an den Besitzer des dortigen Hôtels »Adelphi«, Herrn Hasner, theilzunehmen. Herr Hasner stammt aus Oesterreich-Ungarn und hat sich viele Verdienste, darunter auch jenes der Bereicherung der Schönbrunner Menagerie, erworben. Ich sagte mit Vergnügen zu, denn es freute mich, im fernen Lande einem Feste beiwohnen zu können, in welchem ein Landsmann von Sr. Majestät unserem Allerhöchsten kaiserlichen und königlichen Herrn decorirt wird.

 

Ich kaufte sodann noch 80 Stück Ansichtskarten sammt Marken, wofür ich 12 Dollars = 14 fl. 40 kr., also beinahe das Doppelte wie bei uns, bezahlen musste.

Um 8 Uhr Abends fand im Hôtel »Adelphi« zur Feier der eben besprochenen Ordensübergabe ein Diner mit zehn Gängen und vorzüglichen Weinen statt. Bei dem Braten erhob sich Herr Brandt, hob die Verdienste des Hôteliers hervor und brachte auf ihn ein Hoch aus; sodann sprach ich einen kurzen, begeisterten Toast auf Se. Majestät unseren allergnädigsten Kaiser und König, welcher eine zündende Wirkung erzielte, und schliesslich stand der Gefeierte auf, konnte aber, vor Rührung übermannt, kaum ein Wort sprechen, und las endlich seine Dankesrede an Herrn Brandt mit bewegter Stimme vor.

Beim Diner waren 12 Personen, Oesterreicher, Ungarn und Reichsdeutsche anwesend, darunter befand sich auch der Magnat Graf F., welcher mit seiner Frau, einer Amerikanerin, seit sechs Jahren auf seinem eigenen Segelschiffe in der Welt herumfährt. Graf F. lud später Herrn Brandt und mich ein, den nächsten Tag sein Schiff zu besehen und daselbst das Tiffin zu nehmen.

Da mir die Seeofficiere dringend abriethen, während meines Aufenthaltes in Singapore in meiner Schiffscabine zu übernachten, weil in den Docks die Cabinen sehr heiss sind und von Mosquitos überfluthet werden, so nahm ich die Einladung unseres Consuls dankbar an, die Zeit über in seiner Villa (Bungalow) zu wohnen. Diese Villa ist inmitten eines grossen Gartens gelegen, sehr luftig gebaut und besitzt viele grosse Zimmer und Säle, welche reizend, theils mit Rohr-, theils mit kunstvoll geschnitzten Möbeln eingerichtet sind. Mir wurde ein Schlafzimmer mit einem Mosquitonetzbette, ein Toilettecabinet und eine Badekammer zugewiesen. Bei dem Umstande aber, als die vor den Zimmern befindlichen Altane ganz offen und die Zimmer selbst nur mit Thüren versehen sind, welche bis zur halben Höhe reichen, war mein Gemach sehr luftig, ja auch zugig.

Am 14. März begab ich mich mit Herrn Brandt zum ersten Pferdehändler in Singapore, weil der Erstere sich zu seinem einzelnen sehr hübschen Schwarzbraun ein zweites, dazu passendes Pferd kaufen wollte. Diese Pferdekaufangelegenheit interessirte mich aus dem Grunde, um einen Vergleich mit den ähnlichen Verhältnissen in der Heimat ziehen zu können. Ich fand bei dem Pferdehändler so ziemlich Alles wie bei den unseren, List und Schlauheit mitinbegriffen; die Preise der Pferde, meist Australier, standen aber höher als in unseren Landen.

Nach der Pferdeschau fuhren wir in den Club, wo ich als Mitglied eingetragen worden war, und wo uns Graf F. bereits erwartete, um uns hierauf gemeinsam in einem sehr hübsch hergerichteten Kahn auf sein Schiff zu bringen. Die ganze Einrichtung des elegant ausgestatteten Seglers fand unseren vollsten Beifall, wie nicht minder das vorzügliche Tiffin, bei dem der Hausherr und die Hausfrau in liebenswürdigster Weise die Honneurs machten.

Nachmittags ging ich nochmals in den Club und von da auf meinen Dampfer, um des Abends nach der Villa Brandt zurückzukehren. Dabei zeigte es sich recht deutlich wieder, dass die dortigen Kutscher gar keine Kenntniss von Strassen und Gebäuden haben. So führte mich mein Kutscher statt in die Villa zu einer englischen Kaserne, und ich verdankte es nur der freundlichen Vermittlung eines englischen Officiers, dass ich bald darauf mein Ziel erreichte.

Am 15. März sah ich mir zeitlich Morgens noch einmal die sehr reiche und schöne Stadt an, in welcher ein auffallend reges Leben herrscht. Singapore ging erst im Jahre 1824 in den englischen Besitz über, und hat seit dieser Zeit einen raschen Aufschwung genommen, so dass es jetzt zu einem der bedeutendsten Handelsplätze Südasiens zählt. Seine Einwohnerzahl mag sich auf 150.000 Seelen belaufen. Die einzelnen Stadttheile sind nach den verschiedenen Nationalitäten von einander getrennt, und in dem europäischen Viertel, in dem ich längere Spaziergänge machte, vereinigt sich der grosse Handelsverkehr. Eine besondere Sehenswürdigkeit der Stadt bildet das Palais des englischen Gouverneurs, welches von einem prächtigen Garten umgeben ist, und bemerkenswerth ist die Gleichmässigkeit des Klimas, welches die Aerzte bewog, diese Stadt das »Paradies der Kinder« zu nennen.

Auf mein Dampfschiff zurückgekehrt, empfing ich daselbst um 1 Uhr Mittag Graf und Gräfin F., sowie unseren Consul, welche ich zu einem Abschieds-Tiffin geladen hatte, und wobei einige Flaschen Chateau Palugyay den ungetheilten Beifall meiner Gäste fanden. Das kleine Fest gestaltete sich bis knapp zur Abfahrtszeit des Dampfers sehr animirt. Um 4½ Uhr Nachmittags lichtete die Marie Valerie die Anker und setzte ihre Fahrt nach Hongkong fort.

Fahrt von Singapore nach Hongkong

Am 16. März hatte unsere Marie Valerie von Singapore den Cours nach Norden genommen, musste gegen Sturm und Wellen ankämpfen, glitt aber dennoch so ruhig dahin, dass von einer Bewegung kaum etwas zu verspüren war. Zu unserer Rechten lag in grosser Entfernung und dem Auge nicht sichtbar die an Kaffee, Thee, Tabak, wie auch an wilden Bestien überaus reiche Insel Borneo, deren grösster Theil den Holländern gehört.

An Passagieren waren in Singapore zugewachsen ein englisches Ehepaar mit einem leider recht viel raunzenden Kinde, ein Reichsdeutscher, vermuthlich aus dem Handelsstande, und ein Mischling von einem Engländer und einer Eingeborenen. Ausserdem verblieb noch das Ehepaar, Besitzer von Tabakpflanzungen, gesundheitshalber auf dem Schiffe.

Am 17. März haben sich Sturm und Wogen noch vermehrt, aber unser braves Schiff überwindet sie mit voller Ruhe und Sicherheit. Die Temperatur ist in Folge unserer Fahrt nach Norden und des anhaltenden Sturmes halber etwas gesunken.

Am 18. März erfreute ich mich an den vortrefflichen Obstgattungen, welche servirt wurden, und zwar frische Ananasscheiben, dann Mangustin, eine apfelgrosse Frucht, deren aussen schwarze und innen rothe Schale einen grossen, weissen, sehr süssen Kern umschliesst, und Cziku, eine der Kartoffel ganz ähnliche Frucht, welche im Innern ein orangefarbiges, sehr saftiges und sehr süsses Fleisch enthält. Die beiden letztgenannten Früchte sind in Europa nicht erhältlich, weil dieselben, ungeachtet verschiedenartiger Versuche, nicht in gutem Zustande dahin gebracht werden können.

Das Wetter hat sich noch immer nicht gebessert, so dass einzelne der Passagiere dadurch viel zu leiden haben; ich selbst werde hiervon gar nicht berührt, und habe meine Freude an dem Schaukeln des Schiffes.

Am Sonntag, den 19. März. Die Gewalt des Sturmes ist heute ein wenig zurückgetreten, doch ist der Seegang ein noch recht hoher; die Temperatur verminderte sich auf 22° R.

Ich habe noch zu berichten, dass in Singapore gegen 40 °Chinesen zum Transporte nach Hongkong auf unserem Dampfer aufgenommen wurden, so dass wir jetzt im Ganzen 60 °Chinesen an Bord haben. Die Dampfschiffe übernehmen ganz gerne diese Transporte, weil dieselben recht einträglich sind, dagegen ist es eine nicht ganz ungefährliche Sache, eine so grosse Anzahl von halbwilden Menschen auf dem Schiffe zu haben. Schon sind Kämpfe zwischen den Chinesen selbst vorgekommen, doch wurden dieselben bald beigelegt. Jetzt hat der Capitän zwei Mann mit geladenen Gewehren und aufgepflanzten Bajonnetten bei den Eingängen zu den Passagierabtheilungen aufgestellt, und ausserdem liess er die Mündung der Dampfspritze gegen die Chinesen richten und die Vorkehrung treffen, dass sich sofort Wasserströme gegen dieselben ergiessen können. Das Verhalten der Chinesen ist indess in mancher Richtung besser, als dasselbe bei einer gleichen Zahl von europäischen Arbeitern sein dürfte; nur ist es widerlich, unter ihnen immerfort Opiumraucher mit ihren verfallenen Gestalten, den verglasten Augen und dem stupiden Gesichtsausdrucke zu sehen.

Heute Nachmittag starb auf dem Schiffe ein solcher Opiumraucher, welcher, nach der Aussage des Doctors, absolut kein Fleisch mehr an sich hatte, an den Folgen dieses abscheulichen Lasters, und es wurde seine Leiche in die Tiefe des Meeres versenkt.

20. März. Der Sturm fährt fort, das Meer aufzuwühlen, doch unser Schiff durchschneidet ruhig die hochgehenden Wellen. Bis heute Mittag legten wir von Singapore aus 1940 km zurück, und sind somit von Hongkong noch ungefähr 760 km entfernt. Wir dürften also vermuthlich den 22. Früh in den Hafen von Hongkong einlaufen.

Am 21. März blieb Alles genau so wie gestern. Dieselbe Heftigkeit des Sturmes, derselbe hohe Wellengang und dieselbe ruhige Bewegung des Schiffes, welches fortgesetzt dem Norden zusteuert.

Hongkong liegt noch innerhalb der tropischen Zone, nämlich im 22. Grad nördlicher Breite, also im gleichen Breitengrade wie Oberägypten. Die Temperatur ist auf 20° R. zurückgegangen.

Aufenthalt in Hongkong

Am 22. März Früh liefen wir in den riesengrossen Hafen von Hongkong ein, in welchem nebst sehr vielen mächtigen Handelsdampfschiffen auch kolossale Kriegsschiffe von England, Deutschland und Italien verankert sind, und in welchem sich ebenfalls unser Kriegsschiff Kaiserin Elisabeth befindet. Dazwischen liegen und segeln unzählig viele grosse und kleine Segelschiffe, und so geniessen wir hier den Anblick eines der bewegtesten Hafenbilder der Welt.

Die Marie Valerie landete nicht vor Hongkong selbst, sondern an dem gegenüber liegenden Strand von Kaulung, von wo aus alle zehn Minuten kleine Dampfer die Verbindung mit Hongkong vermitteln.

Ringsum ragen auf den neben einander liegenden Inseln grosse Berge empor, auf deren höchsten Spitzen die Engländer ein ganzes System von starken und sehr gut armirten Forts errichtet haben. Hongkong liegt auf dem Nordrande einer Insel und wurde von den Engländern »Victoria« benannt, doch wurde diese Benennung niemals landläufig.

Vor dem Breakfast machte ich einen Spaziergang durch Kaulung. Dort sind weiter landeinwärts, auf der Spitze der Hügeln, eine grosse Zahl von sehr schönen Kasernen und von dazu gehörigen, wirklich luxuriösen Gebäuden, die mit Gärten umgeben sind, erbaut, in welchen mehrere Regimenter, darunter auch solche aus Indien, untergebracht sind. Die Truppen, theils in rothen, theils in kaffeebraunen Uniformen, exercirten eben auf den nahe gelegenen Exercierplätzen. Die Strammheit ist jener, wie wir dieselben bei unserem und dem deutschen Militär zu sehen gewohnt sind, nicht gleich, doch betreiben die englischen Soldaten, meist Leute von hohem, kräftigem Wuchse, die Uebungen mit vollem Ernste. Im hohen Grade interessirte es mich, die indischen Regimenter mit ihren schönen, kräftigen, braunen Soldatengestalten bei der Ausbildung zu sehen. Die Engländer verlegten nämlich nach Hongkong mehrere Regimenter, welche sich im nordwestlichen Indien recrutiren, wo das beste indische Soldatenmaterial vorkommt. Aus Chinesen bilden die Engländer keine Regimenter, denn der Chinese ist ein schlechter Soldat. Wohl hat er Gehorsam und Abrichtungsfähigkeit, allein es fehlt ihm jedwede Initiative und es mangelt ihm der Muth.

Wie ausgezeichnet die Engländer für ihre Soldaten sorgen, das zeigt sich in den guten und gesunden Unterkünften, die sie ihnen schaffen, in dem reichlichen Lebensunterhalte, den sie ihnen gewähren; das beweisen die schönen Wohnungen der verheirateten Unterofficiere und die hübschen Villen, welche sie ihren Officieren zur Verfügung stellen, dafür sprechen endlich auch die Schulen für die Soldatenkinder, die Spitäler für die Mannschaft und deren Frauen und Kinder, und die Erbauung von sehr reich decorirten Heidentempeln für die Hindu-Regimenter.

Nach dem Frühstück begab ich mich mit dem Schiffscapitän auf das Kriegsschiff Kaiserin Elisabeth zum Besuch des Commandanten, Linienschiffscapitän B.. Sr. M. – Schiff Kaiserin Elisabeth erhebt nicht den Anspruch, gross zu sein, ja es sieht sogar recht mignon aus neben den nahe liegenden Riesenkriegsschiffen, besonders den zweien der Engländer, aber es ist wunderschön gehalten und gibt doch wenigstens hier, unter den anderen Vertretern der europäischen Länder, ein Zeichen davon, dass auch Oesterreich-Ungarn als Grossmacht existirt und seine Stellung im Völkerconcerte zu wahren weiss. Unser Kriegsschiff soll ein ganzes Jahr hindurch in den asiatischen Gewässern bleiben und wird unter der hervorragenden und zielbewussten Führung seines Commandanten die Vertretung unserer Monarchie gewiss vorzüglich gut besorgen. Bald nach meiner Rückkunft auf der Marie Valerie machte der Linienschiffscapitän B. seinen Gegenbesuch und lud mich für 7 Uhr Abends zum Diner auf das Kriegsschiff ein.

Nun fuhr ich hinüber nach Hongkong und suchte unseren dortigen Consul, Linienschiffslieutenant K., auf. Nach eingenommenem Tiffin in den herrlichen Sälen des Hongkong-Hôtels kaufte ich 50 Stück Ansichtskarten sammt Marken um 7 Dollars, behob in der Chartered Bank for India, China and Japan den Betrag von 400 Dollars und liess mich hierauf in der hier üblichen Weise von Menschen bis zur Drahtseilbahn auf den Peak von Hongkong führen. Bezüglich dieser Fahrt mit Menschen muss ich noch beifügen, dass in Hongkong Leute von Distinction nebst dem ziehenden Kuli noch zwei, den Wagen beiderseits anschiebende und in Dress gekleidete Kulis einherlaufen lassen. Da unser Consul so freundlich war, mir seine Leute zur Disposition zu stellen, so fuhr ich auf diese Weise ebenfalls mit drei Kulis, von denen jeder ein breites schwarzgelbes Bandoulière trug.

 

Die Drahtseilbahn ist ein bewunderungswerther Bau auf den 1800 Fuss hohen Peak von Hongkong, und ideal schön ist die Aussicht während der Fahrt auf den von Schiffen wimmelnden Hafen und auf die weit ausgedehnte Stadt mit ihren grossen Regierungsgebäuden, Palästen und Villen, die sich an der Lehne des Berges erheben. Vom Endpunkte der Bahn aus führt eine prächtig cementirte Strasse in sanft aufsteigenden Serpentinen noch weiter bis zur Spitze. Auf Anrathen des Consuls liess ich mich diese Strecke von Kulis in Tragsesseln hinauftragen. Von oben aus bietet sich ein seltener Rundblick auf die ganze englische Niederlassung dar, und man hat hier wieder Gelegenheit, die grossartigen und erfolgreichen Leistungen der Engländer zu bewundern. Wie auf allen Höhen, so befinden sich auch hier auf dem Peak Befestigungen und in deren Nähe Unterkunftsräume für englische Regimenter. Ja, die englische Regierung hat in der Vorsorge für ihre Truppen hier oben ein weitausgedehntes Hôtel vor Kurzem angekauft und dasselbe zur Umwandlung in eine Kaserne bestimmt.

Die ganze grosse Stadt mit ihren hervorragenden öffentlichen Baulichkeiten, Banken, Hôtels und Verkaufsläden hat vor 50 Jahren noch nicht bestanden. Erst seitdem die Engländer den magnifiquen Freihafen errichteten, erwuchs nach und nach dieser Welthandelsplatz, welcher heute seiner Bedeutung nach der drittgrösste auf unserem Erdballe ist und einen fabelhaften Reichthum repräsentirt.

Je länger ich mich hier in Asien aufhalte und je mehr ich Einblick in das ganze innere Getriebe nehme, um eine desto grössere Anerkennung muss ich einer so fruchtbringenden und zielbewussten Regierung zollen, desto mehr auch würdige ich die englische Verwaltung aller ihrer enormen Gebiete und der verschiedenartigen Völkerschaften, welche sich unter Englands Führung im Allgemeinen zufrieden fühlen. Die Engländer treten gleich mit grossen Werken auf und verwenden hierzu häufig sehr grosse Summen, wohl wissend, dass diese sich in späterer Zeit vielfältig verzinsen werden; sie sorgen in umfassender Weise für die Sanirung der Städte und ganzer Landstriche durch die Anlagen von Wasserleitungen, Canalisirungen, Aufforstungen u. s. w., sie heben auf jede Art den Aufschwung von Industrie und Handel, hauptsächlich durch Anlage von Eisenbahnen und Strassen, sie errichten Gotteshäuser, Schulen und Hospitäler, sie greifen nie in die persönliche Freiheit ihrer Unterthanen ein, insoweit dies nicht das öffentliche Wohl stricte erfordert, sie organisiren die Polizei aus Einheimischen und treffen stets überall die richtigen Vorkehrungen, wie die localen Verhältnisse dieselben nöthig machen. So kam es in früherer Zeit nicht selten vor, dass chinesische Schiffer einzelne Fremde, welche in der Nacht zu ihren Schiffen zurückfahren wollten, umbrachten, ausraubten und in's Wasser warfen, ohne dass man über den Verbleib dieser Leute eine Ahnung hatte. Da ordnete die englische Regierung an, dass die Polizei von jedem Reisenden, welcher in der Nacht auf einem Kahne nach seinem Schiffe zurückfahren will, den Namen und die Nummer des Kahnes in Vormerkung nehmen müsse. Seit dieser Zeit sind dergleichen Ermordungen nicht mehr vorgekommen.

Wenn nun auch die Engländer im Allgemeinen volle Freiheit des Handels und Wandels zulassen, so haben sie doch gewisse Angelegenheiten, welche eine weitgehende Bedeutung haben, ganz in ihre eigene Hand genommen. So ist in Hongkong nur die englische Regierung die ausschliessliche Besitzerin von Kohle, welche sie in ungeheuerer Menge aufspeichert. Auf diese Weise ist die englische Regierung hier Herrin der gesammten Schiffsbewegung und kann im Falle einer kriegerischen Verwicklung sofort die Ausgabe der Kohle ganz oder theilweise einstellen und somit die Function der Dampfschiffe vollkommen beherrschen.

Nach einem kurzen Spaziergange in der Stadt machte ich Toilette und begab mich an Bord unseres Kriegsschiffes Kaiserin Elisabeth, um der an mich ergangenen Einladung nachzukommen. Das Diner war brillant und während desselben spielte die Schiffsmusik heimatliche Weisen. Es machte auf mich eine grosse Impression, mich eben auf jenem Kriegsschiffe zu befinden, auf welchem Se. k. u. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz Ferdinand vor sieben Jahren seine weltberühmte Reise um die Erde gemacht hat, und in denselben Räumen zu weilen, welche Se. k. u. k. Hoheit bewohnte und wo er sein epochales Tagebuch niederschrieb.

Bei dieser Gelegenheit wurde dem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, dass die Oesterreicher und Ungarn im Allgemeinen gar so unbeweglich sind, und dass weder das Vergnügen am Reisen, noch die Lust zur Erforschung fremder Länder, noch das Trachten zur Erweiterung des Handels oder zur Erreichung einer einträglichen Position in anderen Welttheilen ihnen den Antrieb geben, aussereuropäische Reisen zu unternehmen. Eben bei uns, wo das Wissen und Können einen hohen Grad erreicht hat und wo das Heimatland oft gar nicht dazu kommen kann, die Intelligenz Angesichts ihrer Ueberproduction fruchtbringend zur Geltung zu bringen, wäre es überaus vortheilhaft, sich in jene Länder zu begeben und sich dort einen Wirkungskreis zu schaffen, wo intellectuelle Kraft sich gut bezahlt macht. Auch abgesehen davon, wäre es sehr nützlich, wenn gar manche unserer Landsleute durch weite Reisen einen weiteren Ausblick gewinnen würden, damit sie in die Lage kommen, die heimatlichen Verhältnisse von einem grösseren und richtigeren Standpunkte aus zu beurtheilen.

Am 23. März besichtigte ich nochmals das bunte Treiben in den Strassen und am Hafen dieses grossen Handels-Emporiums, und kehrte dann auf unseren Dampfer zurück, welcher um 3 Uhr Nachmittags die Anker lichtete, um seine Fahrt nach Shanghai fortzusetzen.

Schliesslich möchte ich hier noch davon Erwähnung thun, dass ich bei meiner Ankunft in Hongkong, auf dem Festlande stehend, das Gefühl hatte, als ob der Boden unter mir schaukeln würde, und dass ich unbewusst meinen Körper hin- und herbewegte.