Erbrecht

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b) Gütertrennung

Der Güterstand der Gütertrennung führt im Vergleich zur Zugewinngemeinschaft zu anderen Erbquoten. Gibt es neben dem überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder, so erben der Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen, § 1931 Abs. 4 BGB. Bei der Gütertrennung findet kein Ausgleich des Zugewinns statt. Statt des nicht um den pauschalen Zugewinnausgleich erhöhten gesetzlichen Erbteils von 1/4 erhält der Ehegatte neben einem Kind einen Erbteil in Höhe von 1/2 und neben zwei Kindern von 1/3. Bei mehr als drei Kindern beträgt die Erbquote des Ehegatten stets 1/4 gemäß § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB.

c) Gütergemeinschaft

Bei dem Güterstand der Gütergemeinschaft ist zu beachten, dass der Anteil am Gesamtgut zum Nachlass gehört (§ 1482 Satz 1 BGB). Nur im Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft wird der Anteil des Erblassers am Gesamtgut nicht vererbt (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB).

2. Der „Voraus“ des Ehegatten und der sog. „Dreißigste“

Ist der Ehegatte gesetzlicher Erbe, so erhält er neben Verwandten der 2. Ordnung oder neben Großeltern außer seinem Erbteil die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör des Grundstücks sind, und die Hochzeitsgeschenke als Voraus (§ 1932 Abs. 1 Satz 1 BGB). Neben Erben der 1. Ordnung (Kinder und/oder Enkel des Erblassers) erhält der Ehegatte als gesetzlicher Erbe diese Gegenstände nur, soweit er sie zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt (§ 1932 Abs. 1 Satz 2 BGB). Neben Erben entfernterer Ordnungen steht dem Ehegatten der Voraus uneingeschränkt zu.

Der sog. „Dreißigste“ gem. § 1969 BGB sichert den Familienangehörigen des Erblassers, die zum Zeitpunkt seines Todes zu seinem Hausstand gehört und von ihm Unterhalt bezogen haben, für die ersten 30 Tage nach dem Tod eine gesicherte Position gegen den Erben zu. Der sog. Dreißigste hat in der Praxis jedoch kaum Bedeutung.


Lernzielkontrolle

Multiple-Choice-Fälle (Nur eine Antwort ist jeweils richtig.)

Für die Lösungen und Hinweise zu den Aufgaben vgl. Kapitel K.


1.Der unverheiratet gebliebene Anton Auer hinterlässt neben fünf Urenkeln, seine Schwester Sieglinde Auer und seine Cousine Cosima Cerny. Wer ist sein gesetzlicher Erbe?




2.Wilhelm Wünschel (W) war mit Wilma Wünschel, geb. Müller verheiratet, welche vor einem Jahr verstarb. Aus der Ehe stammen zwei Kinder: Sohn Sandro und Tochter Tanja, die Mutter von Drillingen ist. Kurz nach dem Tod seiner Ehefrau Wilma kam die gemeinsame Tochter Tanja ums Leben. Als Wilhelm Wünschel (W) aus Kummer über die beiden Todesfälle verstirbt, meint Sandro, dass er Alleinerbe des W geworden sei. Zu Recht?




3.Zora Zettel (Z) war ledig und kinderlos. Als sie verstirbt, leben noch folgende Verwandte: Eine Großmutter väterlicherseits, drei Cousinen väterlicherseits sowie die Großmutter mütterlicherseits. Wie stellt sich die gesetzliche Erbfolge dar?



C. Verfügungen von Todes wegen (Gewillkürte Erbfolge und sonstige Anordnungen)

Lernziele

Nachdem Sie dieses Kapitel bearbeitet haben,


können Sie die Besonderheiten des Testaments, des Erbvertrags und des gemeinschaftlichen Testaments wiedergeben;


können Sie eine vertragsmäßige Verfügung von einer einseitigen Verfügung im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen unterscheiden;


haben Sie die Bindungswirkungen einer vetragsmäßigen Verfügung eines Erbvertrags sowie einer wechselbezüglichen Verfügung eines gemeinschaftlichen Testaments verstanden;


kennen Sie besondere Anordnungen des Erblassers, wie etwa die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft, die Anordnung eines Vermächtnisses und die Anordnung einer Testamentsvollstreckung.

I. Einführung

Die gesetzliche Erbfolge greift nicht, wenn der Erblasser die Erbfolge für den Fall seines Todes rechtsgeschäftlich geregelt hat. Man spricht dann von der gewillkürten Erbfolge.

Die rechtsgeschäftliche Anordnung des Erblassers, die er für den Fall seines Todes trifft, wird als Verfügung von Todes wegen bezeichnet. Der Verfügung von Todes wegen als Oberbegriff unterfällt das Testament (einseitig) und der Erbvertrag (mehrseitig). Sonderform des Testaments ist das gemeinschaftliche Testament.


Dabei versteht man unter der Testierfreiheit, die Freiheit des Erblassers jede beliebige Person ohne nähere Begründung zum Erben einzusetzen oder (nur) eine Enterbung auszusprechen (sog. negatives Testament). Der Erblasser kann in einer Verfügung von Todes wegen auch ein Vermächtnis oder eine Auflage anordnen. Denkbar sind ferner u. a. eine Testamentsvollstreckung, eine Vor und Nacherbschaft etc.

Die Testierfreiheit ist Teil des das Zivilrecht beherrschenden Grundsatzes der Privatautonomie. Sie wird, wie die Privaterbfolge auch, von Art. 14 GG geschützt. Der Erblasser kann in einer Verfügung von Todes wegen nach seinem Belieben Anordnungen über sein Vermögen treffen. Inso­fern darf er nicht durch einen Vertrag dazu verpflichtet werden, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten sowie aufzuheben oder nicht aufzuheben, sog. unbeschränkbare Testierfreiheit (§ 2302 BGB).

Gleichwohl hat die Testierfreiheit Grenzen. So gilt das Prinzip der Familienerbfolge, was in dem Pflichtteilsrecht, der Mindestteilhabe bestimmter Familienangehöriger am Nachlass, seinen Ausdruck findet. Zudem kommen die allgemeinen Vorschriften zur Anwendung (§§ 134, 138 BGB). Der Erblasser kann seine Testierfreiheit aber auch selbst einschränken, indem er sich in einem Erbvertrag entsprechend bindet.

II. Testierfähigkeit, Fähigkeit zum Abschluss eines Erbvertrags und persönliche Errichtung

Bei dem Testament und dem Erbvertrag handelt es sich um Rechtsgeschäfte im Sinne des Allgemeinen Teils des BGB. Es gelten aber nicht die Regelungen zur Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB), sondern besondere erbrechtliche Bestimmungen. Die Fähigkeit ein Testament zu errichten (sog. Testierfähigkeit) und die Fähigkeit einen Erbvertrag abzuschließen sind zu unterscheiden. Zu beachten ist ferner die Besonderheit, dass der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen nur persönlich errichten darf.

1. Testierfähigkeit
a) Minderjährige unter 16 Jahren

Der Minderjährige, der das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist testierunfähig (§ 2229 Abs. 1 BGB). Da der Erblasser das Testament nur persönlich errichten kann (§ 2064 BGB), ist eine Stellvertretung durch die Eltern oder den Vormund als den gesetzlichen Vertretern nicht möglich.

b) Minderjährige zwischen 16 und 18 Jahren

Mit Vollendung des 16. Lebensjahres ist der Minderjährige testierfähig (§ 2229 Abs. 1 BGB). Er bedarf zur Errichtung des Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§ 2229 Abs. 2 BGB). Er muss allerdings beachten, dass er kein eigenhändiges Testament errichten kann (§ 2247 Abs. 4 BGB). Zu seinem eigenen Schutz darf der Minderjährige sich nur solcher Errichtungsformen bedienen, die die fachkundige Beratung durch den Notar sicherstellen. Deshalb kann er gemäß § 2233 Abs. 1 BGB das Testament nur durch eine Erklärung gegenüber dem Notar oder durch Übergabe einer offenen Schrift errichten.

c) Volljährige

Mit Vollendung des 18. Lebensjahres tritt die volle Testierfähigkeit ein.

d) An einem geistigen Gebrechen leidende Volljährige

Testierunfähig ist, wer wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§ 2229 Abs. 4 BGB). Für die Beurteilung des Vorliegens der geistigen Gebrechen kommt es auf den Zeitpunkt der Errichtung des Testaments an. In der Praxis findet sich häufig der Einwand, der Erblasser sei wegen Krankheit oder wegen seines hohen Alters nicht testierfähig gewesen. Die Beweislast für diese Behauptung trägt die Partei, die sich auf die Testierunfähigkeit beruft.

 

Die Anordnung einer Betreuung, selbst mit Einwilligungsvorbehalt (wonach der Betreute zu bestimmten Willenserklärungen der Einwilligung des Betreuers bedarf) erstreckt sich nicht auf die Testierfähigkeit. Die Frage der Testierfähigkeit des Betreuten ist allein anhand des § 2229 Abs. 4 BGB zu beantworten.

2. Die Fähigkeit zum Abschluss eines Erbvertrags

Ist die Partei eines Erbvertrags noch nicht volljährig, so ist zu unterscheiden, ob sie selbst als Erblasser handelt oder nur Vertragspartner des Erblassers wird. Der Erblasser muss unbeschränkt geschäftsfähig sein (§ 2275 Abs. 1 BGB). Eine Stellvertretung ist nicht möglich. Etwas anderes gilt nur, wenn der minderjährige, beschränkt geschäftsfähige Erblasser verheiratet oder verlobt ist: Dann kann er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters einen Erbvertrag mit seinem Ehegatten oder Verlobten schließen.

Für den minderjährigen, beschränkt geschäftsfähigen Vertragspartner des Erblassers gilt hingegen Folgendes: Ist der Erbvertrag für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft, kann er den Erbvertrag abschließen. Auch eine Stellvertretung ist hier möglich.

3. Die persönliche Errichtung der Verfügung von Todes wegen
a) Persönliche Errichtung

Sowohl das Testament als auch der Erbvertrag können nur vom Erblasser persönlich errichtet werden (§§ 2064 und 2274 BGB). Eine Stellvertretung ist nicht möglich. Mit dem Verbot der Stellvertretung soll gewährleistet werden, dass die Verfügung von Todes wegen tatsächlich vom Erblasser stammt und von seinem Willen getragen ist. Der Erblasser soll die Verantwortung für seine Anordnungen übernehmen und sie nicht einem Dritten überlassen. Eine eigene Unentschlossenheit soll nicht durch den Willen eines Dritten ersetzt werden. So kann der Erblasser auch die Bestimmung über die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung nicht einem anderen überlassen (§ 2065 Abs. 1 BGB). Gleiches gilt für die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands einer Zuwendung (§ 2065 Abs. 2 BGB). Eine Verfügung, die gegen § 2065 BGB verstößt, ist nichtig, sofern ihr nicht mittels Auslegung doch zur Wirksamkeit verholfen werden kann.

b) Ausnahmen von der persönlichen Errichtung

Sofern es nicht um eine Erbeinsetzung sondern ein Vermächtnis geht, lässt das Gesetz Ausnahmen von der persönlichen Errichtung zu. Nach § 2151 Abs. 1 BGB kann der Erblasser mehrere Personen mit einem Vermächtnis bedenken und dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen, den Vermächtnisnehmer zu bestimmen. Eine Ausnahme besteht zudem für das sog. Zweckvermächtnis (§ 2156 BGB) sowie für die Auflage (§ 2193 BGB). Auch die Auswahl der Person des Testamentsvollstreckers kann durch einen Dritten (§ 2198 BGB) oder das Nachlassgericht (§ 2200 BGB) erfolgen.

III. Das Testament
1. Hintergrund

Bei dem Testament handelt es sich um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Zur Wirksamkeit muss es dem Bedachten nicht zugehen. Dennoch ist sicher zu stellen, dass das Testament tatsächlich vom Erblasser stammt und dass der Erblasser sich der Bedeutung und Tragweite eines Testaments, als seinem letzten Willen, der erst nach seinem Tod seine Verwirklichung finden wird und soll, bewusst ist. Insofern ist das Testament von bloßen Entwürfen oder einfachen Willensbekundungen, gar vorschnellen Äußerungen abzugrenzen. Dem tragen die zwingenden gesetzlichen Formvorschriften Rechnung (Beweisfunktion und Warnfunktion der Formvorschriften). Dem BGB lassen sich ordentliche und außerordentliche Testamentsformen entnehmen.


2. Das eigenhändige Testament
a) Errichtung

Das eigenhändige/privatschriftliche Testament kann durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden (§§ 2231 Nr. 2, 2247 Abs. 1 BGB). Der Hinzuziehung eines Notars oder einer weiteren Person bedarf es nicht. Damit kann der Erblasser das eigenhändige Testament jederzeit errichten und je nach Bedarf auch vernichten oder abändern. Der Einfachheit der Errichtung steht als Risiko gegenüber, dass das Testament nach dem Tod des Erblassers nicht aufgefunden, gar verändert oder vernichtet wird. Zudem besteht die Gefahr, dass sich der Testierende als rechtsunkundige Person unklar ausdrückt, so dass der Inhalt des Testaments sich nicht mit seinem tatsächlichen Willen deckt.

Eigenhändigkeit i. S. des § 2247 Abs. 1 BGB bedeutet, dass der Erblasser das gesamte Testament eigenhändig schreibt und unterschreibt. Damit liegt im Vergleich zu § 126 Abs. 1 BGB eine gesteigerte Schriftform vor: Die bloße eigenhändige Unterschrift genügt der Form nicht. Entscheidend sind die individuellen Schriftzüge des Erblassers. Damit vermag das Stützen des Armes des Erblassers den individuellen Schriftzug des Erblassers noch erkennbar werden lassen1), während dies bei dem Führen der Hand durch einen Dritten nicht der Fall ist. Um eine Unterstützung handelt es sich jedenfalls solange, als der Erblasser den Willen hat, die Unterschrift zu leisten, und dieser Wille für den Schreibvorgang bestimmend bleibt. Die Unterschrift muss vom Erblasser abhängen; sie darf nicht von einem anderen durch Führen der Hand des Testierenden ohne dessen Willen hergestellt werden2).

Eindeutig ist, dass der Erblasser sich bei dem Errichten des Testaments keines Computers bedienen kann; die elektronische Form (§ 126a BGB) und die Textform (§ 126b BGB) sind ausgeschlossen. Die Eigenhändigkeit soll die Authentizität des Schriftstücks als dem letzten Willen des Erblassers gewährleisten. Bei Zweifeln, ob es bei der Schrift des Testaments um die des Erblassers handelt, ist ein Schriftgutachten, welches einen Schriftvergleich zum Gegenstand hat, einzuholen.

Nach § 2247 Abs. 3 Satz 1 BGB soll die Unterschrift des Erblassers den Vornamen und den Familiennamen enthalten.

b) Widerruf

Da es sich bei dem Testament um ein einseitiges, nicht empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft handelt, kann der Erblasser sein Testament sowie eine einzelne in dem Testament enthaltene Verfügung jederzeit widerrufen (§ 2253 BGB). Der Widerruf kann durch ein Testament3) erfolgen (§ 2254 BGB). Dabei ist es unerheblich in welcher Form das Testament, das der Erblasser widerrufen möchte, errichtet worden ist. So kann der Erblasser ein notarielles Testament durch ein eigenhändiges Testament widerrufen.

Einen Widerruf erreicht der Erblasser auch durch Vernichtung der Testamentsurkunde oder durch Veränderungen an ihr (§ 2255 Satz 1 BGB). Die Vernichtung oder Veränderung muss vom Erblasser ausgehen und seinen Aufhebungswillen zum Ausdruck bringen. Der Erblasser kann eine andere Person einschalten, sofern sie seinem Willen nachkommt, indem sie die der Weisung des Erblassers entsprechenden Handlungen, ohne über einen eigenen Entscheidungsspielraum zu verfügen – gewissermaßen als Werkzeug – vornimmt4). Der Erblasser darf es dieser anderen Person aber nicht überlassen zu entscheiden, ob das Testament gelten soll oder nicht (§ 2065 Abs. 1 BGB). Ebenso wenig ist eine nachträgliche Genehmigung der von einem Dritten vorgenommenen Vernichtung oder Veränderung möglich, da § 185 BGB auf einen bloßen Realakt keine Anwendung findet5). Wird ein Testament des Erblassers nicht aufgefunden, so wird nicht vermutet, es sei vom Erblasser in Widerrufsabsicht vernichtet worden6). Beweisbelastet ist aber derjenige, der aus der Unauffindbarkeit bzw. der absichtlichen Vernichtung des Testaments als Widerruf eine für sich günstige Rechtsfolge herleitet7).

Hat der Erblasser ein notarielles Testament oder Nottestament errichtet, so kann er es auch jederzeit widerrufen, indem er es aus der amtlichen Verwahrung nimmt (§ 2256 Abs. 1 Satz 1 BGB). Über die damit verbundene Folge ist der Erblasser zu belehren. Nimmt der Erblasser hingegen ein eigenhändiges Testament aus der amtlichen Verwahrung, so hat dies auf die Wirksamkeit keinen Einfluss (§ 2256 Abs. 3 Halbsatz 2 BGB).

Ein Widerruf kann auch durch ein neues Testament vorliegen, wenn dieses zu dem zeitlich vorausgegangenen in Widerspruch steht (§ 2258 Abs. 1 BGB). Der Widerspruch kann darin bestehen, dass der Erblasser die frühere Verfügung bei der Errichtung der späteren nicht bedacht hat. Selbst wenn beide Verfügungen miteinander vereinbar wären, kann ein Widerspruch vorliegen, wenn nach dem durch Auslegung ermittelten Erblasserwillen die spätere Verfügung ausschließliche und alleinige Geltung haben sollte8).

Schließlich kann der durch Testament erfolgte Widerruf einer letztwilligen Verfügung selbst widerrufen werden (§ 2257 BGB). Im Zweifel ist die Verfügung wirksam, wie wenn sie nicht widerrufen worden wäre. Das vernichtete Testament oder das zurückgenommene Testament muss hingegen neu errichtet werden. Ein Widerruf der Vernichtung, etwa durch Zusammenkleben einzelner Testamentsteile, genügt also nicht, sofern das zusammengeklebte Testament nicht ein neues Datum und eine neue Unterschrift aufweist.

c) Auslegung eines Testaments

Steht fest, dass der Erblasser ein Dokument mit Testierwillen9) errichtet hat, und genügt dieses der gesetzlichen Form, so kann unklar sein, was der Erblasser meinte bzw. wirklich wollte. Unklarheiten können insbesondere daraus resultieren, dass der Erblasser als juristischer Laie sein Testament verfasst hat oder dass sich in dem Zeitraum zwischen Testamentserrichtung und Tod des Erblassers Umstände erheblich geändert haben.

Mithilfe der Auslegung soll die Frage geklärt werden, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte, also welche erbrechtliche Verfügung/en er wirklich treffen wollte. Insofern erfolgt die Auslegung eines einfachen Testaments nur aus der Perspektive des Erblassers – anhand des § 133 BGB. Auf die Sicht eines objektiven Dritten oder gar eines sich über seine eigene Auslegung des Testaments Vorteile Versprechenden kommt es nicht an. Hintergrund ist zum einen, dass es sich bei dem Testament um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, und zum anderen, dass die Erwartung eines Dritten, er werde vom Erblasser – wie womöglich angekündigt – in irgendeiner Form bedacht, nicht geschützt ist. Denn der Erblasser kann sein Testament jederzeit widerrufen und anders testieren.

Für die Testamentsauslegung ist allein der sich aus den Gesamtumständen ergebende Wille des Erblassers, der im Testament einen, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden haben muss, maßgeblich10).

Im Übrigen ist in dem Fall, in dem der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zulässt, im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann (§ 2084 BGB).

d) Anfechtung eines Testaments

Will ein Anfechtungsberechtigter eine Verfügung von Todes beseitigen, so kann er diese unter den engen Voraussetzungen der erbrechtlichen Sonderbestimmungen §§ 2078 – 2083 BGB anfechten. Diese verdrängen die §§ 119, 120 und 123 BGB. Anders als bei der Auslegung, deren Ziel es ist, dem wahren Willen des Erblassers zur Geltung zu verhelfen, geht es bei der Anfechtung darum, eine dem Erblasserwillen widersprechende Verfügung zu beseitigen (negative Wirkung der Anfechtung). Vor diesem Hintergrund hat die Auslegung einer Verfügung von Todes wegen Vorrang vor der Anfechtung. Lassen sich unklare Regelungen in der Verfügung von Todes wegen mithilfe der Auslegung so klären, dass sie dem Willen des Erblassers entsprechen, ist kein Raum für eine Anfechtung.

Der Erblasser selbst als der Erklärende hat anders als nach den Regelungen des Allgemeinen Teils des BGB grundsätzlich kein Anfechtungsrecht. Stellt der Erblasser nämlich fest, dass er sich geirrt hat oder getäuscht worden ist, kann er sein Testament jederzeit widerrufen bzw. neu, anders testieren. Dies gilt auch für den Fall, dass der Erblasser bedroht worden ist. Ist der Erblasser hingegen an eine Verfügung gebunden, etwa eine vertragsmäßige Verfügung in einem Erbvertrag oder eine wechselbezügliche Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod des Ehegatten, so erreicht der Erblasser eine Aufhebung der Bindungswirkung durch eine sog. Selbstanfechtung11).

 

Zur Anfechtung ist grundsätzlich derjenige berechtigt, dem der Wegfall der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten käme (§ 2080 Abs. 1 BGB). Die Anfechtung steht demnach beispielsweise demjenigen zu, der durch eine testamentarische Erbeinsetzung seine gesetzliche oder seine aufgrund eines früheren Testaments beruhende Erbenstellung verliert. Auch der Erbe, dessen Erbe mit einem Vermächtnis beschwert ist, kann die letztwillige Verfügung des Erblassers anfechten. Gleiches gilt für die Anfechtung des Widerrufs eines Testaments durch denjenigen, der nach dem widerrufenen Testament begünstigt wäre.

Die Anfechtung setzt einen Anfechtungsgrund voraus. Es sind drei Gruppen von Anfechtungsgründen zu unterscheiden:



(1)Nach § 2078 Abs. 1 BGB kann eine Erklärung des Erblassers angefochten werden, wenn der Erblasser sich über den Inhalt der Erklärung irrte, weil er etwa deren Bedeutung verkannte, oder wenn der Erblasser sich in der Erklärungshandlung irrte. Darüber hinaus ist erforderlich, dass dieser Irrtum zu der Abgabe der entsprechenden Erklärung geführt hat. Anders ausgedrückt: Hätte der Erblasser die Sachlage gekannt, dann hätte er die Erklärung so nicht abgegeben.


(2)Nach § 2078 Abs. 2 BGB kann eine Erklärung des Erblassers angefochten werden, wenn der Erblasser sich bei der Abgabe der Erklärung über Motive geirrt hat, mithin einem Irrtum im Beweggrund unterlag. Anders als nach den Regelungen des Allgemeinen Teils des BGB zur Anfechtung ist im Rahmen des § 2078 Abs. 2 BGB ein Motivirrtum beachtlich. Hintergrund ist, dass es beim Testament kein schutzwürdiges Vertrauen außenstehender Dritter als erbrechtlich Begünstigte gibt. Dem Erblasser bleibt es unbenommen, sein Testament jederzeit zu widerrufen und anders zu testieren. Nach § 2078 Abs. 2 BGB kann sich der Motivirrtum auf vergangene, gegenwärtige und zukünftige Umstände beziehen. Diese müssen aber von besonders schwerem Gewicht sein, so dass davon auszugehen ist, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage mit Sicherheit anders testiert hätte.

Beispiel: Der Erblasser setzte in seinem Testament von seinen drei Kindern seine Tochter (T) als Alleinerbin ein, da er davon ausging, dass T ihrem ihm gegenüber abgegebenen Versprechen nachkommen werde, wonach sie ihn bis zum seinem Tode selbst pflegen würde. T zog es indes vor, ihren Vater in einem Pflegeheim versorgt zu wissen.


Der Irrtum im Beweggrund berechtigt nur dann zur Anfechtung, wenn der Irrtum zu der angefochtenen Verfügung geführt hat (Kausalität des Irrtums). Hiervon ist nicht auszugehen, wenn der Erblasser zu seinen Lebzeiten den Motivirrtum erkannt hat und bewusst keinen Widerruf seiner letztwilligen Verfügung vorgenommen hat.


Die Erklärung des Erblassers kann auch angefochten werden, wenn seine letztwillige Verfügung auf einer widerrechtlichen Drohung beruht (§ 2078 Abs. 2 BGB).


(3)Eine letztwillige Verfügung kann nach § 2079 Satz 1 BGB angefochten werden, wenn ein zur Zeit des Erbfalls vorhandener Pflichtteilsberechtigter im Testament übergangen wurde, indem er vom Erblasser weder bedacht noch bewusst von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Das Vorhandensein des Pflichtteilsberechtigten darf dem Erblasser bei der Errichtung des Testaments nicht bekannt gewesen sein. Es wird vermutet, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage, also dem Umstand, dass es nunmehr einen Pflichtteilsberechtigten gibt, anders testiert hätte.

Beispiel: Der Erblasser E ist geschieden. Zum Zeitpunkt der Errichtung seines eigenhändigen Testaments, in welchem er seinen Neffen zum Alleinerben einsetzt, lebt er allein. Zwei Jahre nach der Testamentserrichtung heiratet E seine neue Lebensgefährtin L, ohne eine Änderung seines Testaments herbeizufüh­ren. Hier kann L als pflichtteilsberechtigter Ehegatte das Testament unter Verweis auf § 2079 Satz 1 BGB anfechten.

Eine Anfechtung wäre allerdings ausgeschlossen, wenn E nach der Eheschließung das Testament bewusst nicht geändert hätte (§ 2079 Satz 2 BGB).

Die Anfechtung der in § 2081 BGB genannten Verfügungen hat durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, und zwar innerhalb eines Jahres ab Kenntnis vom Anfechtungsgrund zu erfolgen (§ 23a Abs. 1 und 2 Nr. 2 GVG i. V. mit § 342 FamFG; §§ 2081 Abs. 1, 2082 BGB). Eine Prüfung, ob die Anfechtung begründet ist, nimmt das Nachlassgericht nicht vor, zumindest nicht solange kein Erbschein beantragt worden ist. Eine Prüfung der Anfechtung kann zudem im Rahmen einer sog. Erbenfeststellungsklage erfolgen.

Wird ein Vermächtnis angefochten, so hat die Erklärung allerdings gegenüber dem Begünstigten zu erfolgen (§ 143 Abs. 4 Satz 1 BGB).