SOS - Deutsche Seeleute in Not

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Tonnagesteuerregime / Subventionssysteme in der internationalen Seeschifffahrt

Eine kurze Übersicht soll den Zweck von Tonnagesteuerregimen und Subventionssystemen der Flaggenstaaten erläutern:

 Die pauschalierte Gewinnermittlung in der Seeschifffahrt (bezeichnet als Tonnagesteuer/ im englischen (Tonnage Tax) dient dem Zweck Investments in der nationalen Schifffahrt zu stimulieren. Aus diesem Grund heraus gibt es eine ganze Reihe von Staaten, die als Flaggenstaaten in der internationalen Seeschifffahrt fungieren, die dieses Instrument wirtschaftlicher Stimulierung in ihre nationalen Förderkataloge aufgenommen haben. Außerdem gibt es noch weitere wirtschaftliche Stimulationsformen in Form besonderer staatlicher Subventionen, die speziell in Europa anzutreffen sind und die trotz Inanspruchnahme der Tonnagesteuer gewährt werden, z.B.

 die Senkung von Lohnnebenkosten der Schiffseigner im Rahmen von nationalen Direktzahlungen

(Finanzhilfen), z.B. Deutschland

 den Lohnsteuereinbehalt durch Schiffseigner auf die Lohnsteuer der Seeleute, dabei variieren die

prozentualen Anteile in den jeweiligen Staaten, z.B. Deutschland/ Niederlande u.a.

 Befreiung von Versicherungssteuern für Schiffserlöspools

 Zusätzliche Anreize für die Schifffahrtsindustrie, sogenannte Shipping incentives (Schifffahrtsanreize), z.B. Fördergelder, Steuererleichterungen, Steuererlässe, Lohnsteuereinbehalt sollen jene Schifffahrtsunternehmen, die nicht die Tonnagesteuer (Tonnage Tax) in Anspruch nehmen, mittels anderer aufgeführter Förderformen unterstützen, mit dem Ziel der Verringerung der Last der Unternehmenseinkommenssteuer (Corporate Income Tax – CIT), Beschränkung der Unternehmenseinkommensteuer bis hin zu vollkommener Steuerbefreiung. Die dafür genutzten Steuer- bzw. Finanzinstrumente variieren in den jeweiligen Staaten in ihrem Umfang und ihrer Effektivität.

 Einige Staaten bieten keine speziellen Subventionen für deren Schifffahrtsindustrie an. An deren Stelle erlauben die Steuergesetze besondere Regelungen (als favourable tax regime bezeichnet). Schifffahrtsunternehmen, die in diesen Ländern registriert sind (incorporated) unterliegen mit ihrem weltweiten Einkommen der Steuerpflicht (meistens um die 25 %). Das trifft auch für Schifffahrtsunternehmen zu, die nicht in diesen Ländern ansässig sind. Wenn allerdings in diesen Ländern Schifffahrtsunternehmen als sogenannte „International Business Corporation (IBC)“ oder „International Society with Restricted Liability“ registriert/ lizensiert sind, dann sind sie von allen Steuerzahlungen ausgenommen, solange sie ihre Geschäfte als Einzelpersonen und Unternehmen tätigen, die nicht in diesen Staaten ansässig sind. Auch hier gibt es nationale Unterschiede, die sich aber nur geringfügig unterscheiden (z.B. Isle of Man, Antigua & Barbuda, Barbados, Bahamas, Bermudas, Estland, Santa Lucia, Südafrika)

Allen wirtschaftsstimulierenden Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie dem Ziel dienen sollen, Schifffahrtsunternehmen und Schiffsmanagementgesellschaften der jeweiligen nationalen Flaggenstaaten aber auch ausländische Gesellschaften finanziell zu entlasteten, zu fördern und steuerlich besser zu stellen, als andere Wirtschaftsbereiche. Was dazu beiträgt, dass die Seeschifffahrt erhebliche Kostensenkungen dadurch erfährt. Allein aus den unterschiedlichsten Förderkriterien und der Förderpraxis der verschiedenen Flaggenstaaten wird ersichtlich, dass hier ein Wettbewerb der Fördersysteme in der Schifffahrt dominiert. Mit wirtschaftlichem Wettbewerb hat das nichts mehr zu tun. Und auf den rein wirtschaftlichen Wettbewerb bezogen, ist es eher selbstzerstörerisch als förderlich.

Das erklärt auch, warum besonders die europäischen Staaten, einschließlich Deutschland gerade bei den Personalkosten erheblich unter Druck gesetzt sind, aufgrund geltender europäischer tariflicher Sozialstandards, die es so in Asien nicht gibt und Heuerdumping somit zum Schifffahrtsunternehmenssport ausufern lassen mit den bekannten Ergebnissen. Dabei wird jedoch bewusst verschwiegen, dass erhebliche Finanzielle Beihilfen durch die Bundesregierung bereitgestellt werden, um diesen Wettbewerbsnachteil weitgehend zu kompensieren. Was allerdings nicht gesagt wird, ist, dass Ausbildungsstandard und Arbeitseffizienz europäischer Seeleute anhand von glaubwürdigen Studien nachgewiesener Maßen höher sind, als die asiatischer Besatzungen. Verwundert ist der Autor darüber allerdings nicht, die eigenen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in der Seefahrt in der Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Nationen bestätigen das nur.

PriceWaterhouseCoopers International Ltd. (PwC) hat in einer Dokumentation als Empfehlung für Schiffseigner/ Schifffahrtsgesellschaften mit dem Namen: „Choosing your course – Corporate taxation of the shipping industry around the globe“ (März 2015) eine interessante vergleichende Gegenüberstellung der verschiedenen Förderprogramme und Steuerrichtlinien von Flaggenstaaten veröffentlicht. Es handelt sich hierbei um eine Empfehlung für Schifffahrtsunternehmen und erhebt keinen Anspruch auf beratungsrelevante Inhalte, dient also rein informellen Aussagen. Sie ist jedoch sehr empfehlenswert zu lesen, weil zum einen relativ aktuell, vom März 2015, zum anderen detaillierte Informationen der verschiedenen Fördersysteme für jeden Interessenten verständlich erläutert werden. In der nachfolgenden Übersicht werden die Förderregime der Flaggenstaaten ersichtlich, allerdings vermisst der Autor für Deutschland die Aufführung von Shipping incentives (Finanzhilfen zur Lohnnebenkostensenkung/ Lohnsteuereinbehalt/ Ausbildungsförderung):

Key shipping countries and their respective tax regimes

Country Tax regime

Antigua and Barbuda Favourable tax regime

Barbados Favourable tax regime

Belgium Tonnage tax – Dutch model

Bermuda Favourable tax regime

Brazil Shipping incentives

British Virgin Islands Favourable tax regime

Bulgaria Tonnage tax – Dutch model

Canada Non-resident tax payer regime

Canary Islands Shipping incentives

Cayman Islands Favourable tax regime

China Shipping incentives

Curaçao & St. Martin Tonnage tax – Dutch model; Shipping incentives

Cyprus Tonnage tax – Greek model

Denmark Tonnage tax – Dutch model

Estonia Favourable tax regime

Finland Tonnage tax – Dutch model

France Tonnage tax – Dutch model; Shipping incentives

Germany Tonnage tax – Dutch model (Shipping incentives?)

Greece Tonnage tax – Greek model

Hong Kong Shipping incentives

India Tonnage tax – Dutch model

Ireland Tonnage tax – Dutch model

Isle of Man Favourable tax regime

Italy Tonnage tax – Dutch model; Shipping incentives

Japan Tonnage tax – Dutch model

Liberia Non-resident tax payer regime

Malaysia Shipping incentives

Malta Tonnage tax – Greek model

Marshall Islands Favourable tax regime; Non-resident tax payer regime

Netherlands Tonnage tax – Dutch model; Shipping incentives

Norway Tonnage tax – Dutch model

Panama Shipping incentives

Philippines Shipping incentives

Poland Tonnage tax – Dutch model

ROC (South Korea) Tonnage tax – Dutch model

Russia Shipping incentives

Saint Lucia Favourable tax regime

Singapore Shipping incentives

South Africa Tonnage tax – Dutch model; Favourable tax regime

Spain Tonnage tax – Dutch model

Sweden Shipping incentives; Tonnage tax – Dutch model under review for possible implementation

Taiwan Tonnage tax – Dutch model

Turkey Shipping incentives

UK Tonnage tax – Dutch model

USA Tonnage tax – Dutch model

(Quelle: PwC analysis - Corporate taxation of the shipping industry around the globe, März 2015)

In der von mir angeführten Dokumentation von PwC, vom März 2015, wird detailliert der Unterschied zwischen dem niederländischen und griechischen Tonnagesteuersystem herausgearbeitet und verständlich erklärt. Es sind die beiden gegenwärtig gängigsten Tonnagesteuermodelle, wobei das niederländische System weltweit von der Mehrzahl der Flaggenstaaten genutzt wird, die ein Tonnagesteuersystem praktizieren. Des Weiteren geht PwC natürlich auch auf die anderen Spielarten der Schifffahrtsförderung ein, die in der internationalen Förderpraxis gehandhabt werden.

(https://www.pwc.com/gx/en/transportation-logistics/publications/assets/pwc-choosing-your-course.pdf)

Es gibt Unterschiede in den Förderansätzen zwischen Asien und Europa, das wird am Beispiel Singapores ersichtlich. Dort gibt es keine Tonnagesteuer im europäischen Sinne.

In der Veröffentlichung PKF News vom 17.06.2012 der PKF Deutschland GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Beihilfen für die Seeschifffahrt im internationalen Vergleich“ finden wir folgende Feststellung, die der Autor zitieren möchte:

Singapur kennt gegenüber den bisher genannten Mechanismen andersartige Instrumente der schifffahrtsbezogenen Standortpolitik, welche sich nicht nur auf den klassischen Schiffsbetrieb bzw. die Bereederung, sondern z. B. auch auf das Schiffsleasing beziehen. Die folgende Darstellung beschränkt sich angesichts dieser Vielfalt auf das System des Approved International Shipping Enterprise Award (AIS). Danach werden auf Antrag Einkünfte einer sowohl zivil- als auch steuerrechtlich in Singapur beheimateten Kapitalgesellschaft aus dem Schiffsbetrieb von unter fremder Flagge fahrenden Schiffen – Gewinne von in Singapur beheimateten Schiffen sind automatisch steuerfrei – einschließlich der Gewinne aus kurzfristiger Bareboatvercharterung sowie aus Dividenden von qualifizierten ausländischen Tochtergesellschaften für zehn Jahre (verlängerbar um jeweils zehn weitere Jahre, maximal jedoch 30 Jahre) steuerfrei gestellt. Voraussetzungen sind, dass die Singapur-Gesellschaft eine bedeutende Flotte eigener oder von qualifizierten Gruppengesellschaften eingecharterter Seeschiffe betreibt, als Teil eines weltweiten Netzwerks agiert, sich wirtschaftlich bewährt hat, über einen nachweisbaren Geschäftsplan verfügt und ihre Schifffahrtstätigkeiten in Singapur ausweiten will. Unter speziellen Bedingungen können daneben auch Shipmanagementunternehmen in den Genuss dieser Steuerfreistellung gelangen, wenn sie ihre Leistungen an qualifizierte Gruppenunternehmen erbringen.“

 

Kritische Betrachtung der internationalen Förderungen in der Seeschifffahrt

Grundsätzlich gibt es gegen Tonnagesteuer und andere Subventionsformen nichts einzuwenden, wenn man die internationale Konkurrenzfähigkeit in der Seeschifffahrt sichern will. Aufgrund des weltweiten Wettbewerbs der Förderregime der jeweiligen Flaggenstaaten, lassen sich nationale Förderrichtlinien auch gar nicht umgehen, will man in der internationalen Seeschifffahrt ein entscheidendes Wörtchen mitsprechen. Egal ob solche Marktregulierungen bzw. Stimulierungen volkswirtschaftlich Sinn ergeben oder nicht.

Aus ganz persönlicher Sicht des Autors, die sicherlich neben wirtschaftlicher Objektivität auch subjektiv aus der Sicht als Kapitän beeinflusst wird, betrachtet er diese Art Wettbewerb als Verbrennung von Steuermitteln. Es wäre sicherlich sehr interessant zu wissen, wie die internationale Schifffahrt und Werftenindustrie heute dastehen würde, wenn es weltweit gar keine Förderung für die Seeschifffahrt und Werften gäbe.

Das Argument, dass es dann keine Seefahrt mehr geben würde, dürfte wirklich nicht haltbar sein, da auch ohne Fördermittel der internationale Seehandel nicht zum Erliegen käme. Schließlich leben die Weltwirtschaft und die Seefahrt vom weltweiten Handel und vom Austausch der Güter seit über dreitausend Jahren. Und auch unter solchen Bedingungen, also weltweit keine Förderung, wäre die Seeschifffahrt noch immer die preisgünstigste Transportalternative. Sie würde in einem Wettbewerb unter rein wirtschaftlichen Aspekten und Qualitätsnormen stehen, der diesen Namen auch verdient hätte. Ohne weltweite Förderungssysteme würde der ganze Unsinn der Verheizung von Steuermitteln sehr schnell ein Ende finden.

Oder man belässt es bei den Förderregimen und setzt sehr enge nationale Grenzen, die ein ausscheren unter Bareboat Charter nicht mehr erlauben und ganz klar auf die nationale Flagge und die Beschäftigungssicherung einheimischer Seeleute setzt. Einschließlich der sich daraus ergebenden positiven Effekte für die nationale maritime Wirtschaft, des Erhalts maritimer Kompetenz für maritime Behörden, Lotsen, schifffahrtsnahe Unternehmen, Bildungsstätten und für die Schifffahrtsunternehmen selbst. Ein zukunftsweisender Ausbildungsweg für die junge Generation, der somit den eigenen Personalbedarf deckt. Gleichzeitig müsste die Steuerpolitik der EU angeglichen und vereinheitlicht werden, also harmonisiert, um ungleiche Steuersysteme und sich daraus ergebende Steuerprivilegien auszuschließen. Nur davon wird keine EU-Kommission zu überzeugen sein, denn sie will genau das Gegenteil. Wettbewerbsbeschränkung und EU weite Flagge. „EU-Wettbewerb“ nennen die Brüsseler Autokraten das. Es belegt sehr deutlich, dass weder die EU noch ihre Mitgliedsstaaten daran interessiert sind, da bekanntlich Steuerpolitik ein rein nationales Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates ist. Und von diesem Steckenpferd kommt keine Nation herunter. Natürlich darf dabei nicht vergessen werden, dass nicht nur die EU allein solche Schritte gehen müsste, sondern alle Schifffahrtsnationen müssten Schritte in diese Richtung unternehmen, ohne Ausnahmen. Das scheitert jedoch an den nationalen Befindlichkeiten. Also dann doch die radikale Linie und alle Schifffahrtsförderung einstampfen in allen Flaggenstaaten. Die Reedereien würden die Ersten sein, die auf die Barrikaden gehen, denn auf Finanzspritzen und Steuererlässe ohne Gegenleistungen erbringen zu müssen, kann man nicht verzichten. Das wäre ein enormer Verlust, so das Argument, der die Reedereien ruiniert. Nein nicht die Reedereien hätten die größten Probleme, sondern z.B. in Deutschland die Schiffsfondgesellschaften. Denn deren Modell ist ein Steuersparmodell für Kapitalanleger, also ihre Kommanditisten, basierend genau auf diesen Förderrichtlinien, z. B. die Tonnagesteuer. Wenn es keine Schifffahrtsförderung mehr geben würde, wäre dieses Modell ein Auslaufmodell. Natürlich kommt dann das Argument, dass dann keine Schiffsneubauten mehr realisiert würden. Das ist, gelinde gesagt, Quatsch. Aber die geschürte Angst vor dem Schwarzen Mann soll Politiker gefügig machen. Natürlich werden weiterhin Schiffe gebaut jedoch unter anderen Finanzierungsvoraussetzungen und wahrscheinlich auf seriösen Kalkulationen beruhend

Ich könnte mir sogar vorstellen, dass dann möglicherweise der derzeitige massenhafte Neubauwahn von Ultra Large Container Vessels (ULCV) einen erheblichen Dämpfer erhalten würde, da die Kosten für Neubauten nach oben schnellen und somit schon wesentlich intensivere Überlegungen für Neuinvestitionen angestellt werden, die unter dem Aspekt der Kostendeckung geführt werden müssen.

Ausbildungsförderung als Bestandteil deutscher Schifffahrtsförderung – was bringt sie?

Fakt ist auch, dass der Wettbewerb in den Fragen der fachlichen Qualifizierung der Besatzungen, hier vor allem der Offiziere/ Ingenieure und Kapitäne eine andere Wertigkeit in der Kostenbetrachtung haben muss. Grundsätzlich vertritt der Autor die Auffassung, dass Kapitäne, Offiziere und Ingenieure und alle anderen Dienstgradgruppen die bestmögliche und nicht minimal nötige Qualifizierung für ihre Tätigkeit an Bord erhalten müssen, denn die Ansprüche steigen von Jahr zu Jahr. Es muss die Forderung bestehen, dass eine erstklassige Qualifikation auf einem ansprechenden Allgemeinbildungsniveau in Naturwissenschaften und natürlich fachspezifischen Kenntnissen basiert, dass sich nicht nur auf Bedienerniveau befinden darf. Die erlebte Praxis zeigt das genaue Gegenteil, naturwissenschaftliche Kenntnisse sind oftmals nur noch fragmentarisch existent. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich Bediener oder Anwender bin, letzterer setzt spezifische technische Kenntnisse voraus. Nur über eine niveauvolle vielseitige Hochschulausbildung für Offiziere, Ingenieure und Kapitäne ist dies zu realisieren, die in einem Diplom Ingenieur oder M Sc. /Eng. münden sollte. Es ist dem Autor klar, dass er sich mit dieser Auffassung auch auf Kollisionskurs mit STCW 95 und Manila 2010 befindet. Doch Fakten und Hintergrundwissen, technisches Verständnis und anwendungsbereite Kenntnisse sind in der heutigen Seeschifffahrt, bei der mehr und mehr komplexen und technisch raffinierteren Ausrüstung auf den Schiffen und dem zunehmenden Einfluss von IT und digitalisierten Verfahren unabdingbar. Und sie können ein nicht zu vernachlässigender positiver Kostenfaktor in Fragen der Wartung, Instandhaltung, Reparatur technischer Systeme an Bord sein. Reine Bedienerlehrgänge für technische Systeme an Bord, wie in STCW 95 und in der Ergänzung Manila 2010 gefordert, sind da aus Sicht des Autors eine hilfreiche Variante, aber als alleinige Ausbildungsausrichtung kontraproduktiv. Die Auffassung des Autors ist nichts anderes, als die Widerspiegelung, der in mehr als 30 Jahren an Bord von Schiffen erworbenen Erfahrungen.

Es ist Tatsache, dass eine Ausbildungskosten reduzierende sogenannte 2-jährige Fachschulausbildung, wie in Deutschland hofiert wird, eben nicht dazu befähigt eine allumfassende Ausbildung zu erhalten, die unter den heutigen Bedingungen an Bord für Nautische Offiziere und Technische Ingenieure dringend erforderlich wäre. Da helfen auch die immer wieder ins Spiel gebrachte Schiffsmechanikerausbildung und der sogenannte Nautische Offiziersassistent nicht weiter. Es wird immer angeführt von den deutschen maritimen Bildungseinrichtungen, dass für Schiffsingenieure eine praxisbezogene Bordausbildung unabdingbar ist. Deswegen wurde das Praktikantenmodell für Ingenieure von diesen auch abgelehnt. Da stimmt der Autor ohne Einschränkungen zu. Allerdings stellt sich die Frage: Wieso wird auf praxisbezogene Bordausbildung bei Nautikern nicht so klar und unmissverständlich Wert gelegt? Und warum wird der Nautische Offizierspraktikant etabliert? Nautische Offiziere sind die künftigen Kapitäne. Und wenn es sich bei den verantwortlichen Gremien, zuständig für die Ausbildungsprofile an den deutschen maritimen Bildungseinrichtungen noch nicht herumgesprochen hat, also auch bei VDR und Ver.di. Die Verantwortung eines Kapitäns, ist mit der eines Chief Ingenieurs absolut nicht zu vergleichen. Auch wenn manche Lehrstuhlinhaber der ingenieurtechnischen Bereiche an maritimen Fach-und Hochschulen das etwas differenzierter sehen, um es höflich zu umschreiben. Das Rüstzeug für einen Kapitän setzt ein Vielfaches mehr voraus, als nur von A nach B zu fahren, nämlich ein äußerst umfangreiches vielseitiges naturwissenschaftliches, nautisch-technisches und rechtliches Wissen in den verschiedensten Bereichen, was es ihm ermöglicht die Entscheidungen zu treffen, die ihm durch nationale und internationale verbindliche Rechtsvorschriften an die Hand gegeben werden. Mit einem Schnellen Brüter kommt man da nicht weiter, da ist Solidität gefragt. Das hat nichts mit Überbewertung des Nautikers zu tun, sondern mit den realistischen Management-Gegebenheiten und dem dafür unbedingt notwendigen Durchsetzungsvermögen, auch im Notfall gegenüber der eigenen Reederei. Entscheidungskompetenz und Durchsetzungsvermögen setzt WISSEN voraus. Also die Fähigkeit Entscheidungen auf Basis fachlicher und sachlicher Analysen zu treffen, die bereichsübergreifend getroffen werden. In diese Position und Situation werden Schiffsingenieure nie kommen, was keineswegs ihre fachliche Qualifikation schmälern soll. Die ist zweifellos sehr gut.

Ein hohes Ausbildungsniveau in der maritimen Ausbildung ist allein schon den permanenten Änderungen und Neuregelungen in der internationalen Schifffahrt geschuldet, die sich besonders in den Umweltstandards dokumentieren. Alle Versuche etwas anderes hinein zu deuten, bedeutet die bestehenden Realitäten zu verniedlichen und den internationalen Anforderungen nicht Rechnung zu tragen. Eine 2-jährige Fachschulausbildung dann auch noch in Deutschland als Ingenieursausbildung zu titulieren ist die Krone bildungspolitischer Mittelmäßigkeit. Ausgerufen durch die verantwortlichen maritimen Bildungskünstler, also genau jenen „Fachleuten“, die die Einführung der STCW 95 (Standards for Training, Watchkeeping and Certification 1995) vehement befürworteten, obwohl die berufsständischen Verbände der Einführung von STCW 95 äußerst skeptisch gegenüber standen. Aus deren fachlicher Sicht allzu verständlich. Jene politischen „Experten“, die es ermöglicht haben, dass hohe fachliche Qualifikationsstandards, wie in etlichen europäischen Staaten vorhanden waren, abgesenkt werden mussten, um den 3. Weltseefahrernationen entgegen zu kommen, hatten überhaupt nicht begriffen, welche Auswirkungen dies für Europa haben wird. Ein Schelm wer Böses denkt.

2 Jahre Fachschulausbildung in der Seefahrt. Ein ganz schlechter Witz, bei der Komplexität der Berufsbilder an Bord. Da müssen im Hotelgewerbe schon mehr Jahre an Berufsschulausbildung, die nichts anderes als eine Fachschulausbildung ist, eingebracht werden, um ein Facharbeiterzeugnis zu erhalten.

Das inzwischen so viel beschworene E-Learning ist eine tolle Idee, aber eben nur zusätzliches Hilfsmittel. Abgesehen von den Entwicklungskosten der E-Learning Programme, die sich jedoch auch in Grenzen halten, wenn es auf eine große Flotte bezogen wird, eine PREISWERTE Alternative.

Durch einige Schifffahrtsunternehmen praktizierte, für neueingestellte Offizieren und Ingenieure entwickelte QHSE-Selbstfindungserfahrungen an Hand von vorgegebenen Prüfungstexten, die an Bord abgearbeitet werden müssen, dabei weder didaktische, noch methodische Logik erkennen lassen und sich auf Klippschulniveau begeben, was in einer Auswendiglerntherapie und Abschreibarbeit gipfelt, sind rein ausbildungstechnisch gesehen motivationsfeindlich und erfüllen nicht im Ansatz den gewünschten Effekt.

 

Kadettenprogramme gerade für Seeleute der 3. Welt, die alle angeblich eine maritime Collegeausbildung absolviert haben, haben dem Autor wiederholt gezeigt, dass sie nur bedingt praxistauglich sind und dabei wurde die Frage aufgeworfen, welche Bildungspläne an solchen Bildungseinrichtungen Standard sind. Hier bezieht sich der Autor besonders auf die nautische Collegeausbildung.

Interessant wird vor allem das Argument von Crew Managern, die sich dann aufplustern und vehement die Forcierung der Ausbildung an Bord zur Beseitigung bestehender Ausbildungs- und fachlicher Defizite der Kadetten durch Senior Offiziere/ Ingenieure und Kapitäne zur Chefsache erklären. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass Grundlage jeder praktischen Ausbildung an Bord, vorhandenes, an Bildungseinrichtungen erlangtes theoretisches Wissen ist. Oder anders formuliert, der Kadett der an Bord kommt, um sein praktisches Ausbildungsprogramm zu absolvieren, sollte schon eine fachliche Vorbildung aufweisen, die ihn dazu befähigt seine Praktikumsaufgabe zu erfüllen und zu wissen, um was es eigentlich an Bord geht. Die viele Jahre erlebte Kadettenausbildungspraxis an Bord darf mit berechtigter Kritik darauf hinweisen, dass Wunschdenken von Crewmanagern und vorherrschende Realität um Welten auseinanderliegen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Kadetten mit absolut unzureichenden Vorkenntnissen an Bord kommen. Es kann nicht die Aufgabe von Offizieren und Ingenieuren an Bord sein die Aufgabe der Bildungseinrichtungen zu erfüllen. Dazu ist schlicht das Aufgabenspektrum der Kapitäne/ Offiziere/ Ingenieure im Schiffsbetrieb an Bord zu umfangreich. Und es bildet die Hauptaufgabe der Tätigkeit an Bord. Das heißt jedoch nicht, dass Kadetten in ihren Praktikumseinsätzen an Bord durch das Führungspersonal an Bord ignoriert oder vernachlässigt werden. Absolut nicht, um eventuellen Missverständnissen zu begegnen. Die Praktikumsprogramme haben unter der Anleitung des erfahrenen Bordpersonals umgesetzt und auch überwacht zu werden. Aber nochmals, das Grundlagenwissen hat der Kadett mitzubringen, um es dann an Bord in praktische Fertigkeiten und zusätzlichen Erfahrungsgewinn umzusetzen. Erst dann ist eine wirklich effektive Praktikumszeit an Bord garantiert, die dem Kadetten auch wirklich weiterhilft in seiner Entwicklung. Der Autor hat als Senior Officer und Kapitän immer Kadettenprogramme im Interesse der Kadetten gefördert und unterstützt und damit klare Forderungen und Erwartungen an die Kadetten ausgegeben, die unmissverständlich auf Leistungsbereitschaft und den Willen maximalen Erkenntnisgewinn aus ihrem Bordpraktikum für ihre künftige berufliche Entwicklung zu erlangen, fußten.

Überall in der Ausbildung gibt es nur noch ein allgemein verbindliches Kriterium, es soll so wenig wie möglich kosten.

Aus der Sicht des Autors eine fatale Entwicklung und die trägt nicht dazu bei die Sicherheit zu erhöhen.

Wenn Kapitäne nachts auf die Brücke gehen, um ihren Junior-Offizieren sehr genau über die Schulter zu schauen, weil sie die Erfahrung machen durften, dass deren Interpretation von Wachdurchführung gemäß geltender Regeln eine fast grenzenlose Selbstüberschätzung und Auslegung erfährt und erhebliche Zweifel an ihre Fachkompetenz aufwirft, spätestens dann ist in diesem Ausbildungskonzept etwas falsch gelaufen. Was uns heut im internationalen Seeverkehr auf den Weltmeeren, in den Küstengewässern und Meerengen begegnet, was wir heut tagtäglich erleben, auch bei renommierten Reedereien bei Begegnungs-, Überhol-, Ausweichmanövern bei kreuzenden Kursen ist haarsträubend. Da bekommt der Begriff Geisterfahrer eine neue Dimension. Wenn das Fahren bei verminderter Sicht einem „Mensch Ärgere dich nicht“ Prinzip gleichkommt und Wachoffiziere im großen Stil nachweisen, dass sie nur sehr limitierte Kenntnisse geltender internationaler Kollisionsverhütungsvorschriften besitzen, von Anwendung wagt der Autor gar nicht zu sprechen, dann muss etwas am System falsch sein und bedarf schleunigst Korrekturen. Sie denken der Autor übertreibt maßlos in seinen Ausführungen? Nein – es ist eher noch eine Untertreibung und die wird noch absolut pervertiert durch die Vorgabe von Crew Agenturen, dass z. B. für die Anstellung von Kapitänen Alterslimitierungen bis 55 Lebensjahren vorgegeben werden. Eine neue Form der Diskriminierung. Dabei sind sie die Erfahrungsträger und in der Regel hervorragend ausgebildet, weil noch ALTE SCHULE.

Und erstklassige fachliche Qualifizierung kostet nun einmal ein wenig mehr. Vollkommen zu Recht. Der Autor gibt zu, das ist alles sehr hypothetisch und läuft an den derzeitigen vorherrschenden Marktbedingungen vorbei. Aber auch solche Gedanken sollten gedacht werden dürfen, denn ganz so abwegig sind sie nicht.

Und noch ein Gedanke muss ins Feld geführt werden, weil er auf ein Dilemma in der deutschen Seeschifffahrt hinweist. Die deutsche Ausbildungsförderung ist vom Grundsatz her eine begrüßenswerte Idee. Allerdings stellt sich die berechtigte Frage, wieso ausgerechnet die deutsche Seeschifffahrt mit Finanzhilfen für die Ausbildungsförderung per Gesetzgebung förmlich überhäuft wird, wo doch deutsche Reeder, Schiffeigner und Managementgesellschaften noch nicht einmal bereit sind dem maritimen Nachwuchs die Möglichkeit zu geben ihre Patente auf Schiffen unter deutscher Flagge auszufahren und die Schiffsmechaniker sogar nach Plänen des Bundesverkehrsministeriums komplett aus der Schiffsbesetzungsverordnung verschwinden sollen. Welche Motivation soll das Auslösen beim künftigen deutschen maritimen Nachwuchs?

Ebenso muss ganz konkret hinterfragt werden, wo eigentlich das Interesse der deutschen Seeschifffahrt in der Ausbildung des eigenen Nachwuchses liegt? Wo ist die Übernahme eigener Initiativen und Verantwortung durch die deutschen Schifffahrtsunternehmen, dem maritimen Nachwuchs aus eigenem Antrieb heraus bestmögliche Ausbildungsvoraussetzungen zu schaffen und nicht erst auf den großen Spendenhahn deutscher Steuerzahler zu warten? Immer mit der hinhaltenden Begründung man wäre in der internationalen Seeschifffahrt nicht konkurrenzfähig Es ist ein unumstößlicher Fakt, ohne, durch die von der Bundesregierung gewährte Ausbildungsförderungsrichtlinie für die deutsche Seeschifffahrt würde gar nichts in der deutschen maritimen Nachwuchsgewinnung und Ausbildung passieren. Das ist die Wahrheit.

Merkwürdigerweise zaubern deutsche Schifffahrtsunternehmen erhebliche finanzielle Mittel aus ihrem Hut, wenn es darum geht maritime Ausbildungsstätten in Asien aus dem Boden zu stampfen, um sich billiges Seepersonal heranzuzüchten, deren Ausbildungsstand sich an den Minimumerfordernissen von STCW 95/ Manila 2010 orientiert, mit denen dann deutschen und europäischen Seeleuten Konkurrenz gemacht wird,.

Um das ebenfalls in das rechte Licht zu rücken. Der Autor begrüßt die internationale Standardisierung in der maritimen Ausbildung. Sie ergibt Sinn, allerdings begrüßt er nicht die damit einhergehende Absenkung des Bildungsniveaus, weil es aus seiner Sicht der falsche Weg ist, wie weiter oben im Kapitel schon angesprochen wurde. Doch es muss noch einmal mit Nachdruck auf die Stellungnahme des VDR e.V. zu den Leitlinien der Europäischen Kommission von 2012 im vorangegangenen Kapitel verwiesen werden. Die genau zu diesem Punkt in ihrer Deutlichkeit nicht zu übertreffen ist und die Marschrichtung im maritimen Ausbildungszirkus vorgibt.

Wir müssen uns der Frage stellen, was das marktwirtschaftliche Regulativ Schifffahrtsförderung darstellt, wenn eine Branche darauf abzielt, dass ihr Überleben nur durch Subventionen und Steuererlässe gesichert ist. Zumindest nach deren Darstellung. Darin schließe ich ebenso die asiatischen Subventionsarten ein. Während Manager und Vorstände, nicht nur von Schifffahrtsunternehmen, gebetsmühlenhaft beten, dass sich die Politik aus der Wirtschaft herauszuhalten hat, fordern sie gleichzeitig permanent die Wirtschaft zu Lasten der einheimischen Steuerzahler zu subventionieren und Steuererlässe zu kreieren, die sie von der Steuerpflicht entbinden sollen. Was ist das für eine freie marktwirtschaftliche Konkurrenz, die nur durch den Subventionstropf am Leben erhalten wird? Freie Marktwirtschaft sieht auch nach wirtschaftswissenschaftlichem Verständnis anders aus. Wo finden wir die soziale Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen und den Mitarbeitern?