Magisches Kompendium - Alchemie

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Aus der Reihe: MAGISCHES KOMPENDIUM #12
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In Bezug auf das Lebenselixier muss man diesen Gedanken im Hinterkopf behalten, denn selbstverständlich gab es auch hier Charaktere, die das alchemistische Geheimnis in Profit verwandeln wollten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die verschiedenen Inhaltsstoffe – die zum Teil Namen wie „Geheimes Salzfeuer“, „philosophischer Merkur“, „Metallsamen“, „fermentierenden Kräften“ und „Weingeist der Adepten“ trugen – durch Allgemeinwissen nicht ohne Weiteres entschlüsselt werden konnten. Man konnte zwar raten, was es für Substanzen waren - philosophischer Merkur kann reines Quecksilber aber auch ein Quecksilbersalz sein -, doch ist Raten keine gute Idee, wenn man exakte Werte bzw. Ergebnisse erzielen will. Ferner ging es natürlich auch darum, dass die verwendeten Stoffe auch den korrekten energetischen Charakter trugen, sodass, wenn Metalle wie Blei, Zinn, Eisen, Gold, Kupfer, Quecksilber und Silber aufgelöst oder mit anderen Substanzen zusammengebracht wurden, auch die archetypische Planetenenergie transportiert werden. Gleiches galt auf für Edelsteine, die wieder verarbeitet und zum Teil auch aufgelöst wurden. In der Alchemie spielte daher nicht nur das exakte Reagenz eine wichtige Rolle, sondern auch der Zustand des Alchemisten, der seine innere Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele beherrschen konnte.

Und selbst wenn man die korrekten Substanzen und auch das nötige spirituell-energetische Wissen besaß, musste man zusätzlich den Gebrauch der Laborgerätschaften meistern. Auch hier wurden blumige und metaphorische Bezeichnungen gewählt, was eine erneute Codierung oder Verkomplizierung ergab. Man muss hierbei berücksichtigen, dass die falsche Verwendung eines Laborgerätes – falscher Kolben, falscher Filter, Destillationsapparatur etc. erneut das Endprodukt verfälschen oder auch vernichten konnte. Dies ist heute wie damals ein aktuelles Thema. Man kann und darf nicht einfach nach gut dünken seine Materialien auswählen – genau deswegen gibt es ja so viele komplizierte Laborgeräte aus Glas und Plastik. Selbst wenn man feste Stoffe mischt oder sie zerreibt, muss man schauen, ob man einen Mörser aus Metall, als Porzellan, aus Stein oder aus Plastik verwendet, da manche Stoffe mit Mörsern und Pistillen reagieren können. Ein weiterer Umstand waren bestimmte Planetenkonstellationen, wobei es hier auch wieder um die energetischen Faktoren der Archetypen, der Himmelskörper ging, und nicht um die materiellen Himmelsgiganten. Wie immer ist hier der Protagonist der Brennpunkt, und wenn dieser für sich entschlossen hat, dass der Mond nur ein toter Gesteinsbrocken ist, wird er ein anders Ergebnis bei zunehmenden Mond erzeugen, als jemand, der für sich überzeugt ist, dass die Mondphasen eine große Bedeutung und auch Einfluss auf magische Arbeiten haben.

Man sieht also, dass das Lebenselixier oder auch das trinkbare Gold, für die Alchemisten keine Kleinigkeit war. Es war eines der wichtigsten Zielpunkt der Alchemie selbst, auch wenn dieser Zielpunkt viele Namen hatte und zum Teil abenteuerliche Verknüpfungen und Erklärungen anbot. Eine Vokabel, die auch immer wieder mit dem Lebenselixier in Zusammenhang steht, ist „Alkahest“ oder auch „Alcahest“. Hierbei handelt es sich auf der einen Seite um ein hypothetisches Lösungsmittel, das alles lösen kann und daher universell einzusetzen ist und auf der anderen Seite um das Lebenselixier selbst.

Bei dem Begriff „Alkahest“ handelt es sich wahrscheinlich um ein Kunstwort, welches von Philippus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim (Paracelsus) möglicherweise erfunden wurde und sich primär auf den Stoff „Sal Alkali“ (latinisierte Form des arabischen Wortes al-qalya, was man lapidar mit Pottasche übersetzen kann) bezieht, was – in Bezug auf Paracelsus – meist Kaliumcarbonat K2CO3 (was auch mit Pottasche immer noch betitelt wird), gelöst in Alkohol, war. Aus heutiger und chemischer Sicht muss man sagen, dass es sich hierbei um Substanzen handelt, die mit Wasser eine alkalische Lösung – also eine Lauge (PH >7,5) bilden. Hierbei besitzen diese Stoffe die Charakteristika, dass sie eine Wasser- oder Alkohollöslichkeit besitzen, sich mit Säuren, Salzen, Fetten, fetten Ölen chemisch zu verbinden und u. a. via Verseifung Seife und Glycerin entstehen lassen und auf organische Produkte (egal ob pflanzlich, tierisch oder menschlich) einen eher verätzenden Charakter haben. Im Mittelalter hingegen wurde die Substanz als „Alleslöser“ oder auch „Allesauflöser“ gesehen, sodass man im Grunde das Alkahest überhaupt nicht lagern konnte – es wurde schließlich, in der Vorstellung der Alchemisten, alles aufgelöst, auch das Lagerungsgefäß. Dies wurde später natürlich etwas verifiziert, sodass man sagte, dass das Alkahest die chemische Substanz in die Elemente auflöst, aus denen die jeweiligen Stoffe bestehen (hierbei sind nicht die klassischen fünf Elemente Äther, Feuer, Wasser, Luft und Erde gemeint). Ferner wurde nicht immer Kaliumcarbonat verwendet. Paracelsus z. B. verwendete ein Gemisch aus Calciumoxid (CaO), Alkohol (C2H5OH) und Calciumcarbonat (CaCO3), wobei auch diese Mischung unter chemischen Gesichtspunkten der Zusammenfassung „Alkahest“ zuzuordnen ist. Doch auch wenn Alkahest Stoffe oder „Körper“ auflösen kann, so würde das Alkahest niemals den Kern oder den Samen des jeweiligen Stoffes / Körpers auflösen. Hierdurch bleibt die Quintessenz der jeweiligen Substanz, die sich dann zu einem Salz formen würde – aus Gold würde dann ein Goldsalz werden.

Durch diese Idee schwang sich das Alkahest nicht nur zu einem universalen Lösungsmittel auf, sondern auch zu einer Substanz, die Stoffe von etwas „Überflüssigen“ befreit. Diese Idee wurde dann natürlich sofort auf den Menschen übertragen, denn schließlich ging es in der Alchemie primär darum, dass ein unedler Geist zu einem goldenen, großmütigen Geist aufsteigt. Zwar glaubte man nicht, dass man durch einfaches Schlucken des Alkahest eine innere Reinheit und Feinheit erreichen würde (was gesundheitlich nicht so schlimm wäre, da der Stoff nur reizend ist und die letale Dosis weit über 1Kg pro Kilogramm Körpergewicht liegt), dennoch ging es darum, dass die Fähigkeit des Alkahest – „Gegenstände“ bleiben in ihrer Essenz „unverletzt“, dennoch wird der widerspenstige Teil des Körpers/Stoffe aufgelöst – absolut essenziell für das Lebenselixier war, denn wenn man es so deuten will, sind Krankheiten, Alterung und menschliche Unpässlichkeiten, nichts anders als widerspenstige Teile des Lebens.

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Sichtweisen und Grundideen der Alchemie

Nach dem nun die wichtigen Begriffe „Stein der Weisen“ und „Lebenselixier“ soweit beleuchtet wurden und auch die Alchemie in sehr groben Zügen charakterisiert wurde, will ich nun einmal etwas genauer auf die verschiedenen Sichtweisen und Grundideen der Alchemie bzw. der Selbstevolution mit Hilfe der Alchemie eingehen. Bis jetzt weiß man, dass die Alchemie ein geistiges und gleichzeitig ein physisches Kunsthandwerk darstellt, da die Arbeiten in den jeweiligen Laboratorien sehr gewissenhaft, achtsam und bewusst durchgeführt werden mussten, sodass man hier wahrlich ein Kunsthandwerk sehen kann. Ob man dieses Kunsthandwerk nun darauf münzen will, dass man den eigenen Geist veredelt, sein Leben bzw. seine Gesundheit verlängert, neue chemische Verfahren erkennt, versteht und fokussiert erarbeitet, ist erst einmal sekundär. So wie es in der heutigen Chemie unglaublich viele Bereiche gibt – mehr als 40 spezielle Bereiche, wobei man die gröbste Unterteilung in allgemeine und theoretische Chemie, anorganische und organische Chemie, Biochemie sowie physikalische und technische Chemie treffen kann – so gab es natürlich auch in der Alchemie verschiedenste Bereiche und letztlich auch Philosophien. Die Bereiche treffen sich im Umkehrschluss aber auch an gewissen Knotenpunkten, die man zusammengefasst als „Großes Werk“ beschreiben kann bzw. als „Opus Magnum“, da der deutsche Begriff „Großes Werk“ letztlich auch für das kosmische Agieren auf anderen Ebenen im dualen Spiel der Gesamtexistenz verwendet wird, muss man selbst entscheiden, welchen Begriff man favorisieren will. Das „Opus Magnum“ kann man daher in Bezug auf die Alchemie so deuten, dass der jeweilige alchemistische Zweig ihre (Haupt)Ziele erreichen wollten. Dies konnte der Stein der Weisen sein, das Lebenselixier, aber auch die Entdeckung eines neuen Stoffes, den man wiederum weiter verarbeiten kann.

Wenn man einen Alchemisten mit einem magischen Autor vergleichen will, kann man sagen, dass das jeweilige aktuelle Buchprojekt des Autos sein jeweiliges „Opus Magnum“ ist, welches für ihn selbst ein Baustein im kosmischen „Großen Werk“ ist. Aus diesem Blickwinkel kann man sagen, dass die Alchemisten wieder und wieder ihr „Opus Magnum“ erfolgreich beenden konnten, um ein weiteres „Opus Magnum“ zu beginnen.

Ähnlich muss auch der alchemistische Begriff der „ersten Materie“, des Ursprungsstoffes (Prima Materia) gedeutet werden. Auf der einen Seite ist hier wirklich etwas Materielles gemeint, ein Ausgangsstoff, aus welchem man sein gewünschtes Produkt anfertigen konnte. Da das Lebenselixier und auch der Stein der Weisen sowohl ein philosophisches wie auch materielles Projekt der Alchemie war, war z. B. die „Prima Materia“ für beide Operationen / Werke der Ausgangspunkt. Gleichzeitig war die „Prima Materia“ aber auch eine Verbildlichung der aristotelischen Entelechie. Entelechie bedeutet so viel wie „in Ziel von“ oder „in Ziel haben/halten“ und bezieht sich auf ein philosophisches Prinzip, welches jedem Stoff eine „Urform“ oder eine „Urinformation“ / „Urschwingung“ zuschreibt. Wenn es um ein lebendes Objekt geht, wäre die Lebenskraft oder der Evolutionswille, der Begriff den man mit dem Wort „Entelechie“ beschreiben kann, da die Entelechie die Entwicklung und auch die Vollendung des jeweiligen „Objektes“ bewirkt. Im weit gefassten Sinn, kann man hier auch das Konzept des wahren Willens und des kosmischen Seins erkennen. Entelechie besagt also, dass jedes Ding – egal, ob anorganisch oder organisch – seine Zieleigenschaft oder den Drang der Vollendung bereits in sich trägt. Der Wille der Natur oder der Pflanzen, zu wachsen und sich zu vermehren, sodass die Art erhalten bleibt, könnte auch mit der Vokabel „Entelechie“ umschrieben werden. Natürlich spielt hier auch wieder die Vier-Elementen-Lehre eine essenzielle Rolle, genauso wie das Konzept des Äthers, der Quintessenz und des unbestimmbaren Urstoffes.

 

Da man die Alchemie nicht als abgeschlossene oder umschlossene Lehre sehen darf, muss man auch stets berücksichtigen, dass verschiedene Strömungen einen gewissen Einfluss hatten. Hierbei spielen auch die jeweiligen Panthea der verschiedenen Kulturen (römisches, griechisches, ägyptisches Pantheon etc.) eine wichtige Rolle, da hier immer wieder Helden, Mythen und Sagen übernommen und adaptiert wurden. Speziell ist hier die Figur des „Hermes Trismegistos“ zu nennen, aber auch die Mythen um Isis und Osiris sowie die verschiedenen Göttersagen der griechischen Welt. Hierbei muss Hermes Trismegistos (dreimal größter Hermes) jedoch etwas stärker beäugt werden, da er für die Alchemie einen sehr wichtigen Part verkörpert bzw. – nach weitverbreiteter Meinung – ein Werk geschaffen hat, welches die Geheimnisse und das Wissen der verschiedenen übersinnlichen Welten beinhaltet. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Tabula Smaragdina, welche Hermes Trismegistos direkt zugesprochen wird. Zwar findet man historische Spuren, die u. a. zeigen, dass das entsprechende Werk im Mittelalter verfasst wurde, doch wird dies oft damit abgetan, dass Hermes Trismegistos entweder im Mittelalter einfach eine entsprechende Inkarnation wählte oder dass die Ergebnisse falsch sind. Gleichzeitig gibt es aber auch Hinweise, dass die Texte aus den ersten Jahrhunderten stammen, wobei sie unter anderen Namen geführt wurden. Die Tabula Smaragdina ist eine Sammlung von inspirierten Texten, die sich auf die Themengebiete der Astrologie, der Medizin und der Magie beziehen, sodass sie den Alchemisten neue Ansichten präsentieren konnten und gern als „Schlüssel“ zur Herstellung des Steins der Weisen gesehen wurde. Im Grunde ist dies auch nicht falsch, da der Stein der Weisen letztlich die Selbstveredelung bzw. die Selbsterleuchtung ist.

Da die Alchemie ein riesiges Gebiet ist, welches auf die verschiedensten magischen Disziplinen, Ansichten und Philosophien zugreift, ist es nicht verwunderlich, dass man in den alchemistischen Ausführungen die Grundgedanken der babylonischen bzw. chaldäischen Astrologie findet, genauso wie der Gnosis, der Kabbalah und der rituellen Magie.

Stück für Stück wurden magische Fragmente integriert. Nicht alle wurden bis zum Schluss verwendet. Zwar wird in der Alchemie auch rituell gearbeitet, doch ist hier u. a. auch die Laborarbeit gemeint. Die prachtvolle Robe wurde eher durch einen Laborkittel ersetzt – was nicht immer verkehrt ist, da weite Ärmel wirklich schnell Feuer fangen können. Was jedoch ein roter Faden blieb, ist der Forschungsdrang und die Neugier. Egal ob nun Alchemist, Zeremonialmagier, Hexe, Schamane oder sonst magisch interessierte Person, Neugier und Forschungsgeist sind immer vorhanden. Bei den Alchemisten wurde dies aber auch auf die Laborarbeit übertragen, sodass Stück für Stück die Alchemie zur aktuellen Naturwissenschaft wurde. Ob nun Chemiker, Physiker, Astronomen, Mediziner, Pharmazeuten oder Biologen – sie alle hatten im Mittelalter etwas mit der Alchemie zu tun, da diese als „ganzheitliche Wissenschaft“ verstanden wurde, welche nicht nur die Naturwissenschaft enthielt, sondern auch die Sozial- und Geisteswissenschaften. Religion, Wissenschaft und Kunst wurden in der Alchemie kombiniert und verschmolzen. Erst mit der Zeit und den jeweiligen neuen Erkenntnissen und Spezialisierungen schwand der Begriff der Alchemie als „Pansophie“ bzw. als „All-Wissenschaft“ und die einzelnen Bereiche – Mathematik, Physik, Chemie, Medizin, Pharmazie, Astronomie, Psychologie, Religion, Sozialdenken und Pädagogik – wurden forciert. Die Universalgelehrten wurden wieder zu Fachgelehrten, da die Wissensgebiete immer komplexer und komplexer wurden. Eigentlich ist dies sehr schade, denn wenn man sich die Egos der verschiedenen Wissenschaftler auf allen Gebieten anschaut, muss man deutlich sagen, dass eine „Veredelung des Geistes“ – was auch Demut und Zurückhaltung, genauso wie Selbsterkenntnis und Reflexionsvermögen bedeutet – vielen guttun würde. Eine geistige Transmutation, der Schritt in die energetische Transzendenz, würde vieles erleichtern, zumindest, wenn man immer noch mit einer großen Portion Skepsis und Selbstkritik arbeitet und nicht alle aktuell unerklärlichen Phänomene einfach einem monotheistischen Gott zurechnet.

Zwar haben auch heute einige Wissenschaftler den Wunsch, Leiden zu minimieren und den Tod so lange wie möglich zu verzögern, doch hapert es immer noch mit der Umsetzung der „Auferstehung“, die natürlich rein geistig und nicht körperlich / materiell zu suchen ist. Durch die Chance der eigenen Imaginationskraft, sodass man in sein eigenes Chaos Ordnung bringt, reift man Stück für Stück heran. Ob diese Arbeit im Labor, im OP, im Tempel oder am Schreibtisch vollzogen wird, ist hierbei irrelevant. Einige versuchen dies wirklich, andere verlassen sich darauf, dass am Ende des Monats der Gehaltsscheck ausreichend ist, um zu begründen, dass man das macht, was man macht. Schade!

Da die Alchemie also eine rein geistige Wissenschaft sein kann bzw. eine Wissenschaft, die sich sehr stark auf das eigene Selbst und somit auf die eigene Psyche bezieht, ist es ein relativ kleiner Schritt zur Psychologie, zur Psychoanalyse und zu Carl Gustav Jung. Kurz und knapp kann man hier sagen, dass C.G. Jung durch seine Forschungen, Studien und Vergleiche, die Bildsprache der Alchemie – egal, ob nun wirklich als bildhafte Kunst oder als bildhafte Sprache – erkannte und diese dann für seine Zwecke adaptierte. Die verschiedenen Allegorien und Gleichnisse der Alchemie passten natürlich sehr gut für psychische Transformationsprozesse, denn C.G. Jung erkannte recht schnell, dass die verschiedenen alchemistischen Metaphern, Darstellungen, Abbildungen, Arbeitsanweisungen und allgemeine Mythen u. a. Grundthematik der Menschlichkeit sind. Es geht um Leben, Tod, Wiedergeburt und die Vereinigung mit den eigenen höheren Fragmenten, sodass man sein Leben und seine Existenz wahrlich leben kann. Wie sehr dies alles auch mit den Träumen eines Menschen zu tun hat, muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist, dass die alchemistischen Ideen zum Teil klassische Archetypen sind, sodass man diese natürlich auch in den eigenen Träumen finden kann.

Wenn dann auch noch die Erkenntnis kommt, dass man die zum Teil bewusst rätselhaften hermetischen und alchemistischen Ausführungen mit den Archetypen und ggf. auch mit den eigenen Träumen kombinieren kann, wird man sehr tief in die eigene Mystik gehen können. Dies alles war damals ein gigantischer Schritt, wobei man sich eigentlich nach dem „Warum“ fragen muss. Wenn man sich die Prinzipien der Alchemie anschaut, wenn man diese dann auch wahrlich verstanden hat, ist man dann wirklich überrascht, dass eine Analyse des eigenen Ichs – also eine Psychoanalyse - mit den Arbeiten der Alchemie parallel läuft? Eigentlich doch nicht, oder? Gut, für C.G. Jung war es beinahe ein historischer Beweis, dass seine Methode bzw. seine Grundidee schon unter anderen Umständen verwendet wurde – egal, welche Vokabeln und Fachbegriffe verwendet wurden. Jung erkannte, dass die Imagination und die alten Texte und Bilder der Alchemisten selbstverständlich den menschlichen Geist beflügelten und er im Grunde die Urbilder und die Quintessenz der verschiedenen Archetypen hierdurch aus einem anderen Blickwinkel verstehen konnte.

C.G. Jung sah die Alchemie als spirituelle Unterströmung des Christentums, was jedoch falsch ist. Sicher, die europäische Alchemie hat viele christliche Elemente erhalten, da Europa eben christlich war und (noch) ist. Doch es wäre vollkommen falsch, wenn man die Alchemie nur auf Europa bezieht und den Orient sowie Asien vollkommen missachtet. Hierzu ist die Alchemie viel zu wertvoll, da diese magische und wissenschaftliche Disziplin wahrlich ein Schatzhaus der Symbolik, der Erkenntnis und auch der Erfindung war. Doch auch wenn dieser Punkt von Jung falsch eingeschätzt oder betitelt wurde, erkannte er dennoch, dass die Alchemie sehr eng mit der Psyche des Menschen verbunden ist. Warum dennoch die Alchemie einen so schlechten Ruf (immer noch) hat, ist fraglich. Die „Blei-zu-Gold-Thematik“ wird gigantisch aufgeblasen, sodass alle anderen Errungenschaften verdeckt werden. Schade!

Jung war hier zum Glück reflektierter, da er in seinen verschiedenen Analysen auch immer wieder die Traumbilder des Menschen mit den archetypischen Bildern und Darstellungen der Alchemie verglich. Stück für Stück wurden hierdurch historische Entsprechung und Arbeitsweisen der Alchemisten auf die Ebene der individuellen Persönlichkeitsreifung gehoben, sodass man weitere Erklärungsmodelle erschaffen konnte. Jung deutete es so, dass es im Menschen unbewusste Identitäten gab, welche man mit den Stoffen des Alchemisten vergleichen konnte. Durch sorgsame Arbeit und Selbsterkenntnis, konnten diese Stoffe bzw. diese Identitäten zu einer Ganzheit, zu einem „Stein der Weisen“ erschlossen werden.

Mit Hilfe der Alchemie konnte C. G. Jung sehr gut die sogenannte „Psychologie der Übertragung“ veranschaulichen, da er hierzu verschiedene alchemistische Sinnbilder verwendete, um entsprechende Handlungsschablonen bzw. bekannte Begrifflichkeiten zu gebrauchen. Dies war ein sehr passender Schritt, denn natürlich gibt es in der Alchemie und in der Psychologie Vereinigungs- und Trennungsvorgänge. Die Analyse solcher Vorgänge können essenzielle Erkenntnisse auslösen, Erkenntnisse, die sich auf die Alchemie und auch auf die Psychologie beziehen. Zwischenmenschliche Beziehungen und alchemistische Reaktionen sind nicht so unterschiedlich, wie man es manchmal glauben mag. Oft sind zwischenmenschliche Interaktionen wie eine Reaktionsgleichung zu betrachten, welche man auflösen / aufschlüsseln kann, um das jeweilige Produkt / Ergebnis vollkommen zu verstehen. Wenn man allein durch die Beobachtung einer menschlichen Interaktion auf die Charaktere der beiden Protagonisten schließen kann – und nichts anderes war es, wenn man die Metapher der Reaktionsgleichung verwendet – ist dies ein wertvolles Erkenntniswerkzeug für den Alltag (und für die Arbeit, wenn man wie C.G. Jung arbeitet).

C.G. Jung verwendete zum Teil auch die alchemistischen Farbzuordnungen, welche in der Alchemie für bestimmte Arbeitsschritte und Substanzen standen, für Jung selbst aber die Lebensstufen oder –abschnitte eines Menschen charakterisieren konnte. Es ging im Speziellen um die Schwärzung (Nigredo), die Weißung (Albedo), die Gelbung (Citrinitas) und die Rötung (Rubedo). Natürlich ist hier die „Schwärzung“ der Ausgangspunkt, es ist die Ursubstanz, die Prima Materia. Wenn man so will, ist dies der normale Mensch, der in den Tag hinein lebet, ohne zu wissen oder auch nur zu ahnen, warum erlebt bzw. was seine Aufgabe in dieser Inkarnation ist. Durch den alchemistischen Prozess der Waschung bzw. der Abwaschung, wird eine Transformation vollzogen, sodass eine Weißung einsetzt. Wenn man so will, kann man diesen Schritt als Selbsterkenntnis und Selbstreflexion erkennen, die zum Teil mit einer gewissen „inneren Erleuchtung“ vonstattengeht.

Aus der Weißung heraus können sich alle Farben ergeben – im alchemistischen Sinne wird hier vom Pfauenschwanz gesprochen, vom „Cauda Pavonis“. Es ist ein Zustand der Reinheit. Gleichzeitig beinhaltet dieser Zustand aber auch alle anderen Farben, da Weiß letztlich alle Farben beinhaltet. Nach der Weißung – die auch als ein Erreichen des Silber- oder Mondzustandes beschrieben wird – wird aber der Fall in die Nacht kommen. Im magischen Sinne natürlich der Mors Mystica, sodass der Mensch in seinen Grundfesten erschüttert und zum Teil auch vollkommen zerlegt wird. Es ist der Zustand der Nacht, welchen man auch manchmal als (geistige) Umnachtung deuten kann. Doch nach jeder Nacht erfolgt auch die Dämmerung, das Aufgehen der Sonne. Ob man diese Dämmerung nun als „goldene Dämmerung“ oder als „Morgenröte“ definieren will, ist im Grunde sekundär. Fakt ist, dass ein neuer Mensch geboren wurde, der eine echte Transformation durchlebt hat. Er ist der Phönix, der aus seiner Asche emporsteigen kann, er ist der Mensch, der für sich die Königswürde annehmen kann, als König oder Königin über sich zu regieren.

 

Die Alchemie deutet das Weiße und auch das Rote als Symbol des Herrschertums – egal, ob diese Herrschaft nun von einem König oder einer Königin ausgeht, da letztlich die chymischen Hochzeit (eine energetische Hoch-Zeit) der Zielpunkt ist.

Natürlich ist die chymischen Hochzeit das Erreichen eines echten Idealzustandes. Die Praxis sieht hier natürlich oft anders aus. Der Mensch stellt sich gern selbst ein Bein, egal, ob es nun rein gedanklich und fiktiv oder auch materiell ist. Materiell? Wie soll man sich denn selbst ein Bein stellen? Das ist ja so, als ob man sich vergiften würde! Stimmt! Als ob man sich vergiften würde, z. B. mit Quecksilber. Die Alchimisten arbeiteten und experimentierten sehr viel mit Quecksilber, da sie bei ihren Untersuchungen davon ausgingen, dass dieses Element eine der essenziellen Grundlagen für den Stein der Weisen war. Daher wurde das Element Quecksilber auch sehr schnell selbst zu einem „magischen Ingredienz“, obwohl die Giftigkeit des Quecksilbers und dessen Dämpfe sehr gefährlich waren. Viele starben an den Folgen der Vergiftungen, die wirklich nicht schön sind. Dieser Umstand bescherte der Alchemie einen gewissen „gefährlichen Ruf“ und den Alchemisten einen kleinen Helden- oder auch Narrenstatus – je nachdem, was für ein Blickwinkel eingenommen wurde.

Da die Alchemie im Grunde die gesamte Naturwissenschaft, Teile der Geisteswissenschaft und auch Fragmente der Sozialwissenschaft beinhaltete, war es nicht einfach, die Alchemie „kurz und bündig“ zu erklären, da es immer wieder Bereiche, Disziplinen und Abteilungen gab, die sehr spezifisch arbeiteten. Manchmal ist die Alchemie wirklich die mittelalterliche Chemie und Pharmazie, dann ist es aber auch die Astrologie und die Physik, die Mathematik und Biologie, aber auch die Religion, die Psychologie und die Soziologie. Natürlich hatte die damalige Zeit sehr viel Kurioses zu bieten, dennoch waren die Grundideen klar formuliert und durch den unermüdlichen Forschungsgeist und den neugierigen Wissensdurst, wurden sehr viele Entdeckungen gemacht, die der gesamten Menschheit dienten.

Dass man hier manchmal auch einen falschen Weg einschlagen konnte und sich auch manchmal in bestimmten Dingen verrannte, lag u. a. daran, dass der Wissensstand auf einem anderen Niveau als heute war, bzw. dass die Möglichkeiten der Erkenntnis, der Beweisführung und der peniblen Erforschung einfach nicht in diesem Ausmaß vorhanden waren, wie sie es heute sind. Daher ist es verständlich und auch nachvollziehbar, dass der Gedanke früher existierte, dass man „neue Stoffe“ – also auch Gold – erschaffen konnte, indem man zwei oder mehr Komponenten reagieren ließ.

Dass dies nicht die chemische Realität zu 100% widerspiegelt, war damals einfach nicht bekannt. Chemische Prozesse funktionieren nicht einfach dadurch, dass man Substanz „A“ mit Substanz „B“ mischt und sich ggf. eine Farbveränderung einstellt, sodass man plötzlich einen vollkommen neuen Stoff oder sogar ein vollkommen neues Element hat. Dieser Glaube wurde dann natürlich auch auf die Adligen und Könige übertragen, sodass es ein logischer Schritt für den Glauben der damaligen Zeit war, dass man aus Substanz X auch echtes Gold erschaffen konnte. Wer von der Philosophie, der Alchemie, Ahnung hatte und sich dazu auch noch mit den naturwissenschaftlichen Dingen auskannte, erkannte sehr schnell, dass dieser Glaube, dass man einfach nur Substanzen mischen musste, ein Irrglaube war. Wer mehr auf Schein als auf Sein baute, der mischte fleißig irgendwelche Stoffe und hoffte auf bunte Farben.

Da Quecksilber, Schwefel und Salz für die Alchemie essenziell waren, wurden diese Stoffe sehr oft (oder auch so gut wie immer) für diese wilden Mixturen verwendet. Einige von den unwissenden Alchemisten versuchten auch wirklich im Labor Steine (in Bezug auf „Stein der Weisen“) zu formen bzw. diese zu gießen und zu erschaffen.

Offensichtlich wurden hier die anderen Namen des „Steins der Weisen“ wie „rote Tinktur“ vergessen und es wurde sich auf das Wort „Stein“ konzentriert oder auf „Lapis philosophorum“, wobei hier dann der reale Stein „Lapislazuli / Lapis Lazuli“ den Gedanken als Bildgeber diente.

Doch die meisten Alchemisten verstanden, dass der „Stein der Weisen“ eine Tinktur oder auch ein Pulver sein konnte und dass die Bezeichnung „Stein“ sich auch auf die Härte bzw. die Unnachgiebigkeit bezog – egal ob es um den Alchemisten selbst ging oder um die Laborgeräte, die, in Bezug auf Hitze und Feuer, unnachgiebig wie ein Stein sein mussten. Da es in der Alchemie – so wie auch z. Z. in der literarischen und praktischen Magie – immer wieder Scharlatane, Besserwisser, Heuchler, Aufschneider, Künstler, Gelehrte, Weise und auch Genies gab, muss man immer schauen, welche Schriften man gerade studiert und wie tief der jeweilige Autor im Fachgebiet der Alchemie beheimatet war. Es ist die typische, literarische „Magiekrankheit“. Der eine Autor schreibt vom anderen ab, der auch wiederum von jemanden abgekupfert hat, bis man schließlich zu einem Magier und Autor kommt, der seine Theorie auf praktische Versuche und Untersuchungen aufbaute, sodass man seinen Ausführungen selbstständig folgen konnte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass man unendlich viele Meinungen über die Alchemie findet, jedoch nicht ganz so viel Ahnung. Während der eine über den Stein der Weisen und die Alchemie als potenzielle Geld- und Machtquelle schrieb, fokussierte sich der andere auf die naturwissenschaftlichen Experimente und der dritte Autor auf die Philosophie und die alchemistische Gnosis. Daher sollte es immer reflektiert werden, wenn die Alchemisten mit einer „Goldgeilheit“ und einer „Raffsucht“ in Verbindung gebracht werden. Sicher, Gold war schon immer ein beliebtes, seltenes und auch wertvolles Material.

Dieser „besondere“ oder auch „göttliche“ Glanz und die doch sehr spezifischen Eigenschaften – Gold rostet nicht bzw. es verwittert nicht wie andere Metalle und zeigt daher keine echten Alterungserscheinungen – machten das Gold natürlich zu einem Objekt der Begierde. Mehr als nur ein paar Kriege wurden um Gold geführt (was heute das Öl ist, war damals das Gold). Da Gold also immer „rein“ oder „unangegriffen“ bleibt, war es für den Menschen ein perfektes Sinnbild für die Unsterblichkeit, die sich mit einer göttlichen Aura (dem Glanz) umgibt.

Gold war, wie verfestigtes Sonnenlicht, rein, beständig wertvoll und magisch. All dies sind winzige Indizien bzw. Erklärungen, warum auch im materiellen Sinne versucht wurde, Gold zu erschaffen. Dass das primäre Unterfangen immer noch die Verwandlung des Menschen ist, sodass sich ein unedler Charakter in einen edlen Geist transformiert, ist klar, dennoch waren die Ideen, die hinter der Umwandlung, der Transformation standen, wichtig, um neue chemische und auch physikalische Verfahren zu entwickeln bzw. hierzu Gedankenexperimente zu erschaffen.

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